Versicherungspflicht in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung
Betriebsarzt
Abgrenzung selbständiger Tätigkeit von abhängiger Beschäftigung
Funktionsgerecht dienende Teilhabe am Arbeitsprozess
Überwiegende Merkmale einer Tätigkeit
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin zu 2) in der Zeit vom 15.10.2014 bis 31.12.2016 als Betriebsärztin für die
Klägerin zu 1) eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat.
Dr. H. B. betreibt als Vertragsarzt eine hausärztliche Praxis in S. und ist Inhaber der Firma A. \226 Si. \226 S. (A.) Betriebsarztzentrum,
die im streitigen Zeitraum unter der Praxisanschrift geführt wurde (Klägerin zu 1). Die Klägerin zu 1) bietet anderen Unternehmen
die Sicherstellung einer betriebsärztlichen Versorgung. Die 1952 geborene Klägerin zu 2) ist Fachärztin für Arbeitsmedizin,
seit 01.04.1980 privat krankenversichert und als Pflichtmitglied der Versorgungsanstalt für Ärzte seit 01.09.1978 von der
Rentenversicherung nach § 7 Abs 2 AVG aF befreit (Bescheid vom 20.03.1979). Die Klägerin zu 2) war seit Oktober 2008 mit einem Beratervertrag für die R. GmbH (Gesellschaft
zur medizinisch-berufskundlichen Beratung und Reintegration von Unfallopfern) mit einem Umfang von ca 80 Stunden monatlich
tätig. Seit 2011 war sie zusätzlich für das Berufsförderungswerk Bad W. gGmbH aufgrund eines Honorarvertrags mit einem Umfang
von ca 140 Stunden im Jahr tätig. Mit der Klägerin zu 1) schloss sie zum 15.10.2014 einen Vertrag über freie Mitarbeit, der
auszugsweise wie folgt lautet: § 1 Tätigkeit Die Auftragnehmerin übernimmt ab 15.10.2014 für den Auftraggeber Aufgaben bzw.
Betriebe zur selbständigen Betreuung als Fachärztin für Arbeitsmedizin. Die Auftragnehmerin unterliegt bei der Durchführung
der übertragenen Tätigkeiten keinen Weisungen des Auftraggebers. Sie ist in der Gestaltung ihrer Tätigkeit frei. Auf besondere
betriebliche Belange im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit ist jedoch Rücksicht zu nehmen. Die Auftragnehmerin ist an keinerlei
Vorgaben zum Arbeitsort oder Arbeitszeit gebunden. Projektbezogene Zeitvorgaben des Auftraggebers sind ebenso einzuhalten
wie fachliche Vorgaben, soweit diese zur ordnungsgemäßen Vertragsdurchführung erforderlich sind. Die Auftragnehmerin ist ferner
berechtigt, Aufträge des Auftraggebers ohne Angabe von Gründen abzulehnen. Gegenüber den Angestellten des Auftraggebers hat
die Auftragnehmerin keine Weisungsbefugnis. § 2 Leistungserbringung Die Auftragnehmerin ist verpflichtet, die Arbeitsleistung
höchstpersönlich zu erbringen. Die Hinzuziehung eigener Mitarbeiter oder die Vergabe von Unteraufträgen bedarf der vorherigen
Zustimmung des Auftraggebers. Die Auftragnehmerin übt ihre Tätigkeit im Regelfall in den Räumlichkeiten von Kunden des Auftraggebers
aus. Soweit in Einzelfällen eine betriebliche Anwesenheit erforderlich wird, stellt der Auftraggeber nach jeweiliger vorheriger
Absprache die entsprechenden betrieblichen Einrichtungen zur Verfügung. Der Auftraggeber stellt der Auftragnehmerin alle zur
Ausübung ihrer Tätigkeit erforderlichen Informationen, Hilfsmittel und Unterlagen zur Verfügung ... § 3 Leistungsumfang Die
Leistungen der Auftragnehmerin umfassen ca. 20 Stunden monatlich. Eine bestimmte Mindestabnahme ist vom Auftraggeber nicht
geschuldet, ebenso nicht von der Auftragnehmerin. § 4 Vergütung Als Vergütung wird ein Stundenhonorar von 85,00 EUR zzgl der
jeweiligen gesetzlichen Mehrwertsteuer entrichtet. Reisezeit wird nicht vergütet. Auslagen für Reisekosten werden in der erbrachten,
nachgewiesenen Höhe erstattet. Die Nutzung der Reisemittel erfolgt nach vorheriger Absprache. Bei Nutzung des eigenen PKW´s
werden 0,30 EUR/gefahrenen Kilometer abgerechnet ...
§ 5 Aufwendungsersatz und sonstige Ansprüche Mit der Zahlung der in diesem Vertrag vereinbarten Vergütung sind alle Ansprüche
der Auftragnehmerin gegen den Auftraggeber aus diesem Vertrag erfüllt. Für die Versteuerung der Vergütung hat die Auftragnehmerin
selbst zu sorgen ... § 6 Haftung und Gewährleistung Sollte der Auftraggeber auf Grund von Leistungen, die von der Auftragnehmerin
erbracht wurden, in Haftung genommen werden, so verpflichtet sich die Auftragnehmerin gegenüber dem Auftraggeber, diesen von
der Haftung freizustellen. Die Auftragnehmerin schließt deshalb eine eigene Haftpflichtversicherung ab. § 7 Fortbildungspflicht
Die Auftragnehmerin ist verpflichtet, sich auf eigene Rechnung im Rahmen der Durchführung dieses Vertrages auf dem Gebiet
ihrer Tätigkeit über den aktuellen Stand der Wissenschaft fortzubilden. Und über aktuelle Veränderungen im Fachgebiet jederzeit
auf dem Laufenden zu halten. § 8 Konkurrenz Die Auftragnehmerin darf für andere Auftraggeber tätig sein. § 10 Vertragsdauer
und Kündigung Die Auftragnehmerin nimmt ihre Tätigkeit am 15. Okt. 2014 auf. Das Vertragsverhältnis kann unter Einhaltung
einer Frist von 2 Monaten zum Monatsende gekündigt werden ... § 12 Arbeitsrechtliche Schutzvorschriften Von der Möglichkeit
des Abschlusses eines Anstellungsvertrags ist in Anwendung des Grundsatzes der Vertragsfreiheit bewusst kein Gebrauch gemacht
worden. Eine Umgehung arbeitsrechtlicher oder arbeitsgesetzlicher Schutzvorschriften ist nicht beabsichtigt. Der freien Mitarbeiterin
soll vielmehr die volle Entscheidungsfreiheit bei der Verwertung seiner Arbeitskraft belassen werden. Eine über den Umfang
dieser Vereinbarung hinausgehende persönliche, wirtschaftliche oder soziale Abhängigkeit wird nicht begründet ... Aufgrund
dieser Vereinbarung war die Klägerin zu 2) für die Klägerin zu 1) bei deren Kunden tätig in wechselndem Umfang zwischen 0
und 35 Stunden monatlich. Sie rechnete dabei monatlich die geleisteten Stunden zu 85 EUR zzgl Mehrwertsteuer ab und fügte
den Rechnungen Zeitauflistungen bei, in denen Datum, Betrieb, Zeitdauer und eine stichwortartige Tätigkeitsbeschreibung (zB
ASA + Begehung; Vorsorge-Untersuchungen) genannt waren.
Unter dem 27.04.2015 beantragten die Klägerinnen die sozialversicherungsrechtliche Statusfeststellung für die Tätigkeit als
Betriebsärztin ab 15.10.2014; beide gingen davon aus, dass eine Beschäftigung nicht vorliege. Die Klägerin zu 2) gab an, ihre
Tätigkeit bestehe in der arbeitsmedizinischen Betreuung von Betrieben nach deren Erfordernissen. Die Tätigkeit erfolge weisungsfrei
nach eigenem Ermessen und mit eigener Haftung, sie habe eine entsprechende Versicherung abgeschlossen. Es bestünden keine
regelmäßigen Arbeitszeiten. Anwesenheitszeiten würden mit den Kunden der Klägerin zu 1) abgestimmt, die Tätigkeit werde in
den Räumen der Betriebe vor Ort durchgeführt. Die Übernahme eines Auftrags erfolge nach eigenem Ermessen. In den Verträgen
zwischen der Klägerin zu 1) und den betreuten Betrieben sei lediglich die Erledigung der betriebsärztlichen Aufgaben geschuldet.
An eigenen Arbeitsmitteln verfüge sie über die notwendigen ärztlichen Untersuchungsmittel wie Stethoskop, Blutdruckmessgerät
etc.
Nach Anhörung mit Schreiben vom 17.07.2015 stellte die Beklagte mit Bescheiden vom 18.08.2015 fest, dass die Tätigkeit im
Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde und Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung
bestehe, welche am 15.10.2014 beginne. In der Krankenversicherung bestehe keine Versicherungspflicht, das Versicherungsverhältnis
in der sozialen Pflegeversicherung entspreche dem der gesetzlichen Krankenversicherung. Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis
seien: höchstpersönliche Leistungserbringung; Ausübung der Tätigkeit bei den Kunden; Auftreten im Namen des Auftraggebers,
nach außen nicht als Selbstständige erkennbar; zeitliche Vorgabe von 20 Stunden monatlich; feste Stundenvergütung und Übernahme
von Reise- und Fahrkosten; kein unternehmerisches Risiko; Abrechnung des Auftraggebers selbst mit den Kunden. Für selbstständige
Tätigkeit spreche: eigene Berufshaftpflichtversicherung; Ablehnung von Aufträgen möglich. Die Klägerin zu 2) sei bei Auftragsannahme
in die Arbeitsorganisation ihres Auftraggebers eingebunden, ihr würden einseitig Weisungen betreffend Zeit, Dauer und Ort
der Tätigkeit erteilt. Die Arbeitskraft werde dem Kunden überlassen und seitens des Kunden bestehe eine Eingliederung in dessen
Arbeitsorganisation.
Hiergegen wandten sich die Klägerinnen jeweils mit Widerspruch. Die Klägerin zu 1) verwies darauf, dass der Bescheid widersprüchlich
sei. Er spreche gleichzeitig die Versicherungspflicht in der Krankenversicherung und das Gegenteil davon aus. Die Beklagte
reihe lediglich Behauptungen und Blocksätze aneinander, die in keinem Zusammenhang mit dem Sachverhalt stünden. Die Klägerin
zu 2) nahm Bezug auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), das bereits 1981 festgestellt habe, dass eine betriebsärztliche Tätigkeit, soweit sie sich auf die gesetzlichen Aufgaben
beziehe und keine weiteren, damit nicht zusammenhängenden Tätigkeiten nach Weisung übernommen würden, bei Nichtvorliegen eines
Arbeitsvertrags keine abhängige Beschäftigung darstelle. Die betriebsärztliche Tätigkeit finde aus der Natur der Sache heraus
vor Ort im Betrieb statt, sie könne nicht aus eigener Praxis heraus erfolgen.
Mit Widerspruchsbescheiden vom 14.12.2015 wies die Beklagte die Widersprüche zurück. Es bleibe bei der Feststellung der Versicherungspflicht
in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung. Die Klägerin zu 2) habe während der Arbeitszeit Präzisierungen
in Bezug auf die Arbeitsleistung zu erwarten, da der vorliegende Vertrag keine detaillierten Anweisungen enthalte. Durch die
Einbindung in die Arbeitsorganisation der Klägerin zu 1) ergebe sich, dass bei Annahme des Auftrags kein größerer Spielraum
in Bezug auf die Arbeitszeit verbleibe. Die geschuldete Arbeitsleistung bestehe darin, dass die Klägerin zu 2) sich zu Dienstleistungen
bereithalte und die anfallenden Aufträge erledige. Sie übernehme stetig Aufgaben, zu deren Erfüllung die Klägerin zu 1) die
organisatorischen Maßnahmen treffe.
Dagegen richtet sich die am 04.01.2016 von der Klägerin zu 1) zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhobene Klage (S 8 R 22/16). Die Klägerin zu 2) hat am 11.01.2016 ebenfalls Klage zum SG erhoben (S 12 R 100/16). Mit Beschluss vom 02.06.2016 hat das SG beide Verfahren zur gemeinsamen Entscheidung und Verhandlung verbunden.
Die Klägerinnen haben zur Klagebegründung ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft. Die Klägerin
zu 2) hat ergänzend vorgetragen, die Klägerin zu 1) vergebe bei ihr vorliegende Aufträge zur arbeitsmedizinischen Betreuung
an die Klägerin, welche für die Bearbeitung mit Ausnahme technischer Untersuchungen (zB Hör- und Sehtests, die von der Klägerin
zu 1) mit eigenem Personal und Gerät selbst ausgeführt würden) allein verantwortlich sei. 2014 und 2015 habe die Klägerin
zu 2) die bereits vereinbarten Termine mit den externen Kunden wahrgenommen, soweit sie dazu bereit gewesen sei. 2016 sei
die Terminplanung seitens der Klägerin zu 1) mit der Klägerin zu 2) im Vorfeld abgestimmt worden. Die Klägerin zu 2) arbeite
nicht vor Ort in S. und sei auch in das dortige "A.-Team", wie es auf der Homepage der Klägerin zu 1) vorgestellt werde, nicht
integriert. Das konkrete Arbeitsprogramm vor Ort bespreche sie mit dem Kunden. Fachliche Weisungen oder Weisungen zum organisatorischen
Ablauf erteile die Klägerin zu 1) nicht, sie kontrolliere oder beurteile die Tätigkeit der Klägerin zu 2) auch nicht. Wenn
ein zweitägiger Einsatz zwischen der Klägerin zu 1) und dem Kunden abgesprochen sei, könne die Klägerin zu 2) diesen bei geleisteter
Arbeit auch nach 11/2 Tagen beenden oder in Absprache mit dem Kunden verlängern, ohne dass sie mit der Klägerin zu 1) Rücksprache
nehme. Die Klägerin zu 2) sei auch nicht in den Betrieb des Kunden eingegliedert. Zusammen mit dem Kunden würden die Möglichkeiten
für die Tätigkeit geschaffen (zB Raum für Untersuchung der Mitarbeiter, Festlegung von Teilnehmern für die Betriebsbegehung,
Überstellung von zu untersuchenden Mitarbeitern usw), dies führe jedoch zu keiner Eingliederung in die Arbeitsprozesse des
Kunden. Dieser habe auch kein Weisungsrecht gegenüber der Klägerin zu 2).
Das SG hat mit Urteil vom 10.11.2016 die Bescheide vom 18.08.2015 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 14.12.2015 aufgehoben
und die Beklagte verurteilt festzustellen, dass die Tätigkeit der Klägerin zu 2) bei der Klägerin zu 1) selbstständig ausgeübt
wird und keine Versicherungspflicht zur Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht. Zwischen den Vertragsparteien
sei eine freie Mitarbeit auf Basis eines Stundenhonorars von 85 EUR gewollt. Ausweislich des Vertrags unterliege die Klägerin
zu 2) bei ihrer Tätigkeit als Betriebsärztin keinen Weisungen der Klägerin zu 1), insbesondere sei sie an keine Vorgaben zu
Arbeitsort und \226zeit gebunden. Die Ausführung in den Räumlichkeiten der Kunden beruhe auf der Natur der Sache und führe
zu keiner relevanten organisatorischen Eingliederung. Eine fachliche Kontrolle habe nicht stattgefunden, die Klägerin zu 2)
sei keinem Vorgesetzten unterstellt gewesen. Sie könne Aufträge ohne Angabe von Gründen ablehnen und für andere Auftraggeber
tätig sein, was auch der Fall sei. Die Klägerin zu 2) trage auch ein, wenngleich geringes, Unternehmerrisiko. Sie erhalte
nur eine Vergütung für geleistete Dienste, womit der Gesamtverdienst vom Umfang des jeweiligen Einsatzes abhänge. Vor allem
durch die völlig freie Übernahme von Aufträgen habe die Klägerin zu 2) größere Freiräume im Rahmen ihrer ärztlichen Tätigkeit
und könne den Einsatz ihrer Arbeitskraft selbst steuern. Es sei nicht ersichtlich, auf welcher Grundlage die Beklagte zu der
Annahme gelange, die geschuldete Arbeitsleistung der Klägerin zu 2) bestehe in der Bereithaltung für Dienstleistungen. Dies
habe die Beklagte auch im durchgeführten Erörterungstermin nicht erklären können. Für die Annahme einer abhängigen Beschäftigung
spreche hauptsächlich die Erstattung von Reisekosten und dass die Klägerin zu 2) bei bestimmten, nicht in Rahmen der engeren
betriebsärztlichen Tätigkeit durchführbaren Untersuchungen (bspw Labor) auf die Klägerin zu 1) zurückgreifen und ua Impfstoffe
beziehen könne. Weiter müsse sie vor der Hinzuziehung eigener Mitarbeiter oder Vergabe von Unteraufträgen die Zustimmung der
Klägerin zu 1) einholen. Im Rahmen der Gesamtabwägung reichten diese Umstände jedoch nicht aus, um die Tätigkeit als abhängige
Beschäftigung einzustufen.
Gegen das ihr am 21.11.2016 zugestellte Urteil richtet sich die am 05.12.2016 eingelegte Berufung der Beklagten. Ärzte unterlägen
in ihrer eigentlichen ärztlichen Tätigkeit keinen Weisungen. Daher komme es entscheidend darauf an, inwieweit der Arzt in
eine fremde Arbeitsorganisation eingegliedert sei. Vor diesem Hintergrund würden die Tätigkeiten zB in einem Explantationsteam,
als Hubschrauberarzt, als Notarzt oder Notdienstarzt regelmäßig als Beschäftigungsverhältnis qualifiziert. Gemein sei diesen
Tätigkeiten, dass die Arbeitsorganisation, an deren Arbeitsprozess der Arzt dienend teilnehme, von Dritten vorgegeben sei.
Dies gelte auch hier. Soweit die Klägerin zu 2) die vertraglichen Verpflichtungen der Klägerin zu 1) gegenüber deren Kunden
erfülle, sei sie auch in deren Betriebsorganisation eingegliedert. Fraglich sei, ob die Klägerin zu 1) auch festangestellte
Ärzte in gleicher Tätigkeit beschäftige und welche Unterschiede in der Ausübung der Tätigkeit ggf bestünden. Ein unternehmerisches
Risiko der Klägerin zu 2) sei nicht ansatzweise zu erkennen, sie setze weder eigenes Kapital noch ihre Arbeitskraft mit ungewissem
Erfolg ein. Die Haftung gegenüber den Kunden treffe die Klägerin zu 1).
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 10.11.2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerinnen beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin zu 1) trägt vor, die Klägerin zu 2) übe ihre Tätigkeit in den Drittbetrieben nach Zeitpunkt, Inhalt und Umfang
frei von Weisungen der Klägerin zu 1) aus und sei folglich auch nicht in deren Betriebsorganisation eingegliedert. Dies ergebe
sich aus der Tätigkeit als verantwortlicher Betriebsarzt mit gesetzlich umfassend definiertem und reglementiertem Betreuungsauftrag
nach den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des Arbeitssicherheitsgesetzes (ASiG), der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) usw. Diese Tätigkeit sei entscheidend dadurch geprägt, dass die Klägerin zu 2) kraft eigener Sachkunde und idR als einzige
medizinisch geschulte Verantwortliche im Prozess arbeitsmedizinische Betreuung in Abstimmung und Koordination mit Dritten
tätig werde. Arbeitsteiliges Handeln mit der Klägerin zu 1) sei kaum mehr notwendig. Mit den von der Beklagten herangezogenen
Beispielen von Notärzten, Explantationsteams etc sei die Tätigkeit als Betriebsarzt in keiner Weise vergleichbar. Deren Tätigkeit
sei wesentlich von koordiniertem, hochgradig arbeitsteiligen Handeln und einem vorab zusammengestellten Team und umfangreichen
Behandlungsapparat innerhalb der Organisation geprägt und davon abhängig. Dass die Klägerin zu 2) in Vollzug eines Vertragsverhältnisses
zwischen der Klägerin zu 1) und Drittunternehmen tätig werde, führe allein nicht zur Einbindung in die Betriebsorganisation
der Klägerin zu 1). Im Zeitalter von arbeitsteiligem Handeln beruhten hierauf ganze Wirtschaftskreisläufe mit Hauptunternehmer
und spezialisierten Subunternehmern. Dass das unternehmerische Risiko eines Betriebsarztes grundsätzlich als gering anzusehen
sei, ergebe sich aus dessen Tätigkeit. Die Klägerin zu 1) beschäftige auch angestellte Ärzte. Diese nähmen ihre Tätigkeit
vom Praxissitz aus wahr und soweit nicht in den arbeitsmedizinisch betreuten Betrieben tätig, seien sie auch vor Ort in der
Praxis erreichbar. Sie nutzten dabei zur Organisation der Terminabsprachen und Abwicklung der Termine die Praxisinfrastruktur,
ließen daher über Mitarbeiter Termine vereinbaren, Berichte schreiben, zögen weitere Mitarbeiter zu Reihenuntersuchungen und
Tests hinzu. Die Klägerin zu 2) nutze die Praxisinfrastruktur rein tatsächlich überhaupt nicht oder nur im Ausnahmefall.
Die Klägerin zu 2) teilt mit, dass sie ihre Tätigkeit für die Klägerin zu 1) zum 31.12.2016 beendet habe. Zwar sei aufgrund
der hohen Eigenverantwortung eine Weisungsgebundenheit von Ärzten grundsätzlich weniger ausgeprägt, es treffe jedoch nicht
zu, dass Ärzte grundsätzlich keinen Weisungen unterlägen. Vom Gegenteil könne sich jeder Krankenhauspatient bei der Chefarztvisite
überzeugen, bei der durchaus den zugeordneten Ärzten fachliche Weisungen gegeben würden. Daher sei es durchaus von Relevanz,
dass die Klägerinnen fachliche Weisungsfreiheit vereinbart hätten und entsprechende Weisungen auch nicht erteilt worden seien.
Für die Eingliederung in eine Arbeitsorganisation reiche es nicht aus, dass die Klägerin zu 2) im Namen und im Auftrag der
Klägerin zu 1) tätig werde. Ansonsten wäre eine Auftragsvergabe an selbstständige Subunternehmer nicht mehr möglich. Die Klägerin
zu 1) gebe ihren Auftrag an die Klägerin zu 2) weiter. Der Auftragsinhalt sei weitestgehend gesetzlich geregelt, die "Weisung"
des Auftraggebers bestehe in der Mitteilung des vereinbarten Termins. Diesen könne die Klägerin zu 2) akzeptieren oder auch
ablehnen; in einigen Fällen habe sie Termine auch direkt mit den Kunden vereinbart. Die Klägerin zu 2) arbeite nicht in der
Praxis der Klägerin zu 1), sie nehme an keinen gemeinsamen Besprechungen teil. Die Arbeitsprozesse würden vom Kunden nicht
vorgegeben. Damit fehle es an grundlegenden Merkmalen abhängiger Beschäftigung. Damit könne das nur moderat ausgeprägte unternehmerische
Risiko das Gesamtbild nicht entscheidend bestimmen und die vertraglich vereinbarte Selbstständigkeit nicht "kippen".
Die Beigeladenen zu 1) hat sich im Berufungsverfahren nicht geäußert und keine Anträge gestellt; die Beigeladene zu 2) hat
sich den Anträgen der Klägerinnen angeschlossen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider
Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§
151 Abs
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG)) ist statthaft (§§
143,
144 SGG) und damit zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide vom 18.08.2015 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide
vom 14.12.2015 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerinnen in ihren Rechten. Die Klägerin zu 2) war bei der Klägerin zu
1) vom 15.10.2014 bis 31.12.2016 nicht abhängig beschäftigt und daher auch nicht versicherungspflichtig in der Rentenversicherung
und nach dem Recht der Arbeitsförderung. Das SG hat die angefochtenen Bescheide daher zu Recht aufgehoben. Soweit das SG die Beklagte nur zur Feststellung der Versicherungsfreiheit verurteilt und nicht selbst die entsprechende Feststellung getroffen
hat, wird dies mit der tenorierten Maßgabe durch den Senat korrigiert. Richtige Klageart ist die mit der Anfechtungsklage
verbundene Feststellungsklage (ua LSG Nordrhein-Westfalen 30.11.2016, L 8 R 185/13 WA; Bayerisches Landessozialgericht 20.10.2016, L 7 R 718714).
Formell sind die angefochtenen Bescheide rechtmäßig. Sie sind nach erfolgter Anhörung der Beteiligten ergangen. Die Beklagte
hat zudem die Anforderungen an eine Statusfeststellung erfüllt, die das Bundessozialgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt
hat (BSG 11.03.2009, B 12 R 11/07 R, BSGE 103, 17 ff.; BSG 04.06.2009, B 12 R 6/08 R, juris), und nicht nur eine isolierte Entscheidung über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung "dem Grunde nach",
sondern auch über das Vorliegen von Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung getroffen. Soweit
die Ausgangsbescheide vom 18.08.2015 hinsichtlich der Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung widersprüchlich
formuliert waren, ist in der maßgebenden Fassung, die diese Bescheide durch die Widerspruchsbescheide vom 14.12.2015 erfahren
haben, klargestellt, dass \226 wie auch bereits aus der Begründung der Bescheide ersichtlich \226 die Beklagte allein die
Versicherungspflicht in der Rentenversicherung und nach dem Arbeitsförderungsrecht festgestellt hat.
Rechtsgrundlage für die angefochtenen Bescheide ist §
7a Abs
1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (
SGB IV). Nach dieser Vorschrift können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung der nach §
7a Abs
1 Satz 3
SGB IV zuständigen Beklagten beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger
hätte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Die Beklagte
entscheidet aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles, ob eine Beschäftigung vorliegt (§
7a Abs
2 SGB IV). Das Verwaltungsverfahren ist in den Absätzen 3 bis 5 geregelt. §
7a Abs
6 SGB IV regelt in Abweichung von den einschlägigen Vorschriften der einzelnen Versicherungszweige und des
SGB IV den Eintritt der Versicherungspflicht (Satz 1) und die Fälligkeit des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (Satz 2). Abs 7 der
Vorschrift ordnet die aufschiebende Wirkung von Klage und Widerspruch bezüglich der Fälligkeit der Beiträge an (Satz 1). Mit
dem rückwirkend zum 01.01.1999 durch das Gesetz zur Förderung der Selbständigkeit vom 20.12.1999 (BGBl I, 2000, 2) eingeführten Anfrageverfahren soll eine schnelle und unkomplizierte Möglichkeit zur Klärung der Statusfrage erreicht werden;
zugleich sollen divergierende Entscheidungen verhindert werden (BT-Drucks 14/1855 S 6).
Einen entsprechenden Antrag auf Statusfeststellung haben die Klägerinnen am 27.04.2015 gestellt. Ein vorheriges Verfahren
zur Feststellung einer Beschäftigung durch einen anderen Versicherungsträger oder die Einzugsstelle ist nicht ersichtlich.
Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterlagen im streitgegenständlichen Zeitraum in der Renten- und Arbeitslosenversicherung
der Versicherungs- bzw Beitragspflicht (§
1 Satz 1 Nr
1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (
SGB VI), §
25 Abs
1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (
SGB III)). Nach §
7 Abs
1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung
des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in
einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer,
Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt.
Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden
Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko,
das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen
frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet
sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen.
Zur Feststellung des Gesamtbilds kommt den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen
Abreden zu. Ausgangspunkt für die Beurteilung ist demnach zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich
aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt (Senatsurteil
vom 18.07.2013, L 11 R 1083/12). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig
ist (zum Ganzen BSG 29.08.2012, B 12 R 25/10 R, BSGE 111, 257 mwN).
Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen
Vereinbarungen auszugehen. Dazu haben Verwaltung und Gerichte zunächst deren Inhalt konkret festzustellen. Liegen schriftliche
Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen
erfolgt sind. Diese sind ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit
der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen bloßen "Etikettenschwindel"
handelt, der uU als Scheingeschäft iS des §
117 BGB zur Nichtigkeit dieser Vereinbarungen und der Notwendigkeit führen kann, ggf den Inhalt eines hierdurch verdeckten Rechtsgeschäfts
festzustellen. Erst auf Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende
Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren
Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (BSG 18.11.2015, B 12 KR 16/13 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 25).
Nach den genannten Grundsätzen gelangt der Senat unter Abwägung aller Umstände zu der Überzeugung, dass die Klägerin zu 2)
für die Klägerin zu 1) im Zeitraum 15.10.2014 bis 31.12.2016 selbstständig tätig war, weshalb keine Versicherungspflicht in
der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestand.
Zwischen den Klägerinnen wurde ein schriftlicher Vertrag über freie Mitarbeit geschlossen. Der Senat ist davon überzeugt,
dass dieser entsprechend der dort enthaltenen Regelungen auch umgesetzt und nicht konkludent abgeändert worden ist. In diesem
Vertrag ist die weisungsfreie Ausübung der Tätigkeit, Betriebe als Fachärztin für Arbeitsmedizin selbstständig zu betreuen,
ausdrücklich vorgesehen. Dies entspricht \226 soweit es die fachliche Ausführung des Auftrags als Betriebsärztin betrifft
\226 der gesetzlichen Regelung in § 8 Abs 1 Satz 1 ASiG. Als Betriebsärztin hat die Klägerin zu 2) daher frei darüber zu entscheiden, ob und welche arbeitsmedizinischen Prüfungen
und Untersuchungen vorzunehmen oder welche sonstigen Maßnahmen zu treffen und wie diese durchzuführen sind. Auch ansonsten
unterliegt die Klägerin zu 2) nach dem Vertrag keinerlei Weisungen, weder zu Arbeitszeit noch zum Arbeitsort. Die Frage, wann
und in welchen Betrieben die Klägerin zu 2) tätig werden sollte, war Gegenstand des einzelnen Auftrags, den die Klägerin zu
2) nach freiem Belieben annehmen oder ablehnen konnte bzw die Termine wurden von ihr selbst mit dem Kunden vereinbart. Eine
einseitige Zuweisung durch die Klägerin zu 1) war insoweit nicht möglich und ist auch nicht erfolgt. Soweit eine Rücksichtnahme
auf betriebliche Belange vorgesehen ist, ist dies bei selbstständigen Auftragsarbeiten ebenso üblich wie die Vereinbarung,
projektbezogene Zeitvorgaben einzuhalten. Andere Aufgaben als die betriebsärztliche Betreuung von Betrieben der Kunden der
Klägerin zu 1) waren der Klägerin zu 2) nicht übertragen. Fachlich besteht bei ärztlichen Tätigkeiten aus der Natur der Sache
eine weitgehend weisungsfreie Tätigkeit, die nur bei der Eingliederung in Hierarchien durchbrochen wird (vgl Powietzka/Bölz,
KrV 2012, 137, 139). Eine Einbindung in die Weisungsstränge einer betrieblichen Hierarchie oder eine Verpflichtung, weitere
Aufgaben zu übernehmen, war nicht vorgesehen. Die völlige Weisungsfreiheit der Klägerin zu 2) ist ein für Selbstständigkeit
sprechendes Indiz, das im Rahmen der Gesamtwürdigung von erheblichem Gewicht ist.
Die Klägerin zu 2) war auch nicht in die fremde Betriebsorganisation der Klägerin zu 1) eingegliedert. Die Tätigkeit kann
im Wesentlichen nur in den Räumen des zu betreuenden Betriebs \226 hier der Kunden der Klägerin zu 1) - ausgeübt werden, was
jedoch aus der Natur der Sache folgt. Ein entscheidendes Kriterium für eine organisatorische Eingliederung in die Firma der
Klägerin zu 1) kann hierin nicht gesehen werden (so bereits BSG 09.12.1981, 12 RK 4/81, SozR 2400 § 2 Nr 19). Die Ausführung der Tätigkeit am Ort der arbeitsmedizinisch zu betreuenden Betriebe ist, ebenso wie bei Lehrern (dazu
Senatsurteile vom 21.10.2014, L 11 R 4761/13 und 24.02.2015, L 11 R 2016/13, juris), kein valides Abgrenzungskriterium (vgl Senatsurteil vom 19.04.2016, L 11 R 2428/15, juris zu einem Bereitschaftsarzt in einer Reha-Klinik; Senatsurteil vom 21.02.2017, L 11 R 2433/16, juris zu einer Vertretungsärztin in einer radiologischen Praxis).
Schon nach § 2 Abs 1 ASiG hat der Arbeitgeber die Betriebsärzte bei der Erfüllung ihrer Aufgaben ua dadurch zu unterstützen, dass er, soweit erforderlich,
Hilfspersonal, Räume, Einrichtungen, Geräte und Mittel zur Verfügung zu stellen hat. Eine Zusammenarbeit mit Personal der
Klägerin zu 1) war nicht vorgesehen und auch nicht erforderlich. Technische Untersuchungen (Hör- und Sehtests) wurden unabhängig
von der Tätigkeit der Klägerin zu 2) durch eigenes Personal der Klägerin zu 1) durchgeführt. Selbst wenn derartige Untersuchungen
zeitgleich mit der Tätigkeit der Klägerin zu 1) im Betrieb erfolgten, waren die verschiedenen Tätigkeiten unabhängig voneinander.
Die vertraglich ausgeschlossene Weisungsbefugnis der Klägerin zu 2) gegenüber Angestellten der Klägerin zu 1) bestätigt, dass
eine Zusammenarbeit nicht vorgesehen war. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die angestellten Ärzte bei der Klägerin zu 1)
in zusätzlichen Punkten erkennbar in die Praxisorganisation eingegliedert waren. Sie waren grundsätzlich am Praxissitz tätig
und dort erreichbar, sofern keine Arbeiten in den Betrieben der Kunden zu verrichten waren und konnten zudem die gesamte Praxisinfrastruktur
nutzen, etwa um durch das Praxispersonal Termine vereinbaren oder Berichte schreiben zu lassen. Die Klägerin zu 2) hat dagegen
nur ausnahmsweise hierauf zurückgreifen können, etwa bei der Bestellung von Impfstoffen, die über die Praxis bezogen wurden.
Der Klägerin zu 2) wurden von der Klägerin zu 1) keine festen Arbeitszeiten bzw Aufträge ohne vorherige Absprache und gegen
ihren Willen zugewiesen, sondern ihr stand es frei, an welchen Tagen und bei welchen Betrieben sie tätig werden wollte. Wie
sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausgeführt hat, war sie insbesondere für die Firma Be. in T. bei W. gerne
tätig und hat diese Aufträge ausgesucht. Die Möglichkeit, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen, kann als Indiz für das Vorliegen
einer selbständigen Tätigkeit angesehen werden, weil damit die Klägerin zu 2) über den Umfang ihrer Tätigkeit selbst bestimmte.
Doch sind ebenso im Rahmen abhängiger Beschäftigung Vertragsgestaltungen nicht unüblich, die es weitgehend dem Beschäftigten
überlassen, wie er im Anforderungsfall tätig werden will oder ob er eine Anfrage ablehnt (Senatsurteil vom 18.07.2013, L 11 R 1083/12). In Abruf- oder Aushilfsbeschäftigungsverhältnissen, in denen auf Abruf oder in Vertretungssituationen, beispielsweise bei
Erkrankung und Ausfall von Mitarbeitern, lediglich im Bedarfsfall auf bestimmte Kräfte zurückgegriffen wird, kann die Möglichkeit
eingeräumt sein, eine Anfrage abzulehnen. Eine derartige Vereinbarung kann auch arbeitsrechtlich zulässig sein. Dabei handelt
es sich dann idR nicht um eine Arbeit auf Abruf iSd § 12 Abs 1 Satz 1 des Gesetzes über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (TzBfG), sondern um auf den jeweiligen Einsatz bezogene Einzelarbeitsverträge (Ein-Tages-Arbeitsverhältnisse). Nach der Rspr des
BAG sind die Arbeitsvertragsparteien nicht gezwungen, statt Einzelarbeitsverträgen ein Abrufarbeitsverhältnis nach § 12 TzBfG zu begründen. Auch kann der Arbeitnehmer ein Interesse an einer solchen Vertragskonstruktion haben; denn er kann dadurch
über seine Zeit frei verfügen und läuft nicht Gefahr, dass seine anderweitigen Dispositionen und Verpflichtungen mit der Verpflichtung
zur Arbeitsleistung kollidieren (BAG 16.05.2012, 5 AZR 268/11, BAGE 141, 348). Wird die Tätigkeit nach Annahme des Auftrags jedoch in einem fremden Betrieb und damit im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung
ausgeübt, stellt die Tätigkeit nicht allein wegen der vorhandenen Ablehnungsmöglichkeiten eine selbständige Tätigkeit dar.
So liegt der Fall hier allerdings nicht, da eine Eingliederung in einen fremden Betrieb gerade nicht erkennbar ist.
Die Klägerin zu 2) hatte - wenn auch nur in eher geringem Maße - ein für Selbständigkeit sprechendes Unternehmerrisiko zu
tragen. Maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr
des Verlusts eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist (siehe dazu
BSG 28.09.2011, B 12 R 17/09 R, juris; BSG 25.04.2012, B 12 KR 24/10 R, SozR 4-2400, § 7 Nr 15). Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko
auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen
(BSG, aaO).
Die Klägerin zu 2) hat - wie es auch für Honorarärzte typisch ist - im Wesentlichen ihre Arbeitskraft eingesetzt. Aus dem
allgemeinen Risiko, außerhalb der Erledigung einzelner Aufträge zeitweise die eigene Arbeitskraft nicht verwerten zu können,
folgt allerdings noch kein Unternehmerrisiko wegen der einzelnen Einsätze (BSG 28.09.2011, B 12 R 17/09 R, juris); dies gilt auch im Hinblick darauf, dass Anschlussangebote ungewiss sind (aA - für eine Berücksichtigung des Verwertungsrisikos
der eigenen Arbeitskraft: Porten, NZS 2016, 456, 461). Bei Betrachtung der gesamten Tätigkeit als Betriebsärztin erscheint es jedoch auch nicht sachgerecht, allein aufgrund
des vereinbarten pauschalen Stundenhonorars von 85 EUR ein unternehmerisches Risiko auszuschließen. Bei Bereitschafts- und
Notärzten bietet sich eine feste Vergütung nach Stunden schon deshalb an, weil sich der Bereitschaftsdienst dadurch auszeichnet,
dass nur im Notfall bei plötzlich auftretendem Behandlungsbedarf eine Tätigkeit erfolgt; in diesen Fällen ist die Vergütung
nach festem Stundensatz daher kein relevantes Abwägungskriterium (so LSG Berlin-Brandenburg, 20.03.2015, L 1 KR 105/13, NZS 2015, 630). Ähnliches gilt auch in Fällen kurzzeitiger Vertretungen in vertragsärztlichen Praxen, in denen sich eine stundenweise Abrechnung
viel eher anbietet als eine aufwendig zu berechnende Vergütung nach einzelnen ärztlichen Diensten entsprechend der Gebührenordnung für Ärzte oder nach dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen unter Abzug von Praxiskosten. Auch bei Betriebsärzten
bietet sich eine Vergütung nach festem Stundensatz geradezu an. Betrachtet man die Höhe der Vergütung, ist der hohe Stundensatz
ein gewichtiges Indiz für eine selbstständige Tätigkeit (BSG 31.03.2017, B 12 R 7/15 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 30). Hinzu kommt, dass die Vergütung der Klägerin zu 2) nahezu doppelt so hoch war wie der Bruttolohn der bei der Klägerin
zu 1) angestellten Ärzte, wie der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat anwesende Steuerberater Buck, der auch die Lohnbuchhaltung
für die Klägerin zu 1) erledigt, glaubhaft vorgetragen hat.
Für eine selbstständige Tätigkeit spricht auch, dass keinerlei Konkurrenzverbot vertraglich geregelt war (anders bei LSG Saarland
30.03.2017, L 1 R 122/15, juris). Die Klägerin zu 2) hatte auch bereits vor der hier streitigen Tätigkeit eigene Kunden, die sie auch während des
hier streitigen Zeitraums weiter betreute.
Für eine abhängige Beschäftigung spricht die Verpflichtung zur höchstpersönlichen Leistungserbringung in § 2 des Vertrags
über freie Mitarbeit. Arbeitnehmer haben ihre Arbeitsleistung nämlich in der Regel höchstpersönlich zu erbringen und dürfen
sich hierbei nicht Dritter als Erfüllungsgehilfen bedienen (BSG 17.12.2014, B 12 R 13/13 R, SozR 4-2400 § 28p Nr 4). Dementsprechend stellt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Pflicht, die Leistung
grundsätzlich persönlich zu erbringen, ein typisches Merkmal für ein Arbeitsverhältnis dar. Da nach §
613 Satz 1
Bürgerliches Gesetzbuch der zur Dienstleistung Verpflichtete die Dienste nur "im Zweifel" in Person zu leisten hat, kann der zur Leistung Verpflichtete
dagegen durchaus berechtigt sein, die Leistung durch Dritte erbringen zu lassen. Andererseits kann es gerade bei Dienstleistungen
höherer Art dem Auftraggeber darauf ankommen, dass genau die von ihm ausgewählte Person tätig wird. Für abhängige Beschäftigung
spricht jedenfalls die Erstattung von Fahrkosten zu den jeweiligen Einsatzbetrieben.
Unbeachtlich ist im Rahmen der Gesamtabwägung, dass keine Arbeitnehmerschutzrechte wie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder
bezahlter Urlaub vereinbart waren. Denn solche Vertragsgestaltungen sind als typisch anzusehen, wenn beide Seiten eine selbstständige
freie Mitarbeit wollten.
In der Gesamtabwägung spricht vor allem die fehlende Weisungsgebundenheit und die fehlende konkrete Eingliederung in den Betrieb
der Klägerin zu 1) für eine selbstständige Tätigkeit. Hinzu kommt die Höhe der Entlohnung, die zudem deutlich über derjenigen
der bei der Klägerin zu 1) angestellten Arbeitsmediziner liegt. Die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung sowie die
Erstattung von Fahrkosten treten in der Gesamtabwägung demgegenüber deutlich zurück. Insoweit spricht auch der tatsächliche
Wille der Vertragsparteien, keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung begründen zu wollen, hier für dieses Ergebnis.
Diesem Willen kommt nach der Rechtsprechung des BSG indizielle Bedeutung dann zu, wenn dieser Wille den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich
widerspricht und er durch weitere Aspekte gestützt wird bzw die übrigen Umstände gleichermaßen für Selbstständigkeit wie für
eine Beschäftigung sprechen (BSG 28.05.2008, B 12 KR 13/07 R, juris). Dies ist hier der Fall.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs
2 Nrn 1 und 2
SGG) liegen nicht vor.