Beschwerde gegen eine Streitwertfestsetzung
Zusätzliche Berücksichtigung eines einmaligen Auffangstreitwertes
Ermittlung eines Vergleichsmehrwertes
Gründe:
Die zulässige Beschwerde, mit welcher der Klägerbevollmächtigte sowohl einen höheren Streitwert als auch Vergleichsmehrwert
begehrt, ist zulässig und teilweise begründet.
1. Die gegen Ziff. 2 und Ziff. 3. des Beschlusses des Sozialgerichts über den Streitwert nach §
197a Sozialgerichtsgesetz (
SGG) und gegen die Wertfestsetzung für die Rechtsanwaltsgebühren nach § 33 Abs. 3 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) erhobene Beschwerde ist zulässig.
Der Wert des Beschwerdegegenstands übersteigt jeweils 200,00 Euro (§ 33 Abs. 3 Satz 1 RVG, §
197a SGG i.V.m. § 68 Abs. 1 Satz 1 Gerichtskostengesetz - GKG). Wie der Klägerbevollmächtigte nachvollziehbar dargelegt hat, kann ein um 2 x 5.000,00 Euro höherer Streitwert oder Gegenstandswert
(in Höhe von 14.695,00 Euro) zu einer Erhöhung seiner erstrebten Gebühren um bis zu 276,08 Euro führen (Gebührenberechnung
im Schriftsatz vom 21. Dezember 2017). Auf die Frage, ob und inwieweit bei der Berechnung seines Gebührenanspruchs zu berücksichtigen
sein wird, dass er in einer Vielzahl von vergleichbaren Verfahren tätig wurde, so dass erhebliche Synergieeffekte zu prüfen
sein dürften, kommt es für den Beschwerdewert nicht an. Die Beschwerde ist fristgerecht innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung
des Beschlusses des Sozialgerichts (am 15. Dezember 2017) am 21. Dezember 2017 beim Sozialgericht erhoben.
2. Die Beschwerde ist teilweise begründet. Der Bevollmächtigte hat zwar keinen Anspruch auf Festsetzung eines höheren Streitwertes
nach §
197a SGG i.V.m. §§ 52, 45 GKG (a.), aber auf Festsetzung eines höheren Gegenstandswertes nach § 33 RVG unter zusätzlicher Berücksichtigung des einmaligen Auffangstreitwertes (b.).
a. Das Sozialgericht hat den Streitwert unter Ziff. 2. seines Beschlusses zutreffend auf 2.923,46 Euro festgesetzt. Dies entspricht
der mit der Klage erhobenen Forderung. Der Hilfsantrag vom 29. August 2013 war nicht werterhöhend zu berücksichtigen. Zwar
führt eine Antragshäufung nach § 39 Abs. 1 GKG grundsätzlich zu einer Werteaddition, allerdings scheidet nach § 45 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 GKG eine Zusammenrechnung aus, wenn die Anträge gebührenrechtlich denselben Gegenstand betreffen, also von einer wirtschaftlichen
Identität auszugehen ist. Das ist hier der Fall. Zwischen dem Gegenstand des Haupt- und eines Hilfsantrags bestand ein Eventualverhältnis,
denn beiden hätte nicht gleichzeitig stattgegeben werden können. Die Verurteilung nach dem Hauptantrag auf Weiterzahlung des
Qualitätszuschlags hätte notwendigerweise die Abweisung des Hilfsantrags nach sich gezogen, der nur für den Fall gestellt
war, dass die Qualitätsvereinbarung wirksam zum 31. Januar 2008 gekündigt war. Nur für diesen Fall sollte die Beklagte mit
dem Antrag verpflichtet werden, ihre Zustimmung zur Neufestsetzung durch eine Schiedsperson zu erteilen (zur Identität: LArbG
Baden-Württemberg, Beschluss vom 30. Oktober 2018 - 5 Ta 126/18 -, Rn. 31, juris). Die wirtschaftliche Identität wird weder dadurch aufgehoben, dass u.U. in der Folge eines Schiedsspruchs
auch ein im Ergebnis höherer Vergütungsanspruch geltend gemacht werden könnte noch ein Schiedsspruch ggf. auch rückwirkend
Vergütungsansprüche für die Zeit nach Kündigung einer Qualitätsvereinbarung erfassen könnte. Der Streitwert erfasst auch nicht
den Wert des Vergleichs, der zur Beendigung des Klageverfahrens führte. Der für die Gerichtskosten maßgebliche Streitwert
bestimmt sich nur bei gerichtlichen Vergleichen nach dessen Inhalt, nicht aber bei außergerichtlichen Vergleichen (§ 45 Abs. 4 GKG, NK-ArbR/Stefan Müller, 1. Aufl. 2016, GKG § 45 Rn. 31; Binz/Dörndorfer/Zimmermann, 4. Aufl. 2019, GKG § 45 Rn. 34; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. Januar 2019, L 1 KR 275/18 B; a.A. Hartmann, Kostengesetze, 48. Aufl. 2018, § 45 GKG Rn. 50). Der das Klageverfahren beendende Vergleich ist als außergerichtlicher nicht erfasst (so auch Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg
vom 10. November 2017 - L 1 KR 386/17 B).
b. Das Sozialgericht hat den Gegenstandswert zu niedrig festgesetzt, der Bevollmächtigte hat Anspruch auf Berücksichtigung
weiterer Ansprüche. Nach § 33 Abs. 1 RVG setzt das Gericht des Rechtszugs den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf Antrag durch Beschluss selbständig
fest. Einen solchen Antrag hat der Bevollmächtigte jeweils am 15. März 2017 und 03. August 2017 gestellt, auch die übrigen
Voraussetzungen für eine selbständige Wertfestsetzung sind erfüllt. Eine (selbständige) Wertfestsetzung für Rechtsanwaltsgebühren
ist nur dann vorgesehen, wenn sich die Gebühren in einem gerichtlichen Verfahren entweder nicht nach dem für die Gerichtsgebühren
maßgebenden Wert berechnen oder es an einem solchen Wert fehlt. Im Fall der Klägerin fehlt es hinsichtlich des Vergleichs,
der zur Beendigung des Klageverfahrens führte, an einem für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Wert. Gemäß § 32 Abs. 1 RVG ist für die Festsetzung der Gebühren des Rechtsanwalts grundsätzlich der für die Gerichtsgebühren maßgebende gerichtlich
festgesetzte Wert bestimmend (§ 2 Abs. 1 i.V.m. § 23 RVG). Für das Klageverfahren selbst wurde nach §
197a Abs.
1 SGG i.V.m. § 3 Abs. 1 i.V.m. § 34 und § 63 Abs. 2 GKG der Streitwert mit Ziff. 2. des Beschlusses des Sozialgerichts vom 11. Dezember 2017 ausgehend von dem von der Klägerin mit
der Klage verfolgten Zahlungsanspruch festgesetzt (in Höhe von 2.923,46 Euro). Liegt wegen des außergerichtlichen Vergleichs
zwischen gerichtlicher und anwaltlicher Tätigkeit keine vollständige Übereinstimmung vor, sperrt die Bindungswirkung der gerichtlichen
Streitwertfestsetzung die weitergehende Wertfestsetzung hinsichtlich des Wertes des überschießenden Vergleichsgegenstandes
nach § 33 Abs. 1 RVG jedoch nicht (Gerold/Schmidt/Mayer, 23. Aufl. 2017, RVG § 33 Rn. 5, NK-ArbR/Stefan Müller, 1. Aufl. 2016, RVG § 33 Rn. 1 und Rn. 11).
Maßgeblich für den Vergleichsmehrwert ist der vom Vergleich betroffene, genauer der geregelte Gegenstand, nicht das nach dem
Vergleich Geschuldete (LArbG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30. September 2014 - 17 Ta (Kost) 6057/14 -, Rn. 11, juris).
Der Gegenstand ist durch Auslegung des Vergleichs zu ermitteln unter Heranziehung der übrigen Umstände. Da die anwaltliche
Einigungsgebühr nach Nr. 1000 Abs. 1 der Anlage 1 zum RVG für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags entsteht, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein
Rechtsverhältnis beseitigt wird, sind nur die Werte der Ansprüche einzubeziehen, die zwischen den Parteien streitig oder ungewiss
waren (LArbG Berlin-Brandenburg, a.a.O, Rn. 11, juris). Gemessen daran hat der Bevollmächtigte bereits in seinem Schriftsatz
vom 01. März 2018 dargelegt, dass zwischen den Beteiligten Streit auch über die Höhe der Vergütung über den 31. Dezember 2010
hinaus aus Anlass der Kündigung der Qualitätsvereinbarung durch die Beklagte (zum 31. Januar 2008) herrschte. Die Beklagte
hat das mit ihrem Schriftsatz vom 16. Februar 2018 bestätigt. Ziff. 3. und 4. des abgeschlossenen Vergleichs beseitigte die
zwischen ihnen insoweit bestehende Ungewissheit. Da diese weiteren Vergütungsansprüche nicht bezifferbar sind, eine Schätzung
ist nach § 52 Abs. 3 GKG nicht vorgesehen, ist es angemessen, sie nach dem Auffangstreitwert (5.000,00 Euro) zu bemessen (§ 52 Abs. 2 GKG).
Ein noch höherer Gegenstandswert unter Zugrundelegung eines weiteren Auffangstreitwertes ist unter Berücksichtigung des Hilfsantrags
der Klägerin vom 29. August 2013 dagegen nicht gerechtfertigt. Zwar führt eine Antragshäufung auch nach § 22 RVG grundsätzlich zu einer Werteaddition, allerdings ist der in § 45 Abs. 1 Satz 2 und 3 GKG niedergelegte allgemeine Rechtsgedanke auch im Rahmen der Wertfestsetzung nach § 33 RVG zu berücksichtigen, wonach eine Zusammenrechnung ausscheidet, wenn die Anträge gebührenrechtlich denselben Gegenstand betreffen,
also von einer wirtschaftlichen Identität auszugehen ist. Das ist hier der Fall (dazu oben, 2. a.).
Die Beschwerdeverfahren sind gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 33 Abs. 9 RVG, §
197a Abs.
1 SGG i.V.m. § 68 Abs. 3 GKG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 33 Abs. 4 Satz 3 RVG, §
177 SGG).