Zulässigkeit der Verhängung von Ordnungsgeld gegen einen Sachverständigen im sozialgerichtlichen Verfahren wegen Fristversäumnis
Gründe:
I. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Verhängung eines Ordnungsgeldes durch das Sozialgericht.
In dem auf Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gerichteten Klageverfahren vor dem Sozialgericht Würzburg
beauftragte das Sozialgericht den Beschwerdeführer mit Beweisanordnung vom 20. November 2009 mit der Erstellung eines Gutachtens.
Mit Schreiben vom 25. Februar 2010 und 26. März 2010, letzteres mit Fristsetzung, erinnerte das Gericht den Beschwerdeführer
an die Erledigung des Gutachtensauftrags. Eine Äußerung ging hierzu nicht ein.
Mit Schreiben vom 29. April 2010 mahnte das Sozialgericht erneut das Gutachten unter Fristsetzung bis 19. Mai 2010 und unter
Androhung eines Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 1.000.- EUR an. Dieses Schreiben wurde dem Beschwerdeführer mit Zustellungsurkunde
am 7. Mai 2010 zugestellt. Auch hierauf erfolgte keine Äußerung des Beschwerdeführers.
Mit Beschluss vom 21. Mai 2010 verhängte das Sozialgericht ein Ordnungsgeld in Höhe von 500.- EUR. Der Beschluss enthielt
eine Rechtsbehelfsbelehrung und wurde dem Beschwerdeführer am 26. Mai 2010 zugestellt.
Bei einem Telefonat vom 13. Juli 2010 teilte der Beschwerdeführer gegenüber dem Sozialgericht mit, er habe Schreiben des Gerichts
nicht erhalten, weil diese in der Klinik nicht ordnungsgemäß verteilt worden seien. Das Gutachten ging erst am 21. Juli 2010
beim Sozialgericht ein.
Gegen den Beschluss hat der Beschwerdeführer am 5. August 2010 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat er auf gesundheitliche
Probleme seit März 2010 verwiesen. Vor allem die gutachterliche Tätigkeit habe er nicht mehr in dem gewohnten Zeitrahmen ausüben
können. Im Übrigen habe ihm die angespannte wirtschaftliche Lage mit immer wiederkehrenden juristischen Auseinandersetzungen
mit der Kassenärztlichen Vereinigung über das Honorar und Regelleistungsvolumina psychisch zugesetzt. Seine gesundheitliche
Situation habe sich erst ab Juni wieder verbessert. Eine Zustellung mit Androhung von Zwangsgeld habe er nicht erhalten; es
arbeite in seiner Praxis keine Frau "K.". Die Höhe des Ordnungsgeldes dürfe sich allenfalls auf 100.- bis 150.- EUR belaufen.
II. Die Beschwerde ist zwar statthaft (§
172 Sozialgerichtsgesetz -
SGG). Es liegt nach Aktenstand nahe, dass die Beschwerde verspätet eingelegt wurde. Nach §
173 S. 1
SGG ist diese binnen eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung beim Sozialgericht schriftlich oder zur Niederschrift des
Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Vorliegend ist sie jedoch nicht fristgerecht innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe
der Entscheidung eingelegt worden. Der Beschluss vom 21. Mai 2010 wurde dem Beschwerdeführer ausweislich der Zustellungsurkunde
am 26. Mai 2010 zugestellt. Die Beschwerde ist erst am 5. August 2010 und somit nicht innerhalb der einmonatigen Frist des
§
173 SGG eingegangen. Diese Frist begann am Tag nach der Zustellung und endete nach einem Monat bzw. am Montag, den 28. Juni 2010.
Gründe, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach §
67 Abs.
1 SGG rechtfertigen würden, sind nicht erkennbar. Soweit sich der Beschwerdeführer darauf beruft, dass ihm Schreiben des Gerichts
nicht zugestellt worden seien, ist dies durch die Zustellungsurkunden vom 26. Mai 2010 widerlegt. Die Zustellungsurkunde (§
63 Abs.
2 S. 1
SGG in Verbindung mit §
182 Zivilprozessordnung -
ZPO) stellt eine öffentliche Urkunde mit Beweiskraft (§§
182 Abs.
1 S. 2, 415 Abs.
1,
418 ZPO) dar. Allerdings kann gemäß §
418 Abs.
2 ZPO der Gegenbeweis der Unrichtigkeit geführt werden. Soweit der Beschwerdeführer vorträgt, es habe in der Person der Frau C.
K., die in der Urkunde benannt wurde, keine zum Empfang ermächtigte Vertreterin gegeben, kann diese Streitfrage vom Senat
dahingestellt bleiben, da die Beschwerde jedenfalls unbegründet ist und die Beschwerde zumindest deshalb zurückzuweisen ist.
Gemäß §
118 SGG in Verbindung mit §§
406 Abs.
2,
411 Abs.
1 und
2 ZPO kann gegen den Sachverständigen nach Setzung einer Frist und einer Nachfrist das angedrohte Ordnungsgeld verhängt werden,
wenn der Sachverständige seiner Verpflichtung zur Erstattung eines Gutachtens bis dahin nicht nachgekommen ist. Diese Voraussetzungen
sind im vorliegenden Fall erfüllt. Eine genügende Entschuldigung des Verhaltens des Beschwerdeführers, die zur Folge hätte,
dass die Festsetzung des Ordnungsgeldes gemäß §
402 ZPO in Verbindung mit §
381 Abs.
1 S. 2
ZPO zu unterbleiben hätte, ist nicht gegeben.
Gemäß §
411 Abs.
1 ZPO kann das Gericht eine Frist bestimmen, innerhalb der der Sachverständige das Gutachten auf der Geschäftsstelle niederzulegen
hat. Das Sozialgericht hat hiervon mit Schreiben vom 25. Februar 2010, 26. März 2010 und zuletzt mit Schreiben vom 29. April
2010 Gebrauch gemacht. Die mit letztem Schreiben gesetzte Nachfrist (§
411 Abs.
2 S. 2
ZPO) von einem Monat war nicht unverhältnismäßig kurz, da der Gutachtensauftrag bereits mit Beweisanordnung vom 20. November
2009 erteilt worden war. Das Schreiben vom 29. April 2010 wurde dem Beschwerdeführer am 7. Mai 2010 zugestellt. Der Zugang
ist durch Zustellungsurkunde belegt. Dabei wurde dieses Schreiben - anders als bei der Zustellung vom 26. Mai 2010 - einem
in den Geschäfts- bzw. Praxisräumen Beschäftigten übergeben. Eine derartige Ersatzzustellung ist gemäß §
63 Abs.
2 S. 2
SGG in Verbindung mit §
178 Abs.
1 Nr.
2 ZPO zulässig. Der Zustellungsempfänger vertritt den Adressaten in diesem Fall kraft Gesetzes. Eine Bevollmächtigung ist hierfür
nicht erforderlich. Gegen diese Zustellung hat der Beschwerdeführer keinen Gegenbeweis angetreten. Allein die Behauptung,
er habe keine Schreiben erhalten, ist nicht ausreichend und vermag die Beweiskraft der öffentlichen Urkunde nicht zu entkräften.
Voraussetzung für die Verhängung von Ordnungsgeld ist ferner, dass der Sachverständige schuldhaft gehandelt hat. Eine hinreichende
Entschuldigung setzt voraus, dass trotz gebotener Sorgfalt die Fristversäumnis nicht vermeidbar war. Der Beschwerdeführer
begründet die verzögerte Bearbeitung des Gutachtensauftrages mit gesundheitlichen Problemen, die er von März bis Juni 2010
gehabt habe. Allerdings war er auch nach eigenen Angaben dadurch nicht gehindert, den Praxisbetrieb fortzuführen. Wenn Umstände
eintreten, die ihm eine zeitgerechte Erstellung des Gutachtens unmöglich machen, ist er verpflichtet, dem Gericht unverzüglich
Mitteilung zu machen. Es kann vor allem verlangt werden, dass ein Sachverständiger auf gerichtliche Sachstandsanfragen und
Erinnerungen antwortet und die Verzögerung der Gutachtenserstellung begründet. Vorliegend hat der Beschwerdeführer erst mit
Schreiben vom 17. Juli 2010 im Rahmen der Vorlage des Gutachtens auf die gesundheitlichen Gründe verwiesen, so dass das Gutachten
"unangemessen lange gedauert" habe. Es hätte ihm oblegen, darauf hinzuweisen, dass eine gutachterliche Tätigkeit derzeit nicht
durchgeführt werden kann, und eine Entbindung vom Gutachtensauftrag zu beantragen.
Die Verhängung von Ordnungsgeld wird nicht durch Vorlage des Gutachtens obsolet. Nach Wortlaut und Sinn dient die Verhängung
von Ordnungsgeld nicht allein der Durchsetzung der Verpflichtung zur Erstellung eines Gutachtens, sondern auch dessen zeitgerechter
Erstellung. Die Einreichung des Gutachtens erfolgte erst nach Ablauf der Nachfrist, so dass eine erhebliche zeitliche Verzögerung
des Rechtsstreits eingetreten ist.
Die Höhe des Ordnungsgeldes richtet sich nach Art. 6 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum
Strafgesetzbuch (EGStGB). Danach ist ein Rahmen von 5,00 EUR bis 1.000,00 EUR vorgegeben, innerhalb dessen sich das Ordnungsgeld bewegen kann. Bei
der Zumessung hat das Gericht die Umstände, die für oder gegen den Beschwerdeführer sprechen, gegeneinander abzuwägen. Dabei
ist auf das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art des Verstoßes und dessen schuldhafte Auswirkungen sowie auf die persönlichen
und wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers abzustellen. Im Hinblick auf den Vergütungsanspruch für die Gutachtenserstellung
und die beharrliche Nichtbeantwortung der gerichtlichen Anfragen erscheint trotz der vom Beschwerdeführer - allerdings nicht
näher präzisierten - finanziellen Lage nach der Existenzgründung ein Ordnungsgeld in der Mitte des möglichen Rahmens angemessen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
197 a SGG in Verbindung mit §
154 Abs.
1 und
2 Verwaltungsgerichtsordnung. Danach waren dem Beschwerdeführer, der nicht zu dem kostenprivilegierten Personenkreis des §
183 SGG gehört, die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.
Der Streitwert war entsprechend der Höhe des in Streit stehenden Ordnungsgeldes festzusetzen (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz).
Der Beschluss ist gemäß §
177 SGG nicht anfechtbar.