Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Erstattung des Beitragsanteils von 0,25 v.H., den der Kläger als kinderloser Beschäftigter
in einer Behindertenwerkstatt nach §
55 Abs.
3 S. 1
SGB XI in Höhe von 1,21 Euro monatlich für die Zeit vom 1. Januar 2005 und 1,22 Euro monatlich ab 1. Januar 2007 als Eigenanteil
zur Pflegeversicherung entrichten musste.
Hilfsweise wurde beantragt, den beigeladenen Bezirk Oberbayern zu verurteilen, die Kosten des Beitragszuschlags dem Kläger
zu gewähren (ein Verfahren des Klägers gegen den Bezirk wegen Übernahme der Beitragszuschläge nach §
55 Abs.
3 SGB XI ist am Sozialgericht (Az.: S 10 S0 4/08) anhängig, ruht jedoch.
Der 1970 geborene Kläger ist in der Werkstätte für behinderte Menschen in H. (WfbM) beschäftigt. Er beantragte durch seinen
als Betreuer bestellten Vater mit Schreiben vom 8. Oktober 2005 bei der AOK Bayern Pflegekasse, die Erstattung der von seinem
monatlichen Werkstattlohn in Höhe von 76,87 Euro einbehaltenen Beiträge als Kinderloser zur Pflegeversicherung. Nach der vorgelegten
Mitteilung der Lebensgemeinschaft H., die sich dabei auf das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung beruft,
ist der Beitragszuschlag auch für versicherungspflichtige Menschen, die in einer anerkannten Werkstatt für Behinderte tätig
sind, zu entrichten und zwar aus dem Einkommen des Beschäftigten selbst gemäß §
59 Abs.
3 SGB XI.
Mit Bescheid vom 11. Oktober 2005, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 23. Dezember 2005, teilte die Beklagte dem
Kläger mit, dass eine Erstattung nicht in Betracht komme, da der Beitragszuschlag rechtmäßig erhoben werde und auch von ihm
selbst zu tragen sei.
Dagegen richtet sich die mit Schreiben vom 5. Januar 2006, eingegangen am 9. Januar 2006 zum Sozialgericht Landshut erhobene
Klage. Die zunächst gegen die Pflegeversicherung gerichtete Klage wurde vom Sozialgericht als Streitsache gegen die zuständige
Krankenkasse als Einzugsstelle behandelt. Der Kläger hat diese Klageänderung beantragt.
Zur Begründung wurde vorgetragen, der Kläger erhalte nur ein monatliches Arbeitsentgelt von 76,87 Euro und überschreite damit
nicht den nach §
235 Abs.
3 SGB V maßgeblichen Mindestbetrag. Daher müsse entgegen der Auffassung der Werkstatt und der Beklagten von ihm der Beitragszuschlag
des §
55 Abs.
3 SGB XI nach §
59 Abs.
5 SGB XI nicht entrichtet werden. Der Kläger habe die Beiträge zur Pflegeversicherung nicht selbst zu tragen, diese seien vielmehr
von der Werkstatt für Behinderte aus dem Arbeitsergebnis zu entrichten und vom Bezirk Oberbayern als zuständigem Kostenträger
zu erstatten. Dies gelte auch für den Beitragszuschlag für Kinderlose, auch wenn §
59 Abs.
5 SGB XI bestimme, dass der Zuschlag vom Mitglied selbst zu tragen sei. Diese Norm sei gegenüber der spezialgesetzlichen Regelung
für die in Werkstätten für Behinderte Tätigen (§
20 Abs.
1 Nr.
7 SGB XI i.V.m. §§
250,
251 SGB V) subsidiär. Zu begründen sei dies damit, dass nach §
55 SGB XI Wehrpflichtige, Zivildienstleistende und Alg II-Empfänger wegen ihres niedrigen Einkommens mit dem Beitragszuschlag für Kinderlose
nicht belastet würden. Es gebe keine sachlichen, mit dem Gleichheitsgrundsatz zu vereinbarenden Gründe, die eine andere Behandlung
der Beschäftigten in Werkstätten für Behinderte (WfbM) mit ihrem ebenfalls geringen Einkommen rechtfertigen würden. Dieser
Personenkreis sei seit jeher von jeglicher Beitragslast zur Sozialversicherung freigestellt. Der Kläger habe ein Feststellungsinteresse
im Sinne von §
55 Abs.
2 SGG an der Entscheidung, dass er zu Beiträgen nicht heranzuziehen sei und die bisher entrichteten Beiträge zurückzuerstatten
sind.
Die Beklagte widersprach dieser Auffassung. Die Beitragspflicht für diesen Personenkreis sei im
SGB XI klar bestimmt und ein Befreiungstatbestand auf den der Kläger sich berufen könne, nicht normiert worden (§
55 Abs.
3 S. 7
SGB VI).
Der Bevollmächtigte wiederholte sein Vorbringen, dass der Beitragszuschuss für den Kläger einen verfassungswidrigen Eingriff
darstellte und dadurch eine übergebührliche Belastung des Klägers bestehe. Die Nichtanwendbarkeit des §
59 Abs.
5 SGB XI auf Werkstattbeschäftigte rechtfertige sich auch aus der Entstehungsgeschichte dieser Norm. Zur Begründung seiner Auffassung
wies der Vertreter des Klägers auf Urteile der Sozialgerichte hin sowie ein Rechtsgutachten von Rechtsanwalt Prof. Dr. Plagemann,
das er vorlegte. Prof. Dr. Plagemann kommt in diesem Gutachten zum Ergebnis, es sei verfassungswidrig, einem Bürger Sozialversicherungsbeiträge
aufzulegen aus einem Entgelt, welches nicht geeignet sei, das Existenzminimum im Sinne der Grundsicherung sicherzustellen,
wie dies der Gesetzgeber ausdrücklich für die Personen geregelt habe die Leistungen nach dem SGB II erhalten, wenn auch der
Wortlaut des §
59 Abs.
5 SGB XI scheinbar den Beitragszuschuss von Werkstattbeschäftigten erfasse. Wer diese Regelung über die Mindest-Beitragsbemessungsgrundlage
anwende, müsse auch die Regelung über die Erstattung des Beitrags auf die Erstattung des Beitragszuschlages anwenden. Die
Werkstattbeschäftigten allein mit dem Beitragszuschlag zu belasten, liefe auf eine Ungleichbehandlung gegenüber den Empfängern
von Leistungen nach dem SGB II und SGB XII hinaus. Im Übrigen bestehe ein Wertungswiderspruch im Gesetz selbst, wonach das
Existenzminimum nicht angetastet werden dürfe.
Mit Urteil vom 16. März 2007 wies das Sozialgericht die Klage ab mit der Begründung, nach der klaren gesetzlichen Bestimmung
des §
55 Abs.
3 SGB XI gehöre der Kläger zum Kreis der kinderlosen Versicherten und sei nach der Bestimmung des §
55 Abs.
3 S. 7
SGB XI, anders als die Wehr- und Zivildienstleistenden und die Bezieher von Arbeitslosengeld II, nicht von der Pflicht zur Zahlung
des Zuschlags befreit. §
59 Abs.
5 SGB XI regle ausdrücklich, dass den Beitragszuschlag für Kinderlose das Mitglied zu tragen habe. Dies gelte nach dem Willen des
Gesetzgebers auch für solche Versicherte, die aufgrund ihrer Tätigkeit in einer Werkstatt für behinderte Menschen pflegeversichert
sein. Es könne dahingestellt bleiben, ob der Kläger durch die zusätzliche Belastung in seinem Existenzminimum tangiert werde,
denn es sei gegebenenfalls Aufgabe des Sozialhilfeträgers, das Existenzminimum zu gewährleisten. Eine im Gesetz nicht vorgesehene
Befreiung von der Beitragspflicht lasse sich hieraus nicht ableiten.
Dagegen richtet sich die zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegte Berufung, mit der der Klägervertreter sein Begehren
weiterverfolgt. Das Urteil des Sozialgerichts könne nicht überzeugen, da nicht niedergelegt sei, woher der angebliche Wille
des Gesetzgebers hergeleitet werde.
Es bestehe eine Normenkollision zwischen den §§
249 Abs.
1,
251 Abs.
2 Nr.
2 SGB V und §
59 Abs.
1 S. 1
SGB XI, da einerseits im
SGB V geregelt sei, dass für behinderte Menschen in einer WfbM allein der Träger der Einrichtung den Beitrag zur Pflegeversicherung
trage, also nicht wie sonst üblich, Arbeitgeber und Versicherte je zur Hälfte beitragsverpflichtet seien. Voraussetzung für
diese Beitragspflicht der Werkstatt sei, dass das Werkstattentgelt des Behinderten den Mindestbeitrag des §
235 Abs.
3 SGB V, also 20% der Bezugsgröße des §
18 SGB IV nicht übersteige. Nach seiner Auffassung sei daher §
59 Abs.
5 SGB XI subsidiär gegenüber den Regelungen von §
251 Abs.
2 Nr.
2 SGB V. Man könne sich nicht auf den Rechtssatz berufen, dass die später erlassene Gesetzesnorm der Älteren vorgehe, vielmehr handle
es sich bei § 251
SGB XI um eine lex spezialis, die der allgemeinen Regelung des §
59 Abs.
5 SGB XI vorgehe. Denn diese regele ganz allgemein, dass die Beitragspflicht des Zuschlags für Kinderlosen für Versicherte die nicht
Beschäftigte nach §
20 Abs.
1 Nr.
1 SGB XI seien. Für eine Minderheit sehe §
59 Abs.
1 S. 1
SGB XI i.V.m. §
251 Abs.
2 Nr.
2 SGB V eine Sonderregelung vor. Klageziel sei es im Übrigen nicht, den Kläger als Werkstattbeschäftigten von dem Sonderzuschlag
für Kinderlose auszunehmen, vielmehr gehe es nur darum, dass dieser Zuschlag nicht vom Kläger selbst, sondern vom Werkstattträger
zu leisten sei. Dies sei auch systemgerecht, weil der Werkstattträger die gezahlten Beiträge vom zuständigen Leistungsträger
erstattet bekommen kann.
Es dürfe auch nicht übersehen werden, dass die durch das Bundesverfassungsgericht ausgelöste Neufassung des
SGB XI die Bestimmungen der §§
41,
138 SGB IX unberührt gelassen hat. Nach diesen müsse aus dem erwirtschafteten Arbeitsergebnis der WfbM der behinderten Menschen der
Werkstattlohn gezahlt werden. Das Arbeitsergebnis habe ungekürzt in die Zahlungen des Werkstattlohns einzufließen, dies sei
aber nicht mehr der Fall, wenn vom Werkstattlohn der Beitragszuschlag abgezogen würde.
Erneut wurde ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatzes des Art.
3 GG in Bezug auf andere Geringverdiener geltend gemacht.
Hilfsweise werde deshalb beantragt, den Bezirk Oberbayern zu verurteilen, dem Kläger die Kosten des Beitragszuschlags zu gewähren,
denn der Beigeladene zu 2) trage im Wege der Eingliederungshilfe unstreitig die Kosten für die Tätigkeit im Arbeitsbereich
der anerkannten WfbM. Dies bedeute, dass der Beigeladene zu 2) alle durch diese Werkstatttätigkeit entstehenden notwendigen
Kosten zu übernehmen habe, dazu zähle auch der Beitragszuschlag. Der Wortlaut des §
59 Abs.
5 SGB XI ändere daran nichts, denn dieser betreffe nur die Beitragspflicht zwischen der Pflegeversicherung und ihrem Mitglied. Die
ablehnenden Ausführungen dazu im Widerspruchsverfahren gegen den Beigeladenen zu 2) überzeugten nicht.
Das zum Beitragszuschlag ergangene Urteil des BSG vom 27. Februar 2008 (B 12 P 2/07 R) sei nicht einschlägig, da hier nur entschieden worden sei, dass der Beitragszuschlag auch zu entrichten sei, wenn die Kinderlosigkeit
aus medizinischen Gründen ungewollt sei. Dies sei im anhängigen Verfahren nicht maßgeblich. Beachtlich an dieser Entscheidung
sei jedoch, dass das BSG die Norm des §
55 Abs.
3 letzter Satz
SGB XI, nämlich die Ausnahme der Bezieher von Arbeitslosengeld II sowie der Wehr- und Zivildienstleistenden für verfassungskonform
hält, auch wenn das BSG an der Schlüssigkeit der diese Begünstigungen rechtfertigenden amtlichen Gesetzesmaterialien Zweifel
hege. Genau dieselben Kriterien müssten aber auch bei den Geringverdienern in der WfbM gelten.
Während es sich bei den Beziehern von Arbeitslosengeld II nach Auskunft der Bundesagentur (Presseinfo vom 7. April 2008) um
ca. 2,3 Millionen Bezieher handle, betreffe die Einbeziehung von Behinderten, die in den WfbM tätig seien, nur einen Personenkreis
von knapp 220.000 Menschen. Auch hier sei deshalb der Beitragsausfall sehr gering, so dass diese in die Ausnahmeregelung einzubeziehen
seien.
Er hält im Übrigen eine Vorlage nach Art.
100 GG für geboten.
Der Vertreter des Klägers beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 16. März 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. Oktober 2005 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 23. Dezember 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, festzustellen, dass der Kläger
keinen Beitragszuschlag nach §
55 Abs.
3 S. 1
SGB XI schuldet und die Beklagte verpflichtet ist, die bisher gezahlten Beitragszuschläge zu erstatten,
hilfsweise beantragt er, den Beigeladenen zu 2) unter Aufhebung des Bescheides vom 29. Mai 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 27.12.2007 zu verurteilen, dem Kläger ab 1. Januar 2005 auch die Kosten des Beitragszuschlages aus §
55 Abs.
3 S. 1
SGB XI zu gewähren,
hilfsweise wird beantragt, die Revision zuzulassen.
Die Beklagte und der Beigeladene zu 1) beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweisen auf ihre Ausführungen sowie auf das Urteil des Sozialgerichts Landshut und nehmen Bezug auf ein Urteil des Sozialgerichts
Gießen vom 11. Januar 2007, das sie in der Anlage beigefügt hatten. §
59 Abs.
5 SGB XI, der mit Wirkung vom 1. Januar 2005 durch Art. 1 Nr. 4 des Kinder-Berücksichtigungsgesetzes (KiBG) eingeführt wurde, stelle eine lex spezialis dar. Die Verweisung des §
59 Abs.
1 S. 1
SGB XI auf §
251 Abs.
2 S. 1 Nr.
1 SGB V greife danach aufgrund der spezielleren Regelung des §
59 Abs.
5 SGB XI nicht ein. Die Beitragstragung durch den kinderlosen Werkstattbeschäftigten entspreche gerade dem Willen des Gesetzgebers,
ggf. müsse der Kläger seinen Anspruch gegenüber dem Sozialhilfeträger geltend machen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akten der Beklagten, des SG Landshut und des BayLSG Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, da zwar die Berufungssumme nicht erreicht ist, jedoch die laufende
Beitragsleistung von mehr als einem Jahr streitig ist (§§
143,
144 Abs.
1 S. 2
SGG). Als wiederkehrende Leistung im Sinne von §
144 Abs.
1 S. 2
SGG gelten auch Beiträge und da trotz des ursprünglichen Antrags des Klägers nicht nur die Erstattung der Beiträge (was als einmalige
Leistung zu qualifizieren wäre) sondern die Beitragsleistung an sich Streitgegenstand ist, ist die Berufung zulässig (vgl.
Leitherer in Mayer-Ladewig § 144 Anm. 22, 22a, 24).
Auch nach Auffassung des Senats ist zuständige Beklagte die Einzugsstelle gemäß §
28h SGB IV.
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 16. März 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 11. Oktober
2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Dezember 2005 ist unbegründet, denn der Kläger ist verpflichtet, den
Beitragszuschlag für Kinderlose zur Pflegeversicherung selbst zu entrichten, dies ergibt sich aus § §
55 Abs.
3 S. 1, 60
SGB XI.
Nicht Gegenstand des hiesigen Berufungsverfahrens ist die Frage, ob der Kläger die von ihm zu entrichtenden Beitragszuschläge
vom zuständigen Träger der Werkstätte, dem Beigeladenen zu 2), verlangen kann. Diese Entscheidung des Beigeladenen zu 2) durch
Bescheid vom 29. Mai 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Dezember 2007 ist bereits Gegenstand eines eigenständigen
Klageverfahrens, wobei die Entscheidung der hier maßgeblichen Rechtsfrage nur mittelbaren Einfluss auf diese Erstattungsproblematik
hat, so dass keine Notwendigkeit besteht, über diesen Anspruch im hiesigen Verfahren ebenfalls zu entscheiden. Über den Hilfsantrag
war daher sachlich vom Senat nicht zu entscheiden.
Mit §
55 Abs.
3 S. 1
SGB XI hat der Gesetzgeber das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 3. April 2001 (BVerfG, 1 BvR 1629/94) umgesetzt, wonach die Bestimmungen in der bis dahin geltenden Fassung nicht mit Art. 3 und 6 des Grundgesetzes vereinbar
waren, soweit Mitglieder der sozialen Pflegeversicherung, die Kinder betreuen und erziehen, mit dem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag
wie Mitglieder ohne Kinder belastet wurden. Die genannte Bestimmung wurde durch das Kinder-Berücksichtigungsgesetz (KiBG vom
15. Dezember 2004 (BGBl I S. 3448)) umgesetzt. Die Regelung beinhaltet einen Beitragszuschlag in Höhe von 0,25 Beitragssatzpunkten für Kinderlose. Wie der
Gesetzgeber in den Materialien andeutet (BT-Drs. 15/3837 S. 5, 7 und 8) sowie das BSG bzw. die Landessozialgerichte in mehreren
Entscheidungen bereits entschieden haben, ist es dabei unerheblich, ob der Versicherte bewusst oder ungewollt kinderlos geblieben
ist. (BSG Urteil vom 27. Februar 2008, Az.: B 12 P 2/07 R, sowie LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 22. November 2006 Az.: L 2 R 386/06 und Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 26. Oktober 2007 Az.: L4 P 5935/06).
Die für die Beitragszahlung maßgebliche Bestimmung des §
60 Abs.
1 S. 1
SGB XI lautet: "soweit gesetzlich nichts Abweichendes bestimmt ist, sind die Beiträge von demjenigen zu zahlen, der sie zu tragen
hat."
Die Beitragspflicht für den Kläger ergibt sich somit aus §
59 Abs.
5 i.V.m. §
20 Abs.
1 S. 1 Nr.
7 SGB XI.
Nach § 59 Abs. 1 S. 1 gilt: "für die nach § 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 bis 12 versicherten Mitglieder der sozialen Pflegeversicherung,
die in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind gelten, für die Tragung der Beiträge die §§
250 Abs.
1 und
3 und §
251 SGB V sowie § 48 KVLG 1989 entsprechend; die Beiträge aus der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung sind von dem Mitglied allein zu tragen."
Dies bedeutet für den Kläger, der versicherungspflichtig nach §
20 Abs.
1 S. 2 Nr.
7 SGB XI ist, dass für ihn nach §
251 Abs.
2 S. 1 Ziff. 2
SGB V der zuständige Träger der Einrichtung die Beiträge allein trägt. Es ist im anhängigen Rechtsstreit auch unstreitig, dass
der Bezirk Oberbayern die Beiträge zur Renten Kranken- und Pflegeversicherung mit Ausnahme des Beitragszuschlags für Kinderlose
trägt.
Nach Auffassung des Senats sind die Bestimmungen der §§
55 ff
SGB XI als lex spezialis zum Beitragszuschuss und zur Beitragsverpflichtung in der Pflegeversicherung anzusehen, wobei diese Bestimmungen
dann auf die grundsätzliche Verpflichtung zur Beitragszahlung und die Regelungen des achten Kapitels vierter Titel (§§
249 ff)
SGB V verweisen und damit klarstellen, dass die dort getroffenen Regelungen auch im Zusammenhang mit den Beiträgen zur Pflegeversicherung
einschließlich des Beitragszuschusses für Kinderlose gelten. Daraus allein ergibt sich die Beitragspflicht des Klägers gegenüber
der Beklagten.
Soweit der Kläger seinen Befreiungsanspruch auf §
251 SGB V stützen will, kann diese Regelung nicht gegenüber der beklagten Einzugsstelle Anwendung finden. Auch wenn man in §
251 SGB V eine lex spezialis für Beschäftigte der WbfB sieht, führt dies allenfalls zu einem Anspruch gegen den Träger der Reha-Maßnahme,
nicht zu einer Befreiung des Versicherten im Verhältnis zur Beklagten. Ob diese Erstattung dem Willen des Gesetzgebers entspricht,
kann nicht festgestellt werden. Der Gesetzgeber hat bei der im Gesetzgebungsverfahren nachträglich aufgenommenen Befreiungsregelung
für die Wehr- und Zivildienstleistenden, Arbeitslosengeld-II-Bezieher und Rentner, den Personenkreis der Beschäftigten in
WbfB nicht aufgenommen und in seinem parlamentarischen Entscheidungsprozess nicht einbezogen (siehe dazu BT-Drs. aaO.).
Daraus ist aber nicht zu schließen, dass dieser Personenkreis einbezogen werden kann, da Ausnahmeregelungen grundsätzlich
eng auszulegen und einer analogen Anwendung nicht zugänglich sind. Entsprechende Hinweise, der Gesetzgeber habe auch an diesen
Personenkreis gedacht, finden sich im Gesetzgebungsverfahren nicht.
Auch das Argument des Klägers, die §§
41,
138 SGB IX seien bei Einführung des Zuschlags unverändert geblieben, stützt das Begehren des Klägers gegenüber der Beklagten nicht,
da der Werkstattlohn weiterhin dem behinderten Menschen zufließt, wenn auch ein kleiner Teil zur Zahlung seiner Zuschlagspflicht
an die Beklagte abgeführt wird.
Nicht zu entscheiden hat der Senat hingegen, ob dies auch bedeutet, dass der Versicherte der selbst keinen Beitrag zur Pflegeversicherung
zu tragen hat, weil für ihn ein Dritter den Beitrag allein trägt, er deshalb auch beim Beitragszuschuss einen Anspruch gegen
den Dritten hat, oder er den Beitragszuschuss selbst zu tragen hat, weil es nicht gerechtfertigt wäre, diesem Dritten einen
Beitragszuschlag wegen Nichterziehung oder Nichtbetreuung eines Kindes aufzuerlegen (wie es zum Beispiel Didong in Hauck Wilde
SGB XI §§
59 Anm. 33 sieht). Dies kann in der hier zu treffenden Entscheidung dahingestellt bleiben, da es wie bereits ausgeführt nicht
Gegenstand des hiesigen Verfahrens und nicht in die Zuständigkeit der Beklagten fällt, sondern Streitgegenstand des Verfahrens
ist, das beim Sozialgericht zum Ruhen gebracht wurde. Es ist auch nicht erkennbar warum es zwingend notwendig wäre diese Frage
bereits in diesem Verfahren mit zu entscheiden.
Soweit der Bevollmächtigte des Klägers eine Einbeziehung der Beschäftigten in Werkstätten für Behinderte in die Ausnahmeregelung
des §
55 Abs.
3 S. 7
SGB XI. aufgrund ihrer geringfügigen Einkünfte erstrebt, findet dies im Gesetz keine Stütze, d.h. aus dieser Bestimmung kann für
die Beschäftigten in Werkstätten nicht abgeleitet werden, dass sie ebenso wie Wehr - und Zivildienstleistende oder Bezieher
von Arbeitslosengeld II vom Beitragszuschlag nach §
55 Abs.
3 S. 1
SGB XI befreit sind. Denn für eine Ausnahmeregelung kann es keine Ausdehnung auf andere als die genannten Gruppen geben. Das Bundessozialgericht
hat im Urteil vom 27. Februar 2008 (B 12 P 2/07 R Rn. 20) entschieden, dass ein ungewollt Kinderloser sich nicht auf die fehlende Zahlungspflicht der Bezieher von Arbeitslosengeld
II oder der Gruppe der Wehr- und Zivildienstleistenden berufen kann (§
55 Abs.
3 S. 7
SGB XI). Auch wenn das Bundessozialgericht daran Zweifel hat, ob die in den Gesetzesmaterialien gegebene Begründung zur Ungleichbehandlung
(Bundestagsdrucksache 15/3837 S. 7) eine ausreichende Begründung darstellt und diese daher fraglich erscheint, könne es offen
bleiben, ob die Begünstigung dieser Gruppen aufgrund rechtfertigender Gründe erfolgt sei. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz
könnte allenfalls zu einer Belastung auch dieses Personenkreises mit dem Beitragszuschlag führen, es würde sich jedoch keine
Ausnahme anderer Gruppen vom Beitragszuschlag daraus ableiten lassen.
Insbesondere kann vom Senat auch nicht erkannt werden, dass die genannte Gruppe der Wehr- und Zivildienstleistenden eine vergleichbare
Gruppe darstellen, die zu einer Gleichbehandlung der Beschäftigten in den Werkstätten für Behinderte führen muss. Die Ausnahme
für die Wehr- und Zivildienstleistenden erklärt sich daraus, dass diese nur für kurze Zeit dieser Gruppe angehören und im
Übrigen wegen der erst ab dem 23. Lebensjahr eintretenden Beitragsverpflichtung (§
55 Abs.
3 S. 1 2. Halbsatz
SGB XI) die Ausnahmebestimmung den Teil dieses Personenkreises schützen soll der nach Vollendung des 23. Lebensjahres noch Wehr-
oder Zivildienst leistet. Weiter ist das Argument zu berücksichtigen, dass der Charakter des Wehr- und Zivildienst als verpflichtender,
zeitlich nicht frei wählbare Dienst für die Allgemeinheit eine Ausnahme von der Pflicht zur Zahlung des Beitragszuschlag rechtfertigt
(BSG Urteil vom 27. Februar 2008 B 12 P 2/07 R Rn. 21).
Die Gruppe der Beschäftigten in den Werkstätten für Behinderte sind dort hingegen in einem Dauerarbeitsverhältnisses und deshalb
weder mit der Gruppe der Wehr- und Zivildienstleistenden vergleichbar, noch können sie mit dem Personenkreis verglichen werden,
der Arbeitslosengeld II bezieht. Bei dieser Gruppe ist zu berücksichtigen, dass die Leistungen des Arbeitslosengeld II (§
19 ff SGB II), die bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen der Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen
Kosten für Unterkunft und Heizung dienen, also Leistungen der Grundsicherung darstellen, die gesetzlich auch in der Höhe festgelegt
sind, während die Einkünfte der Beschäftigten in Werkstätten für Behinderte als Arbeitslohn zu qualifizieren sind und der
Beschäftigte daneben zur Sicherung des Existenzminimums Anspruch weitere Leistungen im Wege der Eingliederungshilfe hat. Der
Gesetzgeber hat daher die genannten Personengruppen ohne Verstoß gegen Verfassungsbestimmungen nicht gleich behandeln müssen,
sondern konnte ohne Verstoß gegen Art.
3 Abs.
1 GG für die genannten Personengruppen unterschiedliche Regelungen treffen.
Der allgemeine Gleichheitssatz (Art.
3 Abs.
1 GG) gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (BVerfGE 112, 268 ; st Rspr). Er gilt für ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche Begünstigungen (BVerfGE 110, 412). Verboten ist auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt,
einem anderen Personenkreis aber vorenthalten wird (BVerfGE 112, 164 m.w.N.). Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche
Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse
reichen (BVerfGE 110, 274 ; 112, 164 m.w.N.).
Nach Überzeugung des Senats hat der Gesetzgeber die streitige Regelung ohne Verstoß gegen Verfassungsbestimmungen getroffen,
da es sich bei den genannten Gruppen für die Ausnahme von der Pflicht zum Beitragszuschuss um nicht vergleichbare Personengruppen
mit den Beschäftigten in einer Werkstatt für Behinderte handelt.
Ob allerdings im Verhältnis zum Sozialhilfeträger der Gedanke der Schutzwürdigkeit des Existenzminimums zu berücksichtigen
ist, wie er in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck kommt und zur Ausnahmebestimmungen für Bezieher von Arbeitslosengeld II
sowie der Wehr -und Zivildienstleistenden Anlass gegeben hat, kann dahingestellt bleiben und ist erst im Verfahren gegen den
Sozialhilfeträger zu berücksichtigen.
Da diese Prüfung es notwendig machen würde, den Verdienst der Beschäftigten in der Werkstatt für Behinderte und die sonstigen
Leistungen die diese im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit dort erhalten, zu berücksichtigen, erscheint es sachgerecht die Frage,
ob aus diesem Gesichtspunkt beim Kläger eine Tragung des Zuschusses rechtswidrig wäre, auf das Verfahren gegen den Bezirk
Oberbayern zu beschränken.
Die Beiladung des Bezirks Oberbayern erfolgte nach §
75 Abs.
1 SGG, es handelte sich also nicht um eine notwendige Beiladung im Sinne von §
75 Abs.
2 SGG. Dies bedeutet, dass eine Verurteilung des Bezirks nach §
75 Abs. 5 nicht in Betracht kommt, denn der Streit im anhängigen Verfahren betrifft die grundsätzliche Versicherungspflicht
beziehungsweise die Höhe des zu entrichteten Beitrags in der Pflegeversicherung nicht jedoch ob der verpflichtete Kläger möglicherweise
einen Erstattungsanspruch gegen einen anderen Träger hat. Dies bedeutet also, es kann nicht festgestellt werden, dass bei
Feststellung der Pflicht des Klägers den erhöhten Beitrag selbst zu entrichten dieser zwingend vom Sozialhilfeträger zu erstatten
ist, so dass kein Fall der Notwendigkeit einer einheitlichen Entscheidung vorliegt. Der Kläger ist soweit auf das beim Sozialgericht
anhängige und derzeit runde Verfahren gegen den Bezirk Oberbayern zu verweisen.
Der Antrag des Klägers hat daher weder im Haupt- noch im Hilfsantrag Erfolg.
Der Senat sah sich auch nicht zu einer Vorlage gemäß Art.
100 GG veranlasst, da keine Ungleichbehandlung gleich zu behandelnder Sachverhalte und damit kein Verstoß gegen das
Grundgesetz vorliegt, der eine Vorlage rechtfertigen würde. Denn der Gesetzgeber hatte den Auftrag, den Gedanken des Verfassungsgerichts
umzusetzen, dass diejenigen die kinderlos bleiben der Pflegeversicherung einen größeren Aufwand überbürden, während die Eltern
die Kinder erziehen Vorsorge treffen, dass ein gewisser Teil der Pflegeleistungen familiär erbracht wird. Diese Elemente sind
bei kinderlosen Behinderten ebenso wie bei allen anderen kinderlosen Versicherten gegeben. So weit der Gesetzgeber die Wehr-
und Zivildienstleistenden und Bezieher von Arbeitslosengeld II davon ausgenommen hat, ist dies wie ausgeführt, gerechtfertigt.
Die Beklagte und das Sozialgericht haben daher zu Recht entschieden, dass der Kläger verpflichtet war den Beitragszuschlag
gegenüber der Beklagten zu entrichten und er daher von der Beklagten die Erstattung der bisher geleisteten Zuschussbeträge
nicht verlangen kann. Das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 16. März 2007 ist daher ebenso wenig zu beanstanden wie der
Bescheid der Beklagten vom 11. Oktober 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Dezember 2005.
Die Kostenentscheidung beruht auf dem §§
183,
193 SGG.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage und im Hinblick darauf, dass dazu bisher höchstrichterliche Rechtsprechung
noch nicht ergangen ist, war die Revision zuzulassen (§
160 Abs. 2. Ziff. 1
SGG).