Vergütung von Sachverständigen im sozialgerichtlichen Verfahren für eine gutachterliche Stellungnahme aus Anlass eines Antrags
auf Ablehnung des Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit
Gründe:
Die wegen grundsätzlicher Bedeutung vom Sozialgericht zugelassene Beschwerde ist teilweise begründet.
Die Beteiligten streiten über die geltend gemachte Vergütung für eine gutachterliche Stellungnahme aus Anlass eines Antrags
auf Ablehnung des Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit (§
406 Zivilprozessordung -
ZPO, §
60 Sozialgerichtsgesetz -
SGG) in Höhe von 184,69 Euro.
Als Rechtsgrundlage eines solchen Anspruchs kommen §§ 8 ff Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz - JVEG in Betracht, die allerdings die Heranziehung als Sachverständiger i.S. des § 1 JVEG voraussetzen. Gerade darum geht es aber bei einer Stellungnahme zu einem Antrag auf Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit
nicht.
Denn ein Ablehnungsverfahren dient nicht der Gewinnung und Bewertung von medizinischen Tatsachen als Grundlage der Entscheidung
in der Hauptsache, sondern einzig und allein der Klärung von Umständen, die für oder gegen die Voreingenommenheit des Sachverständigen
sprechen. Zu solchen vom Sachverständigen gesetzten oder vom Kläger behaupteten Umständen hat der Gutachter aus Anlass seiner
Berufung zum Sachverständigen Stellung zu nehmen, ohne dass ernsthaft behauptet werden könnte, es handele sich um die Erhebung
des Sachverständigenbeweises nach §
402 ff
ZPO. Denn um die Bewertung von Tatsachen, die nur mit medizinischem Fachwissen möglich ist, geht es gerade nicht.
Die Bewertung des Gutachtens als richtig oder falsch, schlüssig oder unschlüssig, vollständig oder lückenhaft etc. ist dagegen
allein der Beweiswürdigung im Hauptsacheverfahren, also insbesondere dem Urteil 1. und 2. Instanz, vorbehalten (§
128 SGG). Folglich kann allein der Vortrag, das Sachverständigengutachten habe Mängel oder der Sachverständige sei nicht ausreichend
qualifiziert (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, Kommentar, 11. Auflage, §
118 Rn. 12j am Ende), das Befangenheitsgesuch schon vom Grundsatz her nicht begründen. Es bedarf insoweit schon keiner Stellungnahme
des Sachverständigen zu derartigen Vorwürfen. Das Gesuch kann ohne weiteres mit der Begründung zurückgewiesen werden, das
Ablehnungsverfahren diene nicht der Klärung im Rahmen der Beweiswürdigung in der Hauptsache zu beantwortenden Fragen.
Daraus folgt, dass sachverständige Äußerungen zum medizinischen Sachverhalt in einer Stellungnahme zu einem Befangenheitsantrag
keinen Platz haben, also bei korrekter Bearbeitung durch das Gericht auch nicht angefordert und beauftragt werden dürfen oder
müssen. Damit steht aber auch fest, dass bei Anforderung einer Stellungnahme zum Befangenheitsgesuch gerade keine Heranziehung
als Sachverständiger erfolgt. Damit verbindet jedenfalls die herrschende Meinung die Schlussfolgerung, dass eine Vergütung
einer solchen Stellungnahme nicht in Betracht kommt (z.B. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, Kommentar, 11. Auflage, § 118 Rn. 12 m; Meyer/Höver/Bach, JVEG, Kommentar, 25. Auflage, § 8, Rn. 8.39 m.w.N.). Eine Heranziehung als Sachverständiger erfolgt aber auch dann, wenn der Sachverständige unter der unzutreffenden
Überschrift "Befangenheitsgesuch" in Wahrheit zu einer weiteren Stellungnahme zum medizinischen Sachverhalt aufgefordert wird.
Allerdings tauchen trotz dieser dogmatisch klaren und systematisch stimmigen Konstruktion des Gesetzgebers in der Praxis Fälle
auf, die sich diesem Lösungsschema nicht ohne weiteres unterordnen lassen.
So kommt es leider nicht selten vor, dass schon Prozessbevollmächtigten Sinn und Zweck eines Ablehnungsverfahrens nicht klar
zu sein scheint und deshalb im Ablehnungsantrag Argumente vorgebracht werden, die schon vom Grundsatz her nicht geeignet sind,
die Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Hier entfällt eigentlich schon die Notwendigkeit der Einholung einer Stellungnahme.
Vor dem Hintergrund eines Vergütungsanspruchs erscheint allerdings fraglich, wer das Vergütungsrisiko einer dennoch eingeholten,
überflüssigen Stellungnahme trägt. Geht es dabei nur um die Bearbeitung von Argumenten, die einerseits die Befangenheit schon
vom Grundsatz her nicht begründen können (z.B. Behauptung mangelnder Qualifikation), andererseits auch bei der medizinischen
Sachverhaltsaufklärung nicht von Bedeutung sind, wird mangels Heranziehung als Sachverständiger kein Vergütungsanspruch entstehen.
Noch schwieriger gestaltet sich die Rechtsfrage nach der Vergütung, wenn der Ablehnungsschriftsatz sowohl im Ablehnungsverfahren
beachtlichen Vortrag als auch neben der Sache liegende medizinische Argumente im oben dargelegten Sinne enthält und das Gericht
sich für die Einholung einer Stellungnahme entscheidet, ohne dem Sachverständigen genau vorzugeben, wozu er Stellung nehmen
soll.
Sachgerecht erscheint allein, die Vergütung davon abhängig zu machen, was tatsächlich erbracht worden ist, ohne dass es insoweit
auf die Formulierung in der Anforderung ankommt. Das bedeutet im Einzelnen, ohne dass die dargestellten Sachverhaltsvarianten
den Anspruch auf Vollständigkeit erheben:
Liegt eine Stellungnahme zu Umständen außerhalb der Frage nach der Richtigkeit und Qualität des Gutachtens vor, kommt eine
Vergütung unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Betracht, da es schon an der Heranziehung als Sachverständiger fehlt.
Es liegt lediglich eine Stellungnahme aus Anlass der Heranziehung vor, was sich in der Praxis zwanglos auch daran messen lässt,
dass die Stellungnahme nichts enthält, das für die Beantwortung der medizinischen Beweisfragen von Bedeutung ist.
Enthält die angeforderte Stellungnahme allein Ausführungen zum medizinischen Sachverhalt, die in Zusammenhang mit der Beantwortung
der Beweisfragen stehen, liegt allein eine gutachterliche Stellungnahme vor, die nach den im Gerichtsbezirk üblichen Regeln
zu vergüten ist. Dies gilt unabhängig davon, ob das Gericht eine Stellungnahme zu einem Befangenheitsgesuch angefordert hat.
Denn die Vergütung des Sachverständigen kann nicht davon abhängen, ob das Gericht den als Befangenheitsgesuch bezeichneten
Schriftsatz sachgerecht behandelt oder nicht.
Der Senat sieht Veranlassung auf Folgendes hinzuweisen. Enthält ein Ablehnungsgesuch lediglich medizinische Inhalte, Kommentare
zur Qualität des Gutachtens und zur Beweiswürdigung oder Angriffe auf den medizinischen Sachverstand, so liegen nur Gründe
vor, die gegen die Verwertbarkeit des Gutachtens bei der Beweiswürdigung sprechen können und die im Wege des Erkenntnisverfahrens
zu prüfen und zu klären sind. Das so begründete Befangenheitsgesuch ist ohne Stellungnahme des Gutachters zurückzuweisen,
mit der Begründung, dass der Vortrag schon vom Grundsatz her nicht geeignet ist, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen.
Der qualitativ schlechte Gutachter mag unfähig sein, befangen ist er nicht, da sein Gutachten weder geeignet ist, den Anspruch
zu stützen noch zu Fall zu bringen. Die mangelnde Qualität betrifft ersichtlich beide Beteiligten. Einer (kostenfreien) Stellungnahme
des Gutachters zum Vorwurf der Befangenheit bedarf es dann nicht, wohl aber der zu vergütenden Abklärung der Kritik im Erkenntnisverfahren.
Liegt schließlich mit der als Stellungnahme zum Befangenheitsgesuch ein Gemisch von beidem vor (Stellungnahme zu in Betracht
zu ziehenden Befangenheitsgründen und Beantwortung medizinischer Fragen), so ist abzuwägen und teilweise zu vergüten. Soweit
Ausführungen zu einem korrekt begründeten Befangenheitsgesuch vorliegen, können diese bei der Vergütung nicht berücksichtigt
werden. Soweit allerdings Ausführungen zur sachverständigen Beweiserhebung vorliegen, die nur im Gewand einer Stellungnahme
zum Befangenheitsgesuch daherkommen und bei korrekter richterlicher Arbeitsweise im Rahmen des Erkenntnisverfahrens hätten
eingeholt werden müssen, ist nach den üblichen Kriterien des JVEG zu entschädigen.
Die Anwendung dieser Grundsätze führt im vorliegenden Fall zur hälftigen Entschädigung: 75,- Euro, zzgl. 1,90 Euro Schreibgebühren,
zzgl. Porto (1, 45 Euro) und Umsatzsteuer (14,88 Euro), insgesamt 93,23 Euro.
Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8 JVEG). Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG).