Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen
Begriff der Divergenz
Entwickeln abweichender Maßstäbe
Gründe:
Die Beteiligten streiten in dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit über die Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen,
die der Kläger für die zu 1. beigeladene Studentin für die Zeit von September 2001 bis April 2003 entrichtete.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen LSG vom 23.5.2014 ist in entsprechender
Anwendung von §
169 S 2 und 3
SGG als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung seines Rechtsmittels entgegen §
160a Abs
2 S 3
SGG keinen der in §
160 Abs
2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das BSG darf gemäß §
160 Abs
2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Allein die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Revisionszulassung führen
(vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).
1. Der Kläger und Beschwerdeführer beruft sich zunächst auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache
(§
160 Abs
2 Nr
1 SGG). Hierzu muss die Beschwerdebegründung mit Blick auf §
160a Abs
2 S 3
SGG ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen
der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch
das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN; vgl auch BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage
nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das
Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Ist eine Rechtsfrage bereits höchstrichterlich entschieden, so ist darzulegen, aus welchen Gründen weiterhin Klärungsbedarf
besteht oder neu entstanden ist. Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Insoweit kann dahinstehen, ob
die erfolgten, die Sozialversicherungspflicht von Teilnehmern an dualen Studiengängen betreffenden Änderungen durch das Vierte
Gesetz zur Änderung des
Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (4.
SGB IV-ÄndG vom 22.12.2011, BGBl I 3057) der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache entgegenstehen, weil insoweit ab 1.1.2012
neues Recht gilt.
Der Kläger wirft auf S 3 seiner Beschwerdebegründung vom 5.9.2014 folgende Frage auf:
"Besteht zwischen der bisherigen Beschäftigung der Studentin und dem dualen Studium mit Praktikumsphasen in der Kanzlei des
Klägers, ohne dass ein Beschäftigungsverhältnis begründet wird, ein enger innerer Zusammenhang, wenn die bisherige Beschäftigung,
ein Praktikum der Studentin dem Studium zwingend vorausgehen muss, weil die Studienordnung die praktische Tätigkeit in dem
Studienzweig Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung ein Praktikum voraussetzt. An dieses Praktikum, das für diesen Zeitraum
des vorgeschriebenen Praktikums die Sozialversicherungspflicht begründet hat, führt zu keiner Ausstrahlung auf das sich anschließende,
sozialversicherungsfreie, praxisintegrierte duale Studium an der Berufsakademie. Klärungsbedürftig ist, ob die Aufnahme des
Studiums die 'Fortsetzung einer Ausbildung bzw. als Weiterbildung anzusehen' ist und damit eine Versicherungspflicht begründet?"
Auf S 6 seiner Beschwerdebegründung konkretisiert er die Frage dahin, "ob sich im Rahmen eines praxisintegrierten dualen Studiums
die berufspraktischen Phasen als Bestandteil des Studiums darstellen, was eine betriebliche Berufsausbildung im Sinne des
§
1 Satz Nr.
1 1. Halbsatz
SGB VI, §
25 Abs.
1 SGB III, §
5 Abs.
1 Nr.
1 SGB V und §
20 Abs.
1 Satz 2
SGB IX ausschließt".
Der Kläger stellt sich in diesem Zusammenhang auf den Rechtsstandpunkt, die Beigeladene zu 1. habe im Rahmen eines sog praxisintegrierten
dualen Studiums studiert mit der Folge, dass eine Sozialversicherungspflicht wegen einer Beschäftigung zur Berufsausbildung
"während des gesamten Studienganges oder nur für die Theoriephasen" nicht bestanden habe und die von ihm im gesamten Zeitraum
gewährte monatliche Vergütung "nicht beitragspflichtige Studienbeihilfen" darstellten. Dem zu entscheidenden Fall wohne ein
allgemeines, über den konkreten Streitfall hinausgehendes Interesse inne. Die Entscheidung des Berufungsgerichts "stehe" dem
Urteil des BSG vom 1.12.2009 - B 12 R 4/08 R (BSGE 105, 56 = SozR 4-2400 § 7 Nr 11) - in Bezug auf die dort genannten Abwägungskriterien - und früheren Rundschreiben der Spitzenorganisationen
der Sozialversicherungsträger zur versicherungsrechtlichen Beurteilung von Teilnehmern an dualen Studiengängen "entgegen".
Das LSG habe "nicht beachtet", dass die Beigeladene zu 1. keine Berufsausbildung nach dem Berufsausbildungsgesetz aufgenommen
habe und das Studium nicht berufsbegleitend, sondern die Praxisphasen studienbegleitend gewesen seien.
a) Der Kläger formuliert damit schon keine konkreten, über den Einzelfall hinausgehenden Rechtsfragen zur Anwendung einer
revisiblen Rechtsnorm mit hinreichender Deutlichkeit, sondern stellt vielmehr (nur) Fragen der Subsumtion eines bestimmten
- seines - Sachverhalts unter Rechtsnormen bzw Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Er legt außerdem die Klärungsbedürftigkeit
der aufgeworfenen Fragen nicht hinreichend dar. Er macht im Kern nur geltend, das Berufungsgericht habe das Recht fehlerhaft
angewandt. Dies kann aber nicht zur Zulassung der Revision führen. Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung hätte vielmehr
vorgetragen werden müssen, aus welchen Gründen trotz der Entscheidung des BSGE vom 1.12.2009 (BSGE 105, 56 = SozR 4-2400 § 7 Nr 11) und der Nachfolgeentscheidung vom 27.7.2011 (B 12 R 16/09 R - BSGE 109, 22 = SozR 4-2400 § 7 Nr 14) weiterhin Klärungsbedarf besteht bzw neu aufgetreten ist. Im Übrigen muss eine Rechtsfrage auch
dann als höchstrichterlich geklärt angesehen werden, wenn das Revisionsgericht sie zwar noch nicht ausdrücklich entschieden
hat, zu diesem Themenkreis aber schon höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur
Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben. Warum die gestellten Rechtsfragen
durch das 4.
SGB IV-ÄndG, mit dem "der Gesetzgeber zum 1.1.2012 die Sozialversicherungspflicht der Studenten im dualen System kraft Gesetzes
hergestellt" hat, wieder klärungsbedürftig geworden sein sollen, erläutert der Kläger nicht.
b) Schließlich legt der Kläger nicht dar, dass die von ihm aufgeworfenen Fragen in einem späteren Revisionsverfahren klärungsfähig
sein könnten. Zu den vom Berufungsgericht angestellten Hilfsbegründungen (vgl S 10 ff des Urteils: "ergänzend ...", "Zusätzlich
...", "Im Weiteren ...") äußert er sich nicht bzw nicht hinreichend. Soweit das LSG - für die Pflichtbeiträge zur gesetzlichen
Rentenversicherung - einen "Bestandsschutz" angenommen und auf §
26 Abs
1 S 2
SGB IV hingewiesen hat, erschöpft sich der Vortrag des Klägers darin, ein solcher Bestandsschutz sei abzulehnen (vgl S 4, 11 der
Beschwerdebegründung). Nicht dargelegt wird auch, warum es "im Revisionsverfahren" auf eine Prüfung "der Gesetzesänderung"
in verfassungsrechtlicher und europarechtlicher Hinsicht ankommen soll.
2. Ferner stützt sich der Kläger auf den Zulassungsgrund der Divergenz (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG). Divergenz im Sinne dieser Vorschrift bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter
Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt sind. Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn das LSG eine höchstrichterliche
Entscheidung nur unrichtig ausgelegt oder das Recht unrichtig angewandt hat, sondern erst, wenn das LSG Kriterien, die eines
der in der Norm benannten Gerichte aufgestellt hat, widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat. Die Beschwerdebegründung
muss deshalb aufzeigen, welcher abstrakter Rechtssatz in den genannten höchstrichterlichen Urteilen enthalten ist, und welcher
im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht, und darlegen, dass die Entscheidung hierauf beruhen kann
(vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29 und 67; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 26 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung ebenfalls nicht.
Der Kläger rügt auf S 6 ff seiner Beschwerdebegründung eine Abweichung des Berufungsurteils vom Urteil des BSG vom 1.5.2009 (richtig: 1.12.2009 - BSGE 105, 56 = SozR 4-2400 § 7 Nr 11) sowie von den Urteilen des BSG vom 18.4.1975 (3/12 RK 10/73 - BSGE 39, 223 = SozR 2200 § 172 Nr 2) und vom 12.11.1975 (3/12 RK 13/74 - BSGE 41, 24 = SozR 2200 § 165 Nr 8). Er fasst hierzu die Auffassung des BSG im Urteil vom 1.12.2009 zusammen und stellt dieser eine Passage aus dem Berufungsurteil (S 10) gegenüber (vgl S 8 der Beschwerdebegründung).
Zwar kann eine Divergenz auch vorliegen, wenn die Beschwerde keinen konkreten Rechtssatz des angefochtenen Urteils herausarbeitet,
vielmehr (lediglich) dessen Darlegungen erkennen lassen, dass es die höchstrichterliche Rechtsprechung nur modifiziert übernehmen
will. Indessen muss auch dann die Unvereinbarkeit gegenübergestellter Rechtssätze herausgearbeitet werden; die Beschwerde
darf sich auch in solchen Fällen nicht auf bloße Angriffe gegen die Rechtsauffassung der Vorinstanz beschränken. Das ist hier
aber der Fall. Der Kläger setzt sich lediglich mit der materiell-rechtlichen Auffassung des LSG auseinander, wenn er vorträgt,
es liege eine "falsche Sachverhaltsdarstellung" vor, und vor allem anmerkt, das Studium der Beigeladenen zu 1. sei "nicht
als berufsbegleitend bzw. auf eine berufliche Weiterbildung gerichtet" anzusehen.
3. Auch einen entscheidungserheblichen Mangel des Berufungsverfahrens bezeichnet der Kläger nicht substantiiert.
Soweit der Kläger auf Seite 10 f seiner Beschwerdebegründung darauf hinweist, das Berufungsgericht habe sein Beweisangebot
zum Topos "Anwendbarkeit des Berufsbildungsgesetzes" ignoriert, und hierbei auf eine "Stellungnahme der Direktion der Berufsakademie Villingen-Schwenningen vom 7.3.2006" Bezug
nimmt, legt er eine Verletzung der richterlichen Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung (§
103 SGG) nicht in der gebotenen Weise dar. Insoweit fehlt es zum einen an einer Erläuterung, warum es sich hierbei um einen Beweisantrag
im Sinne der
ZPO handeln soll und nicht lediglich um eine an das Gericht gerichtete Anregung zu weiterer Beweiserhebung; zum anderen mangelt
es an Ausführungen zur Auffindbarkeit des Beweisantrags, seine Qualität als solcher unterstellt. Es ist jedenfalls eine Darlegung
erforderlich, die das BSG in die Lage versetzt, sich allein anhand der Beschwerdebegründung ein Urteil darüber zu bilden, ob ein entscheidungserheblicher
Verfahrensmangel des Berufungsgerichts vorliegen kann; dazu ist regelmäßig auch der (vorbereitende) Schriftsatz mit Datum
aufzuführen.
Mit seinem Vortrag, es liege eine "fehlerhafte Sachverhaltsdarstellung" vor, weil sich das Berufungsgericht die Ausführungen
des Urteils des Hessischen LSG vom 31.3.2011 (L 8 KR 324/08 und L 8 KR 325/08) "zu eigen" gemacht habe, rügt der Kläger im Kern einen (weiteren) Verstoß des LSG gegen seine Amtsermittlungspflicht (§
103 SGG) bzw dessen richterliche Überzeugungsbildung (§
128 Abs
1 S 1
SGG). Hierauf kann eine Revisionszulassung nach §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG jedoch nicht bzw nur unter qualifizierten Voraussetzungen gestützt werden.
Eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art
103 Abs
1 GG, §
62 SGG) begründet der Kläger nicht weiter. Mängel des Verfahrens vor dem SG kommen im Übrigen als Revisionszulassungsgrund nicht in Betracht.
4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
6. Der Streitwert für das Revisionsverfahren war gemäß §
197a Abs
1 S 1 Halbs 1
SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG entsprechend der von den Beteiligten nicht beanstandeten Festsetzung des LSG in Höhe des Betrags der streitigen Erstattungsforderung
festzusetzen.