Tatbestand
Streitig zwischen den Beteiligten ist, ob beim Kläger eine Verschlimmerung seiner anerkannten Wehrdienstbeschädigung gemäß
§ 80 Soldatenversorgungsgesetz (SVG) und daher eine weitere Schädigungsfolge, nämlich ein Schaden an der rechten Schulter, anzuerkennen sind.
Der im Jahr 1960 geborene Kläger wurde während seiner Dienstzeit als Soldat der Bundeswehr am 05.09.1982 auf der Fahrt vom
Dienstort zum Wohnort bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt.
Mit Bescheid vom 23.03.2004 bezeichnete der Beklagte die Schädigungsfolgen zuletzt wie folgt:
"1. Plexusparese des linken Armes; knöchern in leichter Fehlstellung verheilter, operativ versorgter Schulterblattbruch links.
Knöchern verheilter, operativ versorgter Schlüsselbeinbruch links. Knöcherne Ausheilung von Mehrfachfrakturen des linken Unterarmes
nach operativer Versorgung. In neutraler Position versteiftes Handgelenk links;
2.Gallenblasenverlust, persistierende Hepatitis C;
3.Operativ behandelter, knöchern ausgeheilter Hüftpfannenbruch links. Knöchern, in achsengerechter Stellung ausgeheilter,
operativ versorgter Oberschenkelbruch links. Muskulär nicht kompensierte Bandverletzung am linken Kniegelenk. Knöchern in
leichter Fehlstellung ausgeheilter, operativ versorgter Unterschenkelbruch links;
4.Seelische Störung."
Er stellte eine Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 100 ab dem 01.10.2003 fest und erkannte dem Grunde nach einen Anspruch
auf Berufsschadensausgleich an.
Mit Schreiben vom 11.10.2007 beantragte der Kläger vor dem Hintergrund von Behandlungskosten für die rechte Schulter die Neufeststellung
seiner Schädigungsfolgen, da sich die Beschwerden infolge seiner körperlichen Einschränkungen verschlimmert hätten. Er leide
unter einem schmerzhaften Impingement-Syndrom an der rechten Schulter sowie unter Schmerzen beim Stehen und Gehen am linken
Knie, die auf eine schädigungsbedingt entstandene medial betonte Gonarthrose Grad IV sowie eine Retropatellararthrose Grad
II bis III zurückzuführen seien. Zudem leide er unter Rückenschmerzen. Er vermute, dass die ständige einseitige Be- und Überlastung
durch die unfallbedingte Lähmung des linken Arms zu einer Verkrümmung der Wirbelsäule geführt habe.
Nach der Einholung von versorgungsärztlichen Stellungnahmen wurde der Neufeststellungsantrag mit Bescheid vom 09.10.2008 abgelehnt.
Am 09.10.2008 wurde der Kläger an der rechten Schulter arthroskopisch operiert und eine subakromiale Dekompression durchgeführt.
Die Rotatorenmanschette wurde im Operationsbericht als altersgerecht beschrieben. Als Diagnosen wurden angegeben: Impingement
rechte Schulter, Synovitis rechte Schulter, Bursitis rechte Schulter und AC-Gelenksarthrose rechte Schulter.
Gegen den Bescheid vom 09.10.2008 legte der Kläger Widerspruch ein. Es wurden wiederum versorgungsärztliche Stellungnahmen
(vom 19.01.2009 und vom 06.03.2009) eingeholt. Betreffend die rechte Schulter konnten die Versorgungsärzte - im Gegensatz
zu der Seitverbiegung der Hals- und Brustwirbelsäule und den Knorpelschäden am linken Kniegelenk - einen Zusammenhang mit
dem versorgungsbegründenden Schadensfall, insbesondere der Schädigung der linken oberen Extremität, nicht erkennen. Nach den
Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP)
sei es - so die versorgungsärztliche Einschätzung - nicht erwiesen, dass ein Gliedmaßenverlust bei den oberen Gliedmaßen durch
Überbelastung zu einem Schaden an der verbliebenen Gliedmaße führen könne. Die in den AHP genannte Ausnahme bei einer langdauernden
ausgeprägten Fehlbelastung treffe beim Kläger nicht zu. Beim Kläger liege ein Engesyndrom (Impingement-Syndrom) der rechten
Schulter vor. Eine derartige Erkrankung stelle ein außerordentlich häufiges Krankheitsbild mit zunehmendem Auftreten nach
dem 40. Lebensjahr dar. Sie sei schicksalhaft und habe mit einer Überbelastung nichts zu tun.
Mit Teilabhilfebescheiden vom 04.02.2009 und 22.04.2009 wurde dem Widerspruch insoweit abgeholfen, als eine "Seitverbiegung
der Hals- und Brustwirbelsäule mit Muskelverspannungen bei Schulterhochstand links" und "Knorpelschäden am linken Kniegelenk"
als weitere Schädigungsfolgen bei einem unveränderten Grad der Schädigung von 100 anerkannt wurden. Im Übrigen wurde der Widerspruch
mit Widerspruchsbescheid vom 06.05.2009 zurückgewiesen.
Mit der am 02.06.2009 beim Sozialgericht München eingegangenen Klage hat der Kläger die Anerkennung der Funktionsbeeinträchtigung
des rechten Schultergelenks als Folge einer Wehrdienstbeschädigung begehrt. Er hat ein Attest seines behandelnden Orthopäden
vom 29.09.2008 vorgelegt, wonach er wegen der Überbelastung der rechten Schulter infolge der Plexusparese links operiert worden
sei, und zudem einen Auszug aus einer medizinischen Fachveröffentlichung (Breitenseher, Der MR-Trainer), in der ausgeführt
ist, dass ein intrinsisches Impingement u.a. durch Überbelastung der Rotatorenmanschette entstehen könne.
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens auf orthopädisch-unfallchirurgischem
Fachgebiet bei Dr. C ... Dieser kam nach ambulanter Untersuchung des Klägers in seinem Gutachten vom 23.08.2011 zu der Einschätzung,
dass die Funktionsbeeinträchtigung des rechten Schultergelenks nicht als Schädigungsfolge anerkannt werden könne. Es handle
sich um ein ausschließlich knöchernes Impingement, das nicht durch Überlastung entstanden sei, sondern eine anlagebedingte
Veränderung darstelle, und nicht um eine Zermürbung der Rotatorenmanschette und ein sich daraus entwickelndes sekundäres Impingement.
Nur bei einem solchen hätte eine überdimensionale mechanische Beanspruchung mit zunehmendem Verschleiß in die Überlegungen
eingebracht werden können. Die Rotatorenmanschette sei aber arthroskopisch als intakt beschrieben worden. Den Ausführungen
des Versorgungsarztes in der Stellungnahme vom 06.03.2009 sei vollinhaltlich zuzustimmen. Anders wäre der Fall nur bei einer
Krückengangschulter nach langjähriger Gehstützenbenutzung zu sehen; in einem solchen Fall könnten mechanische Überlastungsschäden
vornehmlich im subacromialen und acromioclavicularen Gelenk auftreten. Ein solcher Fall sei aber beim Kläger nicht gegeben.
Ein vermehrter Verschleiß der Schulter sei nicht begründbar, dies betreffe auch die subacromiale Engpasssymptomatik, die häufig
auf einer gewissen Schultereckgelenksarthrose beruhe. Wenn in der vom Kläger vorgelegten Literatur (Breitenseher) von einem
intrinsischen Impingement als mögliche Folge einer Überlastung berichtet werde, sei dies unzutreffend, da beim Kläger anlagebedingte
Veränderungen vorlägen und die Rotatorenmanschette intakt sei.
Auf Antrag des Klägers gemäß §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) ist der Orthopäde Dr. S. mit einer Begutachtung beauftragt worden. Dieser hat in seinem Gutachten vom 17.04.2012 ausgeführt,
dass eine erhebliche Überbelastung über einen langen Zeitraum des rechten Schultergelenks bei erheblicher Schädigung des linken
Arms als Schädigungsfolge anzuerkennen sei. Die direkte Folge der Überbelastung sei eine Arthrose des rechten Acromioclaviculargelenks,
die derzeit aktiviert sei und zu einem sekundären Impingement mit degenerativen Veränderungen der Rotatorenmanschette geführt
habe. Es handle sich gemäß MRT-Befund vom 03.06.2008 um eine hochgradig aktivierte Gelenksarthrose mit kräftigen Osteophyten,
die den subacromialen Raum erheblich einengen würden. Eine Primärarthrose des Schultereckgelenks, also eine anlagenbedingte
schicksalhaft auftretende Arthrose, sei an ein höheres Lebensalter gebunden. Hiervon könne man bei dem 48-jährigen Kläger
nicht sprechen. Eine Sekundärarthrose des Acromioclaviculargelenks beruhe dagegen meist auf posttraumatischen oder postinfektiösen
Gelenksveränderungen, komme aber auch bei vermehrter beruflicher und sportlicher Beanspruchung und schon in früheren Lebensabschnitten
vor. Da keine direkte traumatische Schädigung des Schultereckgelenks, keine Fraktur und auch keine sportliche Überlastung
beim Kläger bekannt sei, bleibe als Ursache für einen verfrühten Verschleiß des Gelenks als logische und sehr wahrscheinliche
Erklärung die lang anhaltende, dauerhaft intensive Überbelastung des rechten Arms aufgrund der Doppelbelastung durch den gelähmten
linken Arm und der Unmöglichkeit der Prothesenversorgung des linken Arms. In den AHP (Teil 2, Ziff. 129) sei ausgeführt:
"Es ist bisher nicht erwiesen, dass es durch einen Gliedmaßenverlust an der verbliebenen paarigen Gliedmaße zu Schäden (z.B.
Arthrosen, Senkfüße, Krampfadern) durch "Überlastungen" kommt. Die Annahme von Schäden an unversehrten Gliedmaßen infolge
einer Amputation kommt allenfalls dann in Betracht, wenn die Amputation zu einer langdauernden und sehr ausgeprägten Fehlbelastung
geführt hat, wie es beispielsweise bei Beinamputierten bei der Unmöglichkeit, eine Prothese zu tragen, oder bei einer prothetisch
nicht ausgleichbaren Hüftkontraktur der Fall sein kann."
Obwohl als Beispiel unter Ziff. 129 nur die unteren Extremitäten genannt seien, gelte - so Dr. S. - die Ausnahme auch für
die oberen Extremitäten, da wörtlich allgemein von "paarigen Gliedmaßen" gesprochen werde. Bei dem Kläger liege eine Unmöglichkeit
der Armprothesenversorgung wegen der Nervenschädigung und eine lang dauernde Fehlbelastung mit einer Zeitspanne von 30 Jahren
vor, so dass ein ursächlicher Zusammenhang angenommen werden könne.
Dr. C. hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 22.08.2012 an seiner bisherigen Einschätzung festgehalten. Die Theorie
des Dr. S. sei vom Ansatz her falsch, da bei einer Beinamputation das andere Bein die gesamte Körperlast tragen müsse, was
auf den Arm so nicht übertragbar sei. Der gesunde Arm erhalte durch die vermehrte Beanspruchung der Muskulatur ein relatives
Übergewicht, das (nur) die HWS in eine Fehlhaltung ziehe. Zudem müsste beim Kläger, wenn der falschen Arbeitshypothese des
Dr. S. im Sinn eines Sekundärschadens des rechten Schultergelenks gefolgt würde, auch eine Betroffenheit des rechten Schlüsselbein-Brustbeingelenks
vorliegen. Derartige Beschwerden gebe es aber nicht; auch Dr. S. habe solche nicht festgestellt.
Dazu hat sich Dr. S. am 12.10.2012 ergänzend gemäß §
109 SGG geäußert. Er hat Dr. C. widersprochen, soweit dieser Kritik an seiner Arbeitshypothese geäußert hat. Er, Dr. S., habe lediglich
die AHP zitiert. Es gebe durchaus die Möglichkeit, auch an den oberen Extremitäten eine Prothesenversorgung vorzunehmen, was
aber beim Kläger nicht möglich sei. Es gelte zu klären, warum die AHP plötzlich nicht mehr zur Geltung kommen sollten.
Der Kläger hat gegenüber dem Gericht sein Meinung geäußert, dass es bei einer 30-jährigen Erledigung aller, teils schwerer
Tätigkeiten mit einem Arm zum Teil zu starken Überbelastungen an der Wirbelsäule und dem gesamten Arm- und Schulterarmbereich
komme, was zwangsläufig langfristig zu derartigen Schäden führe. Die von ihm einarmig zu verrichtenden Tätigkeiten seien durchaus
vergleichbar mit schwerer körperlicher Arbeit und Sportarten mit physiologisch ungünstigen Bewegungsabläufen, die bei der
Frage nach möglichen Ursachen für Schulter-Arm-Beschwerden im Internet genannt würden.
Mit Gerichtsbescheid vom 27.05.2013 ist die Klage abgewiesen worden. Das Sozialgericht hat sich auf das Gutachten des Dr.
C. gestützt und seine Entscheidung umfassend begründet. Dabei hat es auch erläutert, warum es der Einschätzung des Dr. S.
nicht gefolgt ist.
Gegen den Gerichtsbescheid hat der Kläger am 17.06.2013 Berufung eingelegt. Er stützt sich auf das Gutachten des Dr. S ...
Im Erörterungstermin vom 28.01.2014 ist die Sach- und Rechtslage mit dem Kläger umfassend über eine Stunde lang besprochen
und ihm die aus Sicht des Berichterstatters vorliegende Aussichtslosigkeit seines Begehrens erläutert worden.
Mit Schreiben vom 14.02.2014 (Freitag) haben die Bevollmächtigten mit Blick auf den Termin der mündlichen Verhandlung am darauf
folgenden Dienstag (18.02.2014) vorgetragen, dass der Kläger bei seinem Orthopäden gewesen sei und dieser einen leichten Druckschmerz
über dem rechten Sternoclaviculargelenk festgestellt habe. Eine MRT des Sternoclaviculargelenks vom 11.02.2014 habe "nun tatsächlich
eine stärker ausgeprägte Degeneration auf der rechten Seite zu Tage gebracht". Die Auffassung des Dr. C. könne daher keinen
Bestand mehr haben. Eine Fehlbelastung sei damit erwiesen. Mitübersandt worden ist der MRT-Bericht vom 11.02.2014.
Der Sachverständige Dr. C. hat das Schreiben der Bevollmächtigten vom 14.02.2014 samt MRT-Bericht noch am selben Tag vom Senat
erhalten und über das Wochenende für das Gericht eine ergänzende gutachtliche Stellungnahme unter dem Datum vom 17.02.2014
angefertigt, die den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung ausgehändigt worden ist. Er hat darin darauf hingewiesen, dass
im Kernspintomogramm vom 11.02.2014 auf degenerative Veränderungen beider Schlüsselbein-Brustbeingelenke mit Rechtsbetonung
und das Nichtvorliegen einer höhergradigen Arthrose hingewiesen worden sei. Damit seien im Wesentlichen anlagebedingte degenerative
Veränderungen aktenkundig. Von einem wie auch immer gearteten Überlastungsschaden des rechten Schlüsselbein-Brustbeingelenks
sowie des Schultereckgelenks könne keine Rede sei. Es verbleibe bei seiner bisherigen Einschätzung.
Der Kläger beantragt in der mündlichen Verhandlung am 18.02.2014,
den Gerichtsbescheid vom 27.05.2013 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 09.10.2008 in Gestalt
der Teilabhilfebescheide vom 04.02.2009 und 22.04.2009 sowie in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.05.2009 zu verurteilen,
die Funktionsbeeinträchtigung des rechten Schultergelenks als Folge einer Wehrdienstbeschädigung anzuerkennen.
Hilfsweise beantragt er die
Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens gemäß §§
103,
106 SGG, hilfsweise nach §
109 SGG bei Prof. Dr. I ...
Beklagte und Beigeladene beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat die Versorgungs- und Schwerbehindertenakten des Beklagten, die Akten der Beigeladenen und des Sozialgerichts
München beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Berufungsakte und der beigezogenen Akten Bezug
genommen, die alle Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Mit Beschluss gemäß §
153 Abs.
5 SGG vom 29.01.2014 ist die Berufung dem Berichterstatter übertragen worden, so dass dieser zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern
zu entscheiden hat.
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Der Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, die beim Kläger vorliegende Gesundheitsstörung im Bereich der rechten Schulter als
Folge einer Wehrdienstbeschädigung anzuerkennen. Der Gerichtsbescheid vom 27.05.2013 ist nicht zu beanstanden.
Der Senat weist die Berufung aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheids vom 27.05.2013 zurück und sieht
deshalb von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe insoweit ab (§
153 Abs.
2 SGG).
Ergänzend weist der Senat in der Sache auf Folgendes hin:
- Das Schreiben der Bevollmächtigten des Klägers vom 14.02.2014 und die MRT vom 11.02.2014 geben keinen Anlass für eine andere
Bewertung des Zusammenhangs. Der Senat stützt sich dabei auf die überzeugenden Ausführungen des Dr. C. in seiner Stellungnahme
vom 17.02.2014, die er sich zu eigen macht.
Zunächst weist der Senat darauf hin, dass das klägerische Schreiben vom 14.02.2014 eine Verdrehung der Fakten enthält, als
dort ausgeführt ist, dass eine MRT des Sternoclaviculargelenks "nun tatsächlich eine stärker ausgeprägte Degeneration auf
der rechten Seite zu Tage gebracht" habe. Richtig ist nämlich, dass - wie sich aus dem MRT-Befund auch für einen medizinischen
Laien unschwer erkennbar ergibt - rechts nur eine "geringe" arthrotische Umformung vorliegt, die nur im Seitenvergleich "stärker"
ist. Es ist daher eine unlautere Argumentation, wenn die Bevollmächtigten des Klägers versuchen, dem Gericht eine - absolut
betrachtet - "stärker ausgeprägte Degeneration auf der rechten Seite" weiszumachen. Tatsächlich liegen beim Kläger degenerative
Veränderungen im Bereich beider Schlüsselbein-Brustbeingelenke vor, wobei nur eine Rechtsbetonung, aber kein eklatanter Seitenunterschied
zu erkennen ist. Dies ergibt sich zweifelsfrei aus dem MRT-Befund vom 11.02.2014, wie auch Dr. C. überzeugend betont hat.
Von einem Überlastungsschaden am rechten Schlüsselbein-Brustbeingelenk kann daher keine Rede sein, sodass auch nach der -
tatsächlich nicht haltbaren - Arbeitshypothese des Dr. S. ein Überlastungsschaden nicht nur nicht wahrscheinlich ist, sondern
sogar als widerlegt zu betrachten sein dürfte. Denn wie sonst sollte es zu erklären sein, dass auch auf der seit über drei
Jahrzehnten wegen der Plexusparese unbelasteten linken Seite degenerative Veränderungen im Schlüsselbein-Brustbeingelenk mit
nur im Seitenvergleich etwas geringerer Ausprägung vorliegen!
- Es ist nach der Überzeugung des Senats richtig, wenn der Sachverständige Dr. C. die Theorie des gemäß §
109 SGG vom Kläger benannten Sachverständigen Dr. S. zu einem potentiellen Zusammenhang zwischen Plexusparese links und Schulterbeschwerden
rechts als bloße falsche Arbeitshypothese ohne ausreichende Grundlage sieht. Von der Richtigkeit dieses Hinweises des äußerst,
insbesondere auch was die Beurteilung des Ursachenzusammenhangs angeht, erfahrenen Sachverständigen Dr. C. ist der Senat überzeugt;
er macht sich diese Einschätzung zu eigen. Die Richtigkeit der Ausführungen des Dr. C. zur Fehlerhaftigkeit der Argumentation
des Dr. S. und die Unrichtigkeit der Arbeitshypothese des Dr. S. sind auch unschwer aus folgenden zwei Gründen zu erkennen:
o Die AHP 2008 weisen in Nr. 129 ausdrücklich darauf hin, dass es nicht erwiesen ist, dass es durch einen Gliedmaßenverlust
an der verbliebenen paarigen Gliedmaße zu Schäden (z.B. Arthrosen, ...) durch Überbelastungen (vgl. AHP 2008 Nr. 129.2, 1.
Abs.) kommen kann. Eine (seltene) Ausnahme nennen die AHP 2008 lediglich für Fälle mit Amputationen an den unteren Gliedmaßen,
wenn die Amputation zu einer langdauernden und sehr ausgeprägten Fehlbelastung geführt hat, z.B. bei Beinamputierten und der
Unmöglichkeit einer Prothesenbenutzung oder einer prothetisch nicht ausgleichbaren Hüftkontraktur.
Unstreitig und von allen Sachverständigen auch so angenommen, sind die AHP mit ihren Hinweisen zu Amputationsfolgen auch auf
die Situation anzuwenden, dass die andere Extremität zwar nicht amputiert, aber - wie beim Kläger - funktionslos ist; denn
die funktionellen Folgen sind in beiden Fällen weitgehend identisch.
Die Vorgaben der AHP zu Amputationsfolgen, die nach wie vor den wissenschaftlichen Erkenntnisstand zur Beurteilung von mittelbaren
Amputationsschäden wiedergeben, missachtet Dr. S. gröblich, auch wenn er den Eindruck vermitteln will, die AHP anzuwenden.
Dieser Eindruck täuscht aber; tatsächlich interpretiert Dr. S. die AHP zugunsten des Klägers falsch. So übergeht er geflissentlich
den in den AHP 2008 (dort Nr. 129) enthaltenen Unterschied zwischen Fehlbelastung und Überbelastung und setzt beide Begriffe
ohne jegliche Begründung gleich. Ob dies wissentlich oder aufgrund mangelnder Kenntnisse fahrlässig geschieht, bedarf keiner
abschließenden Bewertung. Dr. S. unternimmt zudem nicht einmal ansatzweise den Versuch, die seiner Ansicht nach vorliegende
"Fehlbelastung" nachvollziehbar zu begründen. Vielmehr spricht er nur von "einer deutlichen Doppelbelastung des rechten Schultergelenks"
und setzt dies einer "Fehlbelastung seit 30 Jahren" gleich. Ganz abgesehen davon, dass das Adjektiv "deutlich" in diesem Zusammenhang
nicht nachvollziehbar ist und wohl nur durch das Bestreben des Dr. S. zu erklären ist, seine fehlerhafte Einschätzung plausibel
zu machen, hält es der Senat auch nicht für lebensnah, dass die Belastung, die ein Gesunder auf zwei Arme bzw. Schultern verteilt,
sich beim Kläger in vollem Umfang auf eine einzige Schulter verlagert. Denn bei solchen gesundheitlichen Einschränkungen,
wie sie beim Kläger gegeben sind, liegt es sehr nahe, dass die Belastung im Vergleich mit einem Gesunden in ihrem Gesamtumfang
reduziert ist. Dies ist auch medizinwissenschaftlich-statistisch belegt. So haben Untersuchungen bei Beinamputierten ergeben,
dass diese nur etwa ein Drittel bis zur Hälfte der Zeit eines Gesunden gehen (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall
und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S. 693). Diese Erkenntnis, die in ihrem Grundsatz auch auf Armamputierte zu übertragen
ist, hat Dr. S., der ansonsten, sofern dies für den Kläger günstig ist, eine Übertragbarkeit der Erkenntnisse zu Beinamputierten
auf Armamputierte bejaht, aus sachlich nicht nachvollziehbaren Gründen ausgeblendet. Auch Dr. C. hat auf entsprechende Untersuchungen
und Erhebungen hingewiesen, ohne dass sich dazu Dr. S. in seiner nachfolgenden Stellungnahme geäußert hätte. Warum sich Dr.
S. zu diesem nicht gerade unwichtigen Gesichtspunkt nicht eingelassen hat, obwohl er durch die Ausführungen des Dr. C. für
jedermann erkennbar darauf hingewiesen worden war, ist wiederum sachlich nicht erklärbar.
o Von einer Übertragbarkeit der seltenen Ausnahmefälle einer Fehlbelastung nach Amputation der unteren Gliedmaßen in bestimmten
Konstellationen auf die oberen Gliedmaßen ist in den AHP keine Rede. Gleichwohl von einer Übertragbarkeit auszugehen, entbehrt
der medizinisch-wissenschaftlichen Grundlage. Die Unvergleichbarkeit ergibt sich schon aus den unterschiedlichen statischen
Rahmenbedingungen. Dr. C. hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 14.06.2012 nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass
bei Amputation einer unteren Extremität unausweichlich die verbleibende die gesamte Körperlast tragen müsse; Derartiges ist
bei einer Armamputation nicht der Fall. Dies überzeugt den Senat.
- Wenn Dr. S. in seiner Stellungnahme vom 12.10.2012 suggerieren will, dass die AHP "plötzlich nicht mehr zur Geltung kommen"
würden, wenn man Dr. C. folgen und dem Begehren des Klägers nicht Rechnung tragen würde, ist dies eine grobe Verdrehung der
Vorgaben der AHP. Denn in den AHP sind mit gutem Grund aufbauend auf umfassende medizinische Erkenntnisse nur Beispiele aus
dem Bereich der Amputationen der unteren, nicht aber der oberen Gliedmaßen genannt. Offenbar will der vom Kläger benannte
Sachverständige Dr. S. diese Erkenntnisse aber nicht wahrhaben. Die AHP kommen daher, wenn man Dr. C. folgt, gerade zur Anwendung
- und dies inhaltlich richtig. Missachtet werden die Vorgaben der AHP dagegen von Dr. S ...
- Die Einschätzung des Dr. C. steht in Übereinstimmung mit den Vorgaben der maßgeblichen Begutachtungsliteratur zur gesetzlichen
Unfallversicherung, in der im Wesentlichen die gleichen Maßstäbe wie im Versorgungsrecht für die Beurteilung des Kausalzusammenhangs
gelten:
o So benennen Schönberger/Mehrtens/Valentin (vgl. a.a.O., S. 696) als mögliche Überlastungsschäden nach Amputation der oberen
Extremität ausschließlich eine Seitverbiegung von HWS und BWS, die dadurch entstehen könne, dass der gesunde Arm durch die
vermehrt beanspruchte Muskulatur ein relatives Übergewicht erhalte. Daneben nennen sie nur noch die Krückengangschulter nach
Beinamputation, die beim Kläger wegen fehlenden Beinverlusts und fehlender Benutzung von Gehhilfen aber nicht in Betracht
kommt. Für Beinamputationen weisen sie darauf hin, dass bei Amputierten weniger Arthrosen am gesunden Bein festgestellt worden
seien als bei gesunden Menschen (vgl. a.a.O., S. 693). Eine Anerkennung einer Arthrose als Schädigungsfolge komme in aller
Regel nicht in Betracht. Einzig dann sei eine Ausnahme möglich, wenn eine erhebliche Fehlbelastung wegen schlechter prothetischer
Versorgung über viele Jahre hinweg vorliege. Diese Hinweise von Schönberger/Mehrtens/Valentin entsprechen den Vorgaben der
AHP 2008 und belegen die nach wie vor gegebene Aktualität der AHP 2008 zur Frage der mittelbaren Folgen von Amputationen.
Die Ausführungen von Schönberger/Mehrtens/Valentin unterstreichen damit, dass eine Arthrose als mittelbare Schädigungsfolge
und diese wiederum als Ursache für das Engpasssyndrom beim Kläger nicht in Betracht zu ziehen sind.
o Fritze/Mehrhoff, Die ärztliche Begutachtung, 8. Aufl. 2012, S. 753, weisen darauf hin, dass Amputierte und einseitig Gliedmaßenverletzte
die Extremitäten zumeist weniger belasten würden als Gesunde und bei einem einseitig Beinversehrten davon auszugehen sei,
dass eine Arthrose einen anlagebedingten verstärkten Gelenkverschleiß darstelle. Es sei für Beinamputierte sogar statistisch
nachgewiesen, dass bei diesen arthrotische Veränderungen am gesunden Bein wesentlich seltener aufträten als bei sonst gesunden
Menschen.
o Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl. 2003, S. 760, haben zudem auf der Basis umfassender
Erhebungen erläutert, dass bei einer Reihe von Armamputierten keine Überlastungsschäden an den Gelenken des gesunden Arms
festgestellt worden seien.
Dieser wissenschaftliche Erkenntnisstand aus der Begutachtungsliteratur scheint Dr. S. völlig unbekannt gewesen zu sein, was
die Verwertbarkeit seines Gutachtens entscheidend in Frage stellt.
- Die Argumentation des Dr. S., dass beim Kläger infolge einer Über- oder Fehlbelastung der rechten Schulter eine Arthrose
entstanden sei, die wiederum die Ursache für das Engpasssyndrom sei, kann nicht ansatzweise überzeugen. Ganz abgesehen davon,
dass ein Zusammenhang zwischen Amputation eines Arms und Arthrose auf der Gegenseite wissenschaftlich nicht belegbar ist (vgl.
oben), kann auch das Argument des Dr. S., die Arthrose müsse belastungsbedingt sein, weil der Kläger für eine anlagebedingte
Arthrose zu jung sei, nicht überzeugen. Dass eine anlagebedingte Schultereckgelenksarthrose im Alter des Klägers von 48 Jahren
zur Zeit der Operation völlig ungewöhnlich wäre, wie Dr. S. glauben machen will, ist in Anbetracht wissenschaftlicher Veröffentlichungen
(vgl. z.B. Junghans-Miebach, Korrelation der klinischen und radiologischen Befunde bei der Schultereckgelenksarthrose, 2004)
nicht haltbar. Bei dem dort ausgewerteten Patientengut betrug das Durchschnittsalter wegen arthrosebedingter Operationen 54,7
+/- 10,7 Jahre (vgl. Junghans-Miebach, a.a.O, S. 11); der Kläger liegt in diesem Altersspektrum. Junghans-Miebach (vgl. a.a.O.,
S. 37) weist weiter darauf hin, dass Schultereckgelenksarthrose zu den häufigsten Arthrosen des menschlichen Körpers gehöre.
Bereits in einer Erhebung im Jahr 1919 sei bei einer pathologisch-anatomischen Untersuchung bei 100% der über 50-jährigen
eine Arthrose des Schultereckgelenks gefunden worden. Erste arthrotische Veränderungen könnten - so Junghans-Miebach weiter
- histologisch bereits im zweiten, radiologisch schon im dritten Lebensjahrzehnt nachgewiesen werden. Offenbar waren auch
diese wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Schulterarthrose dem Dr. S. unbekannt.
- Die Argumentation des Dr. S. ist, ganz abgesehen davon, dass sie von einer nicht haltbaren Arbeitshypothese ausgeht (vgl.
oben), auch in sich unlogisch. Dr. S. verdrängt völlig, dass auch bei seiner - fachlich falschen - Argumentation mit einer
Über- oder Fehlbelastung beim Kläger Veränderungen im Bereich des rechten Schlüsselbein-Brustbeingelenks im Sinne eines Überlastungs-
oder Fehlbelastungsschadens vorliegen müssten, wie sie auf der anderen unbelasteten Seite nicht gegeben sein dürften. Derartige
Veränderungen hat aber keiner der Ärzte, auch nicht Dr. S., festgestellt. Verwunderlich für den Senat ist in diesem Zusammenhang,
dass Dr. S., obwohl er zu der ergänzenden Stellungnahme des Dr. C. vom 22.08.2012 nochmals am 12.10.2012 Stellung genommen
hat, kein Wort zu dem Gesichtspunkt fehlender Veränderungen am Schlüsselbein-Brustbeingelenk verloren hat. Da dieser Gesichtspunkt
so deutlich von Dr. C. thematisiert worden ist, kann sich der Senat die fehlende Gegenäußerung durch Dr. S. nur so erklären,
dass Dr. S. nicht offen zugeben wollte, dass er dem Einwand des Dr. C. kein Argument entgegen halten konnte. Jeder sorgfältig
arbeitende Gutachter hätte sich jedenfalls mit einem Kernargument, das seiner Argumentation entgegen gehalten wird, auseinander
gesetzt.
- Wenn sich der Kläger auf eine Veröffentlichung von Breitenseher stützt und meint, den bei ihm vorliegenden Schulterschaden
durch Überbelastung begründen zu können, irrt er. Breitenseher nennt als Ursachen für ein sogenanntes intrinsisches Impingement
neben vielen anderen auch eine "Überbelastung der Rotatorenmanschette". Er bezeichnet dies als eine Ursache, die innerhalb
der Sehne selbst zu finden ist. Hier liegt aber ein Schaden an den Sehnen, also der Rotatorenmanschette gerade nicht vor,
wie es sich aus dem Bericht über die Arthroskopie vom 09.10.2008 ergibt, in dem die Rotatorenmanschette als altersgerecht
beschrieben worden ist. Vielmehr liegt ein knöchernes bzw. durch eine Arthrose mitbedingtes Engpasssyndrom vor, also eine
ganz andere anatomische Konstellation.
Betreffend Verfahrensfragen ist Folgendes auszuführen:
- Der Antrag der Bevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung am 18.02.2014 auf "hilfsweise ... Einholung eines
weiteren Sachverständigengutachtens gemäß §§
103,
106 SGG" ist kein förmlicher Beweisantrag, sondern verkörpert nur eine bloße Beweisanregung (vgl. BSG, Beschluss vom 13.05.2011, Az.: B 12 R 25/10 B). Der Antrag beinhaltet kein Beweisthema.
Ein förmlicher Beweisantrag, der über §
160 Abs.
2 Nr.
3 SGG den Zugang zur Revisionsinstanz eröffnen könnte, liegt wie im Strafprozessrecht nur dann vor, wenn Beweismittel und Beweisthema
ordnungsgemäß benannt sind (ständige Rspr. des BSG, vgl. z.B. Beschluss vom 22.06.2004, Az.: B 2 U 78/04 B; vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/ders.,
SGG, 10. Aufl. 2012, §
160 Rdnr. 18a - m.w.N.). Fehlt es daran, ist der Antrag nicht geeignet, die typischen Rechtsfolgen eines formellen Beweisantrags
zu bewirken. Handelt es sich somit nicht um einen Beweisantrag, so darf der Antrag als bloße Anregung an den Senat verstanden
werden, im Rahmen der Amtsermittlung weitere Nachforschungen anzustellen (vgl. Urteil des Senats vom 22.10.2012, Az.: L 15 VJ 3/07). Der Amtsermittlungsgrundsatz gebietet aber derartige Ermittlungen nicht, da der Sachverhalt durch das überzeugende Gutachten
und die wiederholten Stellungnahmen des Dr. C. bereits bis ins letzte Detail ausermittelt ist.
Aus welchen Gründen die Bevollmächtigten des Klägers keinen förmlichen Beweisantrag gestellt haben oder dazu nicht in der
Lage gewesen sind, kann offenbleiben. Jedenfalls besteht bei einem rechtskundigen und berufsmäßigen Bevollmächtigten wie hier
vom VdK ("Ass.jur") keine gerichtliche Hinweispflicht darauf, dass der Antrag vom 18.02.2014 nicht den Vorgaben eines förmlichen
Beweisantrags entspricht; es ist allein Sache des Bevollmächtigten, alle diejenigen Anträge mit dem für erforderlich gehaltenen
Inhalt zu Protokoll des Gerichts zu stellen, über die das Gericht entscheiden soll (ständige Rspr. des BSG, vgl. z.B. Beschluss vom 20.07.2005, Az.: B 1 KR 39/05 B). Weitere Ausführungen von Seiten des Senats erübrigen sich daher.
- Die im Erörterungstermin vom 28.01.2014 gestellten Beweisanträge sind in der mündlichen Verhandlung am 18.02.2014 nicht
wiederholt worden, sodass der Senat darüber nicht zu entscheiden hat.
Ist ein Prozessbeteiligter wie hier rechtskundig durch eine Bevollmächtigte des VdK, die zudem Rechtsassessorin ist, vertreten,
gilt ein schriftsätzlich während des Verfahrens gestellter Beweisantrag nur dann als bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung
aufrecht erhalten, wenn er als solcher zur Niederschrift der mündlichen Verhandlung wiederholt wird (ständige Rspr. des BSG, vgl. z.B. Beschluss vom 29.03.2007, Az.: B 9a VJ 5/06 B - m.w.N.). Hätte der Kläger eine Befassung des Gerichts mit den
im Erörterungstermin gestellten Beweisanträgen gewünscht, hätte seine Bevollmächtige in der mündlichen Verhandlung die Anträge
zu Protokoll stellen müssen, über die das Gericht entscheiden solle (vgl. BSG, Beschluss vom 23.08.1989, Az.: 2 BU 97/89). Eine Pflicht für den Senat, die Bevollmächtigte darauf hinzuweisen, bestand angesichts der Rechtskundigkeit der Vertreterin
des VdK in der mündlichen Verhandlung nicht.
Darauf, dass die im Erörterungstermin vom Kläger aufgezeigten Beweisthemen ohne Entscheidungsrelevanz und schon daher abzulehnen
wären, kommt es nicht weiter an.
- Der Antrag auf Einholung eines Gutachtens gemäß §
109 SGG bei Prof. Dr. I. ist abzulehnen, da das Antragsrecht insofern verbraucht ist.
Auf Antrag des Klägers gemäß §
109 SGG hat im Verfahren vor dem Sozialgericht auf dem Fachgebiet der Orthopädie Dr. S. ein Gutachten erstellt und zudem mit seiner
ergänzenden Stellungnahme vom 12.10.2012 sogar noch das letzte Wort der Sachverständigen gehabt. Genau auf dem gleichen Fachgebiet
hat die Bevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung erneut einen Antrag gemäß §
109 SGG gestellt, nämlich auf Einholung eines Gutachtens beim Orthopäden Prof. Dr. med. I., dem Leiter der Abteilung und Poliklinik
für Sportorthopädie des Klinikums R.
- Mit dieser Antragstellung auf Einholung eines weiteren Gutachtens auf dem selben Fachgebiet verkennen die Bevollmächtigen
des Klägers den Umfang des Antragsrechts gemäß §
109 SGG. Aus §
109 SGG resultiert kein Anspruch auf "das letzte Wort" des Gutachters gemäß §
109 SGG (vgl. Urteil des Senats vom 14.02.2012, Az.: L 15 VJ 3/08) und noch viel weniger auf die Beauftragung mehr als eines Sachverständigen auf dem selben Fachgebiet. Dies gilt auch dann,
wenn das erste Gutachten gemäß §
109 SGG im Verfahren vor dem Sozialgericht, der zweite Antrag gemäß §
109 SGG dann im Berufungsverfahren gestellt wird (vgl. BSG, Urteil vom 14.05.1991, Az.: 5 RJ 32/90).
Zwar ist das Wort "ein" in §
109 Abs.
1 Satz 1
SGG nicht zwingend und ausnahmslos als Zahlwort zu verstehen (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.1977, Az.: 10 RV 67/76). Daraus kann aber nicht der Schluss gezogen werden, dass solange Gutachten gemäß §
109 SGG auf ein und dem selbem Fachgebiet eingeholt werden können, bis ein Kläger mit dem Ergebnis der von ihm benannten Sachverständigen
einverstanden ist. Vielmehr beschränkt sich das Recht aus §
109 SGG auf die Beauftragung eines einzigen Sachverständigen, sondern nicht besondere Umstände die Einholung mehr als eines Gutachtens
gemäß §
109 SGG zulässig machen. Ein Recht auf Einholung eines weiteren Gutachtens gemäß §
109 SGG oder auch nur einer ergänzenden Stellungnahme gemäß §
109 SGG gibt es nur in den Grenzen zweckentsprechender Rechtsverfolgung (vgl. BSG, Urteil vom 24.03.1961, Az.: 10 RV 1139/59).
Derartige besondere Umstände können dann gegeben sein, wenn mehrere Fachgebiete betroffen sind. Im Übrigen beschränkt sich
das Antragsrecht gemäß §
109 SGG in einem Fachgebiet auf einen - im Sinne eines Zahlworts - Sachverständigen. Dies ergibt sich aus der Zielsetzung des §
109 SGG. Diese ist, dem Versicherten oder Versorgungsberechtigten die Beurteilung des medizinischen Sachverhalts durch einen Arzt
seines Vertrauens zu ermöglichen, was lediglich dann, wenn mehrere Sachgebiete betroffen sind, zu der Zulässigkeit der Benennung
mehrerer Sachverständigen auf mehreren Fachgebieten, aber nur jeweils eines Arztes pro Fachgebiet, führen kann (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.1977, Az.: 10 RV 67/76).
Derartige besondere Umstände können ausnahmsweise auch dazu führen, dass das Recht gemäß §
109 SGG auf einem bestimmten Fachgebiet nicht durch die Einholung des Gutachtens vollständig verbraucht ist. Dies kann dann der Fall
sein, wenn sich nach Fertigstellung des Gutachtens gemäß §
109 SGG neue Tatsachen und Gesichtspunkte ergeben, die in dem auf Antrag des Berechtigten eingeholten Gutachten nicht gewürdigt werden
konnten (vgl. BSG, Urteil vom 24.03.1961, Az.: 10 RV 1139/59). Voraussetzung ist dabei, dass es sich um eine entscheidungserhebliche neue Tatsache handelt (vgl. BSG, Urteil vom 14.03.1956, Az.: 9 RV 226/54), wobei sich die Frage der Entscheidungserheblichkeit nach der materiellen Rechtsauffassung der Tatsacheninstanz bemisst
(vgl. BSG, Urteil vom 20.04.2010, Az.: B 1/3 KR 22/08 R). Eine weitere Ausübung des Antragsrechts gemäß §
109 SGG ist aber dann nicht möglich, wenn nicht ein Missbrauch ausgeschlossen ist (vgl. BSG, Beschluss vom 06.05.1958, Az.: 10 RV 813/56).
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben in der Rechtsprechung des BSG zu §
109 SGG ist der in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag gemäß §
109 SGG aus mehreren Gründen abzulehnen:
o Auf dem selben Fachgebiet - Orthopädie - ist bereits im erstinstanzlichen Verfahren ein Gutachten auf Antrag des Klägers
eingeholt worden.
o Neue entscheidungserhebliche Tatsachen und Gesichtspunkte sind nach der letzten Befassung des Sachverständigen gemäß §
109 SGG (Stellungnahme vom 12.10.2012) nicht bekannt geworden.
Der vom Kläger unmittelbar vor der mündlichen Verhandlung vorgelegte Bericht über eine Kernspintomographie beinhaltet keine
neuen entscheidungserheblichen Tatsachen und Gesichtspunkte. Die darin untersuchten Veränderungen am Schlüsselbein-Brustbeingelenk
sind aus Sicht des Senats - und nur auf die kommt es an - nicht entscheidungserheblich.
Der Sachverständige Dr. C. hat schon im Verfahren vor dem Sozialgericht dargestellt, dass Veränderungen im Bereich des Schlüsselbein-Brustbeingelenks
ohne Bedeutung für die Bewertung des Zusammenhangs sind. Weiter hat er nachvollziehbar erläutert, dass es lediglich bei der
- unrichtigen! - Arbeitshypothese des Dr. S. auf Veränderungen im Schlüsselbein-Brustbeingelenk ankommen würde. Da es sich
bei der von Dr. S. zugrunde gelegten Arbeitshypothese aber um eine Annahme handelt, die in den wissenschaftlichen Erkenntnissen
zur Zusammenhangsbeurteilung keinerlei Stütze findet und der daher nach der Rechtsauffassung des Senats nicht gefolgt werden
kann, kann es auf Veränderungen im Schlüsselbein-Brustbeingelenk bei der Entscheidung tatsächlich nicht ankommen. Letztlich
ist es daher für die Beurteilung des Zusammenhangs ohne jede Bedeutung, ob und wenn ja in welchem Umfang Veränderungen am
Schlüsselbein-Brustbeingelenk vorliegen. Schon aus diesem Grund wären daher keine neuen entscheidungserheblichen Tatsachen
oder Gesichtspunkte gegeben, wegen derer das Antragsrecht gemäß §
109 SGG als nicht vollständig verbraucht betrachtet werden dürfte.
Aber selbst wenn der falschen Arbeitshypothese des Dr. S. gefolgt und daher - fälschlicherweise - von einer potentiellen Relevanz
etwaiger Veränderungen im Schlüsselbein-Brustbeingelenk ausgegangen würde, würde sich aus dem MRT-Bericht vom 11.02.2014 keine
neue Tatsache ergeben. Denn aus diesem radiologischen Bericht ergibt sich gerade keine "stärker ausgeprägte Degeneration auf
der rechten Seite", wie dies die Bevollmächtigten des Klägers unter Verdrehung des radiologischen Befunds in ihrem Schreiben
vom 14.02.2014 glauben machen wollen. Denn der Befundbericht vom 11.02.2014 beschreibt nur ein "geringes, gelenkspaltbezogenes
Enhancement im Bereich beider Sternoclaviculargelenke, rechts stärker ausgeprägt". Von einer - absolut betrachtet - "stärker
ausgeprägte Degeneration auf der rechten Seite", was möglicherweise im Sinn der falschen Arbeitshypothese des Dr. S., der
der Senat nicht folgt, als neue Tatsache betrachtet werden könnte, kann daher entgegen den Ausführungen der Bevollmächtigten
des Klägers nicht die Rede sein. Vielmehr liegen - so der MRT-Bericht - nur eine "geringe arthrotische Umformung" und eine
beiderseitige geringe Betroffenheit mit Rechtsbetonung vor.
Im Übrigen könnte der Versuch, über die falsche bzw. grob missverständliche Wiedergabe von Befunden aus dem MRT-Befund vom
11.02.2014 neue Tatsachen zu konstruieren, wegen Missbräuchlichkeit (vgl. BSG, Beschluss vom 06.05.1958, Az.: 10 RV 813/56) nicht zum Wiederaufleben des Antragsrechts aus §
109 SGG führen. Jedenfalls wären mit einer derart unlauteren Argumentation die Grenzen zweckentsprechender Rechtsverfolgung (vgl.
BSG, Urteil vom 24.03.1961, Az.: 10 RV 1139/59) überschritten.
o Schließlich wäre, auch wenn entgegen den obigen Ausführungen, noch nicht von einem grundsätzlichen Verbrauch des Rechts
gemäß §
109 SGG auf orthopädischem Fachgebiet ausgegangen würde, die Einholung eines weiteren Gutachtens gemäß §
109 SGG bei einem neuen Gutachter nicht vom Recht des §
109 SGG gedeckt. Denn §
109 SGG soll dem Versicherten oder Versorgungsberechtigten nur die Beurteilung des medizinischen Sachverhalts durch einen Arzt seines
Vertrauens ermöglichen, ihm aber nicht die Gelegenheit geben, durch die Einholung mehrerer Gutachten auf dem selben Fachgebiet
so lange auf das gewünschte gutachtliche Ergebnis hinzuarbeiten, bis er einen Sachverständigen findet, der ein dem Kläger
genehmes Gutachten abliefert. Auf nichts anderes läuft nämlich die Vorgehensweise des Klägers hinaus, die sich insofern nicht
mehr in den Grenzen zweckentsprechender Rechtsverfolgung bewegt und die Zielsetzung des §
109 SGG missbraucht.
Der Kläger versucht nämlich, durch die Behauptung falscher Tatsachen im Schreiben seiner Bevollmächtigten im Schreiben vom
14.02.2014 (vgl. oben) sich die Chance zu eröffnen, dass ein anderer Sachverständiger (Prof. Dr. I.) als der, der im sozialgerichtlichen
Verfahren ein aus Sicht des Senats völlig unbrauchbares (vgl. oben) Gutachten erstellt hat (Dr. S.), zu einem für ihn besseren
und insbesondere besser begründeten Ergebnis kommen würde. Aufgrund der ausgesprochen ausführlichen Erläuterungen im erstinstanzlichen
Urteil und insbesondere im Erörterungstermin vom 28.01.2014 sowie in der mündlichen Verhandlung vom 18.02.2014 muss dem Kläger
unmissverständlich klar geworden sein, dass das Gutachten des Dr. S. aufgrund seiner erheblichen Mängel keinesfalls eine Grundlage
für eine positive Entscheidung des Gerichts darstellen kann. Diesen Mangel kann der Kläger aber nicht dadurch ausgleichen,
dass er jetzt einen neuen Sachverständigen nach dem Motto "Neues Spiel, neues Glück" benennt. Vielmehr hätten die Bevollmächtigten
des Klägers, wenn sie sich im Rahmen zweckentsprechender Rechtsverfolgung bewegen hätten wollen, eine ergänzende Stellungnahme
bei dem bereits in der Vergangenheit nach §
109 SGG tätigen Sachverständigen (Dr. S.) beantragen müssen (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/ders./Leitherer,
SGG, 10. Aufl. 2012, §
109, Rdnr. 10b).
Eine Pflicht des Gericht, auf diese fehlerhafte Antragstellung gemäß §
109 SGG hinzuweisen, bestand angesichts der Rechtskundigkeit der Bevollmächtigten des Klägers vom VdK nicht, wie im Übrigen grundsätzlich,
bei rechtskundigen und berufsmäßigen Bevollmächtigten völlig unstrittig, überhaupt keine Pflicht des Gerichts besteht, diese
über das Antragsrecht gemäß §
109 SGG zu informieren (ständige Rspr. des BSG, vgl. z.B. Beschlüsse vom 23.10.1957, Az.: 4 RJ 142/57 , vom 21.11.1957, Az.: 8 RV 611/56, und vom 26.03.2013, Az.: B 1 KR 35/12 B).
- Der Rechtsstreit konnte am 18.02.2014 entschieden werden. Einen Antrag auf Vertagung, über den der Senat zu befinden gehabt
hätte und der Voraussetzung für eine Vertagung gewesen wäre (ständige Rspr. des BSG, vgl. z.B. Beschlüsse vom 28.09.1999, Az.: B 2 U 31/99 B, und vom 23.10.2003, Az.: B 4 RA 37/03 B), haben die Bevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung nicht zu Protokoll gestellt.
Ein Vertagungsantrag, der von Seiten der Bevollmächtigten zunächst in die Erwägungen einbezogen worden ist, wurde nicht gestellt,
nachdem die ergänzende Stellungnahme des Dr. C. vom 17.02.2014 ausführlich besprochen worden ist. Ein Bedürfnis für die Gewährung
rechtlichen Gehörs hat für die Bevollmächtigten des Klägers daher nach ihrem eigenen Vorbringen und Verhalten in der mündlichen
Verhandlung nicht mehr bestanden. Im Übrigen spricht Alles dafür, dass ein derartiger Antrag auch als unbegründet abzulehnen
gewesen wäre, da keine neuen entscheidungserheblichen Tatsachen in der mündlichen Verhandlung bekannt geworden sind, die im
Sinn des rechtlichen Gehörs einer Äußerungsfrist bedurft hätten. Vielmehr ist dem kurz vor der Sitzung von den Bevollmächtigten
vorgelegten MRT-Befund nichts entscheidungserheblich Neues zu entnehmen (vgl. oben). Durch von den Bevollmächtigten des Klägers
erhobene unrichtige Behauptungen zu tatsächlich nicht gegebenen Tatsachen könnte nicht mit Hinweis auf das rechtliche Gehör
eine Verzögerung des Verfahrens bewirkt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben (§
160 Abs.
2 SGG).