Gründe:
I. In dem am Sozialgericht Nürnberg anhängig gewesenen Rechtsstreit M. K. gegen Gmünder Ersatzkasse (GEK) ist der Antragsteller
und Beschwerdeführer mit Beweisanordnung des Sozialgerichts Nürnberg vom 20.10.2005 gemäß §
106 Abs.3 Nr.5 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) zum ärztlichen Sachverständigen bestellt worden. Sein psychiatrisches Gutachten vom 18.08.2006 ist am 22.08.2006 beim Sozialgericht
Nürnberg eingegangen.
Hierfür hat der Antragsteller mit Kostennote vom 18.08.2006 insgesamt 2.170,30 EUR geltend gemacht. Für Aktenstudium, Untersuchung,
Diktat und Ausarbeitung habe er insgesamt 21,5 Stunden aufgewandt, die mit 85,00 EUR pro Stunde zu entschädigen seien (= 1.827,50
EUR). Zuzüglich Schreibgebühren, Porto, Verpackung, Sachmittel und Umsatzsteuer ergäbe sich der Gesamtbetrag von 2.170,30
EUR.
Die Kostenbeamtin hat lediglich 1.546,80 EUR als angemessen erachtet, weil die geltend gemachten 21,5 Stunden nach der Honorargruppe
M2 lediglich mit 60,00 EUR pro Stunde zu vergüten seien (= 1.290,00 EUR). Zuzüglich Nebenkosten und Umsatzsteuer ergäbe sich
die Gesamtsumme von 1.546,80 EUR.
Der Antragsteller hat mit Schreiben vom 28.09.2006 Antrag auf richterliche Festsetzung seiner Vergütung gestellt. Zur Begründung
ist vor allem geltend gemacht worden, dass es für die Beantwortung der Fragestellung eines herausgehobenen Wissens um die
Äthiopathogenese, den Verlauf, die Diagnostik und die Therapie eines Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätssyndroms (ADHS)
von der Jugend bis ins Erwachsenenalter hinein bedurft habe. Ohne eine fundierte Kenntnis darüber wäre das Gutachten nicht
mit der hierfür erforderlichen Qualität zu erstatten gewesen. Daraus rechtfertige sich ohne Weiteres die Einordnung in die
Kategorie M3 (= 85,00 EUR pro Stunde).
Das Sozialgericht Nürnberg hat die Entschädigung des Antragstellers mit Beschluss vom 16.04.2007 - S 7 KR 43/04 KO - auf 1.546,80 EUR festgesetzt. Die Vergütung errechne sich wie folgt:
Aktenstudium, Untersuchung, Diktat und Ausarbeitung insgesamt 21,5 Stunden x Honorarsatz (M2) á 60,00 EUR =
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1.290,00 EUR
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Schreibgebühren für Original für angefallene 1.000 Anschläge 0,75 EUR (52.000 Anschläge)
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39,00 EUR
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Porto
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4,45 EUR
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Zwischensumme
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1.333,45 EUR
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Umsatzsteuer 16 %
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213,35 EUR
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insgesamt
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1.546,80 EUR
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Der Antragsteller und hiesige Beschwerdeführer hat mit Schriftsatz vom 22.05.2007 hervorgehoben, das Sozialgericht Nürnberg
habe auf S.3 seines Beschlusses ausgeführt, dass die Honorargruppe M3 dann maßgeblich sei, wenn es sich um ein Gutachten mit
hohem Schwierigkeitsgrad handele. Ein solcher liege vor, wenn es um die Begutachtung spezieller Kausalzusammenhänge und/oder
differenzialdiagnostischer Probleme und/oder die Beurteilung der Prognose und/oder die Beurteilung strittiger Kausalfragen
gehe. Das Gericht gehe zutreffend davon aus, dass die Voraussetzungen vorlägen, die einen hohen Schwierigkeitsgrad im Sinne
der Honorargruppe M3 begründen würden. Fälschlicherweise lehnte das Gericht jedoch die Einordnung in die Honorargruppe M3
ab, da es an der Beurteilung von Kausalzusammenhangsfragen fehle. Das Gericht übersehe dabei, dass die Beurteilung von Kausalzusammenhangsfragen
nicht zwingend notwendig für die Einordnung in die Honorargruppe M3 sei. Es reiche vielmehr aus, wenn alternativ differenzialdiagnostische
Probleme oder eine Beurteilung der Prognose erfolge. Dies sei in dem vorgelegten Gutachten geschehen, so dass in die Honorargruppe
M3 einzustufen sei. Ausweislich S.17 ff. des Gutachtens sei eine umfangreiche Differenzialdiagnostik durchgeführt worden.
Der hohe Schwierigkeitsgrad ergebe sich daraus, dass es um die Begutachtung spezieller differenzialdiagnostischer Probleme
gehe, nämlich der Frage, ob bei dem Probanden ein Aufmerksamkeitsdefizits-/Hyperaktivitätssyndrom im Erwachsenenalter vorliege.
Die Begründung des Gerichts, eine Einordnung in M3 scheide aus, da eine Beurteilung des Kausalzusammenhangs fehle, gehe an
der Sache vorbei, da dies nicht zwingende Voraussetzung für die Einordnung in die Honorargruppe M3 sei. Dies habe das Gericht
auch so gesehen, komme jedoch zu dem falschen Ergebnis.
Das Sozialgericht Nürnberg half der Beschwerde nicht ab und legte den Vorgang nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens am 18.05.2009
dem Bayerischen Landessozialgericht (BayLSG) zur Entscheidung vor.
II. Die Beschwerde des Beschwerdeführers ist gemäß § 4 Abs.3 JVEG zulässig, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00
EUR übersteigt.
Vorab wird zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß §
143 Abs.2 Satz 3
SGG auf die in allen Punkten zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts Nürnberg mit Beschluss vom 16.04.2007 Bezug genommen.
Ausweislich der beigezogenen Streitakten des Sozialgerichts Nürnberg S 7 KR 43/04 hat es sich um ein psychiatrisches Fachgutachten zur Frage des Vorliegens eines Aufmerksamkeit-/Hyperaktivitätssyndroms (ADHS)
im Erwachsenenalter gehandelt. Insoweit bestimmt § 9 Abs.1 Satz 1 JVEG, dass der Sachverständige für jede Stunde ein Honorar
in der Honorargruppe M2 von 60,00 EUR bzw. in der Honorargruppe M3 von 85,00 EUR erhält. Die Zuordnungen der Leistungen zu
einer Honorargruppe bestimmen sich nach der Anlage 1 zu § 9 Abs.1 JVEG. Dort ist normiert, dass der Honorargruppe M2 beschreibende
(Ist-Zustands) Begutachtungen nach standardisiertem Schema ohne Erörterung spezieller Kausalzusammenhänge mit einer medizinischen
Verlaufsprognose und mit durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad, insbesondere Gutachten in Verfahren nach dem Schwerbehindertengesetz
(SchwbG), zur Minderung der Erwerbsfähigkeit und zur Invalidität ... und zu neurologisch-psychologischen Fragen in Verfahren nach
der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) zuzurechnen sind.
Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad (Begutachtung spezieller Kausalzusammenhänge und/oder differenzialdiagnostischer Probleme
und/oder Beurteilung der Prognose und/oder Beurteilung strittiger Kausalitätsfragen), insbesondere Gutachten zum Kausalzusammenhang
bei problematischen Verletzungsfolgen, zu ärztlichen Behandlungsfehlern, in Verfahren nach dem Opferentschädigungsgesetz (
OEG), in Verfahren nach dem HHG, werden der Honorargruppe M3 zugeordnet.
Das BayLSG verkennt nicht, dass im Rahmen der Begutachtung auch spezielle differenzialdiagnostische Probleme zu klären gewesen
sind bzw. der Antragsteller ausweislich S.17 ff. seines Gutachtens vom 18.08.2006 eine umfangreiche Differenzialdiagnostik
durchgeführt hat. Nach dem Wortlaut der Anlage 1 zu § 9 Abs.1 JVEG kommt daher sowohl eine Zuordnung in die Honorargruppe
M2 (= 60,00 EUR pro Stunde) als auch in die Honorargruppe M3 (= 85,00 EUR pro Stunde) in Betracht.
Angesichts dessen ist ein wertender Vergleich erforderlich, welche der beiden im Streit stehenden Honorargruppen M2 oder M3
vorliegend angemessen ist. Aus dem Bereich des Sozialrechts sind nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers Gutachten
der Honorargruppe M3 nur dann zuzuordnen, wenn es sich um Gutachten zum Kausalzusammenhang bei problematischen Verletzungsfolgen,
in Verfahren nach dem
OEG und in Verfahren nach dem HHG handelt. Gleiches gilt außerdem für Gutachten zu Berufskrankheiten und zur Minderung der Erwerbstätigkeit bei besonderen
Schwierigkeiten. All diesen Regelbeispielen ist gemeinsam, dass abgesehen von wenigen Ausnahmefällen sozialgerichtliche Gutachten
grundsätzlich nur dann der Honorargruppe M3 zugeordnet werden können, wenn vor allem Ursachen- oder Kausalzusammenhänge zu
beurteilen sind.
Andere sozialrechtliche Gutachten werden grundsätzlich der Honorargruppe M2 zugeordnet, insbesondere Gutachten in Verfahren
nach dem SchwbG und zur Minderung der Erwerbsfähigkeit und zur Invalidität. Eine Zuordnung zu der Honorargruppe M1 ist in sozialgerichtlichen
Verfahren nur dann vorzunehmen, wenn es sich um eine einfache gutachtliche Beurteilung insbesondere zur Minderung der Erwerbsfähigkeit
nach einer Monoverletzung handelt.
Der wertende Vergleich vorstehend bezeichneter Regelbeispiele ergibt, dass das psychiatrische Gutachten des Antragstellers
und Beschwerdeführers vom 18.08.2006 zutreffend der Honorargruppe M2 zugeordnet worden ist. Denn es handelt sich um einen
typischen Rechtsstreit aus dem Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV); denn zwischen den Beteiligten ist die Kostenerstattung
bzw. Kostenübernahme einer ambulanten Versorgung mit Fertigarzneimitteln mit dem Wirkstoff Methylphenidat (Ritalin) im Erwachsenenalter
streitig gewesen. Fragen der Kostenübernahme einer ambulanten Versorgung mit einem bestimmten Arzneimittel sind grundsätzlich
vergleichbar mit Gutachten in Verfahren nach dem SchwbG und zur Minderung der Erwerbsfähigkeit und zur Invalitität, die wie in den überwiegenden sozialgerichtlichen Streitverfahren
der Honorargruppe M2 (= 60,00 EUR pro Stunde) zuzuordnen sind.
Das Sozialgericht Nürnberg hat daher mit Beschluss vom 16.04.2007 - S 7 KR 43/04 KO - die Entschädigung des Antragstellers zutreffend auf 1.546,80 EUR festgesetzt.
Die Entscheidung ist gemäß §
177 SGG endgültig. Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§
4 Abs.8 JVEG).
XXX Sozialgerichtliche Gutachten aus dem Bereich der geseztilchen Krankenversicherung (GKV) betreffend der Frage der Versorgung
mit bestimmten Arzneimitteln (hier: Ritalin im Erwachsenenalter) sind nach Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG der Honorargruppe M2
zuzuordnen und damit mit 60,00 EUR pro Stunde zu vergüten.