Gründe
Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie sinngemäß die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer beim Sozialgericht
(SG) Dortmund unter dem Aktenzeichen S 24 R 2078/17 erhobenen Klage gegen die Bescheide vom 27.6.2017 und 11.7.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.10.2017
begehrt, ist im tenorierten Umfang begründet.
Gemäß §
86b Abs.
1 S. 1 Nr.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben,
diese auf Antrag ganz oder teilweise anordnen bzw. gem. §
86b Abs.
1 S. 2
SGG eine schon vorgenommene Vollziehung aufheben. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die - wie hier erfolgte - Entscheidung
über Beitragspflichten und die Anforderung von Beiträgen sowie der darauf entfallenden Nebenkosten haben gem. §
86a Abs.
2 Nr.
1 SGG keine aufschiebende Wirkung. Dies gilt auch für Säumniszuschläge (st. Rspr. des Senats, vgl. z.B. Beschl. v. 21.10.2020 -
L 8 BA 143/19 B ER - juris Rn. 2 m.w.N.).
Die Entscheidung, ob eine aufschiebende Wirkung ausnahmsweise gemäß §
86b Abs.
1 S. 1 Nr.
2 SGG durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Suspensivinteresses des Antragstellers
einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsakts andererseits (st. Rspr. des Senats, vgl.
z.B. Senatsbeschl. v. 21.10.2020 - L 8 BA 143/19 B ER - juris Rn. 3). Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an §
86a Abs.
3 S. 2
SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen (hierzu unter
1.) oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene
Härte zur Folge hätte (hierzu unter 2.).
1. Da §
86a Abs.
2 Nr.
1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit
des Bescheides ein überwiegendes Suspensivinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs wahrscheinlich erscheinen
lassen. Hierfür reicht es nicht schon aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen
zu treffen sind. Maßgebend ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen
die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (st. Rspr. des Senats, vgl. z.B. Beschl. v. 21.10.2020 - L 8 BA 143/19 B ER - juris Rn. 4 m.w.N.).
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist die aufschiebende Wirkung der Klage wie tenoriert anzuordnen, da deren Erfolg nach
dem aktenkundigen Sachstand in diesem Umfang wahrscheinlich ist. Es spricht nach der im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz
gebotenen summarischen Prüfung derzeit (nur) zum Teil mehr dafür als dagegen, dass sich die streitigen, von der Antragsgegnerin
erlassenen Prüfbescheide, mit denen sie von der Antragstellerin Beiträge einschließlich Säumniszuschlägen für den Zeitraum
vom 1.1.2010 bis 31.12.2013 in Höhe von 903.824,08 Euro nachfordert, im Hauptsacheverfahren als rechtswidrig erweisen werden.
Rechtsgrundlage der aufgrund einer Betriebsprüfung ergangenen Bescheide und der darin festgesetzten Beitragsnachforderung
ist § 28p Abs. 1 S. 1 und S. 5 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IV). Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten
nach dem
SGB IV, die im Zusammenhang mit den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die
Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen (§
28a SGB IV). Im Rahmen der Prüfung werden gegenüber den Arbeitgebern Verwaltungsakte (sog. Prüfbescheide) zur Versicherungspflicht und
Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der
Widerspruchsbescheide erlassen.
Die Feststellung der Versicherungspflicht und Beitragshöhe im Prüfbescheid hat grundsätzlich personenbezogen zu erfolgen.
Als Ausnahme von diesem Grundsatz kann der prüfende Träger der Rentenversicherung nach §
28f Abs.
2 S. 1
SGB IV den Beitrag in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung und zur Arbeitsförderung von der Summe der vom Arbeitgeber gezahlten
Arbeitsentgelte geltend machen (sog. Summenbescheid), wenn ein Arbeitgeber die Aufzeichnungspflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt
hat und dadurch die Versicherungs- oder Beitragspflicht oder die Beitragshöhe nicht festgestellt werden können. Dieser Verzicht
auf die grundsätzlich erforderliche Personenbezogenheit der Feststellungen ist charakteristisch für den Summenbescheid. Kann
jedoch ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand festgestellt werden, dass Beiträge nicht zu zahlen waren oder Arbeitsentgelte
einem bestimmten Beschäftigten zugeordnet werden können, ist der Erlass eines Summenbescheides rechtswidrig (§
28f Abs.
2 S. 2
SGB IV). Ist die Feststellung hingegen nicht oder nur mit unverhältnismäßig großem Verwaltungsaufwand möglich, hat der prüfende
Rentenversicherungsträger die Höhe der Arbeitsentgelte zu schätzen (§
28f Abs.
2 S. 3
SGB IV).
Die Voraussetzungen eines Summenbescheides können im gerichtlichen Verfahren zur Wahrung der sozialen Belange der Beschäftigten
voll überprüft werden, auch wenn der Arbeitgeber dessen Erlass nicht rügt (vgl. BSG Urt. v. 7.2.2002 - B 12 KR 12/01 R - juris Rn. 28; Senatsbeschl. v. 21.10.2020 - L 8 BA 143/19 B ER - juris Rn. 8 m.w.N.). Für eine Beanstandung durch das Gericht ist jedoch erforderlich, dass der Erlass eines Summenbescheides
für die Antragsgegnerin bei einer Gesamtwürdigung im Zeitpunkt des Abschlusses des Verfahrens als unverhältnismäßig erscheinen
musste und deshalb eine personenbezogene Feststellung der Beiträge geboten war (vgl. z.B. BSG Beschl. v. 4.4.2018 - B 12 R 38/17 B - juris Rn. 38; BSG Urt. v. 7.2.2002 - B 12 KR 12/01 R - juris Rn. 28).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe sind Zweifel an der Rechtmäßigkeit des streitigen Verwaltungsaktes nach der im Verfahren
des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung im tenorierten Umfang, nicht jedoch darüber hinaus, gegeben.
a. Soweit die Antragstellerin zunächst - formell - geltend macht, die Antragsgegnerin habe vor Erlass des Prüfbescheides kein
rechtliches Gehör gem. § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gewährt, vermag ihr dies im Verfahren auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nicht zum Erfolg zu verhelfen.
Allein der Vortrag, ihrem Geschäftsführer sei das (aktenkundige) Anhörungsschreiben der Antragsgegnerin vom 12.5.2017 nicht
bekannt, genügt den Anforderungen an eine qualifizierte Darlegung im Eilrechtsschutz nicht. Es hätte der Antragstellerin vielmehr
oblegen, ihre entsprechende Behauptung gem. §
86b Abs.
2 S. 3
SGG i.V.m. §§
920 Abs.
2,
294 Zivilprozessordnung (
ZPO) glaubhaft zu machen und hierzu z.B. eine eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers vorzulegen. Da das Anhörungsschreiben
an den von der Antragstellerin im Strafverfahren mandatierten Rechtsanwalt gerichtet war und zunächst davon auszugehen ist,
dass ein derartiges Schriftstück im Rahmen der anwaltlichen Sorgfaltspflicht weitergeleitet wird, wäre zudem auch von letzterem
eine gegenteilige Erklärung beizufügen gewesen.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin folgt im Übrigen selbst bei fehlender Anhörung nicht ohne Weiteres die Nichtigkeit
des Verwaltungsaktes gemäß § 40 Abs. 1 SGB X. Dies lässt sich bereits der "Heilungs-"Vorschrift des § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X entnehmen (vgl. z.B. Steinwedel, in: Kasseler Kommentar, SGB X, § 41 Rn. 7; weitergehend Siewert, in: Diering/Timme/Stähler, SGB X, § 41 Rn. 3: Anhörungsmangel begründet grundsätzlich keine Nichtigkeit). Gründe, die im hier streitigen Einzelfall gleichwohl die
Annahme eines besonders schwerwiegenden, offensichtlichen Mangels im Sinne von § 40 Abs. 1 SGB X aufgrund der fehlenden Anhörung begründen könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Unabhängig davon begründet ein Anhörungsmangel keine Rechtswidrigkeit, die zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung führt,
da die Anhörung gemäß § 41 Abs. 2 SGB X noch bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden kann. Auch
hierauf hat das SG bereits zutreffend hingewiesen.
b. In materieller Hinsicht bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtsmäßigkeit des streitigen Beitragsbescheides insoweit,
als die Antragsgegnerin Beiträge einschließlich Säumniszuschlägen in Form eines Summenbescheides nachgefordert hat (hierzu
unter aa), nicht jedoch soweit Beiträge einschließlich Säumniszuschlägen personenbezogen erhoben worden sind (hierzu unter
bb).
aa. Nach dem derzeitigen Aktenstand spricht mehr dafür als dagegen, dass sich der Bescheid vom 27.6.2017 in der Gestalt des
Bescheides vom 11.7.2017 und des Widerspruchsbescheides vom 25.10.2017 als rechtswidrig erweisen wird, soweit die Antragsgegnerin
von der Antragstellerin für den Zeitraum vom 1.1.2010 bis 31.12.2013 Sozialversicherungsbeiträge in Form einer Summenbeitragsforderung
in Höhe von 609.199,19 Euro einschließlich Säumniszuschlägen nachfordert.
(1) Zunächst spricht nach Aktenlage viel dafür, dass Beiträge in weitergehendem Maß als von der Antragsgegnerin vorgenommen
personenbezogen hätten festgesetzt werden müssen und dass der Erlass eines Summenbescheides gem. §
28f Abs.
2 S. 2
SGB IV insoweit nicht zulässig gewesen ist.
Dies betrifft insbesondere die - aktenkundig bekannten - Mehrstunden, die die von der Antragstellerin zur Sozialversicherung
angemeldeten Arbeitnehmer über die erfolgten Lohnabrechnungen hinaus geleistet haben. In welchem Umfang den einzelnen namentlich
bekannten Mitarbeitern zusätzliche Arbeitsstunden zuzuordnen sind, ergibt sich aus einer Gegenüberstellung der tatsächlich
geleisteten Arbeitszeit, wie sie aus den durch das Hauptzollamt (HZA) beigezogenen Zugangslisten von Baustellen mit Anwesenheitstagen
und -stunden ermittelt werden kann, mit der Arbeitszeit, die die Antragstellerin ihren Lohnabrechnungen zugrunde gelegt hat.
Gleiches gilt, soweit einzelne Personen ausweislich der Zugangslisten auf Baustellen für die Antragstellerin gearbeitet haben,
ohne zu diesem Zeitpunkt von ihr gemeldet gewesen zu sein. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ist ohne Belang, ob dabei
alle Mitarbeiter, dies zudem vollumfänglich, erfasst werden können. Vielmehr ist die Festsetzung einer von der Grundregel
der personenbezogenen Zuordnung abweichenden Summenbeitragsforderung erst dann zulässig, wenn zuvor alle Möglichkeiten zur
personenbezogenen Zuordnung ausgeschöpft worden sind.
Dass die genannten personenbezogenen Festsetzungen einen unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand im Sinne des §
28f Abs.
2 S. 2
SGB IV bedingen würden, ist weder ersichtlich noch von der Antragsgegnerin dargelegt worden.
Die Prüfung, ob ein unverhältnismäßig großer Verwaltungsaufwand vorliegt, ist aufgrund einer Interessenabwägung zwischen dem
erforderlichen Verwaltungsaufwand zur Feststellung der konkreten versicherungs- und beitragsrechtlichen Verhältnisse für jeden
Arbeitnehmer mit den wahrscheinlichen Auswirkungen auf seine Sozialversicherungen, insbesondere in der gesetzlichen Rentenversicherung,
vorzunehmen. Je stärker die versicherungsrechtlichen Interessen des Betroffenen im Hinblick auf den in Rede stehenden Beitragsanspruch
berührt sind, desto intensivere Bemühungen sind im Hinblick auf die Sachaufklärung des Rentenversicherungsträgers zu fordern
(vgl. Senatsbeschl. v. 12.4.2021 - L 8 BA 130/20 B ER; Werner, in: jurisPK-
SGB IV, §
28f Rn. 60). So spricht es gegen einen unverhältnismäßig großen Aufwand, wenn es wie in Fällen von Schwarzarbeit oder bei der
Nichtentrichtung von Beiträgen in größerem Umfang um die Versicherungs- und Beitragspflicht von Beschäftigten überhaupt oder
sonst um wesentliche versicherungsrechtliche Belange für jeden von ihnen geht. Anders liegt der Fall beispielsweise bei einer
Vielzahl von betroffenen Personen, wenn die personenbezogene Beitragsbemessung für den einzelnen Beschäftigten versicherungsrechtlich
nur geringe Bedeutung hätte (vgl. BSG Urt. v. 7.2.2002 - B 12 KR 12/01 R - juris Rn. 25; Senatsbeschl. v. 21.10.2020 - L 8 BA 143/19 B ER - juris Rn. 15).
Nach diesen Maßstäben ist nicht erkennbar, dass der zeitliche Aufwand weiterer personenbezogener Feststellungen unverhältnismäßig
groß wäre. Im Hinblick darauf, dass die grundsätzliche Versicherungs- und Beitragspflicht der Arbeitnehmer betroffen ist,
an die sich entsprechende leistungsrechtliche Ansprüche und Anwartschaften knüpfen, sind intensive Bemühungen der Antragsgegnerin
zu fordern. Eine nur geringe versicherungsrechtliche Bedeutung ist nicht ersichtlich und auch von der Antragsgegnerin nicht
dargelegt. Aufgrund der vom HZA gefertigten Vermerke und insbesondere der dort bereits erstellten Listen mit personen- sowie
monatsbezogenen Berechnungen (vgl. z.B. S. 3 des Schlussberichts des HZA vom 14.3.2016 sowie Bl. 20 ff. Verwaltungsakte) dürfte
sich eine weitere personenbezogene Zuordnung in einem sehr überschaubaren zeitlichen Rahmen halten. (Sonstige) Gründe, die
für die Unverhältnismäßigkeit des Aufwands sprechen, hat die Antragsgegnerin nicht vorgetragen und sind auch nicht erkennbar.
(2) Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die bisherige Summenbeitragsforderung über die o.g. Erforderlichkeit weiterer
personenbezogener Feststellungen hinaus auch in ihrer grundsätzlichen Berechnung nicht hinreichend nachvollziehbar ist.
Setzt der Rentenversicherungsträger eine Beitragsforderung gem. §
28f Abs.
2 S. 3 und 4
SGB IV im Wege der Schätzung fest, so ist diese gerichtlich voll überprüfbar. Die Schätzung soll der Wirklichkeit möglichst nahekommen.
Auch wenn die Antragsgegnerin bei der Wahl der Schätzmethoden frei ist, muss sie von sachlichen und nachvollziehbaren Erwägungen
ausgehen und eigene, sozialversicherungsrechtliche Maßstäbe anlegen (vgl. z.B. Senatsbeschl. v. 3.3.2021 - L 8 BA 36/20 B ER - juris Rn. 31 m.w.N.; Senatsurt. v. 30.10.2019 - L 8 R 838/16 - juris Rn. 94 m.w.N.).
Ausgehend hiervon ist es zwar grundsätzlich denkbar, die Lohnkosten bei lohnintensiven Gewerben mit der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs (vgl. BGH Beschl. v. 6.2.2013 - 1 StR 577/12 - juris Rn. 55; Beschl. v. 10.11.2009 - 1 StR 283/09 - juris Rn. 21) in Höhe von 2/3 des Umsatzes zu schätzen. Die Antragstellerin hat gegen diese Herangehensweise auch keine
Bedenken geäußert. Bei einer solchen Schätzgrundlage begegnet jedoch die weitere Vorgehensweise der Antragsgegnerin, Aufwendungen
für Fremdleistungen vom Gesamtumsatz statt vom 2/3-Lohnanteil abzuziehen, Bedenken. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Rechnungen
- hier der (vermeintlichen) Subunternehmer - allein Personalkosten beinhalten, da diese gerade einen Ausschnitt des Lohnanteils
abbilden. Die gewählte Reihenfolge der Rechenschritte ist von der Antragsgegnerin (bisher) auch nicht begründet worden. Ein
ggf. weiterer Vortrag hierzu bleibt ihr im Hauptsacheverfahren unbenommen. Gleiches gilt für die Frage, ob bzw. inwieweit
Lohnzahlungen an den Geschäftsführer der Antragstellerin bei den bisherigen Berechnungen berücksichtigt worden sind.
Da derzeit nicht erkennbar ist, ob und ggf. inwieweit die Summenbeitragsforderung aufrechterhalten werden kann, war die aufschiebende
Wirkung diesbezüglich vollumfänglich anzuordnen.
bb. Soweit die Beitragsnacherhebung personenbezogen erfolgt ist, bestehen an der materiellen Rechtsmäßigkeit der Nachforderung
(294.624,89 Euro einschließlich Säumniszuschlägen) nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vorzunehmenden summarischen
Prüfung keine ernstlichen Zweifel. Es sprechen mehr Gesichtspunkte dafür als dagegen, dass die für die Antragstellerin tätigen
und im Hauptsacheverfahren beizuladenden Herren C (im Folgenden C), J (im Folgenden J) und K (im Folgenden K) (vgl. zur fehlenden
Beiladungspflicht im einstweiligen Rechtsschutzverfahren Senatsbeschl. v. 3.7.2015 - L 8 R 672/14 B ER - juris Rn. 29 f.) gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren und der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-
und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlegen haben sowie
Beiträge in der festgesetzten Höhe und Säumniszuschläge zu entrichten sind. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die
zutreffenden Ausführungen des SG im angegriffenen Beschluss Bezug genommen.
Das Beschwerdevorbringen der Antragstellerin rechtfertigt kein abweichendes Ergebnis.
Der Umstand, dass C, J und K jeweils ein Gewerbe angemeldet haben, spricht nicht für eine selbstständige Tätigkeit, da dieses
formale Kriterium für die Beurteilung der tatsächlichen Ausgestaltung der zu beurteilenden Tätigkeit ohne Aussagekraft ist.
Der sozialversicherungsrechtliche Status eines Betriebsinhabers wird seitens der Gewerbeaufsicht nicht geprüft (vgl. z.B.
Senatsbeschl. v. 3.5.2021 - L 8 BA 68/20 B ER - juris Rn. 25 m.w.N.; Beschl. v. 12.11.2020 - L 8 BA 117/20 B ER - juris Rn. 25 m.w.N.). Sozialversicherungsrechtliche Statusfeststellungen können vielmehr ausschließlich in den Verfahren
nach §§ 7a, 28h Abs.
2,
28p Abs.
1 S. 5
SGB IV erfolgen (vgl. z.B. Senatsurt. v. 22.6.2020 - L 8 BA 78/18 - juris Rn. 65). Dies gilt erst recht für die Freistellungsbescheinigung des Finanzamtes gemäß § 48 des Einkommenssteuergesetzes
im Hinblick auf die Bauabzugssteuer, die nicht die Prüfung der Selbstständigkeit umfasst (vgl. Senatsbeschl. v. 1.2.2021 -
L 8 BA 5/20 B ER).
Soweit C, J und K der Antragstellerin für ihre Tätigkeit Rechnungen gestellt haben, ist dies lediglich eine Folge der fehlerhaften
Einstufung der Tätigkeit als selbstständig, belegt aber gleichfalls das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit nicht (vgl.
z.B. Senatsurt. v. 30.10.2019 - L 8 R 838/16 - juris Rn. 79). Darüber hinaus kann der Inhalt von Rechnungen zudem dann nicht als Indiz für die sozialrechtliche Statusbeurteilung
herangezogen werden, wenn wie hier erheblicher Grund zur Annahme besteht, dass diese Rechnungen ein tatsächlich bestehendes
Arbeitsverhältnis gerade verschleiern sollten (vgl. z.B. Senatsurt. v. 23.11.2020 - L 8 BA 155/19 - juris Rn. 94).
Ebenso wenig folgt aus den von der Antragstellerin mit C, J und K abgeschlossenen Rahmenverträgen ein hinreichender Anhaltspunkt
für eine selbstständige Tätigkeit. Derartige Verträge sind allenfalls Ausdruck des Parteiwillens, eine selbstständige Tätigkeit
zu begründen. Dem Parteiwillen kommt generell aber nur dann eine potenzielle Bedeutung zu, wenn dieser Wille den festgestellten
sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspricht und er durch weitere Aspekte gestützt wird bzw. die
übrigen Umstände gleichermaßen für Selbstständigkeit wie für eine Beschäftigung sprechen. Nur unter diesen Voraussetzungen
ist der in einem Vertrag dokumentierte Parteiwille überhaupt als ein auf Selbstständigkeit deutendes Indiz in die Gesamtabwägung
einzustellen; eine Vorfestlegung in diese Richtung erfolgt hingegen nicht (vgl. BSG Urt. v. 07.06.2019 - B 12 R 6/18 R - juris Rn. 34).
Die tatsächlichen Verhältnisse sprechen jedoch - wie das SG zutreffend ausgeführt hat - gerade gegen die Annahme von Selbstständigkeit und für das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses.
C, J und K haben in gemeinsamen Kolonnen mit den übrigen Mitarbeitern der Antragstellerin die gleichen Arbeiten wie diese
verrichtet. Teilweise sind sie mit ihnen zu den Baustellen in Fahrgemeinschaften angereist. Eigenes Personal haben sie nicht
eingesetzt. Ihre geleisteten Stunden sind ebenso wie bei den anderen Mitarbeitern notiert worden, obwohl die Abrechnung ausweislich
der übersandten Rechnungen nicht nach Stunden erfolgt sein soll. Auf den Baustellen sind C, J und K von den Bauleitern und
auch den anderen Mitarbeitern der Antragstellerin - entsprechend - als Mitarbeiter der Antragstellerin wahrgenommen worden.
Zudem hätte ihre Einbeziehung als Nachunternehmer den Auftraggebern gemeldet werden müssen. Eine solche Meldung ist durch
die Antragstellerin aber nicht erfolgt. Sämtliche bekannten Umstände sprechen damit sowohl für eine Eingliederung, als auch
für eine Weisungsunterworfenheit im Sinne von §
7 Abs.
1 S. 2
SGB IV.
Nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung begegnet die Höhe der Nachforderung auf der
Grundlage der Nettoentgelte gemäß §
14 Abs.
2 S. 2
SGB IV keinen Bedenken. Aufgrund des im Rahmen von §
14 SGB IV geltenden Entstehungsprinzips kommt es auf den tatsächlichen Zufluss der Gelder nicht an (vgl. BSG Urt. v. 4.9.2018 - B 12 R 4/17 R - juris Rn. 15). Auch die Erhebung von Säumniszuschlägen gemäß §
24 Abs.
1 und
2 SGB IV ist nach summarischer Prüfung rechtmäßig.
2. Eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte durch die sofortige Vollziehung des Beitragsbescheides
liegt nicht vor. Der Senat nimmt auf die zutreffenden Ausführungen des SG Bezug. Weiterer substantiierter Vortrag der Antragstellerin hierzu ist auch im Beschwerdeverfahren nicht erfolgt. Die Vorlage
allein der Bilanz für das Kalenderjahr 2013 ist ohne relevante Aussagekraft.
Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 197a Abs.
1 S. 1
SGG i.V.m. §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 4, 52 GKG und berücksichtigt, dass in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, die Beitragsangelegenheiten betreffen, regelmäßig nur
ein Viertel des Wertes der Hauptsache einschließlich etwaiger Säumniszuschläge als Streitwert anzusetzen ist (vgl. z.B. Senatsbeschl.
v. 22.4.2020 - L 8 BA 266/19 B ER - juris Rn. 30 m.w.N.).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§
177 SGG).