Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Leistungen der Pflegeversicherung nach Pflegestufe I für die Zeit von Dezember 2006 bis 31.
Dezember 2007.
Die 1922 geborene Klägerin beantragte am 27. Dezember 2006 Leistungen der Pflegeversicherung. Im Gutachten vom 15. März 2007
führte die Pflegefachkraft des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in Bayern (MDK) aus, der Gesundheitszustand
der Klägerin werde durch Herzinsuffizienz, chronische Bronchitis, Polyarthrose mit Mobilitätsstörungen, Wirbelsäulensyndrom
und Dranginkontinenz beeinträchtigt. Die Stimmungslage sei ausgewogen, die Klägerin in allen Bereichen orientiert, eigenständig
und am Tagesgeschehen interessiert. Merk- und Konzentrationsfähigkeit sowie Auffassungsgabe seien erhalten. Die Klägerin sei
in der Bewältigung der täglich wiederkehrenden Routinevorgänge selbstständig. Im Bereich der Körperpflege bestehe ein Zeitbedarf
von 15 Minuten, im Bereich der Ernährung kein Hilfebedarf, im Bereich der Mobilität ein Zeitbedarf von 11 Minuten, insgesamt
ein Zeitbedarf im Bereich der Grundpflege von 26 Minuten.
Mit Bescheid vom 29. März 2007 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen nach der Pflegestufe I ab.
Die Klägerin wandte ein, es bestehe neben den körperlichen Beeinträchtigungen eine erhebliche Störung des Kurzzeitgedächtnisses;
Selbstständigkeit in der Bewältigung der Alltagsroutine sei nicht gegeben, sie müsse ständig aufgefordert werden. Sie übersandte
ein Pflegetagebuch.
Im Gutachten vom 30. Juli 2007 führte die Pflegefachkraft des MDK aus, die Tochter der Klägerin gebe an, die Gehfähigkeit
habe sich bei rezidivierenden Schwindelattacken verschlechtert. Die Klägerin sei in allen Bereichen orientiert, eigenständig
und am Tagesgeschehen interessiert. Merk- und Konzentrationsfähigkeit sowie Auffassungsgabe seien erhalten. Der Zeitbedarf
im Bereich der Körperpflege betrage 18 Minuten, im Bereich der Ernährung 1 Minute und im Bereich der Mobilität 12 Minuten.
Insgesamt bestehe ein Zeitbedarf im Bereich der Grundpflege von 31 Minuten.
Die Klägerin erklärte im Schreiben vom 14. August 2007, der Gesundheitszustand sei nicht zutreffend beurteilt worden. Orientierung
sei nur in der häuslichen Umgebung möglich. Es fehle jeglicher Antrieb, die Stimmung sei stark schwankend. Das Kurzzeitgedächtnis
funktioniere lediglich lückenhaft. Sie übersandte ein Attest der praktischen Ärztin B. vom 13. August 2007 mit den Diagnosen:
COPD, Asthma bronchiale, Coxarthrose, Reizblase, Inkontinenz, Herzrhythmusstörung, Refluxösophagitis, Presbyopie.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13. September 2007 zurück.
Zur Begründung der Klage wandte die Klägerin ein, es bestehe zusätzlich Demenz, und sie brauche eine Rund-um-die-Uhr-Pflege.
Sie übersandte ein Gutachten nach Aktenlage der Pflegesachverständigen K. vom 26. November 2007. Der Zeitbedarf im Bereich
der Körperpflege betrage 125,40 Minuten, im Bereich der Ernährung 6 Minuten im Bereich der Mobilität 44,5 Minuten. Insgesamt
bestehe ein Zeitbedarf im Bereich der Grundpflege von 175,90 Minuten. Es sei nicht ersichtlich, warum im Gutachten vom 23.
Juli 2007 die Zeitkorridore in einigen Verrichtungen unterschritten würden. Auch sei versäumt worden, die tägliche Häufigkeit
mit dem Zeitaufwand pro Tag in Minuten zu multiplizieren. Die Klägerin übersandte mit Schreiben vom 22. Dezember 2007 ein
Pflegetagebuch und ein Attest der praktischen Ärztin B., in dem zusätzlich zu den früheren Diagnosen Demenz angegeben ist.
Das Sozialgericht zog Berichte der behandelnden Ärzte bei. Die praktische Ärztin B. erklärte im Bericht vom 16. Januar 2008,
die Klägerin sei bei der Körperpflege und bei leichten körperlichen Tätigkeiten auf Fremdhilfe angewiesen. Es bestehe zunehmende
Vergesslichkeit und Schwindel. Der Allgemeinzustand verschlechtere sich langsam.
Der vom Sozialgericht zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Internist und Arzt für Sozialmedizin Dr. G. führte im Gutachten
vom 15. Mai 2008 (nach ambulanter Untersuchung der Klägerin am 13. Mai 2008) aus, die Tochter der Klägerin gebe an, seit sechs
bis neun Monaten sei der Gesundheitszustand der Klägerin deutlich schlechter geworden, vor allem hinsichtlich der Merkfähigkeit.
Im Vordergrund der Gesundheitsstörungen stehe eine zunehmende cerebrale Leistungsbeeinträchtigung, wobei die Klägerin zwar
noch zeitlich orientiert sei, andererseits jedoch erhebliche Merkfähigkeits- und Gedächtnisstörungen aufweise. Auch bestehe
Antriebsarmut und eine damit zusammenhängende Inaktivität. In dem mit Schreiben vom 22. Dezember 2007 übersandten Attest der
behandelnden Ärztin werde erstmals Demenz erwähnt, im Bericht vom 16. Januar 2007 zunehmende Vergesslichkeit und Schwindelerscheinungen.
Die Alltagskompetenz der Klägerin sei erheblich eingeschränkt. Der Zeitbedarf im Bereich der Körperpflege betrage 51 Minuten,
im Bereich der Ernährung 4 und im Bereich der Mobilität 11 Minuten. Insgesamt bestehe ein Zeitbedarf im Bereich der Grundpflege
von 66 Minuten. Es liege also aufgrund einer Verschlechterung ein deutlich höherer Pflegebedarf vor, als bisher festgestellt.
Der genaue Zeitpunkt der Verschlechterung lasse sich nicht angeben. Es werde vorgeschlagen, die Feststellung der Pflegestufe
I ab dem Untersuchungstag (13. Mai 2008) vorzunehmen.
Die Beklagte erklärte mit Schreiben vom 30. Mai 2008 ihre Bereitschaft, Pflegegeld nach Pflegestufe I ab 1. Mai 2008 zu zahlen.
Die Klägerin wandte mit Schreiben vom 8. Juni 2008 ein, sie habe den Antrag im Dezember 2006 gestellt. Seit 2005 bestünden
Gedächtnisstörungen. Bei Demenzkranken sei ein erhöhter Zeitaufwand durchaus üblich. Außerdem sei die Tochter keine ausgebildete
Pflegerin. Sie übersandte ein Attest der Allgemeinärztin B.: seit 2005 bestehe eine zunehmende Merkfähigkeitsstörung.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 15. Juli 2008 gab die Beklagte ein Teilanerkenntnis ab: Pflegestufe I liege ab Januar
2008 vor. Die Bevollmächtigte der Klägerin nahm das Teilanerkenntnis nicht an, sondern beantragte, Leistungen der Pflegeversicherung
ab 1. Dezember 2006 zu gewähren.
Mit Urteil vom 15. Juli 2008 verurteilte das Sozialgericht Würzburg die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 29. März
2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. September 2007, der Klägerin ab 1. Januar 2008 Leistungen der Pflegeversicherung
nach Pflegestufe I in Form von Pflegegeld zu gewähren. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Das Gericht habe keine Bedenken,
der von Dr. G. getroffenen Einschätzung des Pflegebedarfs weitgehend zu folgen. Es sei jedoch mit der Beklagten der Auffassung,
dass das demenzielle Syndrom etwa ab Januar 2008 derart in den Vordergrund getreten sei, dass der Hilfebedarf der Klägerin
über 45 Minuten täglich liege.
Mit der Berufung vom 11. August 2008 macht die Bevollmächtigte der Klägerin geltend, die Klägerin sei ab Antragstellung wegen
der zahlreichen Erkrankungen, darunter auch Demenz, pflegebedürftig. Die Allgemeinärztin B. sei keine Pflegefachkraft. Daher
seien ihre Äußerungen nicht entscheidend. Zu berücksichtigen sei das Gutachten der Pflegesachverständigen K. vom 26. November
2007. Im Übrigen seien pflegeerschwerende Faktoren, mangelnde Krankheitseinsicht und der schwankende Hilfebedarf nicht berücksichtigt
worden, auch seien die einzelnen Pflegebedarfszeiten zu niedrig bewertet. Die Leistungsfähigkeit der Klägerin befinde sich
am Vormittag auf einem höheren Niveau, ab Mittag seien regelmäßig Erschöpfung und Wahrnehmungsstörungen festzustellen. Sie
übersandte ein Attest der Allgemeinärztin B. vom 30. Mai 2008. Eine Merkfähigkeitsstörung bestehe zunehmend seit 2005.
Die Beklagte erklärte im Schreiben vom 8. Oktober 2008, wie sich aus dem Gutachten des Dr. G. ergebe, bestehe erst seit 1.
Januar 2008 Pflegebedürftigkeit der Stufe I. Zu berücksichtigen sei, dass sich eine Demenz zunehmend entwickele, dies bestätige
auch die Ärztin B ...
Die Klägerin stellt sinngemäß den Antrag,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 15. Juli 2008 abzuändern sowie den Bescheid der Beklagten vom 29. März 2007 in
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. September 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab Antragstellung
Leistungen der Pflegeversicherung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten
Bezug genommen.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.
Ergänzend wird noch darauf hingewiesen, dass auch das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren zu keiner anderen Beurteilung
der Sach- und Rechtslage führen konnte. In der Begründung des Widerspruchs vom 29. März 2007 hatte die Tochter der Klägerin
darauf hingewiesen, die Klägerin müsse regelmäßig aufgefordert werden und es bestehe eine erhebliche Störung des Kurzzeitgedächtnisses.
Gegenüber Dr. G. hat sie angegeben, seit etwa sechs bis neun Monaten habe sich der Gesundheitszustand der Klägerin, vor allem
hinsichtlich der Merkfähigkeit, verschlechtert.
Diese Beobachtungen der Tochter der Klägerin stimmen mit den Ausführungen der behandelnden Ärzte und der Pflegefachkräfte
in den Gutachten im Verwaltungsverfahren im Wesentlichen überein. Während bei der Untersuchung am 15. März 2007 noch keine
geistigen Einschränkungen auffielen, erwähnt die Pflegefachkraft bei der Begutachtung am 23. Juli 2007 Vergesslichkeit; Merkfähigkeit
und Konzentrationsfähigkeit waren aber noch erhalten und die Klägerin ausreichend orientiert. Noch im Attest vom 13. August
2007 erwähnte die Allgemeinärztin B. keine Demenz, und die Tochter der Klägerin bestätigte im Schreiben vom 14. August 2007,
dass Orientierung im häuslichen Umfeld gegeben, dagegen das Kurzzeitgedächtnis lückenhaft sei. Auf eine Demenz wird erstmals
zur Begründung der Klage vom 24. September 2007 hingewiesen, ebenso in dem mit Schreiben vom 22. Dezember 2007 übersandten
Attest der Allgemeinärztin B., die allerdings im Befundbericht vom 16. Januar 2008 nur zunehmende Vergesslichkeit und Schwindel
erwähnt.
Insofern überzeugen die Ausführungen des ärztlichen Sachverständigen Dr. G., dass zum Zeitpunkt seiner Untersuchung am 13.
Mai 2008 vor allem wegen der cerebralen Leistungsbeeinträchtigung zusammen mit den anderen Gesundheitsstörungen der Klägerin
die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach der Pflegestufe I gegeben waren. Im Hinblick auf den hinsichtlich
der geistigen Leistungsfähigkeit langsam fortschreitenden Abbauprozess ist die Einschätzung des Sozialgerichts, dass die Leistungsvoraussetzungen
ab Januar 2008 gegeben waren, schlüssig.