Rechtmäßigkeit der Festsetzung von Festbeträgen für Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversicherung
Umfang der gerichtlichen Kontrolle von Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Festsetzung von Festbeträgen für die Festbetragsgruppe "Bisphosphonate
und Kombinationen von Bisphosphonaten mit Additiva 1".
Die Klägerin ist ein pharmazeutischer Unternehmer und bringt das den Wirkstoff Risedronsäure enthaltende Fertigarzneimittel
Actonel® in verschiedenen Wirkstärken und auch als Kombinationspräparat mit Kalzium in den Verkehr, ferner Etidronsäure-haltige
Fertigarzneimittel. Beide Wirkstoffe gehören zur Gruppe der Bisphosphonate, die im Wesentlichen zur Behandlung von Knochen-
und Kalziumstoffwechselkrankheiten, insbesondere der Osteoporose eingesetzt werden.
Am 4. August 2005 hörte der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA; Beigeladener zu 1), nachfolgend nur noch "der Beigeladene") zur
Bildung einer Festbetragsgruppe an.
Nach Änderungen des Gruppenzuschnitts erging am 21. Juni 2006 ein weiteres Anhörungsschreiben zur Bildung einer Festbetragsgruppe
"Bisphosphonate und Bisphosphonate mit Additiva". Am 2. November 2006 fand die mündliche Anhörung statt.
Die Klägerin erhob Einwände: Die gemeinsame Eingruppierung von Monopräparaten und Kombinationspräparaten in eine einzige Festbetragsgruppe
sei nicht sachgerecht, da die Kombinationspräparate durch den zusätzlichen Wirkstoff eine zusätzliche pharmakodynamische Wirkung
aufwiesen, die zu einer therapeutischen Verbesserung führten. Die Eingruppierung in eine Gruppe widerspreche den eigenen Entscheidungsgrundlagen
des Beigeladenen zur Festbetragsgruppenbildung. Es sei fehlerhaft, für die Berechnung der Vergleichsgröße alleine das Bisphosphonat
als Wirkstoff heranzuziehen, Kalzium hingegen nicht. Das Arzneimittel Actonel® 30 Milligramm dürfe nicht in die Festbetragsgruppe
einbezogen werden, da es ausschließlich für die Indikation Morbus Paget zugelassen sei, hingegen alle anderen Arzneimittel
für die Osteoporosebehandlung zugelassen seien. Die Indikation Morbus Paget bedeute eine therapeutische Verbesserung.
Sie kritisierte auch das Verfahren des Beigeladenen zur Vergleichsgrößenberechnung, weil es sowohl unter pharmakologischer
als auch unter medizinisch-therapeutischen Gesichtspunkten zu fehlerhaften Festbeträgen führe.
Mit Beschluss vom 18. Januar 2007 setzte der Beigeladene die Festbetragsgruppe wie folgt fest (BAnz Nr. 72, [S. 3957] vom
17. April 2007):
Wirkstoff
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Vergleichsgröße
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Alendronsäure
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928
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Alendronsäure
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Natrium-(x) Wasser
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Alendronsäure Natrium-(x) Wasser und Additiva (Colecalciferol)
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Etidronsäure
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5836
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Etidronsäure Natrium
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Etidronsäure Natrium und Additiva (Calcium)
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Ibandronsäure
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352
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Ibandronsäure Natrium-(x) Wasser
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Risedronsäure
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463
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Risedronsäure Natrium
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Risedronsäure Natrium und Additiva (Calcium)
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Gruppenbeschreibung: orale Darreichungsform
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Darreichungsform: Tabletten, Filmtabletten, Kombipackung
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Die Beigeladenen zu 3) bis 8) setzten anschließend mit Beschluss vom 7. Mai 2007 (BAnz Nr. 88 vom 11. Mai 2007 S. 4880) den
Festbetrag auf 33,97 € auf Apothekeneinkaufspreisebene bei einer Wirkstärkenvergleichsgröße von 0,3 fest.
Mit der am 8. Juni 2007 erhobenen Klage wendet sich die Klägerin zum einen gegen die Bildung der Festbetragsgruppe zum anderen
gegen die Berechnung der Vergleichsgröße.
Während des erstinstanzlichen Verfahrens hat der Beigeladene mit Beschluss vom 15. Mai 2008 (BAnz Nr. 112 [S. 2748] vom 29.
Juli 2008) Kombinationspräparate von "Risedronsäure mit Additiva (Calcium und Colecalciferol)" sowie mit Beschluss vom 20.
August 2009 (BAnz 157 [S. 3579] vom 20. Oktober 2009) Kombinationspräparate von "Aledronsäure Natrium-(x) Wasser und Additiva
(Alfacacidrol)" in die streitgegenständliche Festbetragsgruppe aufgenommen.
Er hat sodann mit Beschluss vom 25. Januar 2010 die Vergleichgrößen angepasst und die für Aledronsäure-haltige Arzneimittel
auf 1000, für Etidronsäure-haltige auf 5837, für Ibandronsäure-haltige auf 434 und für Risedronsäure-haltige auf 500 festgesetzt.
Dem nachfolgend hat der Beklagte mit Beschluss vom 29. Juni 2010 (BAnz 99 vom 7. Juli 2010 S. 2338) den Festbetrag ab 1. September
2010 auf 24,45 € mit einer Wirkstärkenvergleichsgröße von 0,3 festgesetzt.
Zum 15. August 2011 ist das Arzneimittel Diphos® mit dem Anwendungsgebiet "Verhinderung heterotoper Ossifikationen" außer
Vertrieb gesetzt worden. Jedenfalls seit 11. Oktober 2013 ist es nicht mehr verkehrsfähig im Sinne des § 21 Arzneimittelgesetzes (AMG).
Mit Beschluss vom 15. Dezember 2011 (BAnz Nr. 21 [S. 490] vom 7. Februar 2012 hat der Beigeladene eine erneute Anpassung vorgenommen.
Die Vergleichsgrößen für Alendronsäure ist nunmehr auf 1043, für Etidronsäure auf 6022, für Ibandronsäure auf 444 sowie für
Risedronsäure auf 420 festgesetzt worden.
Zur Begründung der Klage hat die Klägerin vorgetragen, die Gruppenbildung sei unzulässig, da eine therapeutische Vergleichbarkeit
der Wirkstoffe der Gruppe nicht gegeben sei. Eine Vergleichbarkeit läge u. a nicht vor, weil jedes Bisphosphonat charakteristische
physikochemische und biologische Eigenschaften habe, die zu Unterschieden in der pharmakologischen Wirkung führten. Jeder
Wirkstoff müsse im Hinblick auf seinen klinischen Einsatz gesondert betrachtet werden. Die Unterschiede seien auch in der
Therapie der Osteoporose bedeutsam, wie dies die evidenzbasierte Konsensus-Leitlinie zur Osteoporose des Dachverbandes deutschsprachiger
wissenschaftlicher Gesellschaften für Osteologie belege. In der S3-Leitlinie zur "Prophylaxe, Diagnostik, und Therapie der
Osteoporose bei Frauen ab der Menopause, Männern ab dem 60. Lebensjahr" aus dem Jahr 2006 (DVO-Leitlinie) werde dargelegt,
dass der Wirkstoff Risedronsäure besser wirksam sei als Alendronsäure, da er schneller das Frakturrisiko senke und auch zur
Vorbeugung einer postmenopausalen Osteoporose zugelassen sei. Die Wirkstoffe wiesen in ihrer klinischen Wirkung erhebliche
Unterschiede auf, seien deshalb nicht austauschbar, sondern hätten eine therapeutische Eigenständigkeit. Eine Vergleichbarkeit
von Mono- und Kombipräparaten sei erst recht nicht gegeben. Die Kombinationspräparate verfügten über eigene arzneimittelrechtliche
Zulassungen, was gemäß § 25 Abs. 2 S. 1 Nr. 5a des AMG voraussetze, dass beide Inhaltsstoffe wirksam seien und einen Zusatznutzen im Vergleich zu einer getrennten Einnahme hätten.
Es sei unzutreffend, wenn der Beigeladene meine, dass Kalzium keinen synergetischen Effekt habe. Aus den Fachinformationen,
u.a. für Risedronsäure, ergebe sich, dass die ergänzende Einnahme von Kalzium erforderlich sei. Auch aus den Therapieempfehlungen
der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft ergebe sich, dass die Kalziumeinnahme zur Basistherapie aller Therapieschemata
gehöre.
Auch die Ermittlung der Vergleichsgröße sei unzutreffend erfolgt. Der Gesetzgeber habe die Festlegung auf der Grundlage von
rechnerischen mittleren Tages- oder Einzeldosen vorgesehen; eine Abweichung sei zwar möglich, müsse jedoch geeignet sein,
d.h. zu sachgerechten Ergebnissen führen. Dies sei aber bei dem vom Beigeladen seit 2005 zu Grunde gelegten Konzept der "verordnungsgewichteten
durchschnittlichen Wirkstärke" nicht der Fall. Es sei insoweit fehlerhaft, dass bei der Berechnung der Vergleichsgröße die
Kalziumkomponente der Kombipräparate keine Rolle gespielt habe, obwohl diese eine eigene therapeutische Bedeutung habe. Der
Wirkstoff Ibandronsäure sei im Jahr 2005 noch nicht in Deutschland auf dem Markt gewesen, so dass Verordnungsdaten für ihn
noch nicht vorgelegen hätten. Das Verfahren, dass bei fehlender Verordnung des Präparates der Gesamtwirkstärke der Gewichtungsfaktor
1 zugewiesen werde, führe dazu, dass die vorläufige Vergleichsgröße stets der Gesamtwirkmenge einer Packung entspreche und
daher zufällig sei. Mit der Berücksichtigung der Therapieintervalle habe der Beigeladene zwar der unterschiedlichen Anwendungshäufigkeit
Rechnung getragen. Jedoch sei dies inkonsistent durchgeführt worden.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt, die Festbetragsfestsetzungen vom 7. Mai 2007 und 29. Juni 2010 für die Festbetragsgruppe
"Bisphosphonate und Kombinationen von Bisphosphonaten mit Additiva" aufzuheben, hilfsweise festzustellen, dass die genannten
Beschlüsse rechtswidrig seien.
Die Beklagte hat den Beschluss des Beigeladenen über die Gruppenbildung und die Vergleichsgrößen für rechtmäßig gehalten.
Damit sei auch die Festbetragsfestsetzung nicht zu beanstanden. Einwände gegen die Höhe des Festbetrags habe die Klägerin
nicht geltend gemacht.
Auch der Beigeladene hat seinen Beschluss für rechtmäßig gehalten. Er hat ausgeführt, bereits die Prämisse der Klägerin, eine
Vergleichbarkeit der Wirkstoffe liege nur dann vor, wenn eine Austauschbarkeit gegeben sei, sei unzutreffend. Vielmehr sei
eine solche bereits gegeben, wenn die Wirkstoffe über ein oder mehrere gemeinsame Anwendungsgebiete verfügten, was bei den
Bisphosphonaten und den Kombinationen mit Bisphosphonaten der Fall sei.
Es sei nicht nachgewiesen, dass Risedronsäure einen höheren therapeutischen Nutzen als andere Bisphosphonate, insbesondere
Alendronsäure habe.
Es sei weiterhin nicht zu beanstanden, dass die Kombinationspräparate miteinbezogen seien, da ein therapierelevanter Unterschied
nicht vorliege
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 21. März 2012, der Klägerin zugestellt am 30. April 2012, abgewiesen.
Die Anfechtungsklage sei unbegründet, da die angefochtenen Festbetragsfestsetzungen rechtmäßig seien und die Klägerin nicht
in ihrem subjektiven Recht aus Art.
3 Abs.
1 Grundgesetz (
GG) verletzten.
Die Festbetragsfestsetzungen seien formell rechtmäßig. In einem Anhörungsverfahren nach §
35 Abs.
2 Sozialgesetzbuch 5. Buch (
SGB V) seien den Sachverständigen der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaft sowie den Arzneimittelherstellern und den
Berufsvertretungen der Apotheker vor Beschlussfassung des Beigeladenen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Die Festsetzungen
beruhen jeweils auf der Gruppenbildung durch den Beigeladenen und den von diesem festgesetzten Vergleichsgrößen. Sie seien
auch gemäß §
35 Abs.
7 S. 1
SGB V im Bundesanzeiger bekannt gemacht worden.
Die Festbetragsfestsetzungen seien auch materiell rechtmäßig.
Die von dem Beigeladenen vorgenommene Gruppenbildung stehe mit §
35 Abs.
1 Satz 2 Nr.
3 SGB V in Einklang.
Dass das Arzneimittel Diphos® allein zur Verhinderung heterotoper Ossifikationen zugelassen sei verstoße nicht gegen die Gewährleistung,
dass Therapiemöglichkeiten nicht eingeschränkt werden und notwendige Versorgungsalternativen zur Verfügung stehen müssten
(§
35 Abs.
1 Satz 3
SGB V). Die Klägerin könne gegen die Gruppenbildung nicht einwenden, dass der Wirkstoff Risedronsäure gegenüber Alendronsäure besser
wirksam sei, und deshalb aus der Festbetragsgruppe hätte herausgenommen werden müssen.
Es begegne auch keinen rechtlichen Bedenken, dass der Beigeladene sogenannte Kombipräparate bestehend aus Bisphosphonaten
und Additiva, in die Festbetragsgruppe mit einbezogen habe.
Auch die Einwände gegen die vom Beigeladenen vorgenommene Ermittlung der Vergleichsgröße griffen nicht durch.
Mit Beschluss vom 9. Mai 2012 (BAnz AT v. 16. Mai 2012 B 4 S. 6) hat der Beklagte zum 1. Juli 2012 eine Anpassung der Festbeträge
vorgenommen.
Die Klägerin hat gegen die erstinstanzliche Entscheidung am 30. Mai 2012 Berufung eingelegt.
Der Beigeladene hat mit Beschluss vom 20. Februar 2014 die Vergleichsgröße der Festbetragsgruppe erneut aktualisiert (veröffentlicht
am 4. April 2014, BAnz AT 04. April 2014 B1).
Der Beklagte hat die Festbeträge mit Beschluss vom 12. Mai 2014 zum 1. Juli 2014 daraufhin angepasst (BAnz AT v. 20. Mai 2014
B 4 S. 6).
Zur Berufungsbegründung hat die Klägerin in erster Linie ihr außer- und erstinstanzliches Vorbringen wiederholt. Ergänzend
hat sie sich auf das Urteil des hiesigen Senats vom 22. Juni 2012 (L 1 KR 296/09 KL - juris-Rdnr. 109 ff.) und die dort skizzierten Anforderungen an die Festbetragsgruppenbildung berufen.
Ferner führt sie aus, dass die Verfahrensordnung des Beigeladenen zwar mittlerweile detaillierte Regelungen zur Bildung von
Festbeträgen der Stufe 2 enthalte, jedoch nicht für solche der Stufe 3. Es bestehe ein "Regelungsvakuum". Insoweit sei der
Beigeladene seinem Auftrag in §
91 Abs.
4 SGB V nicht nachgekommen. Soweit das SG eine analoge Anwendung des Verfahrens der Gruppenbildung für die Stufe 2 angenommen habe, sei dies falsch, da eine Analogie
eine (ungewollte) Regelungslücke voraussetze. Diese liege nicht vor. Eine solche unterstellt, hätte sich der Beigeladene mit
der Frage auseinandersetzen müssen, inwieweit tatsächlich die Grundsätze der Gruppenbildung der Stufe 2 auf die Stufe 3 übertragbar
seien. Neben der fehlenden chemischen Vergleichbarkeit bestünden hier insbesondere diskussionsbedürftige Unterschiede, wie
sich schon daran zeige, dass die Etidronsäure eine solitäre Indikation für den Bereich "Verhinderung heterotoper Ossifikationen"
habe, die Ibandronsäure ein solches für "maligne Erkrankungen mit ossären Metastasen" und die Risedronsäure ein solitäres
Anwendungsgebiet für "Morbus Paget" habe. Der Beigeladene hätte sich mit den Fragen auseinandersetzen müssen, ob es hier sachgerecht
sei, für die Entscheidung der hinreichenden Vergleichbarkeit von der 4. Ebene der ATC-Klassifikation abzuweichen, obwohl diese
als wesentliches Entscheidungskriterium in den Entscheidungsgrundlagen enthalten sei, und ob es sachgerecht sei, die therapeutische
Vergleichbarkeit (wie bei Festbeträgen der Stufe 2) alleine durch eine Überschneidung im zugelassenen Therapiegebiet zu begründen.
Das SG habe weiter hinsichtlich §
35 Abs.
1 Satz 3
SGB V (keine Einschränkung von Therapiemöglichkeiten) wesentliche rechtliche Gesichtspunkte verkannt. Hier erschlössen von den
Risedronat-haltigen Bisphosphonaten das Präparat Actonel® 30 mg, das ausschließlich zur Behandlung des Morbus Paget zugelassen
sei sowie das Etidronat-haltige Präparat Diphos®, alleine zugelassen zur Verhinderung heterotoper Ossifikationen, Indikationen,
für die kein anderes Bisphosphonat eine Zulassung besitze. Diese beiden Präparate hätten somit singuläre Anwendungsgebiete
und deckten mit ihrer arzneimittelrechtlichen Zulassung zusätzliche Behandlungsgebiete bzw. zusätzliche Patientengruppen ab.
Allerdings erkenne der Beigeladene ein singuläres Anwendungsgebiet im Sinne der Vorschrift nur dann an, wenn es innerhalb
der Festbetragsgruppe kein weiteres Fertigarzneimittel gebe, das über diesen singulären Anwendungsgebiet hinaus ein Anwendungsgebiet
mit einem anderen Fertigarzneimittel der Gruppe teile und insoweit eine Verbindung zum gemeinsamen Anwendungsgebiet herstelle.
Eine entsprechende Verklammerung bestehe, weil zwar nicht Actonel® 30 mg, jedoch der Wirkstoff Risedronat ebenfalls zur Osteoporosebehandlung
zugelassen sei. Entsprechendes gelte für Diphos. Dies sei aus Sicht des Beigeladenen ausreichend, obwohl Actonel® 30 mg keine
Osteoporose-Zulassung habe. Vom SG sei dies gebilligt worden, mit der Aussage, es sei nicht auf das jeweilige Fertigarzneimittel, sondern auf das therapeutische
Potential des jeweiligen Wirkstoffs abzustellen. Die Zusatzindikationen für die Risedron- und die Etidronsäure spielten deshalb
für den Beigeladenen im konkreten Fall keine Rolle. Diese Auffassung des Beigeladenen und des SG seien inkonsistent. Danach wäre nämlich die Zusatzindikation eines Wirkstoffes nicht berücksichtigungsfähig, weder auf der
Ebene der Gruppenbildung, noch auf der der Festbetragsfestsetzung. Auch könne eine Zusatzindikation außerhalb des gemeinsamen
Anwendungsgebietes keine therapeutische Verbesserung im Sinne des §
35 Abs.
1b SGB V bedeuten, da die Frage der therapeutischen Verbesserung ausschließlich für das gemeinsame Anwendungsgebiet geprüft werde,
§
35 Abs.
1b Satz 2
SGB V. Zuletzt werde auch bei der Vergleichsgröße eine zusätzliche Indikation nicht berücksichtigt, da es - unabhängig von der
Indikation - alleine auf die Verordnungsgewichtung ankommen solle. Demnach könnten Zusatzindikationen ausschließlich im Rahmen
des §
35 Abs.
1 Satz 3
SGB V berücksichtigt werden. Sie unberücksichtigt zu lassen, bedeutete, der therapeutischen Potenz des Wirkstoffes gerade nicht
umfassend Rechnung zu tragen, sondern willkürlich die Preisrelevanz des Wirkstoffes auf die gemeinsame Indikation zu beschränken.
Entgegen der Auffassung des SG würden hier medizinisch notwendige Verordnungsalternativen eingeschränkt. Dies liege für die Indikationen "Morbus Paget"
und "Verhinderung heterotoper Ossifikationen" sogar offen. Wäre die Auffassung des Beigeladenen richtig, dass notwendige Verordnungsalternativen
nur eingeschränkt wären, wenn ein singuläres Anwendungsgebiet vorläge, würden Zusatzindikationen von Wirkstoffen im Rahmen
der Festbetragsfestsetzung niemals Berücksichtigung finden können. Der therapeutischen Potenz würde damit nur eingeschränkt
Rechnung getragen. Dies sei willkürlich. Darüber hinaus fehle es auch an einer nachvollziehbaren Begründung des Beigeladenen
für dessen These, dass singuläre Anwendungsgebiete nur dann Berücksichtigung fänden, wenn dieses Anwendungsgebiet nicht über
den Wirkstoff mit dem gemeinsamen Anwendungsgebiet verklammert sei.
Das SG habe zudem die maßgebliche Ungleichbehandlung der beiden Indikationen Morbus Paget und heterotope Ossifikationen gegenüber
der Indikation "Maligne Erkrankungen mit ossären Metastasen" nicht erkannt. Für diese Indikation sei nur das Ibandronsäure-haltige
Präparat Bondronat® 50 mg zugelassen. Der Beklagte habe in der mündlichen Verhandlung eine Aufstellung zur Akte gereicht mit
dem Datum 20. März 2012. Darin werde die Indikation "Maligne Erkrankungen mit ossären Metastasen" als "singuläres Anwendungsgebiet"
bezeichnet, nicht jedoch die Indikationen heterotope Ossifikationen und Morbus Paget, obwohl auch in der onkologischen Indikation
eine Verklammerung durch die Wirkstoffgleichheit zwischen Bondronat® und Bonviva® vorliege. Dass der Beigeladene dennoch hier
- im Unterschied zu Risedron- und Etidronsäure - von einem singulären Anwendungsgebiet ausgegangen sei, zeigten die "Tragenden
Gründe", denn in diesen werde die "Maligne Erkrankungen mit ossären Metastasen" explizit als "singuläre Indikation" bezeichnet.
Diese Ungleichbehandlung zu Lasten von Etidron- und Risedronsäure sei weder konsistent noch nachvollziehbar.
Auch die Vergleichsgröße sei rechtsfehlerhaft gebildet.
Die Klägerin hat sich hierzu auf das Urteil des Senats vom 22. Juli 2012 (L 1 KR 296/09 KL) bezogen. Im Rahmen seiner eigenen Konzeption sei es nicht konsistent und widerspruchsbehaftet, die Verordnungen von Morbus
Paget und die Verordnungen für die Indikation "Verhinderung heterotoper Ossifikationen" mit heranzuziehen, obgleich für den
Applikationsfaktor die Therapiezeiträume dieser beiden Indikationen nicht berücksichtigt worden sei. Es wäre dann logisch
gewesen, auch die Verordnungen außer Betracht zu lassen. Für Morbus Paget wäre dies bei der Risedronsäure unschwer möglich
gewesen, weil lediglich Actonel® 30 mg diese Indikation habe. Eine Begründung für die fehlende Konsistenz fehle, entgegen
der Auffassung des SG habe der Beigeladene gerade nicht nachvollziehbar dargelegt, dass für diese Indikationen sinnvolle Therapieintervalle nicht
vorhanden seien. Fehlerhaft sei es, unberücksichtigt zu lassen, dass Bisphosphonat-Kombinationen mit einbezogen seien. Auch
die Kalzium-Wirkstoffkomponente hätte ihren Niederschlag finden müssen. In der arzneimittelrechtlichen Zulassung als Arzneimittelkombination
zeige sich der zusätzliche Nutzen, da die Zulassung einer Arzneimittelkombination nach § 25 Abs. 2 S. 1 Nr. 5a, 22 Abs. 3a AMG nur in Betracht komme, wenn jeder einzelne Wirkstoff einen positiven Beitrag zur Gesamtwirkung leiste. Fehlerhaft habe das
SG weiter angenommen, es sei nicht ausreichend nachgewiesen, dass die Kalzium- und Vitamin-D-Additiva tatsächlich eine therapeutische
Verbesserung bedeuteten. Für Kalzium ergebe sich dies bereits daraus, dass die Kalzium-Substitution bei Osteoporose einen
Therapiestandard darstelle, ansonsten hätte der Wirkstoff nicht als OTC-Präparat in die Ausnahme-Erstattungsliste für OTC-Arzneimittel
nach §
34 Abs.
1 Satz 2
SGB V aufgenommen werden dürfen.
Die Klägerin beantragt:
unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 21. März 2012 die Festbetragsfestsetzung vom 7. Mai 2007, 29. Juni
2010, 9. Mai 2012 und vom 12. Mai 2014 für die Festbetragsgruppe "Bisphosphonate und Kombinationen von Bisphosphonaten mit
Additiva" aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung hat er ausgeführt, die Klägerin habe gegenüber dem erstinstanzlichen Verfahren keine neuen Argumente vorgebracht.
Ergänzend hat er u. a. darauf hingewiesen, dass der Beigeladene die Vergleichsgröße zutreffend ermittelt habe. Zur Einbeziehung
von Mono- und Kombinationspräparaten habe dieser zutreffend ausgeführt, dass die verschiedenen Additiva keinen synergistischen
Effekt hätten und die zusätzliche Zufuhr dieser Additiva nicht obligat vorgeschrieben sei.
Der Beigeladene zu 1) beantragt,
die Berufung zurückzuweisen
Er hat zunächst seine allgemeinen Grundsätze bei der Prüfung der Einschränkung von Therapiemöglichkeiten und dem Zur-Verfügung-Stehen
medizinisch notwendiger Verordnungsalternativen im Sinne des §
35 Abs.
1 S. 3, Hs. 1
SGB V dargelegt.
§ 21 Abs. 2 S. 2 im 4. Kapitel seiner Verfahrensordnung (Fassung vom 18.Dezember 2008 BAnz. Nr. 84a vom 10. Juni 2009, zuletzt
geändert am 18. Dezember 2014 BAnz AT 15. April 2015 B2) sei erforderlich, damit ein Fertigarzneimittel nicht nur deshalb
von der Gruppenbildung auszunehmen sei, weil es eine Zulassung für eine weitere Indikation besitze, welches die übrigen Arzneimittel
der Gruppe nicht enthielten. Denn die Angabe der Indikation, für welche die Verordnung im konkreten Falle erfolge, sei weder
dem Apotheker noch der Krankenkasse bekannt. Würde ein solches Arzneimittel von der Festbetragsgruppe ausgenommen, könnte
alleine durch die Angabe einer weiteren Indikation auch im gemeinsamen Anwendungsgebiet ein nicht der Festbetragsregulierung
unterworfener Preis erzielt werden. Im konkreten Fall sei die heterotope Ossifikation auch durch sogenannte NSAR (Nichtsteroidale
Antirheumatika) sowie - insbesondere zur Vorbeugung als Folge von Knochenoperationen - eine lokale Bestrahlung möglich.
Zur Behandlung des Morbus Paget gäbe es neben den Wirkstoffen Etidronsäure und Risedronsäure andere Arzneimittel. Auch bereits
innerhalb der Festbetragsgruppe stünden zugelassene Fertigarzneimittel aufzahlungsfrei zur Verfügung.
Das Ibandronsäure-haltige Präparat Bondronat® sei von der Festbetragsgruppenbildung ausgeschlossen, da es hinsichtlich der
(palliativen) Behandlung Maligne Erkrankungen mit ossären Metastasen ausschließlich singulär zugelassen sei.
Ferner sei nach den Verordnungsdaten für das Jahr 2010, welche dem Beschluss des Beigeladenen vom 15. Dezember 2011 zugrunde
gelegen seien, lediglich 0,3 Prozent aller Verordnungen für den Wirkstoff Risedronsäure auf die ausschließlich zur Behandlung
des Morbus Paget zugelassene Wirkstärke 50 mg entfallen.
Die außer Vertrieb Meldung des Arzneimittels Diphos spreche für eine niedrige Bedeutung.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die von den Beteiligten eingereichten
Unterlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Berufung und Klage bleiben Erfolg versagt.
I. Die Klage ist im Hauptantrag zulässig.
1. Sie ist auf Anfechtung im Sinne des §
54 Abs.
1 S.1, 1. Alt.
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) gerichtet und wendet sich gegen die Festsetzung von Festbeträgen durch die Beigeladenen zu 3) bis 8) bzw. den Beklagten
als deren Nachfolger.
Festbetragsfestsetzungen sind Verwaltungsakte in Form der Allgemeinverfügung (§ 31 S. 2 Sozialgesetzbuch 10. Buch - SGB X -; wohl einhellige Auffassung, vgl. unter anderem Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Urt. v. 17. Dezember 2002 - 1 BvL 28/95, 1 BvL 29/95, 1 BvL 30/95 - BVerfGE 106, 275, 305ff; BSG, U. v. 24. November 2004 - B 3 KR 23/04 R - BSGE 94, 1,3 v. 1.03.2011 - B 1 KR 7/10 R - Rdnr. 11).
2. Eines Vorverfahrens bedarf es nicht, §
78 Abs.
1 S. 2 Nr.
1 SGG i. V. m §
35 Abs.
7 S. 3
SGB V.
3. Die Klagefrist von einem Monat nach der Bekanntgabe (§
87 Abs.
1 S. 1
SGG) ist gewahrt. Die Festsetzung galt 14 Tage nach der Veröffentlichung als bekannt gegeben, § 37 Abs. 4 S. 3 SGB X. Die Veröffentlichung erfolgte hier am 11. Mai 2007. Die Klagefrist begann am 25. Mai 2007 zu laufen. Die Klage ist bereits
am 8. Juni 2007 eingegangen.
4. Gegenstand des Anfechtungsbegehrens sind sowohl die ursprüngliche Festbetragsfestsetzung vom 7. Mai 2007 als auch die später
kraft Gesetzes (§
153 Abs.
1, §
96 Abs.
1 SGG) einbezogenen Anpassungen vom 29. Juni 2010, 9. Mai 2012 und vom 12. Mai 2014 (vgl. BSG, Urteil vom 1. März 2011 -B 1 KR 7/10 R-, juris-Rdnr. 11).
5. Zulässigerweise richtet sich die Klage gegen den jetzigen Beklagten, obwohl die Beigeladenen zu 3) bis 8) die ursprüngliche
Festsetzung erlassen haben.
Denn der Beklagte ist im Wege der Funktionsnachfolge ab dem 1. Juli 2008 für Festbetragsfestsetzungen gemäß §
35 Abs.
3 S. 1 i. V. m. §
217f Abs.
1 SGB V zuständig. Es ist ein Beteiligtenwechsel eingetreten (BSG, aaO. Rdnr. 12).
6. Die Klägerin ist klagebefugt. Es fehlt nicht an der Behauptung einer Beschwer, §
54 Abs.
1 S. 2
SGG.
Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass Arzneimittelhersteller bzw. Vertriebsunternehmen geltend machen
können, durch eine Festbetragsfestsetzung in ihrem Grundrecht aus Art.
19 Abs.
3 i. V. m. Art.
3 Abs.
1 GG und Art.
12 GG Art verletzt zu sein, in dem ein erheblicher Wettbewerbsnachteil behauptet wird (zuletzt Beschluss vom 6. Januar 2014 -L 1 KR 40/13 KLER-, Urt. v. 22. Juni 2012 -L 1 KR 296/09 KL-, juris-Rdnr. 80; so bereits Beschluss vom 6. Dezember 2011 -L 1 KR 184/11 ER-, juris-Rdnr. 73ff unter Bezugnahme auf BSG, Urt. v. 24. November 2004 - B 3 KR 10/04 R - BSGE 93, 296, 298ff und - B 3 KR 23/04 R - BSGE 94, 1,4ff).
Dies entsprach jedenfalls bis zur Entscheidung des 1. Senats des BSG vom 17. September 2013 (B 1 KR 54/12 R; dazu sogleich) der einhelligen Auffassung der mit der Materie befassten Senate des BSG. Diese sind sich einig, dass eine Verletzung subjektiver Rechte eines Arzneimittelherstellers im Zusammenhang mit der Richtlinienfestsetzung
des Beigeladenen nur - indirekt - aus der damit verbundenen Einflussnahme auf den Wettbewerb der Hersteller untereinander
resultieren kann.
Die Entscheidung des BVerfG vom 17. Dezember 2002 hat die Grundrechtsbetroffenheit von Arzneimittelherstellern nur verneint,
soweit die Spitzenverbände der Krankenkassen zur Festbetragsfestsetzung von Arzneimitteln ermächtigt worden sind (BVerfG aaO.
S. 297f). In der Entscheidung heißt es ausdrücklich, die noch offenen Fragen zu den Einzelheiten der Festbetragsfestsetzungen
hätten keinen Einfluss auf die hier vorgenommene verfassungsrechtliche Klärung. Geprüft worden sei nur das Verfahren zur Normsetzung,
nicht jedoch die mit den Normen selbst verbundenen materiellen verfassungsrechtlichen Fragen (BVerfG aaO. S. 296). Nur die
Festbetragsfestsetzung als solche berührt Art.
12 GG nicht (ebenso BSG. U. v. 24.November 2004 - B 3 KR 10/04 R -, LSG Berlin-Brandenburg, U. v. 16. Dezember 2009 - L 9 KR 8/08; enger womöglich bereits BSG, U. v. 1. März 2011 - B 1 KR 7/10 - Rdnr. 14, wonach §
35 SGB V generell nicht drittschützend sei).
Der 6. Senat des BSG sieht insoweit das Grundrecht der Berufsfreiheit betroffen. Er hat in seiner Entscheidung zu einem Therapiehinweis als Teil
der Arzneimittelrichtlinie (BSG, U. v. 31. Mai 2006 - B 6 KA 13/05 R- BSGE 96, 261, 266f Rdnr. 34f) auf die Judikatur des BVerfG zur Beeinträchtigung der Berufsausübungsfreiheit bei staatlicher Verbreitung
marktrelevanter Informationen berufen (Bezugnahme auf BVerfGE 105, 252, 273 - Glykol). Auch der 3. Senat des BSG habe in seinem Urteil vom 24. November 2004 (BSGE 94, 1 = SozR 4-2500 § 35 Nr. 3) ausgeführt, dass die Hersteller gerichtlichen Rechtsschutz gegen solche staatlichen Maßnahmen beanspruchen
könnten, die den Wettbewerb mit ihren Konkurrenten verfälschten. Werde eine Versorgungsalternative infolge unzutreffender
medizinisch-pharmakologischer Bewertung zu Unrecht als mit anderen Arzneimitteln gleichwertig eingestuft, so bedeute dies
nicht nur eine Fehlinformation des Arztes und eine Benachteiligung des Versicherten. Es beinhalte auch eine Benachteiligung
des betroffenen Arzneimittelherstellers im Wettbewerb, wenn die besondere therapeutische Qualität seines Arzneimittels durch
Gleichbewertung mit andersartigen Konkurrenzprodukten verneint werde und dieses Arzneimittel als durch andere gleichwertig
ersetzbar erscheine. Nichts anderes gelte, wenn fälschlicherweise ein teureres Arzneimittel durch eine staatliche Maßnahme
als unwirtschaftlich gekennzeichnet und seine Verordnung weitgehend eingeschränkt werde, weil es - infolge einer unzutreffenden
Bewertung seiner Wirkungsweise - als mit dem billigeren Präparat therapeutisch gleichwertig beurteilt werde. Entsprechend
habe der 6. Senat für die Konstellation, dass sich ein Produzent von Kontrastmitteln gegen eine Entscheidung des Bewertungsausschusses
(§
87 Abs.
2 SGB V) wende, die Klage für zulässig gehalten, soweit das Unternehmen geltend gemacht habe, ohne Korrektur des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes
für vertragsärztliche Leistungen in seiner Betätigungsfreiheit am Markt gegenüber anderen Anbietern von Kontrastmitteln benachteiligt
zu sein.
Der 1. Senat des BSG sieht hingegen ausschließlich Art.
3 Abs.
1 GG einschlägig. Er will die gleichen Grundsätze Anwendung finden lassen, welche das BVerfG in Vergabeverfahren für maßgeblich
erachtet. Die Vergabe eines öffentlichen Auftrags an einen Mitbewerber und die der Vergabeentscheidung zugrunde gelegten Kriterien
berührten ebenso wie mögliche Vorstufen einer Vergabeentscheidung, hier die Festbetragsfestsetzung, grundsätzlich nicht den
Schutzbereich der Berufsfreiheit des erfolglosen Bewerbers. Bei der Vergabe eines öffentlichen Auftrags beeinflusse die handelnde
staatliche Stelle den Wettbewerb nicht von außen, sondern werde selbst auf der Nachfrageseite wettbewerblich tätig. Dabei
sei es grundsätzlich Sache des Nachfragers, nach welchen Kriterien und in welchem Verfahren er das günstigste Angebot auswähle.
Festbetragsfestsetzungen beträfen lediglich die Rahmenbedingungen der wirtschaftlichen Betätigung pharmazeutischer Unternehmer,
nämlich in einem weiteren Sinne Auswahlkriterien für die Einbeziehung von Arzneimitteln in den GKV-Leistungskatalog. Pharmazeutische
Unternehmer hätten jedoch keinen verfassungsrechtlich geschützten Anspruch darauf, dass ihre Angebote in den GKV-Leistungskatalog
aufgenommen und nicht von Festbetragsfestsetzungen betroffen seien.
Anders läge es nur, wenn die angewandten Bewertungskriterien nach ihrer Zielsetzung und ihren Wirkungen einen Ersatz für eine
staatliche Maßnahme darstelle, die als Grundrechtseingriff in die Berufsfreiheit zu qualifizieren wäre (Bezugnahme u. a. auf
BVerfGE 105, 252, 273). An einer eingriffsgleichen Wirkung einer staatlichen Maßnahme fehle es jedoch, wenn mittelbare Folgen lediglich ein
bloßer Reflex einer nicht entsprechend ausgerichteten Regelung seien (Bezugnahme u. a. auf BVerfGE 106, 275, 299 = SozR 3-2500 § 35 Nr. 2 S 18). Zu messen sei die Festbetragsentscheidung allerdings am allgemeinen Gleichheitssatz
des Art
3 Abs.
1 GG. Einer staatlichen Stelle, die einen öffentlichen Auftrag vergebe, sei es aufgrund des Gleichheitssatzes verwehrt, das Verfahren
oder die Kriterien der Vergabe willkürlich zu bestimmen (Bezugnahme auf BVerfGE 116, 135, 153). Gleiches gelte für die Vorstufe von Vergaben, wie hier die Festbetragsfestsetzungen. Nach diesem Maßstab könnten staatliche
Maßnahmen, die den Wettbewerb der Unternehmen untereinander willkürlich verfälschten, im Einzelfall eine Grundrechtsverletzung
bedeuten. Werde eine Versorgungsalternative infolge willkürlicher medizinisch-pharmakologischer Bewertung zu Unrecht als mit
anderen Arzneimitteln gleichwertig eingestuft, so beinhalte dies jedenfalls dann eine Benachteiligung des betroffenen Arzneimittelherstellers
im Wettbewerb, wenn die besondere therapeutische Qualität seines Arzneimittels durch Gleichbewertung mit andersartigen Konkurrenzprodukten
ohne jeden sachlichen Grund verneint werde und dieses Arzneimittel als durch andere gleichwertig ersetzbar erscheine. Art
3 Abs.
1 GG verbiete nicht nur die unterschiedliche Behandlung von Gleichem, sondern auch die Gleichbehandlung von sachlich Ungleichem
anhand offensichtlich sachwidriger Kriterien (Bezugnahme auf BVerfG, B. v. 1. November 2010 - 1 BvR 261/10 - Rdnr 14 zu Arzneimittelrabattverträgen).
Im Bereich der Festbeträge liege eine solche verfassungswidrige Gleichbehandlung (nur) vor, wenn das Arzneimittel eines Arzneimittelherstellers
offensichtlich aus pharmakologisch-therapeutischer Sicht so unterschiedlich sei, dass es durch die Arzneimittel eines anderen
Herstellers praktisch nicht ersetzt werden könnten, sie dennoch aber ohne Rechtfertigung in einer Festbetragsgruppe zusammengefasst
seien. Dabei ergäben sich aus dem Gleichheitssatz umso engere Grenzen, je stärker sich die Ungleichbehandlung von Personen
oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken könne (Bezugnahme - für das
Verhältnis zum Gesetzgeber - BVerfGE 89, 15, 22 f; 90, 46, 56; 97, 271, 290 f; 99, 341, 355 f; 103, 242, 258; 105, 73, 110f; 116, 135, 161; so insgesamt BSG, U. v. 01. März 2011 - B 1 KR 7 R - Rdnr. 14-17; im Urteil vom 17. September 2013 -B 1 KR 54/12 R- Rdnr. 13 nur noch zusammengefasst).
Aus der bisherigen Sicht des hier erkennenden Senats scheidet eine Verletzung des Grundrechts auf Berufsausübung aus Art.
12 GG aus den vom BSG (1. Senat) dargestellten Gründen aus. Er ist jedoch auch nicht auf eine reine Willkürkontrolle eines Verstoßes gegen Art.
3 Abs.
1 GG beschränkt.
Es besteht nämlich ein relevanter Unterschied zwischen der Ausschreibung des Kaufs von Arzneimitteln durch eine Krankenkasse
als Vergabevorgang und der damit verbundenen Teilnahme dieser Krankenkasse am Wettbewerb auf Käuferseite und der abstrakt-generellen
Regulierung des Arzneimittelpreises für die Gesamtnachfrage aller Krankenkassen, welche die Festbetragsfestsetzung faktisch
bedeutet. Der Beklagte setzt gerade per Allgemeinverfügung mit allgemeiner Wirkung für den gesamten Bereich der GKV (und darüber
hinaus für den Bereich der staatlichen Beamtenfürsorge, weil für Beamte entsprechende Übernahmen bestimmt sind) die Festpreise
fest. Es geht nicht nur um "in einem weiteren Sinne Auswahlkriterien für die Einbeziehung von Arzneimitteln in den GKV-Leistungskatalog."
Jedenfalls für die Pharmahersteller, deren Geschäftsmodell darauf beruht, neue Arzneimittel zu entwickeln, die sich also nicht
auf die bloße Herstellung beschränken, steht vielmehr indirekt die gesamte Berufsausübung auf dem Spiel: Wenn sich - aus ihrer
Sicht - die Forschung nicht lohnt, weil die -insbesondere mit patentgeschützten- Arzneimittel zu erzielenden Gewinne zu gering
ausfallen, macht die Entwicklung -zum Beispiel von Compliance-Verbesserungen- keinen Sinn. Das Gesetz differenziert selbst
in diese Richtung, indem es den Patentschutz für ein Arzneimittel zu einem der Kriterien für den Ausschluss einer Festbetragsgruppenbildung
nimmt. Die rechtswidrige Festbetragsfestsetzung wirkt sich jedenfalls insoweit auf eine grundrechtlich geschützte Freiheit
aus.
Die Kontrolle der Wettbewerbsverzerrung durch Art.
3 Abs.
1 GG hat deshalb nicht nur als reine Willkürkontrolle zu erfolgen, sondern nach Maßgabe der sogenannten "neuen Formel", weil auch
ein Freiheitsgrundrecht tangiert ist.
Der allgemeine Gleichheitssatz des Art.
3 Abs.
1 GG gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Bei der Ungleichbehandlung von Personengruppen
unterliegt der Gesetzgeber regelmäßig einer strengen Bindung. Die Verfassung verbietet nach der neuen Formel nicht nur eine
willkürliche Ungleichbehandlung. Das BVerfG prüft vielmehr im Einzelnen nach, ob für die vorgesehene Differenzierung Gründe
von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können. Entscheidend ist
dabei auch, in welchem Maße sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig
auswirken kann (so weitgehend wörtlich BVerfG, B. v. 13. Februar 2007 - 1 BvR 910/05, 1 BvR 1389/05 - juris-Rdnr. 98 mit weiteren Nachweisen seiner Judikatur). Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz kann somit eine strenge Bindung
des Gesetzgebers an Verhältnismäßigkeitserfordernisse folgen, so dass es zu einer wechselseitigen Verschränkung von Gleichheits-
und Freiheitsschutz kommen kann (so BVerfG, B. v. 16. Juni 2011 - 1 BvR 2394/10 -, Rdnr. 7).
Die Arzneimittelhersteller können erfolgreich gerichtlichen Rechtschutz gegen solche staatlichen Maßnahmen beanspruchen, die
den Wettbewerb mit ihren Konkurrenten verfälschen (im Ergebnis ebenso BSG, Urt. v. 31. Mai 2006 - B 6 KA 13/05 R - Rdnr. 34f mit Bezug auf BSGE 94, 1). Ein Hersteller wird im Wettbewerb benachteiligt, wenn die besondere therapeutische Qualität seines Arzneimittels durch
Gleichbewertung mit andersartigen Konkurrenzprodukten verneint wird und dieses Arzneimittel als durch andere gleichwertig
ersetzbar erscheint (BSG, Urt. 31. Mai 2006 Rdnr. 35). Einen solchen Fall darf es nämlich nach dem
SGB V selbst nicht geben.
Eine relevante Wettbewerbsverzerrung liegt jedenfalls vor, wenn die Festbetragsregelung eine Ausrichtung der unternehmerischen
Ziele am Gesetz und ein Handeln in Einklang mit den gesetzgeberischen Zielvorstellungen nicht nur nicht belohnt, sondern sogar
bestraft. Der Staat verzerrt den Wettbewerb, wenn er die Nachfrage konträr zu seinen eigenen gesetzlichen Zielvorstellungen
beeinflusst, sich also widersprüchlich verhält. Daraus resultierende Begünstigungen muss ein Wettbewerber nicht hinnehmen
(so bereits B. d. Senats vom 20. Dezember 2006 - L 1 B 236/06 KR ER - juris-Rdnr. 85 mit Bezugnahme auf BVerfG, B. v. 12. Juni.1990, BVerfGE 82, 209, 223f).
Eine Beschränkung der Kontrolle der streitgegenständlichen Allgemeinverfügung (einschließlich der Inzidentkontrolle der dieser
zu Grunde liegenden Festbetragsfestsetzung durch den Beigeladenen) auf eine reine Willkürkontrolle führte im Übrigen unter
Umständen zu dem für alle Beteiligten misslichen Ergebnis, dass auch bei rechtskräftiger Abweisung der Klage des Arzneimittelherstellers
bzw. -vertreibers für den Beklagten keine Rechtssicherheit bestünde, da für Klagen des Versicherten selbst strengere Maßstäbe
gälten.
Hier ist jedoch nach allen Auffassungen von einer möglichen Rechtsverletzung, entweder aus Art.
12 GG oder aus Art.
3 Abs.
1 GG (verstanden als bloße Kontrolle auf Willkürfreiheit) auszugehen. Die Klägerin kann geltend machen, dass sachwidrig und damit
willkürlich in den Wettbewerb zwischen den Arzneimittelherstellern der Osteoporosemittel (im weiteren Sinne) eingegriffen
werde, indem ihr Medikament Actonel® in eine Festbetragsgruppe mit den Arzneimitteln mit Konkurrenzwirkstoffen verbunden worden
sei. Sie kann sich darauf berufen, dass der Wettbewerb zu ihren Lasten und zu Gunsten der Vertreiber der Konkurrenz verfälscht
werde.
II. Die Klage ist unbegründet, da die angefochtenen Festbetragsfestsetzungen die Klägerin nicht in ihrem subjektiven Recht
aus Art.
3 Abs.
1 i.V. m. Art.
12 GG verletzen.
1. Nach §
35 Abs.
1 S. 1 und 2
SGB V (hier nach wie vor in der Fassung des Gesetzes zur Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung [GKV-Modernisierungsgesetz
- GMG] vom 14. November 2003, BGBl. I S. 2190) bestimmt der Beigeladene in den Richtlinien nach §
92 Abs.
1 S. 2 Nr.
6 SGB V, für welche Gruppen von Arzneimitteln Festbeträge festgesetzt werden können.
In den Gruppen sollen unter Nr. 3 Arzneimittel mit therapeutisch vergleichbarer Wirkung, insbesondere Arzneimittelkombinationen
zusammengefasst werden.
Die Gruppen müssen nach S. 3 gewährleisten, dass Therapiemöglichkeiten nicht eingeschränkt werden und medizinisch notwendige
Verordnungsalternativen zur Verfügung stehen (Hs. 1). Ausgenommen von diesen Gruppen sind Arzneimittel mit patentgeschützten
Wirkstoffen, deren Wirkungsweise neuartig ist oder die eine therapeutische Verbesserung, auch wegen geringerer Nebenwirkungen,
bedeuten (Hs. 2). Nach §
35 Abs.
1 S. 5
SGB V ermittelt der Beigeladene auch die nach Abs. 3 notwendigen rechnerischen mittleren Tages- oder Einzeldosen oder andere geeignete
Vergleichsgrößen.
Anschließend setzt der Beklagte (bzw. bis zum 30. Juni 2008 die beigeladenen Spitzenverbände der Krankenkassen) gemäß §
35 Abs.
3 SGB V auf Grundlage der Vergleichsgröße die Festbeträge fest.
Grundsätzliche Zweifel an der Richtlinienermächtigung in §
35 Abs.
1, Abs.
5 SGB V bestehen nicht (vgl. hierzu BVerfGE 106, 275, 305ff; BSG Urt. v. 1. März 2011 -B 1 KR 10/10 R- Rdnr. 33).
Der erkennende Senat folgt bei seiner Überprüfung der Voraussetzungen den vom BSG aufgestellten Grundsätzen für die Kontrolle im Rang unterhalb des einfachen Gesetzesrechts stehenden Richtlinien des Beigeladenen.
Diese sind gerichtlich in der Weise zu hinterfragen, wie wenn der Bundesgesetzgeber derartige Regelungen in Form einer untergesetzlichen
Norm - etwa einer Rechtsverordnung - selbst erlassen hätte (BSG, Urt. v. 23. September 2013 -B 1 KR 54/12 R- Rdnr. 27; Urt. vom 01. März 2011 - B 1 KR 7/10 R Rdnr. 26f jeweils m. weit. Nachw.).
§
35 SGB V gibt danach dem Beigeladenen ein engmaschiges, rechtlich voll überprüfbares Programm vor: Die Verwendung ihrer Art nach rechtmäßiger
Prüfkriterien, die Ermittlung des Inhalts der Arzneimittelzulassungen, bei Festbetragsgruppen der Nr. 2 die Qualifizierung
von Arzneimitteln als solche mit pharmakologisch-therapeutisch vergleichbaren Wirkstoffen, insbesondere mit chemisch verwandten
Stoffen, die Gewährleistung sowohl fehlender Einschränkungen von Therapiemöglichkeiten als auch der Verfügbarkeit medizinisch
notwendiger Verordnungsalternativen ist vom Gericht uneingeschränkt zu überprüfen. Der Gesetzgeber belässt dem Beigeladenen
bei der Umsetzung dieser Regelungselemente des §
35 SGB V keinen Gestaltungsspielraum. Das gilt auch für die Vollständigkeit der vom Beigeladenen zu berücksichtigenden Studienlage.
Entsprechend ist auch voll überprüfbar, ob der Beigeladene hier Arzneimittel mit therapeutisch vergleichbarer Wirkung in eine
Festbetragsgruppe nach §
35 Abs.
1 S. 2 Nr.
3 SGB V zusammengefasst hat.
Ob die Verfahrensordnung des Beigeladenen zur Prüfung der Voraussetzungen einer Festbetragsgruppe Nr. 3 zu Beginn des hiesigen
Verfahrens oder heute allen gesetzlich Anforderungen entspricht, ist hier deshalb nicht entscheidungserheblich.
Anders liegt es hinsichtlich der Überprüfbarkeit dagegen bei der Entscheidung über Zeitpunkt, Zuschnitt und Auswahl der Gruppe
sowie bei der Bewertung des zutreffend ermittelten Standes der Studienlage im Hinblick auf ihre Eignung, für die Gruppenbildung
relevante Therapiehinweise, Verordnungseinschränkungen oder -ausschlüsse. Hier entscheidet der Beigeladene als Normgeber.
Insoweit darf die sozialgerichtliche Kontrolle ihre eigenen Wertungen nicht an die Stelle der vom Beigeladenen getroffenen
Wertungen setzen. Vielmehr beschränkt sich die gerichtliche Prüfung in diesen Segmenten darauf, ob die Zuständigkeits- und
Verfahrensbestimmungen sowie die gesetzlichen Vorgaben nachvollziehbar und widerspruchsfrei Beachtung gefunden haben, um den
Gestaltungsspielraum auszufüllen (ebenso auch die Parallelentscheidung -B 1 KR 10/10 R - Rdnr. 38).
Der Kontrollmaßstab bei der gerichtlichen Überprüfung des Gestaltungsfreiraums entspricht nach bisheriger Rechtsprechung des
hiesigen Senats den allgemeinen Grundsätzen für die gerichtliche Überprüfung von Beurteilungsspielräumen (vgl. hierzu Bundesverwaltungsgericht
- BVerwG, Urt. v. 02. April 2008 - 6 C 14/07 - Rdnr. 21-mit Bezugnahme auf Urt. v. 16. Mai 2007 - 3 C 8/06 - Rdnr. 32).
Ein Beurteilungsfehlgebrauch liegt danach vor, wenn die wertende Entscheidung auf falscher oder unvollständiger Tatsachengrundlage
erfolgt oder sachfremde bzw. willkürliche Erwägungen enthält.
Der Beigeladene muss demnach den erheblichen Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt haben, von einem richtigen Verständnis
des anzuwendenden Gesetzesbegriffes ausgegangen sein, und sich bei der eigentlichen Bewertung an allgemeingültige Wertungsmaßstäbe
gehalten haben, insbesondere das Willkürverbot nicht verletzt haben.
Inhaltlich Entsprechendes hat auch der 6. Senat des BSG für den Beurteilungsspielraum eines Berufungsausschusses ausgeführt. Eine Einhaltung der Bewertungsgrundsätze setze zusammengefasst
zum einen eine nachvollziehbare Begründung voraus. Ein Beurteilungsfehler liege zum anderen bei einer Überschreitung des Beurteilungsspielraumes,
Missachtung anerkannter Bewertungs- und Prüfungsgrundsätze und zuletzt bei Verletzung des Gleichheitssatzes und des Prinzips
der Verhältnismäßigkeit vor. Auch müssten die gültigen Verfahrensbestimmungen eingehalten sein (BSG, Urt. v. 09. Februar 2011 - B 6 KA 3/10 R - Rdnr. 25).
An diesen Grundsätzen hat der 6. Senat auch im Urt. v. 14. Mai 2014 hinsichtlich der Kontrolle eines Beschlusses des Beigeladenen
festgehalten (B 6 KA 21/13 R- Rdnr. 32):
"Die in §
34 Abs
1 Satz 2
SGB V für die Aufnahme eines nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittels in die Anlage I zur AM-RL normierten Tatbestandsvoraussetzungen
(Behandlung einer schwerwiegenden Erkrankung, Therapiestandard) bedürfen hinsichtlich der gebotenen gerichtlichen Kontrolle
einer differenzierten Behandlung. Die Auslegung der gesetzlichen Vorgaben sind gerichtlich voll überprüfbar (vgl BSGE 110,
183 = SozR 4 2500 § 34 Nr 9, RdNr 24 [Linola]). Dasselbe gilt für die Entscheidung, ob der GBA die für seine Fragestellung maßgebliche
Studienlage in der medizinischen und/oder pharmakologischen Wissenschaft vollständig berücksichtigt hat (BSG aaO. mwN) und wie sich der Stand dieser Wissenschaften insoweit zusammenfassen lässt (vgl BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 73). Bei der weitergehenden Konkretisierung der gesetzlichen Vorgaben bzw der Bewertung des
korrekt ermittelten Standes der medizinisch-pharmakologischen Wissenschaft besteht indes der für jede Normsetzung kennzeichnende
Gestaltungsspielraum, den auch der GBA für sich in Anspruch nehmen kann. Insoweit beschränkt sich die gerichtliche Überprüfung
darauf, ob die Bewertung nachvollziehbar ist und den gesetzlich vorgegebenen Maßstäben entspricht (vgl BSGE 110, 183 = SozR 4 2500 § 34 Nr 9, RdNr 25; BSGE 96, 261 = SozR 4 2500 § 92 Nr 5, RdNr 75)."
Für den Bereich der Existenzsicherung hat das BVerfG die Forderung aufgestellt, dass sich selbst der parlamentarische Bundesgesetzgeber
nicht auf seinen gesetzgeberischen Gestaltungsfreiraum berufen kann, sondern die Konkretisierung eines Leistungsanspruches
in einem transparenten und sachgerechten Verfahren nach dem tatsächlichen Bedarf, realitätsgerecht zu bemessen hat (BVerfG,
Urteil vom 09. Februar 2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - juris Rdnr. 138). Er habe die Obliegenheit, die zur Bestimmung des Existenzminimums im Gesetzgebungsverfahren eingesetzten
Methoden und Berechnungsschnitte nachvollziehbar offen zu legen, damit die Anforderungen des
Grundgesetzes, tatsächlich für eine menschenwürdige Existenz Sorge zu tragen, im Ergebnis nicht verfehlt würden (BVerfG., B. v. 23. Juli
2014 -1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13- Rdnr.77).
2. Die hier indirekt streitgegenständlichen Beschlüsse des Beigeladenen genügen den so skizzierten Anforderungen an die Ausübung
des ihm eingeräumten Spielraums:
Formelle Defizite sind zunächst nicht ersichtlich, wie bereits das SG zutreffend ausgeführt hat. Auf dessen Ausführungen wird nach §
153 Abs.
2 SGG verwiesen.
3. Der Beigeladene konnte die Festbetragsgruppe "Bisphosphonate und Kombinationen von Bisphosphonaten mit Additiva" als solche
nach §
35 Abs.
1 S. 2 Nr.
3 SGB V bilden.
Die in dieser zusammengefassten Arzneimittel haben therapeutisch vergleichbare Wirkung.
Dies gilt sowohl für die Wirkstoffe der Gruppe selbst wie für die Kombinationen mit Kalzium oder Vitamin D³ (Colecalciferol).
3.1 Grundlage und Ausgangspunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Festbetragsgruppenbildung ist grundsätzlich der
Inhalt der arzneimittelrechtlichen Zulassung nach dem AMG. Denn alle Arzneimittel betreffende Richtlinien des Beigeladenen, die Verordnungseinschränkungen oder -ausschlüsse eines
Arzneimittels wegen Unzweckmäßigkeit bedeuten, dürfen gemäß §
92 Abs.
2 S. 12
SGB V den Feststellungen der Zulassungsbehörde über Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit eines Arzneimittels nicht widersprechen.
Deren Inhalt ergibt sich zusammengefasst insbesondere aus der Fachinformation gemäß § 11a AMG.
Eine Berücksichtigung darüber hinausgehender Unterlagen ist für die Prüfung des Vorliegens vergleichbarer Wirkstoffe nach
Maßgabe des §
35 Abs.
1 S. 2 Hs. 1 und S. 3 Hs. 1
SGB V grundsätzlich nicht vorgesehen.
Für die Festbetragsgruppenbildung nach Nr. 2 hat das BSG ausgeführt, dass Vergleichbarkeit nicht Austauschbarkeit oder Identität bedeute. Es gehe darum, einen übergreifenden gemeinsamen
Bezugspunkt mehrerer Wirkstoffe herzustellen. Der Beigeladene hat die pharmakologisch-therapeutische, insbesondere chemische
Vergleichbarkeit von Art und Aufbau der einzelnen Wirkstoffe, ihrer Wirkmechanismen und ihrer Anwendungsgebiete zu prüfen
(BSG, Urt. v. 01. März 2011 - B 1 KR 10/10 R - Rdnr. 48, übernommen im Urt. v. 17. September 2013, Rdnr. 32).
Hier hingegen steht eine Gruppenbildung nach Nr. 3 im Streit.
Während für Festbetragsgruppenbildungen der Stufe 2 nach §
35 Abs.
1 Satz 2 Nr.
2 SGB V eine pharmakologisch-therapeutische Vergleichbarkeit gegeben sein muss, reicht gemäß §
35 Abs.
1 Satz 2 Nr.
3 SGB V eine therapeutisch vergleichbare Wirkung aus. Die ursprünglich gleichlautende Voraussetzung ist durch das Gesetz zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung (Gesundheitsstrukturgesetz -GSG) 1993 auf eine ausschließlich therapeutische Vergleichbarkeit umgestellt worden. Dadurch soll die Gruppenbildung in dieser
Stufe erleichtert werden (vgl. BT-Drs. 12/3608 S. 81 zu § 35).
Daher kommt es auf eine etwaige fehlende pharmakologische Vergleichbarkeit nicht an, wie bereits das SG richtig ausgeführt hat.
Die hier indirekt streitbefangenen Wirkstoffe sind therapeutisch vergleichbar.
Eine solche liegt bei einem gemeinsamen Anwendungsgebiet vor (BSG, Urt. v. 01. März 2011 -B 1 KR 10/10 R-, Rdnr. 52 und -B 1 KR 7/10 R- Rdnr. 41). Dies gilt aufgrund der identischen Wortwahl sowohl bei Stufe 2 wie bei einer Festbetragsgruppe der Stufe 3.)
Dies ist hier die Behandlung der Osteoporose.
Dass der Beigeladene bei der Entscheidung über den Zuschnitt einer Gruppe in einem ersten Schritt solche Wirkstoffe bzw. Arzneimittel
zusammenfasst, die einen pharmakologisch vergleichbaren Ausgangspunkt nach dem ATC-Code haben, ist damit nicht zu beanstanden.
In den "Tragenden Gründen" vom 18. Januar 2007 heißt es hierzu (S. 12 f):
"Als Ausgangspunkt für die Feststellung der Vergleichbarkeit von Wirkstoffen bietet sich die anatomisch-therapeutisch-chemische
Klassifikation der WHO (ATC-Code) nach Maßgabe des §
73 Abs.
8 S. 5
SGB V an. Danach können dann Festbetragsgruppen der Stufe 3 für Wirkstoffe gebildet werden, die einem therapeutischen Wirkprinzip
(2. Ebene, therapeutische Untergruppe oder 3. Ebene pharmakologische Untergruppe) zugeordnet sind, auch wenn sie sich in übergeordneten
Klassifikationsmerkmalen unterscheiden. Allerdings ist bei auf dieser Grundlage vorgeschlagenen Festbetragsgruppen ergänzend
zu prüfen, ob unter pharmakologisch-therapeutischen Gesichtspunkten bestimmte Wirkstoffe (5. Ebene) von der Gruppenbildung
auszuschließen oder in Untergruppen zusammenzufassen sind. Somit stellt der ATC-CODE eine Arbeitshypothese dar, auf deren
Grundlage die weiteren Bearbeitungsschritte erfolgen."
Dieser Ansatz ist nachvollziehbar.
Wie das SG bereits zutreffend ausgeführt hat, kann sich die Klägerin auch nicht darauf berufen, dass der Beigeladene von seinen eigenen
Entscheidungsgrundlagen abgewichen sei. Sowohl in den Entscheidungsgrundlagen vom 15. November 2005 als auch in denen vom
19. Juli 2007 wird bereits einleitend vor dem Teil A bestimmt, dass die Entscheidungsgrundlagen (allein) für die Festbetragsgruppenbildung
nach §
35 Abs.
1 S. 2 Nr.
2 und Abs.
1a SGB V sowie zur Konkretisierung der Ausnahmetatbestände nach §
35 Abs.
1 S. 3, 2. Hs. und Abs.
1a S. 2, Abs. 1b
SGB V gelten solle. Eine allgemeine Regelung für eine Festbetragsgruppenbildung nach §
35 Abs.
1 S. 2 Nr.
3 SGB V ist nicht getroffen worden.
Folgerichtig heißt es in den "Tragenden Gründen" vom 18. Januar 2007 unter Punkt 2.1 (S.3), dass die Entscheidungsgrundlagen
zu Gruppenbildung und zur Vergleichsgröße der Stufe 2, die das grundsätzliche Verfahren der Gruppenbildung durch den gemeinsamen
Bundesausschuss wiedergäben, insoweit analog bei dem Gruppenbildungsbeschluss der Stufe 3 angewendet worden seien, als es
mit der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage in §
35 Abs.
1 S. 2 Nr.
3 SGB V in Einklang stehe.
Die aktuelle Verfahrensordnung des Beigeladenen (Fassung vom 18. Dezember 2008) geht im 4. Abschnitt § 23 davon aus, dass
Wirkstoffe und Wirkstoffkombinationen eine therapeutisch vergleichbare Wirkung aufweisen, wenn sie für ein gemeinsames Anwendungsgebiet
oder mehrere gemeinsame Anwendungsgebiete zugelassen sind.
3.2 Der hiesige Senat teilt weiter die Auffassung des SG, dass einer Einbeziehung in eine Festbetragsgruppe nach Nr. 3 therapeutische vergleichbarer Arzneimittel nicht entgegensteht,
dass einzelne Arzneimittel trotz identischer Wirkstoffe singulär nicht zur Behandlung von Osteoporose zugelassen sind.
Hier betraf dies Diphos® bzw. Actonel® 30 mg, die nur für die Behandlung derheterotopen Ossifikation bzw. Morbus Paget zugelassen
waren oder noch sind.
Auch wenn der Wortlaut des §
35 Abs.
1 S. 2 Nr.
3 SGB V nur von vergleichbaren Arzneimitteln ausgeht, ergibt sich aus dem Regelungszusammenhang, dass in diese Gruppe Arzneimittel
mit therapeutisch vergleichbaren Wirkstoffen aufgenommen werden können.
Es bestünde ein systematischer Bruch, wenn für die Gruppenbildung nach Nr. 1 und Nr. 2 auf den identischen Wirkstoff bzw.
pharmakologisch-therapeutische vergleichbare Wirkstoffe abzustellen wäre und ausgerechnet bei Nr. 3 nicht auf die Wirkstoffe,
sondern auf die Arzneimittel. Die Festbetragsgruppenbildung sollte -wie ausgeführt- durch die Novelle 1993 erleichtert und
nicht erschwert werden.
Bei der aufgrund von Nr. 3 gebildeten Festbetragsgruppe handelt es sich insoweit um einen Auffangtatbestand (BeckOK SozR/von
Dewitz
SGB V §
35 Rdnr. 9).
Zu Recht stellt der Beigeladene daher auf das therapeutische Potenzial des jeweiligen Wirkstoffs ab. Anderenfalls müssten
-wie das SG zutreffend angemerkt hat- alle auf dem Markt erhältlichen Fertigarzneimittel namentlich zur Grundlage der Gruppenbildung
gemacht werden und die Gruppenbildung ständig aktualisiert werden.
Der Wirkstoff Etidronsäure, der auch in dem Fertigarzneimittel Diphos ®200 mg enthalten ist, ist auch in anderen Fertigarzneimitteln,
wie z.B. Didronel®, enthalten, die auch für die Behandlung der Osteoporose zugelassen sind. Gleiches gilt für den in dem Fertigarzneimittel
Actonel® 30 mg enthaltenen Wirkstoff Risedronsäure, der in anderen Fertigarzneimitteln, wie z.B. Actonel® 5 mg, ebenfalls
für die Behandlung der Osteoporose zugelassen ist.
Soweit Diphos® als einziges Fertigarzneimittel der gebildeten Festbetragsgruppe für das Anwendungsgebiet "Verhinderung heterotoper
Ossifikationen" zugelassen war, stand dies der Einbeziehung des Wirkstoffs Etidronsäure in die Festbetragsgruppe ebenfalls
nicht entgegen.
Wie ausgeführt, ist der Wirkstoff Etidronsäure auch für das gemeinsame Anwendungsgebiet Osteoporose zugelassen.
Darüber hinaus hat das Fertigarzneimittel Diphos® mit der Indikation Morbus Paget auch ein gemeinsames Anwendungsgebiet mit
anderen Fertigarzneimitteln der gewählten Festbetragsgruppe.
Die Klägerin kann weiter auch nicht mit Erfolg gegen die Gruppenbildung einwenden, dass der Wirkstoff Risedronsäure aus ihrer
Sicht gegenüber dem Wirkstoff Alendronsäure besser wirksam sei.
Eine bessere Wirksamkeit eines Wirkstoffs schließt eine Gruppenbildung nicht aus, es sei denn, es handelt sich gemäß §
35 Abs.
1 S. 3, 2. Hs.
SGB V um Arzneimittel mit patentgeschützten Wirkstoffen, deren Wirkungsweise neuartig ist oder die eine therapeutische Verbesserung,
auch wegen geringerer Nebenwirkungen, bedeuten.
3.3 Der Beigeladene konnte auch Kombipräparate bestehend aus Bisphosphonaten und Kalzium bzw. Bisphosphonaten mit Vitamin
D³ in die Festbetragsgruppe einbeziehen.
Nach §
35 Abs.
1 S. 2 Nr.
3 SGB V können nämlich alle therapeutisch vergleichbaren Arzneimittel, insbesondere Arzneimittelkombinationen, in einer Festbetragsgruppe
zusammengefasst.
Neben Arzneimittelkombinationen im engeren Sinne -also Arzneimittel mit mehreren Wirkstoffe in einer Tablette oder einer anderen
abgetrennten Einheit- können damit, wie sich aus dem Wort "insbesondere" ergibt, auch Arzneimittelkombinationen im weiteren
Sinne zu einer Gruppe zusammengefasst werden. Hier konnten deshalb die Kombipräparate aus Bisphosphonaten mit Additiva einbezogen
werden, bei denen es sich um zwei getrennte Fertigarzneimittel handelt, die in einer Vertriebspackung zusammengefasst sind
(zum Beispiel "Actonel plus Calcium D" als Kombinationsarzneimittel, das in wöchentlichen Einheiten zu jeweils einer Tablette
Actonel und 6 Beuteln Calcium/Vitamin D3 abgepackt ist).
Ob unter der Prämisse, Arzneimittelkombination im Sinne des §
35 Abs.
1 S. 2 Nr.
3 SGB V sei nur die Kombination im soeben skizzierten engeren Sinne, der Beigeladene hier eine Festbetragsgruppe der Nr. 2 (Bisphosphonate)
hätte bilden können, braucht nicht entschieden zu werden.
4. §
35 Abs.
1 S. 3 Hs. 1
SGB V ist nicht verletzt:
Nach §
35 Abs.
1 S. 3
SGB V muss bei der Gruppenbildung nach §
35 Abs.
1 S. 2 Nr. 2 und 3 gewährleistet bleiben, dass Therapiemöglichkeiten nicht eingeschränkt werden und medizinisch notwendige
Verordnungsalternativen zur Verfügung stehen.
4.1 Das Gesetz geht nach der gesetzlichen Systematik des §
35 Abs.
1 SGB V davon aus, dass eine Festbetragsgruppenbildung zu unterbleiben hat, wenn dadurch eine notwendige Therapie eingeschränkt wird.
Eine solche Einschränkung läge vor, wenn ein Arzneimittel zur Behandlung der Versicherten durch ein anderes Arzneimittel nicht
gleichwertig ersetzt werden kann, weil es für die ärztliche Therapie bestimmter Erkrankungen generell oder auch nur in bestimmten,
nicht seltenen Konstellationen unverzichtbar ist (vgl. insoweit im Zusammenhang mit §
35 Abs.
1 S. 3
SGB V und dem Begriff der "medizinisch notwendigen Verordnungsalternative" BSG, Urt. v. 24. November 2004 - B 3 KR 23/04 R -, juris Rdnr. 29; so weitgehend wörtlich, LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 24. Februar 2010 - L 9 KR 104/08 - juris Rdnr. 95).
Grundlage und Ausgangspunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Festbetragsgruppenbildung ist grundsätzlich -wie
bereits ausgeführt- der Inhalt der arzneimittelrechtlichen Zulassung nach dem AMG. Der Inhalt ergibt sich zusammengefasst insbesondere aus der Fachinformation gemäß § 11a AMG. Eine Berücksichtigung darüber hinausgehender Unterlagen ist für die Prüfung des Vorliegens vergleichbarer Wirkstoffe nach
Maßgabe des §
35 Abs.
1 S. 3 Hs. 1
SGB V grundsätzlich nicht vorgesehen.
Hiervon abweichend ist dagegen nicht allein die arzneimittelrechtliche Zulassung, sondern eine neuere Studienlage maßgeblich,
wenn eine solche für die Gruppenbildung bedeutsame Therapiehinweise, Verordnungseinschränkungen oder Verordnungsausschlüsse
durch den Beigeladenen rechtfertigt, weil sie Indikationsbereiche eines Arzneimittels oder von Arzneimitteln im Vergleich
zu anderen als unwirtschaftlich erscheinen lässt und nicht lediglich insgesamt das Therapiegebiet der Gesamtgruppe einschränkt.
Ebenfalls abweichend von dem Grundsatz, dass für die Festbetragsgruppen auf die arzneimittelrechtliche Zulassung abzustellen
ist, erfolgt zum Ausschluss von Scheininnovationen der Nachweis einer therapeutischen Verbesserung im Sinne des §
35 Abs.
1 S 3 Hs. 2
SGB V nicht allein aufgrund der Fachinformationen, sondern auch durch Bewertung von klinischen Studien nach methodischen Grundsätzen
der evidenzbasierten Medizin, soweit diese Studien allgemein verfügbar sind oder gemacht werden und ihre Methodik internationalen
Standards entspricht. Vorrangig sind klinische Studien, insbesondere direkte Vergleichsstudien mit anderen Arzneimitteln dieser
Wirkstoffgruppe mit patientenrelevanten Endpunkten, insbesondere Mortalität, Morbidität und Lebensqualität, zu berücksichtigen
(so insgesamt weitgehend wörtlich, BSG, Urt. v. 17. September 2013, Rdnr. 29 mit weiteren Nachweisen).
Eine eigene Sachprüfungsbefugnis der Sozialgerichtsbarkeit kommt hinsichtlich der erteilten arzneimittelrechtlichen Zulassung
nicht in Betracht. Es muss darauf abgestellt werden, ob ein Arzneimittel zur Behandlung von Versicherten durch einen anderen
pharmakologisch-therapeutisch vergleichbaren Wirkstoff nicht gleichwertig ersetzt werden kann, es also für die ärztliche Therapie
bestimmter Erkrankungen generell oder auch nur in bestimmten, nicht seltenen Konstellationen unverzichtbar ist (Bezugnahme
auf BSG, Urt. v. 24. November 2004, BSGE 94, 1 ff.).
Die Prüfung des §
35 Abs.
1 S. 3 Hs. 1
SGB V erfolgt also zulassungsbezogen.
Begründet der Beigeladene die Einbeziehbarkeit eines Wirkstoffes in eine neue Festbetragsgruppe mit dem Hinweis, dass zur
Behandlung der Erkrankungen, für welche nur einer der Wirkstoffe im Gegensatz zu (allen) anderen Wirkstoffen der zu bildenden
Festbetragsgruppe regulär die Zulassung besitzt, Therapiealternativen zur Behandlung dieser anderen Erkrankungen etwa in Form
weiterer Wirkstoffe außerhalb der neu zu bildenden Festbetragsgruppe bestehen, so muss gewährleistet sein, dass diese Alternativen
nicht nur theoretisch bestehen, sondern alle praktisch relevanten Patientengruppen ausreichend versorgen. Nur dann ist klargestellt,
dass der Festbetrag "im Allgemeinen" eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche sowie in der Qualität gesicherte Versorgung
gewährleistet (§
35 Abs.
5 S. 1
SGB V, so BSG, Urt. v. 01 März 2011 - B 1 KR 10/10 R - Rdnr. 27).
Dabei kann es nicht alleine darauf ankommen, ob die denkbare Alternative zugelassen und verordnungsfähig ist. Die Gleichwertigkeit
muss sich vielmehr auf eine Versorgung zu Festbetragspreisen beziehen. Kann ein Versicherter, der zu einer relevanten Patientengruppe
gehört, nur auf ein anderes Arzneimittel verwiesen werden, welches seinerseits festbetragsgebunden ist, aber zum Festbetrag
nicht erhältlich ist, ist eine Therapiealternative nicht gewahrt. Dies folgt aus dem Umstand, dass die Verordnungsfähigkeit
generell unberührt bleibt von einer Einbeziehung eines Arzneimittels in eine Festbetragsgruppe. Könnte ein Versicherter auf
jedes verordnungsfähige Arzneimittel verwiesen werden, bräuchte es die Tatbestandsalternative des §
35 Abs.
1 S. 3 Hs. 1
SGB V nicht.
Der Beigeladene muss im Festbetragsgruppenbildungsverfahren also alle die möglichen Krankheiten und Krankheitskombinationen
für alle in Frage kommenden Patientengruppen klären, die nicht als atypische Einzelfälle anzusehen sind.
4.2 Der Beigeladene hat hier in diesem Sinne ausreichend ermittelt, ob die jetzt in die Festbetragsgruppe einbezogenen Wirkstoffe
bzw. Arzneimittel durch andere Arzneimittel zu Festbetragspreisen bzw. anderweitige Therapien ersetzt werden können:
4.2.1 So verstößt es nicht gegen §
35 Abs.
1 S. 3
SGB V, dass alleine Diphos® zur Verhinderung heterotoper Ossifikationen zugelassen war.
Ein singuläres Anwendungsgebiet läge nur vor, wenn innerhalb einer Festbetragsgruppe kein weiteres Fertigarzneimittel vorhanden
ist, dass über dieses singuläre Anwendungsgebiet hinaus ein Anwendungsgebiet mit einem anderen Fertigarzneimittel der Gruppe
teilt und insoweit eine Verbindung zum gemeinsamen Anwendungsgebiet herstellt (vergleiche § 2 der Entscheidungsgrundlagen
des Beigeladenen, nunmehr § 24 im 4. Abschnitt der Verfahrensordnung).
Dies ist jedoch bei Diphos® nicht der Fall, da über die Indikation Morbus Paget gemeinsame Anwendungsgebiete mit anderen Fertigarzneimitteln
der Festbetragsgruppe bestehen und somit ein Alleinstellungsmerkmal nicht gegeben ist.
Dass andererseits der Beigeladene das Arzneimittel Bondronat® 50 mg mit dem Wirkstoff Ibandronsäure von der Festbetragsgruppenbildung
ausgenommen hat, weil es ein singuläres Anwendungsgebiet aufweise, stellt keine rechtswidrige Ungleichbehandlung durch Einschränkung
von Therapiemöglichkeiten dar.
Bondronat® 50 mg ist nämlich das einzige Arzneimittel mit der Indikation "Maligne Erkrankungen mit ossären Metastasen".
Bondronat® 50 mg hat keine Zulassung für eine weitere Indikation, für die andere Arzneimittel dieser Festbetragsgruppe zugelassen
sind.
Im Gegensatz hierzu sind für das für die Verhinderung von heterotoper Ossifikation zugelassen gewesene Arzneimittel Diphos®
200 mg mit dem Wirkstoff Etidronsäure auch andere Fertigarzneimittel in dieser Festbetragsgruppe enthalten, die eine Zulassung
für die Indikationen Osteoporose und Morbus Paget besitzen, nämlich Didronel® 200 mg und Etridonat Jenapharm® 200 mg.
Unbestritten hat der Beigeladene darauf hingewiesen, dass es für die Behandlung der heterotopen Ossifikation die Alternativen
der Nichtsteroidale Antirheumatika als Arzneimittel sowie die Behandlungsalternative der lokalen Bestrahlung gibt.
Mangels Zulassung kann Diphos® derzeit zudem nicht verordnet werden, so dass auch deshalb durch die Festbetragsgruppenbildung
keine Verordnungsalternative eingeschränkt sein kann.
Soweit die Klägerin in systematischer Hinsicht ganz allgemein auf den Wortlaut des §
35 Abs.
1b S. 2
SGB V abstellt, wonach eine therapeutische Verbesserung nach Abs. 1 S. 3 Hs. 2 der Norm (nur) für gemeinsame Anwendungsgebiete
erfolge, eine solche Verbesserung also nicht in einer Zusatzindikation liegen könne, muss dies nicht zu einer anderen Betrachtung
führen.
§
35 Abs.
1 S. 3 Hs. 1
SGB V bleibt unberührt hiervon.
Sowohl der Beigeladene zu 1) und das SG haben deshalb im Hinblick auf die besonderen singulären Zulassungen überprüft, ob eine Therapiemöglichkeit eingeschränkt
würde bzw. eine medizinisch notwendige Verordnungsalternative nicht mehr zur Verfügung stünde.
4.2.2. Die Behandlung des Morbus Paget ist neben Arzneimittel mit dem Wirkstoff Etidronsäure und Risedronsäure auch mit den
Wirkstoffen Zoledronsäure, Pamidronsäure und (parenteral) Calcitonin möglich.
Für die Zulassungen wird jeweils auf die Fachinformationen zu Aclasta® (Wirkstoff Zoledronsäure), zu Aredia® (Wirkstoff Pamidronsäure)
und zu Calcitonin 50/100 I.E. - Rotexmedica -) verwiesen.
Die Arzneimittel stehen (teilweise) auch aufzahlungsfrei zur Verfügung (vgl. die Festbetragsübersicht zu Etidronat 200 mg
Jenapharm und Actonel (R)® 30 mg und zu Calcitonin Rotexmedica).
4.2.3 Die Klägerin kann weiter nicht im Zusammenhang des §
35 Abs.
1 S. 3 Hs. 1
SGB V unter Zugrundelegung der oben unter 4.1 dargestellten Grundsätze erfolgreich argumentieren, der Wirkstoff Risedronsäure sei
wirksamer als Alendronsäure.
Hinsichtlich des Wirkstoffes Risedronsäure ergibt sich eine therapeutische Verbesserung in dem genannten Sinne nicht aus der
Fachinformation. Sie ergibt sich auch nicht aus klinischen Studien nach methodischen Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin.
Die Klägerin selbst gibt keine derartigen Studien an, in denen das der Fall sein soll. Sie bezieht sich allein auf die DVO-Leitlinie
2006. Dort wird ausgeführt, dass die einzelnen Präparate Unterschiede bzgl. der Art der Wirkung und der Pharmakokinetik zeigten.
Sie seien auch unterschiedlich gut hinsichtlich ihrer Wirkung auf verschiedene Frakturarten und der langfristigen Fraktursenkung
bei kontinuierlicher oder diskontinuierlicher Einnahme belegt. Es heißt dann aber auf S. 235 der Kurzfassung, dass eine generelle
oder bei bestimmten Patientengruppen vorhandene Überlegenheit eines bestimmten Medikaments im Hinblick auf eine Fraktursenkung
nicht nachgewiesen sei, insbesondere deshalb nicht, weil eine Vergleichbarkeit der Studienkollektive in Bezug auf die unterschiedlich
gut belegten Studienendpunkte nicht gewährleistet sei und unmittelbare Vergleichsstudien auf Frakturbasis nicht vorlägen (so
insgesamt weitgehend wörtlich bereits das SG).
4.2.4 Soweit sich die Klägerin darauf bezieht, dass die Additiva einen zusätzlichen therapeutischen Nutzen hätten, ist ebenfalls
nicht vom Nachweis einer therapeutischen Verbesserung im oben genannten Sinne auszugehen. Zwar wird allgemein eine ausreichende
Versorgung mit Kalzium und Vitamin D empfohlen. Soweit diese nicht mit der Nahrungsaufnahme sichergestellt werden kann, soll
eine supplementäre medikamentöse Gabe erfolgen. Allein daraus ergibt sich jedoch keine therapeutische Verbesserung. Der DVO-Leitlinie
2006 kann in der Kurzfassung auf S. 210, 211 entnommen werden, dass alle Resultate der spezifischen medikamentösen Therapie
mit Osteoporosemedikamenten für die Situation mit einer ausreichenden Versorgung mit Kalzium und Vitamin D³ gelten. Es wird
dann explizit ausgeführt, dass es keine Untersuchung darüber gebe, ob die fraktursenkende Wirkung dieser Präparate bei einer
nicht optimalen Kalzium- und Vitamin-D-Versorgung anders wäre. Mithin gibt es also keinen Nachweis darüber, dass eine supplementäre
Kalzium- und Vitamin-D-Gabe zu zusätzlichem therapeutischen Nutzen führt (so ebenfalls bereits weitgehend wörtlich das SG).
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach der Anlage I der Arzneimittel-Richtlinie (OTC-Übersicht) nach Nr.
11 und Nr. 12 Kalziumverbindungen bei Bisphosphonate-Behandlung gemäß Angabe in der jeweiligen Fachinformation nur bei zwingender
Notwendigkeit zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden können. Die Formulierung "zwingende Notwendigkeit"
verdeutlicht, wie das SG zutreffend dargestellt hat, dass die Verordnung gerade nicht der Regelfall ist.
5. Die Vergleichsgrößenbildung des Beigeladenen nach § 35 Abs. 1 S. 3 SGV führt nicht zum Klageerfolg.
5.1 Für die hier indirekt angegriffenen Festbetragsgruppenbildung kann unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des BSG nicht von einem relevanten Beurteilungsfehler ausgegangen werden, soweit der Beigeladene die Standardmethode der verordnungsgewichteten
durchschnittlichen Einzelwirkstärke gewählt hat.
Dem Beigeladenen kommt auch bei der Entscheidung über die Methodik der Vergleichsgrößenbestimmung ein gerichtlich nur eingeschränkt
überprüfbarer Gestaltungsspielraum zu. Die Norm gibt nicht vor, ob der Tagesdosis, der Einzeldosis oder aber einer gänzlich
anderen geeigneten Vergleichsgröße der Vorrang gebührt (BSG, Urt. v. 01. März 2011 - Az.: B 1 KR 10/10 R, Rdnr. 83).
Die Gerichte haben lediglich zu kontrollieren, ob der Beigeladene hierbei auf der Grundlage eines vollständig ermittelten
Sachverhalts den Zweck der Vergleichsgrößenbildung nachvollziehbar beachtet hat, die Arzneimittel mit verschiedenen Wirkstoffen
innerhalb einer Gruppe vergleichbar zu machen.
Ganz allgemein hat der BSG im zeitlich jüngsten Urteil die Methode zur Bestimmung der Vergleichsgröße (= VG) durch den Beigeladenen nach dem Modell
der verordnungsgewichteten durchschnittlichen Einzelwirkstärke dahingehend zusammengefasst, dass die sich am Verordnungsverhalten
der Ärzte orientierende aus den jeweiligen Einzelwerten der Wirkstoffe errechnete Vergleichsgröße abbilde, was bezogen auf
den Wirkstoff über alle seine Anwendungsgebiete und erfassten Versicherten hinweg als errechnete Durchschnittsdosis je Verordnung
erforderlich sei, um das erfasste Patientenkollektiv therapeutisch wirksam zu behandeln. Hierbei werden die jeweiligen Packungsgröße-Wirkstärke-Kombinationen
einer Grundeinheit (Standardpackung) gegenübergestellt, der ein Festbetrag zugewiesen sei. Da die Verordnung keine Indikation
enthalte, könne es immer nur eine Vergleichsgröße je Wirkstoff geben. Die unterschiedlichen Packungsgrößen mit unterschiedlichen
Wirkstärken würden auf diesem Weg grundsätzlich sachgerecht miteinander vergleichbar. Seien hingegen die Anwendungsgebiete
der in der Festbetragsgruppe erfassten Arzneimittel nicht deckungsgleich, könne die Methode der verordnungsgewichteten durchschnittlichen
Wirkstärke dennoch sachgerecht sein, wenn etwa die nicht deckungsgleichen Anwendungsgebiete keine wesentlichen Verzerrungen
hervorriefen oder solche zum Beispiel durch einen Ausgleichsfaktor vermieden würden (BSG, Urteil vom 17. September 2013, Rdnr. 56f).
Die Bestimmung der VG durch den Beigeladenen nach dem Modell der verordnungsgewichteten durchschnittlichen Einzelwirkstärke
erfolgt wie folgt:
Zur Ermittlung der VG werden wirkstoffbezogen und ohne weitere Differenzierungen die im Markt vorhandenen, arzneimittelrechtlich
zugelassenen Wirkstärken und die zum Zeitpunkt des Gruppenbeschlusses zuletzt verfügbaren Jahresdaten nach §
84 Abs.
5 SGB V herangezogen. Jeder wirkstärkenbezogene ermittelte prozentuale Verordnungsanteil wird zunächst abgerundet und zu diesem Ergebnis
der Wert 1 addiert (modifizierte Gaußsche Klammerfunktion). Der entstehende Gewichtungswert ist also immer die nächst größere
Zahl. Auf diese Weise wird ermöglicht, auch Wirkstärken zu berücksichtigen, für die stichtagsbezogen noch keine Verordnungszahlen
vorliegen. Diese fließen mit dem Gewichtungswert 1 in die Berechnung der VG ein. Jede Einzelwirkstärke wird dann mit ihrem
Gewichtungswert multipliziert und als gewichtete Einzelwirkstärke je Wirkstoff ausgewiesen. Im Anschluss werden für jeden
Wirkstoff die gewichteten Einzelwirkstärken addiert und durch die Summer der Gewichtungswerte des Wirkstoffs dividiert. Die
so ermittelte durchschnittliche Einzelwirkstarke ergibt die VG des Wirkstoffs, soweit nicht noch -wie hier- so genannte Applikationsfaktoren
berücksichtigt werden.
Die VG der unterschiedlichen Wirkstoffe stehen also grundsätzlich nebeneinander, ohne dass sie in irgendeiner Form ins Verhältnis
gesetzt werden. Einzige Ausnahme hiervon ist die Berücksichtigung der Applikationsfaktoren.
Beim anschließenden Verfahren der konkreten Festbetragsfestsetzung ermittelt der Beklagte zunächst stichtagsbezogen anhand
der Datenlieferung der pharmazeutischen Unternehmen nach §
131 Abs.
4 SGB V sämtliche im Markt angebotenen Fertigarzneimittel, die die Bedingungen der Festbetragsgruppe erfüllen. Je Fertigarzneimittel
werden der Preis, die Packungsgröße und die reale Wirkstärke bzw. das Ergebnis der Division aus realer Wirkstärke des Fertigarzneimittels
und Vergleichsgröße des Wirkstoffs erfasst. Nach Transformation der Marktpreise in relative Preise wird eine multiple Regressionsanalyse
durchgeführt, um das Preisgefüge in Abhängigkeit von Wirkstärke und Packungsgröße abzubilden. Das Endergebnis der Regressionsanalyse
ist für jede einzelne Wirkstärken-Packungsgrößen-Kombination ein Schätzmodell-Standardpreis. Die Festbeträge für die verschiedenen
Wirkstärken-Packungsgrößen-Kombinationen ergeben sich aus der Multiplikation des für die Standardpackung festgesetzten Festbetrages
mit den jeweiligen Schätzmodell-Standardpreisen.
Die konkrete Festbetragsfestsetzung durch den Beklagten (bzw. vormals die Beigeladenen zu 3 bis 8) steht hier außer Streit.
Ausgangspunkt und Basis der VG-Berechnung sind die Annahmen des Beigeladenen, dass zum einen Zulassungsbehörden nur therapeutisch
sinnvolle Wirkstärken zuließen und zum anderen, dass die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Vertragsärzte
die Wirkstärken auch sachgerecht verordneten. Auf diese Prämissen hat der Beigeladene auch im hiesigen Verfahren abgestellt.
Beklagter und Beigeladener waren und sind grundsätzlich der Auffassung, die VG müsse auf Unterschiede zwischen den verschiedenen
Wirkstoffen, den unterschiedlichen Applikationsformen oder anderen weiteren Unterschiede der Arzneimittel (wie bei den weiteren
Inhaltsstoffen, Retardformulierungen) keinerlei Rücksicht nehmen, da sämtliche therapierelevanten Faktoren bereits bei der
Gruppenbildung berücksichtigt würden. Sie können sich hierzu auf das Urteil des BSG vom 01. März 2011 (vgl. B 1 KR 10/10 R Rdnr. 84f) stützen, in dem die Methode des Beigeladenen ausdrücklich gebilligt wurde. Dass nicht alle Wirkstoffe zum Festbetrag
angeboten würden, schränke die hinreichende Arzneimittelauswahl nicht ein, da die Versicherten - mit Ausnahme atypischer Einzelfälle
- auf die Wirkstoff verwiesen werden könnten (BSG, aaO. Rdnr. 89).
Mittlerweile geht aber auch das BSG davon aus, dass die Methode der verordnungsgewichteten durchschnittlichen Wirkstärke an ihre Grenzen stößt, soweit die Anwendungsgebiete
der in der Festbetragsgruppe erfassten Arzneimittel nicht deckungsgleich sind. In einem solchen Falle könne die Methode der
verordnungsgewichteten durchschnittlichen Wirkstärke nur soweit sachgerecht sein, soweit die nicht deckungsgleichen Anwendungsgebiete
keine wesentlichen Verzerrungen hervorriefen oder solche zum Beispiel durch einen Ausgleichsfaktor vermieden werden, der den
Unterschieden Rechnung trage (BSG, aaO. Rdnr. 60).
Weiter heißt es in dem Urteil wörtlich:
"Indem jedem Wirkstoff ein bestimmter Zahlenwert als Vergleichsgröße mit der oben erläuterten inhaltlichen Aussage zugewiesen
wird, kann die Bildung von Vergleichsgrößen nur dann zu einer richtigen Aussage führen, wenn die Gesamtanwendungsgebiete der
Wirkstoffe in ihrer jeweiligen tatsächlichen Breite im Wesentlichen vergleichbar sind. Denn nur dann werden annähernd gleiche
Sachverhalte verglichen. Unterscheiden sich dagegen die tatsächlichen Anwendungsgebiete je Wirkstoff und ist zudem nicht gemeinsamen
Anwendungsgebieten mit erheblichem Behandlungsanteil ein wesentlich anderes Dosisspektrum zugewiesen, kommt es unvermeidlich
zu erheblichen Verzerrungen, wenn beide Vergleichsgrößen in Beziehung gesetzt werden, um daraus eine mathematisch formulierte
inhaltliche Aussage in Bezug auf eine Festbetragsstandardpackung abzuleiten. Es werden dann wesentlich ungleiche Sachverhalte
als gleich behandelt. Wird aus dem Gesamtpatientenkollektiv ein Teilpatientenkollektiv mit einem durchschnittlich wesentlich
höheren Wirkstärkenbedarf herausgelöst, dieses aber so eingeschätzt, als würde sein durchschnittlicher Wirkstärkenbedarf dem
des Gesamtkollektivs entsprechen, erfolgt eine durch Sachgründe nicht gerechtfertigte Gleichbehandlung ungleicher Kostenstrukturen.
Der Beigeladene muss in Fällen, in denen sich Zweifel der aufgezeigten Art aufdrängen, wenn er dennoch der Methode der verordnungsgewichteten
durchschnittlichen Wirkstärke folgen will, das hierbei rechnerisch gefundene Ergebnis im Wege einer intellektuellen Prüfung
- worauf die Klägerin zu Recht hinweist - daraufhin überprüfen, ob die Gleichbehandlung gleichwohl auf einem einleuchtenden
Grund beruht und gegebenenfalls nach Wegen suchen, um eine sachwidrige Gleichbehandlung zu vermeiden."
Soweit der Beigeladene eine derart skizzierte Überprüfung erst in den Fällen durchführen müssen soll, in denen sich dies "aufdrängt",
steht dies im Einklang mit einer Willkürkontrolle, verletzt dies jedoch möglicherweise das Recht aus Art.
3 in Verbindung mit Art.
12 GG im oben dargestellten Sinne.
Der Senat hat die Methode der verordnungsgewichteten durchschnittlichen Einzelwirkstärke seit langem als kritisch angesehen,
insbesondere wenn die Anwendungsgebiete der Wirkstoffe bei einer Festbetragsgruppe der Nr. 2 unterschiedlich sind (vgl. Beschlüsse
v. 20. Dezember 2006 - L 1 B 236/06 KR ER - juris-Rdnr. 67ff und v. 17. Dezember 2007 - L 1 B 435/07 KR ER - juris-Rdnr. 86ff, insbesondere 96ff, Urt. v. 22. Juni 2012 - L 1 KR 296/09 KL - juris-Rdnr. 212ff).
5.2 Allerdings greift die dort formulierte grundsätzliche Kritik jedenfalls im vorliegenden Fall nicht durch. Es sind hier
keine relevanten Verzerrungen ersichtlich, welche die Klägerin in ihrem Recht aus Art.
3 Abs.
1 i. V. m. Art.
12 I
GG verletzen könnte:
5.2.1 Wie bereits das SG ausgeführt hat, ist es unschädlich, dass der Wirkstoff Ibandronsäure zu Beginn des Jahres 2005 in Deutschland noch nicht
auf dem Markt gewesen ist und deshalb bei Einleitung des Festbetragsverfahren keine Verordnungsdaten vorliegen konnten.
Hier zeigt sich gerade der Sinn der vom Beigeladenen verwendeten Gaußschen-Klammerfunktion-Formel, die einen Gewichtungswert
von 1 vorgeben. Dafür, dass dieser gesetzte Wert hier verzerrend gewesen wäre, ist nichts ersichtlich.
Der Senat hat zwar bereits im Beschluss vom 17. Dezember 2007 (L 1 B 435/07 KR ER, Juris-Rdnr. 98) bemängelt, dass die Entscheidungsgrundlagen für die Verfahrensordnung des Beigeladenen die Motive,
die diesen zur konkreten Ausprägung der verwendeten Gaußschen-Klammerfunktions-Formel bewogen haben, nicht offen gelegt hat.
Dies hat sich aber nur auf die konkrete Aufrundung auf 1 bezogen, nicht auf die Verwendung der Formel zu dem Zweck, auch für
neue Wirkstoffe bereits einen Wert einsetzen zu können.
5.2.2 Zur weiteren Ausdifferenzierung der gewählten Methode hat der Beigeladene einen so genannten Applikationsfaktor einbezogen,
um zwischen Wirkstoffen mit vergleichbarer und unterschiedlicher Applikationsfrequenz, Wirkstoffen mit unterschiedlichen Applikationsfrequenzen
und Behandlungszeiten, Wirkstoffen mit unterschiedlichen Applikationsfrequenzen und Intervallen, unterschiedlichen Behandlungszeiten
und unterschiedlicher Anzahl therapiefreier Tage sowie Wirkstoffkombination mit vergleichbarer Applikationsfrequenz unterscheiden
zu können (vergleiche Teil C § 2 bis § 4 der Entscheidungsgrundlagen vom 15. November 2005 und 19. Juli 2007).
Wie bereits das SG ausgeführt hat, hält das BSG dies für unproblematisch (Urt. v. 1. März 2011 -B 1 KR 13/10 R- Rdnr. 84).
Der hiesige Senat hat zwar zu den Applikationsfaktoren kritisch angemerkt, dass damit die Ausgangsprämisse der entscheidenden
Relevanz des Verordnungsverhalten relativiert werde (Urteil des Senats vom 22. Juni 2012, juris-Rdnr. 228 mit weiterem Nachweis).
Gerade im vorliegenden Fall unterschiedlicher Anwendungsgebiete der Wirkstoffe zeigt sich jedoch ungeachtet dieser Relativierung
der Vorteil der Berücksichtigung der Applikationsfaktoren, indem indirekt die unterschiedlichen Anwendungsgebiete berücksichtigt
werden.
Der Beigeladene hat in diesem Zusammenhangt nachvollziehbar dargelegt, dass es für die Indikation Morbus Paget keine sinnvolle
Therapieintervalle gäbe, da über einen bestimmten Zeitraum, ca. zwei Monate, eine regelmäßige Einnahme erfolge und anschließend
über eine längere Zeit eine Therapiepause stattfinde. Aufgrund dieser "Unregelmäßigkeit" kann demnach ein aussagekräftiges
Verhältnis von Therapietagen und therapiefreien Tagen nicht bestimmt werden.
Der Senat teilt die Auffassung des SG, dass die dadurch bedingte "gewisse Unstimmigkeit im Detail" im Ergebnis nicht zu einer Sachwidrigkeit der gewählten Berechnungsmethode
führt, sondern weiterhin nachvollziehbar ist und den Zweck der Vergleichsgrößenberechnung beachtet.
5.2.3 Verzerrungsfaktoren durch die unterschiedlichen Indikationsgebiete sind hier jedenfalls nicht von solchem Gewicht festzustellen,
dass die Vergleichsgrößenbestimmung den Freiraum des Beigeladenen sprengen könnte:
Dies gilt hinsichtlich der Zusatzindikation Morbus Paget zunächst hinsichtlich des Wirkstoffes Risedronsäure. Dieser ist nur
in der Wirkstärke 30 mg (entsprechend 27,84 mg des reinen Wirkstoffes) für diese Krankheit zugelassen.
Die maßgeblichen Verordnungszahlen des Jahres 2010 weisen die darauf entfallenden Verordnungsanteile von 27,84 mg x 14 (Tabletten
pro Packung) = 389,76 mit einem Verordnungsanteil von 0,1 Prozent aus sowie von 27,84 mg x 28 = 779,52 von 0,2 Prozent aus
(vgl. Tabelle GA Blatt 816).
Für Etidronsäure-Verordnungen entfallen 82,6 Prozent der Verordnungen auf die Gesamtwirkstärke von 4615,24 (nämlich die ausschließlich
für Osteoporose zugelassene Wirkstärke von 400 mg; entsprechend 329,66 mg reiner Wirkstoff x Packungsgröße 14). 17,4 Prozent
der Verordnungen werde mit der Wirkstärke 200 mg (164,83 mg reiner Wirkstoff) für die Indikation Osteoporose, Morbus Paget
oder Verhinderung heterotoper Ossifikationen verordnet.
Da allerdings die Diagnosedaten des Statistischen Bundesamtes für das Jahr 2011 bei 18,8 Millionen vollstationären Patienten
der Krankenhäuser lediglich 146 Fälle der Paget-Krankheit gegenüber 32.386 Fällen von Osteoporose ausweisen sowie unter 1,6
Millionen vollstationären Patienten der Vorsorge- bzw. Rehabilitationseinrichtungen 2012 nur 23 Fälle des Morbus Paget gegenüber
2714 Osteoporose-Patienten verzeichnet sind, ist von niedrigen Verordnungsanteilen auch bei der Etidronsäure auszugehen.
Der Umstand, dass nach der Arzneimittelrichtlinie die Kosten für Kalzium-Präparate von der gesetzlichen Krankenversicherung
übernommen werden, auch wenn diese nicht verschreibungspflichtig sind, führt nicht zwingend zur Annahme eines im Rahmen der
Vergleichsgrößenbildung zu berücksichtigenden Zusatznutzen der Kombipräparate. Die Verordnung von Kalzium im Rahmen der Osteoporose-Behandlung
bleibt unbenommen. Der Umstand, dass eine wirksame Osteoporose-Behandlung einschließlich der Einnahme von Kalzium als Arzneimittel
zum Festbetrag ohne Aufpreiszahlung möglich ist, da das reine Kalziumpräparat daneben erstattet wird, spricht gegen eine Wettbewerbsverzerrung
zu Lasten der Klägerin.
Nur ergänzend sei angemerkt, dass die Klägerin ausweislich der unwidersprochen gebliebenen Urteilsbegründung durch das SG selbst eingeräumt hat, dass auch vor Einführung des Festbetrags der Abgabepreis für ein Kombiarzneimittel der Klägerin derselbe
gewesen sei wie für ein Monopräparat.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus §
197a SGG i. V. m. §§
154 Abs.
2,
162 Abs.
3 Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO). Es entspricht der Billigkeit, (nur) die Kosten des Beigeladenen zu 1) als erstattungsfähig anzusehen. Dieser hat sich durch
Antragstellung einem Kostenrisiko nach §
154 Abs.
3 VwGO ausgesetzt.
IV. Die Revision war nach §
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG (grundsätzliche Bedeutung) zuzulassen.