Anspruch auf Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen einer beim verstorbenen Ehemann anerkannten
Berufskrankheit (BK) 4103 und Anerkennung einer (BK) 4104 bzw. einer Wie-Berufskrankheit
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin einen Anspruch auf Renten- und Hinterbliebenenleistungen wegen einer bei
ihrem verstorbenen Ehemann anerkannten Berufskrankheit (BK) 4103 hat. Außerdem streiten die Beteiligten darüber, ob die Beklagte
zu Recht die Anerkennung einer BK 4104 bzw. einer Wie-BK beim verstorbenen Ehemann der Klägerin sowie entsprechende Renten-
und Hinterbliebenenleistungen abgelehnt hat.
Die 1941 geborene Klägerin ist Witwe des am __________ 1941 geborenen und am _______ 2006 verstorbenen M______ D_____. Dieser
war von 1956 bis 2003 mit eineinhalbjähriger Unterbrechung durch den Wehrdienst als Bau- und Möbeltischler tätig gewesen und
dabei gegenüber Holzstäuben, Holzbeizen, Holzschutzmitteln, Lösungsmitteln, Formaldehyd und asbesthaltigen Feinstäuben exponiert
gewesen.
Seit dem 1. Februar 2003 hatte der verstorbene Ehemann der Klägerin Altersrente von der Deutschen Rentenversicherung Nord
bezogen.
Mitte März 2006 war bei der Beklagten die ärztliche Anzeige bei Verdacht auf eine Berufskrankheit des Arztes für HNO-Heilkunde
Dr. W____________ vom 14. März 2006 eingegangen.
Die Beklagte hatte daraufhin ein Berufskrankheitenfeststellungsverfahren hinsichtlich der Erkrankung des Ehemannes der Klägerin
eingeleitet, zog das Vorerkrankungsverzeichnis der HZK-Krankenkasse sowie Berichte der den Ehemann der Klägerin behandelnden
Ärzte beigezogen und eine Stellungnahme des Arztes für HNO-Heilkunde Dr. W____________ eingeholt.
Zudem hatte die Beklagte eine Stellung ihrer Präventionsabteilung zu den arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 4103/4104
vom 3. Mai 2006 eingeholt. Zusammenfassend war Dr. K__________ zu dem Ergebnis gelangt, dass beim Ehemann der Klägerin von
einer Exposition gegenüber asbesthaltigen Stäuben von 0,5 Faserjahren auszugehen sei.
Am 11. Mai 2006 verstarb der Ehemann der Klägerin an den Folgen eines Weichteilsarkoms (bösartige Geschwulst) der rechten
Halsseite. Nebenbefundlich war ein metastasierendes Plattenepithelkarzinom des Hypopharynx (Schlund; Bereich, der Speise-
und Luftwege trennt) festgestellt worden.
Nach dem Ableben des Ehemannes der Klägerin veranlasste die Beklagte eine Obduktion und holte ein fachpathologisches Gutachten
durch den Pathologen Dr. D______ vom 25. Juli 2006 vom Institut für Pathologie der Ruhr-Universität Bochum sowie ein pathologisch-anatomisches
Zusammenhangsgutachten des Pathologen Dr. G_________ vom 18. September 2006 ein.
Im Anschluss daran legte die Beklagte den Vorgang dem Landesgewerbearzt Dr. N_____ vor, der in seiner Stellungnahme vom 26.
Oktober 2006 ausführte, dass der Vollbeweis einer Erkrankung nach der Nr. 4104 der Anlage zur
Berufskrankheiten-Verordnung (
BKV) nicht vorliege. Der Ehemann der Klägerin habe an einem sogenannten Hypopharynxkarzinom, also einem Tumor des Schlundes,
nicht des Kehlkopfes gelitten. Der Schlundtumor sei laserchirurgisch entfernt worden, histologisch habe es sich um ein Plattenepithelkarzinom
gehandelt. In einer zweiten Operation sei eine Ausräumung von Muskeln und Lymphknoten entlang von Hals-Kopfmuskeln durchgeführt
worden (sogenannte Neck-Dissection). Im Zuge dieser Operation habe sich ein Zweittumor gefunden, ein sogenanntes Sarkom. Weiterhin
hätten asbestbedingte Veränderungen an der Pleura bestanden. Sowohl die Röntgenbefunde als auch die Obduktionsbefunde zeigten
typische asbestbedingte Pleuraplaques. Dr. N_____ empfahl die Anerkennung einer BK 4103 ohne Rentenzahlung.
Mit Bescheid vom 25. Januar 2007 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK 4104 der Anlage zur
BKV und die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen ab und führte zur Begründung aus, dass die Anerkennung einer Berufskrankheit
nach der Nr. 4104 (Lungenkrebs- und Kelhkopfkrebserkrankungen, verursacht durch Asbest) an dem fehlenden medizinischen Krankheitsbild
eines Kehlkopfkrebses (Larynxkarzinom) scheiterte. Nach den durchgeführten Ermittlungen und pathologischen Untersuchungen
sei der Ehemann der Klägerin an einem Tumor des Schlundes (Hypopharynxkarzinom) mit Lymphknotenmetastasen und Sarkom in der
rechten Halsseite erkrankt und nicht an einer Tumorerkrankung des Kehlkopfes oder der Lunge.
Mit ihrem Widerspruch vom 23. Februar 2007 machte die Klägerin geltend, dass es sich bei einem Hypopharynxkarzinom um ein
sogenanntes äußeres Kehlkopfkarzinom handele und daher auch von der BK 4104 erfasst werde.
Die Beklagte holte eine beratungsärztliche Stellungnahme des HNO-Arztes Dr. L_____ vom 31. März 2008 und des Arztes für Allgemeinmedizin
Dr. U____ vom 24. Mai 2008 ein und wies den Widerspruch der Klägerin mit Bescheid vom 18. September 2008 gegen die Ablehnung
einer BK 4104 zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass die Berufskrankheit nach der Nr. 4104 das Vorliegen einer Lungenkrebs-
oder Kehlkopfkrebserkrankung fordere. Bei der Kehlkopfkrebserkrankung seien ausdrücklich nur Larynxkarzinome erwähnt. Der
Hypopharynx und der Larynx seien zwei aneinandergrenzende anatomische Regionen, die sich jedoch deutlich voneinander unterschieden.
Während sich im Hypopharynx Speise- und Luftwege trennten, liege der Larynx nur im Bereich der Luftwege. Bei einem Hypopharynxkarzinom
handele es sich nicht um ein Larynxkarzinom. Ein Hypopharynxkarzinom werde deshalb auch als ein falsches äußeres Larynxkarzinom
bezeichnet. Es liege somit nicht das medizinische Bild einer Berufskrankheit nach der Nr. 4104 vor, so dass die Voraussetzungen
für eine Anerkennung als oder wie eine Berufskrankheit nicht erfüllt seien.
Parallel dazu hatte die Beklagte nach Auswertung der eingeholten Gutachten mit einem weiteren Bescheid vom 25. Januar 2007
eine BK 4103 ohne Rentenzahlung anerkannt. Zur Begründung hatte die Beklagte ausgeführt, dass die Veränderungen im Bereich
der Pleura (Brustfell und Lungenfell) als berufsbedingt anerkannt würden. Diese Erkrankung sei eine Berufskrankheit nach der
Nr. 4103 der Anlage zur
BKV.
Als Folge der Berufskrankheit werde anerkannt:
Plattenartige Veränderungen (sogenannte Plaques) im Bereich der Pleura ohne bestimmenden Krankheitswert.
Als Folge der Berufskrankheit werde nicht anerkannt:
Ausgedehntes Weichteilsarkom im Bereich der rechten Halsregion, Krebsleiden des Schlundes.
Die Klägerin habe als Sonderrechtsnachfolgerin keinen Anspruch auf eine Verletztenrente. Ebenso scheide ein Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen
aus, da der Ehemann der Klägerin nicht an den Folgen der BK 4103 verstorben sei.
Mit ihrem Widerspruch vom 23. Januar 2007 hatte die Klägerin geltend gemacht, dass die Versagung einer Hinterbliebenenrente
sowie die Versagung einer Verletztenrente keinen Bestand haben könne, da die Ermittlungen von der Beklagten unzureichend durchgeführt
worden seien. Unzweifelhaft habe bei ihrem verstorbenen Ehemann eine berufsbedingte Exposition gegenüber Asbest sowie gegenüber
diversen Lösungsmitteln bestanden. Es sei auch zu bedenken, dass in den Jahren von 1950 bis 1970 grundsätzlich keine Arbeitsvorschriften
existiert hätten, so dass die Betroffenen einer massiven Exposition gegenüber Asbest ausgesetzt gewesen seien. Ergänzend hatte
die Klägerin auf beigefügte eidesstattliche Versicherungen von fünf ehemaligen Kollegen ihres verstorbenen Ehemannes verwiesen.
Weiterhin bestritt die Klägerin das Ergebnis der Ermittlungen der Präventionsabteilung der Beklagten; sie halte die Einschätzung
von 0,5 Faserjahren definitiv für falsch.
Ebenfalls mit einem Bescheid vom 18. September 2008 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen die Anerkennung einer
BK 4103 ohne Rentenleistungen zurück und führte zur Begründung aus, dass asbestassoziierte Pleuraplaques die Ventilationsfunktion
der Lunge im Allgemeinen nicht beeinträchtigten, so dass diese auch nicht zur Grundlage einer Bewertung der MdE gemacht werden
könnten. Lungenfunktionsprotokolle, die einen weiteren Aufschluss über Lungenfunktionseinschränkungen geben könnten, seien
zu Lebzeiten des Ehemannes der Klägerin nicht angefertigt worden. Nach dem Tod könnten derartige Untersuchungen nicht mehr
durchgeführt werden.
Gegen beide Widerspruchsbescheide hat die Klägerin am 21. Oktober 2008 Klage erhoben, zu deren Begründung sie ihr bisheriges
Vorbringen wiederholt und vertieft hat und ergänzend darauf abgestellt hat, dass der den Versicherten früher behandelnde HNO-Arzt
Dr. W____________ über einen großen Erfahrungswert mit Hypopharynxkarzinomen verfüge. Dieser halte einen Kausalzusammenhang
zwischen der Erkrankung ihres verstorbenen Ehemannes und der Exposition gegenüber Asbest, diversen Lösungsmitteln und weiteren
extrem gesundheitsgefährdenden Arbeitsmaterialien für möglich.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 25. Januar 2007 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 18. September
2008 zu verurteilen, ihr - der Klägerin - unter Anerkennung der Krebserkrankung ihres verstorbenen Ehemannes als Berufskrankheit
bzw. wie eine Berufskrankheit Verletztenrente bzw. Hinterbliebenenleistungen zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie sich auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden bezogen.
Das Sozialgericht hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts Behandlungs- und Befundberichte des HNO-Arztes Dr. V____-____
vom 10. November 2009, des HNO-Arztes Dr. F______ vom 17. September 2009 und des HNO-Arztes Dr. W____________ vom 27. November
2009 jeweils nebst weiteren Befundunterlagen eingeholt und Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des
Arztes für Innere Medizin, Arbeitsmedizin, Lungen- und Bronchialheilkunde, Allergologie und Umweltmedizin Prof. Dr. B____vom
16. November 2009. Dieser ist zusammenfassend zu dem Ergebnis gelangt, dass weder das zum Tode führende Weichteilsarkom noch
das daneben festgestellte metastasierende Hypopharynxkarzinom mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die berufliche Tätigkeit
des verstorbenen Ehemannes der Klägerin als Bau- und Möbeltischler zurückzuführen sei. Die bei der Obduktion nachgewiesenen
hyalinen Pleuraplaques seien mit Wahrscheinlichkeit auf die berufliche Asbestbelastung zurückzuführen. Damit habe beim verstorbenen
Ehemann der Klägerin eine Berufskrankheit nach der Nr. 4103 ohne wesentliche Minderung der Erwerbsfähigkeit vorgelegen.
Nachdem die Klägerin gerügt hatte, dass dem Sachverständigen nicht alle Befundunterlagen vorgelegen hätten und sie ihrerseits
die den Verstorbenen betreffenden Krankenakten der Praxis Dres. S______ und F______ sowie die Krankenakten der A________-Klinik
Nord übersandt hatte, hat das Sozialgericht daraufhin eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen Prof. Dr. B___ vom
21. Oktober 2010 eingeholt. Dieser hat auch nach Auswertung der übersandten Unterlagen keinen Anlass gesehen, seine bisherige
Beurteilung zu revidieren.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 18. Mai 2011 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die
angefochtenen Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Verletztenrente wegen berufsbedingter Erkrankungen sei §
9 Abs.
1 Sozialgesetzbuch, Siebtes Buch (
SGB VII) i.V.m. §
56 SGB VII, wonach der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung nach Eintritt einer Berufskrankheit u.a. Verletztenrente zahle.
In Betracht komme vorliegend die Berufskrankheit Nr. 4104 der Anlage 1 zur
BKV. Die Berufskrankheit 4104 erfasse Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs
- in Verbindung mit Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose),
- in Verbindung mit durch Asbeststaub verursachter Erkrankungen der Pleura oder
- bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 Faserjahren (25 x
106 [(Fasern/m3) x Jahre]).
Unabhängig von der Frage, ob die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 4104 erfüllt seien, scheitere die Anerkennung bereits
daran, dass im Falle des verstorbenen Ehemannes der Klägerin das medizinische Krankheitsbild eines Kehlkopfkrebses (Larynxkarzinoms)
nicht erfüllt sei. Nach den im Verwaltungsverfahren wie auch Gerichtsverfahren eingeholten Gutachten sei der verstorbene Ehemann
der Klägerin an einem Tumor des Schlundes (Hypopharynxkarzinom) erkrankt, nicht an einem Larynxkarzinom, wie er von der BK
4104 erfasst werde. Der Hypopharynx und der Larynx seien zwei aneinandergrenzende anatomische Regionen, die sich jedoch deutlich
voneinander unterschieden. Während sich im Hypopharynx Speise- und Luftwege trennten, liege der Larynx nur im Bereich der
Luftwege.
Auch komme die Anerkennung einer Kehlkopfkrebserkrankung als Quasi-BK nicht in Betracht; denn die Voraussetzungen des §
9 Abs.
2 SGB VII seien im Hinblick auf die in Rede stehende Erkrankung des verstorbenen Ehemannes der Klägerin nicht erfüllt.
Zu diesen Voraussetzungen gehörten sowohl der ursächliche Zusammenhang der Krankheit mit der nach den §§
7,
8 SGB VII versicherten Tätigkeit als auch die Zugehörigkeit des Versicherten zu einer bestimmten Personengruppe, die durch ihre Arbeit
im erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt sei, die nach neuen Erkenntnissen
der medizinischen Wissenschaft Krankheiten der betreffenden Art verursachten (sogenannte gruppentypische Risikoerhöhungen).
Mit dieser Regelung solle nach den Vorgaben in der Rechtsprechung nicht in der Art einer Generalklausel erreicht werden, dass
jede Krankheit, deren ursächlicher Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit im Einzelfall zumindest hinreichend wahrscheinlich
sei, wie eine BK zu entschädigen sei. Vielmehr sollten damit Krankheiten zur Entschädigung gelangen, die nur deshalb nicht
in die BK-Liste aufgenommen worden seien, weil die Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft über die besondere Gefährdung
bestimmter Personengruppen bei ihrer Arbeit bei der letzten Fassung der Anlage zur
BKV noch nicht vorhanden gewesen seien oder trotz Nachprüfung noch nicht ausgereicht hätten.
Der von der Kammer beauftragte Sachverständige Prof. Dr. B___ habe in seinem Gutachten dazu ausgeführt, dass die nicht sehr
umfangreiche Literatur zu asbestbedingten Ursachen des Hypopharynxkarzinoms zusammenfassend durchaus Hinweise für mögliche
berufliche Zusammenhänge zeige. Allerdings seien die bisherigen Studienergebnisse noch nicht so überzeugend, dass sie ausreichten,
um das Hypopharynxkarzinom als eindeutig asbestbedingt ansehen zu können. Hinzukomme, dass der Hypopharynx anatomisch nicht
Teil des Kehlkopfes sei, so dass eine Anerkennung eines sich im Sinus piriformis entwickelten Karzinoms nicht als BK 4104
erfolgen könne.
Letztlich sei für die Anerkennung der in Rede stehenden Erkrankung als Quasi-BK auch im Hinblick auf die Asbestexposition
des verstorbenen Ehemannes der Klägerin kein Raum. Kehlkopfkrebs durch Asbest habe als BK 4104 Eingang in die BK-Liste gefunden,
ohne dass der verstorbene Ehemann der Klägerin die Voraussetzungen für die Anerkennung erfüllt hätte. Hinweise darauf, dass
neue medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse vorlägen, die es erforderlich machen würden, eine entsprechende Ergänzung
oder Änderung der Listen-BK vorzunehmen und dementsprechend die Anerkennung als Quasi-BK rechtfertigen würden, seien nicht
ersichtlich.
Der Klägerin stünden auch keine Ansprüche auf Entschädigungsleistungen gegen die Beklagte wegen der anerkannten BK 4103 zu.
Die Berufskrankheit 4103 erfasse die Asbeststaublungenerkrankungen (Asbestose) oder durch Asbeststaub verursachte Erkrankungen
der Pleura.
Zwar seien hyaline Pleuraplaques nachgewiesen worden, diese führten in der Regel aber nicht zu gesundheitlichen Einschränkungen,
denen eine rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) beizumessen sei. Aus den Aktenunterlagen ergäben sich
keine Hinweise darauf, dass beim verstorbenen Ehemann der Klägerin eine auf die Pleuraplaques zurückzuführende klinisch funktionsanalytische
Einschränkung der Atemfunktion vorgelegen habe. Dementsprechend sei es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte eine BK 4103
ohne Rentenzahlung anerkannt habe.
Auch aus den von der der Klägerin eingereichten Krankenakten seien keine weiteren Erkenntnisse zu entnehmen, die Rückschlüsse
auf eine Einschränkung der Lungenfunktion zuließen. Bei nochmaliger Durchsicht aktueller Literatur durch den Sachverständigen
hätten sich keine überzeugenden Hinweise für einen Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit des verstorbenen Ehemannes
der Klägerin und den bei ihm aufgetretenen Tumoren ergeben. Das gelte nicht nur für das Hypopharynxkarzinom, sondern betreffe
auch den Weichteiltumor. Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. B___ reichten die diesbezüglichen
Studien insgesamt nicht aus, um von gesicherten, auf den Beruf des Bau- und Möbeltischlers anzuwendenden Erkenntnissen zu
sprechen. Dies gelte letztlich auch für eine mögliche Exposition des Versicherten gegenüber Formaldehyd. Daneben sei zu beachten,
dass beim verstorbenen Ehemann der Klägerin ein chronischer Alkoholabusus, aber auch ein Rauchverhalten vorgelegen habe, das
sich als außerberufliches Risiko darstelle.
Gegen das ihr am 29. August 2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 28. September 2011 Berufung eingelegt.
Zur Begründung macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, sie gehe davon aus, dass die Krebserkrankung ihres verstorbenen
Ehemannes als Berufskrankheit anzusehen sei, sein Ableben infolge der Krebserkrankung daher auf der Berufskrankheit basiere,
wobei die festgestellten hyalinen Pleuraplaques infolge der definitiven Asbestbelastung wie auch die weiteren berufsbedingten
Schadstoffexpositionen (= Lösungsmittel, NC-Lacke, Formaldehyd, Arbeitsplatten und Carbolineum) mit hinreichender Wahrscheinlichkeit
zumindest als mitursächlich - jedenfalls in der Gesamtbetrachtung - anzusehen seien, so dass die leistungsversagenden Bescheide
der Beklagten keinen Bestand haben könnten.
Es gehe hier um eine berufsbedingte Mehrfachbelastung mit einer Reihe von krebserregenden Substanzen. Die Bewertung durch
den vom Sozialgericht herangezogenen Gutachter leide bereits insofern an groben Mängeln, als diesem bei Abfassen des Hauptgutachtens
lediglich einzelne Arztberichte, nicht jedoch die kompletten Behandlungsunterlagen ihres verstorbenen Ehemannes der seine
Krebserkrankung behandelnden Ärzte vorgelegen hätten. In seiner subjektiven, ausschließlich auf der Basis der unvollständigen
Ermittlungsakte der Beklagten erfolgten Bewertung sei der Gerichtsgutachter bereits innerlich festgelegt gewesen, als er seine
ergänzenden Ausführungen gemacht habe. Seine Bewertung lasse zudem die gebotene Gesamtbetrachtung vermissen, in der gerade
berücksichtigt werden müsste, dass der Verstorbene über Jahrzehnte berufsbedingt mehreren krebserregenden Stoffen ausgesetzt
gewesen sei. Die streitentscheidenden Aspekte bezüglich der krebserregenden Immissionen hätten fachkompetent lediglich durch
einen Onkologen bewertet werden können.
Das Sozialgericht verkenne zudem bei seiner ablehnenden Entscheidung, dass sich der Hypopharynx als äußerer Kehlkopf definiere.
Diese medizinische Definition im Rahmen der menschlichen Anatomie sei bindend und nicht einer freien Interpretation zugänglich.
Abgesehen davon, dass beim Verstorbenen kein Alkoholabusus vorgelegen habe und das gelegentliche Rauchverhalten als unwesentliche
außerberufliche Exposition völlig irrelevant sei, klammere das Sozialgericht bei seiner Entscheidung gänzlich aus, dass nach
der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht
eine entsprechende Wahrscheinlichkeit genüge, wobei eine Mitursächlichkeit ausreiche. Überdies werde die hinreichende Wahrscheinlichkeit
für die (Mit-)Ursächlichkeit berufsbedingter Schadstoffexpositionen nach der Rechtsprechung des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts
(Urteil vom 13. September 2007 - L 1 U 44/03) angenommen, wenn die schädigenden beruflichen Einwirkungen in einer bestimmten Dosis/Wirkungsbeziehung stünden, aufgrund
derer sich das Risiko einer Erkrankung zumindest verdopple. Hiervon sei hinsichtlich der Exposition mit Carbolineum auszugehen;
denn ihr verstorbener Ehemann - der der Klägerin - habe insoweit eine Immission erfahren, die nach der eindeutigen gutachterlichen
Feststellung eine Verdoppelung des Risikos für Weichteilsarkome aufweise.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 18. Mai 2011 sowie die Bescheide der Beklagten vom 25. Januar 2007 in der Fassung
der Widerspruchsbescheide vom 18. September 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie - die Klägerin - unter
Anerkennung der Krebserkrankung ihres am 11. Mai 2006 verstorbenen Ehemannes M______ D_____ als Berufskrankheit bzw. wie eine
Berufskrankheit eine Verletztenrente als Sonderrechtsnachfolgerin ab dem 14. März 2006 bis zum 31. Mai 2006 nach einer Minderung
der Erwerbsfähigkeit (MdE) des Versicherten von mindestens 20 v. H. zu gewähren sowie ab dem 11. Mai 2006 eine Hinterbliebenenrente
zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und weist darauf hin, dass zunächst die Berufskrankheit Nr. 4104 wie auch
die Berufskrankheit Nr. 4103 überprüft worden seien. Dabei sei festgestellt worden, dass ein Kehlkopfkarzinom nicht vorgelegen
habe, sondern vielmehr ein Weichteilsarkom des Schlundes. Es habe demnach kein adäquates Schadensbild für eine "Listenerkrankung"
vorgelegen. Nur wenn eine solche Einordnung nicht möglich sei, eröffne der Gesetzgeber eine Prüfung nach der sog. Öffnungsklausel
gemäß §
9 Abs.
2 SGB VII. Dabei sei jedoch zu beachten, dass auch insoweit konkrete Voraussetzungen vorliegen müssten, und zwar dergestalt, dass sich
bereits eine zwar neue, wissenschaftlich-medizinische Erkenntnis so verdichtet habe, dass mit einer Aufnahme in die Berufskrankheitenliste
auf Anraten des medizinischen Sachverständigenbeirates zu rechnen sei. Das sei hier nicht der Fall.
Es lägen keine gesicherten medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse vor, durch welche exogene Noxen Weichteilsarkome des
Halses verursacht würden. Der Verordnungsgeber bediene sich zur Feststellung neuerer Erkenntnisse des ärztlichen Sachverständigenbeirats,
der ggf. Empfehlungen für die Bezeichnungen neuer Berufskrankheiten ausspreche. Ihres Wissens - des der Beklagten - lägen
dort keine Erkenntnisse über das Auftreten von Weichteilsarkomen des Halses bei Bau- und Möbeltischlern vor. Auch damit habe
sich der erstinstanzlich herangezogene medizinische Sachverständige Prof. Dr. B___, ein versierter Arbeitsmediziner, ausführlich
auseinandergesetzt.
Auf Antrag der Klägerin hat der Senat ein schriftliches Sachverständigengutachten gemäß §
109 SGG vom stellvertretenden Direktor der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Onkologie und Hämatologie des Universitätsklinikums
Charité, Berlin, Prof. Dr. K_______, eingeholt.
In seinem onkologischen Fachgutachten vom 27. Februar 2013 hat Prof. Dr. K_______ zur Frage, ob eine durch die Folgen der
Berufskrankheit bedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) vorliege, ggf. in welcher Höhe, Folgendes ausgeführt:
"Die als Berufskrankheit Nr. 4103 anerkannten hyalinen Pleuraplaques führen bei nicht dokumentierter pulmonaler Einschränkung
nicht zu einer Minderung der Erwerbstätigkeit. Im Falle einer Anerkennung des Weichteilsarkoms und/oder des Hypopharynxkarzinoms
ist ab der Diagnosestellung, welche zeitgleich am eintrat von einer Minderung der Erwerbstätigkeit von 100% anhaltend bis
zum Tod von Herrn D_____ auszugehen."
Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 24. April 2013 ausgeführt, aus ihrer Sicht komme Prof. Dr. K_______ zusammenfassend zu
dem eindeutigen Resultat, dass sowohl das Weichteilsarkom durch die berufliche Exposition von Phenolen als auch das Hypopharynxkarzinom
durch die berufliche Exposition von Asbest und weiteren Toxinen als quasi-Berufskrankheit einzuordnen sei. Die Minderung der
Erwerbstätigkeit ordne der Sachverständige sowohl für das Weichteilsarkom als auch das Hypopharynxkarzinom mit 100% bis zum
Ableben ihres früheren Ehemannes am 11. Mai 2006 ein, wobei dessen Tod auf die Folgen des schnell progredienten undifferenzierten
Weichteilsarkoms zurückzuführen sei. Konkret seien Asbest und Phenol für die Entstehung des Weichteilsarkoms und des Hypopharynxkarzinoms
als mitursächlich zu sehen. Der Sachverständige gehe hierbei von einer über Jahre währenden berufsbedingten Multi-Toxin-Exposition
aus, wobei der Stellenwert der einzelnen Toxine wie Asbest und Phenol als Ko-Faktoren bei der Kanzerogenese und höher einzustufen
seien, als es die Analyse der Einzelfaktoren abbilde.
Prof. Dr. K_______ hat mit Schriftsatz vom 20. September 2013 auf Anfrage des Gerichts bestätigt, dass sein Gutachten genauso
aufzufassen sei, wie von der Klägerin vorgetragen.
Die Beklagte hält auch im Hinblick auf das Sachverständigengutachten von Prof. Dr. K_______ dessen Überprüfung nicht für überzeugend.
Es werde die Exposition gegenüber Holzschutzmitteln angeführt (phenolhaltig), gleichzeitig werde auf die nur limitierte Evidenz
der zitierten Studie hingewiesen, d.h., es sei eine positive Assoziation zwischen der angeschuldigten Substanz und Tumorentität
beobachtet worden, die eine kausale Interpretation/einen Zusammenhang lediglich glaubhaft erscheinen ließe, wobei eine zufällige
Häufung quasi nicht ausgeschlossen werde. Das reiche in keinem Fall für eine überzeugende, hinreichende Wahrscheinlichkeit
der Verursachung aus, wobei hier noch gar nicht die Qualität und Quantität der Exposition festgestellt worden sei. Des Weiteren
werde eine sog. Multi-Toxin-Exposition bei dem Versicherten über viele Jahre gesehen. Allerdings sehe die
Berufskrankheitenverordnung einen sog. Synergieeffekt verschiedener Toxine, kumulierend betrachtend, nicht vor; insbesondere auch nicht für Asbest und
Holzschutzmittel. Angesichts dessen überzeugten die Ausführungen des Sachverständigen nicht, der abschließend zu dem Ergebnis
komme, ein Zusammenhang zwischen dem Weichteilsarkom und der beruflichen, nicht detailliert quantifizierten Exposition von
verschiedenen Noxen erscheine möglich, möglicherweise auch wahrscheinlich; daher sei davon auszugehen, dass diese Erkenntnisse
bei der letzten Änderung der Berufskrankheitenliste noch nicht vorgelegen hätten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsvorgänge
der Beklagten Bezug genommen; diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.
Das Urteil des Sozialgerichts wie auch die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin
nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat weder Anspruch auf Renten- noch auf Hinterbliebenenleistungen.
Das im Rahmen der Klagehäufung nach §
56 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) geltend gemachte Begehren der Klägerin hat auch im Berufungsverfahren keinen Erfolg.
Die Klägerin hat keinen Anspruch als Rechtsnachfolgerin auf eine Verletztenrente für die Zeit ab Krankheitsbeginn ihres verstorbenen
Ehemannes, des Versicherten M______ D_____, ab der am 14. März 2006 gestellten ärztlichen Diagnose im Rahmen der Anzeige bei
Verdacht auf eine Berufskrankheit durch Dr. W____________ aufgrund dessen, dass die Beklagte mit Bescheid vom 25. Januar 2007
die Veränderungen im Bereich der Pleura (Brustfell und Lungenfell) des Versicherten als berufsbedingt anerkannt hat und diese
Erkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 4103 der Anlage zur
Berufskrankheitenverordnung (
BKV) eingestuft hat. Wie in jenem Bescheid im Einzelnen ausgeführt ist, habe zwar neben der ausreichend gesicherten Asbestexposition
des Versicherten bei ihm eine plattenartige Veränderung im Bereich der Pleura nachgewiesen werden können, die auf die Asbestexposition
zurückgeführt werde. Den asbestbedingten Pleuraveränderungen sei jedoch kein maßgeblicher Krankheitswert zuzuordnen gewesen,
so dass eine Einschränkung der Lungenfunktion nicht vorgelegen habe. Die Erwerbsfähigkeit des verstorbenen Ehemannes der Klägerin
sei dadurch nicht vermindert worden. Ein Anspruch auf eine Rente bestehe nicht, weil die Erwerbsfähigkeit des verstorbenen
Ehemannes der Klägerin nicht um mindestens 20% gemindert gewesen sei.
Eine solche Minderung der Erwerbsfähigkeit in mindestens diesem Ausmaß wäre aber Voraussetzung gewesen für einen Rentenanspruch
nach §
56 Abs.
1 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Siebtes Buch (
SGB VII), den die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemannes für die Zeit bis zu dessen Tod bzw. gemäß §
73 Abs.
6 SGB VII bis zum Ende des Monats, in dem der Tod eintrat (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 13. Februar 2013 - B 2 U 33/11 R -, recherchiert bei [...]) - anderenfalls - hätte geltend machen können. Diese Voraussetzung war hier nicht erfüllt.
Auch das Sozialgericht hat bereits ausführlich und zutreffend im angefochtenen Urteil dargelegt, dass die Aktenunterlagen
keinerlei Hinweise darauf enthielten, dass bei dem verstorbenen Ehemann der Klägerin eine auf die Pleuraplaques zurückzuführende
klinisch funktionsanalytische Einschränkung der Atemfunktion vorgelegen habe; entsprechende Lungenfunktionsprotokolle seien
zu keinem Zeitpunkt gefertigt worden und könnten daher auch nicht zur Grundlage der Bewertung einer (theoretisch denkbaren)
Minderung der Erwerbsfähigkeit gemacht werden. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß §
153 Abs.
2 SGG auf die entsprechenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils verwiesen. Diese Einschätzung
wird auch ausdrücklich bestätigt durch die Erkenntnisse des im Rahmen von §
109 SGG tätig gewordenen medizinischen Sachverständigen Prof. Dr. K_______, der zusammenfassend ausgeführt hat, die als Berufskrankheit
Nr. 4103 anerkannten hyalinen Pleuraplaques führten bei nicht dokumentierter pulmonaler Einschränkung nicht zu einer Minderung
der Erwerbsfähigkeit. Er hat in diesem Zusammenhang weiter ausgeführt, eine relevante Nebendiagnose im Hinblick auf das Versterben
von Herrn D_____ am ausgedehnten Weichteilsarkom bestehe durch die hyalinen Pleuraplaques nicht.
Ein Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen bestand bezogen auf die als BK Nr. 4103 anerkannte Veränderung im Bereich der Pleura
schon deshalb nicht, weil - wie die Beklagte im Bescheid vom 25. Januar 2007 zutreffend ausgeführt hat - der Verstorbene nicht
an den Folgen der Berufskrankheit (Nr. 4103
BKV) verstorben ist, sondern an den Folgen eines ausgedehnten Weichteilsarkoms im Bereich der rechten Halsseite im Rahmen einer
unstillbaren Tumorblutung.
Ein Anspruch auf eine Rentenzahlung als Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemannes gemäß §
56 Abs.
1 Satz 1
SGB VII ab der Diagnose der Krankheit bis zum Ende des Monats, in dem der Tod des Versicherten M______ D_____ eintrat (Ende Mai 2006),
bzw. ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente ab dem Todestag gemäß §§
63 Abs.
1 Nr.
3 SGB VII, 72 Abs.
2 Satz 1
SGB VII besteht auch nicht im Hinblick darauf, dass die Klägerin als Witwe ihres verstorbenen Ehemannes geltend macht, die Beklagte
habe zu Unrecht eine Leistungsgewährung wegen dessen Krebserkrankung durch (weiteren) Bescheid vom 25. Januar 2007 abgelehnt
und sich in diesem Zusammenhang darauf berufen, dessen Erkrankung sei keine Berufskrankheit nach Nr. 4104
BKV (Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs i.V.m. Asbesteinwirkungen). Der Einwand, das Sozialgericht habe zu Unrecht auch eine Wie-BK
abgelehnt, greift ebenfalls nicht durch.
Gemäß §
63 Abs.
1 Satz 2
SGB VII besteht der Anspruch von Hinterbliebenen auf Leistungen nach Satz 1 Nr. 1 bis 3 - also auch die hier begehrte Hinterbliebenenrente
- nur, wenn der Tod infolge eines Versicherungsfalls eingetreten ist. Versicherungsfälle sind gemäß §
7 Abs.
1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Dem Tod durch einen Versicherungsfall steht der Tod von Versicherten gleich, deren
Erwerbsfähigkeit durch die Folgen einer Berufskrankheit nach den Nummern 4101 bis 4104 der Anlage 1 der
BKV um 50 v. H. oder mehr gemindert war (§
63 Abs.
2 Satz 1
SGB VII). Dies gilt nicht, wenn offenkundig ist, dass der Tod mit der Berufskrankheit nicht in ursächlichem Zusammenhang steht (§
63 Abs.
2 Satz 2, 1. Teil
SGB VII).
Beim Versicherten kommt als Versicherungsfall lediglich eine Berufskrankheit in Betracht. Bei Berufskrankheiten ist nach §
9 SGB VII zwischen "Listen-Berufskrankheiten" und "Wie-Berufskrankheiten" zu unterscheiden. Eine Listen-BK nach §
9 Abs.
1 SGB VII setzt voraus, dass die Krankheit als Berufskrankheit in einem Tatbestand der
BKV erfasst ist und diesen erfüllt. Hingegen ist eine Wie-BK nach §
9 Abs.
2 SGB VII als Versicherungsfall anzuerkennen, wenn die Krankheit nicht in der
BKV bezeichnet ist oder die dort bestimmten Voraussetzungen nicht erfüllt, aber nach neuen Erkenntnissen der Wissenschaft die
Voraussetzungen für ihre Bezeichnung als Berufskrankheit in der Anlage zur
BKV durch den Verordnungsgeber gemäß §
9 Abs.
1 Satz 2
SGB VII vorliegen. Das Gesetz definiert für die Berufskrankheiten also zwei Arten von Versicherungsfällen. Jeder dieser Versicherungsfälle
kann im Sinne des §
63 Abs.
1 Satz 2
SGB VII zum Tod des Versicherten führen und Leistungen an Hinterbliebene auslösen (BSG, Urteil vom 12. Januar 2010 - 2 U 5/08 R -, recherchiert bei [...]).
Die Klägerin hat wegen des Todes ihres verstorbenen Ehemannes im Hinblick auf eine BK 4104 ebenfalls weder einen Anspruch
auf Renten- noch auf Hinterbliebenenleistungen; denn der Versicherungsfall einer BK 4104 hat nicht vorgelegen. Ebenso hat
kein Versicherungsfall einer Wie-BK vorgelegen, desgleichen auch nicht der Versicherungsfall einer Art "Gesamt-BK" aufgrund
einer Gesamtbetrachtung oder Kombination von mehreren Listen-Berufskrankheiten.
Aus §
9 Abs.
1 SGB VII lassen sich für eine Listen-BK im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten: Die Verrichtung einer - grundsätzlich
- versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen o. ä. auf den Körper
geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität;
BSG, Urteile vom 2. April 2009 - B 2 U 9/08 R -, vom 12. Januar 2010 - B 2 U 5/08 R -, jeweils recherchiert bei [...]). Von den in der Anlage zur
BKV bezeichneten Listen-Berufskrankheiten könnte im Falle des Versicherten - der als Bau- und Möbeltischler gearbeitet hat, berufsbedingt
(in unterschiedlichem Ausmaß) im Wesentlichen Phenolen, Asbest und weiteren Toxinen ausgesetzt war und an einer Mehrfachtumorerkrankung
gelitten hat mit einem Hypopharynxkarzinom (Plattenepithelkarzinom im Sinus piriformis rechts) mit Halslymphknotenmetastase
rechts sowie einem großen Weichteilsarkom des Halses, das letztlich zum Tode geführt hat - zudem ein Versicherungsfall nach
der BK 4104 in Betracht kommen, beim Versicherten in der Variante des Kehlkopfkrebses.
Das Sozialgericht hat im angefochtenen Urteil zutreffend die einzelnen Varianten der BK 4104 dargestellt und unter ausführlicher
Begründung dargelegt, dass - ungeachtet der Frage, ob die arbeitstechnischen Voraussetzungen erfüllt seien (laut beratendem
Arzt der Beklagten, Dr. U____, vom 11. April 2008 hätten nur 0,6 Asbestfaserjahre gesichert werden können) - die Anerkennung
einer BK 4104 beim verstorbenen Ehemann der Klägerin allein schon wegen der Lokalisation des Tumors nicht in Betracht komme.
Dieser Auffassung stimmt der Senat zu und verweist auch insoweit gemäß §
153 Abs.
2 SGG auf die zutreffenden Gründe im angefochtenen Urteil des Sozialgerichts.
Eine andere rechtliche Einordnung ist auch nicht im Hinblick auf den im Berufungsverfahren von Klägerseite wiederholend vorgetragenen
Einwand geboten, der Hypopharynx definiere sich als äußerer Kehlkopf, diese medizinische Definition im Rahmen der menschlichen
Anatomie sei bindend und nicht einer freien Interpretation zugänglich, so dass die Krebserkrankung des Versicherten sehr wohl
unter die BK 4104 zu fassen sei.
Diese Schlussfolgerung der Klägerin trifft nicht zu.
Die BK 4104 ist definiert als "Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs" in Verbindung mit bestimmten (dort im Einzelnen festgeschriebenen)
Asbeststaubauswirkungen. Nach der Kommentierung bei Mehrtens, Brandenburg, Die
Berufskrankheitenverordnung (
BKV), Kommentar, Loseblattsammlung, Lieferungsstand 02/13, wird für den asbestverursachten Lungenkrebs ausdrücklich als Synonym
angegeben "Bronchialkarzinom" und für den asbestverursachten Kehlkopfkrebs im Sinne von BK 4104 als Synonym "Larynxkarzinom
gemäß der TNM-Klassifikation der UICC". Die Abkürzungen der TNM-Klassifikation stehen für T = Tumor, N = Nodes = Lymphknoten,
M = Metastasen. Die TNM-Klassifikation wurde in den Jahren 1943 bis 1952 von Pierre Denoix entwickelt und wird seit 1950 von
der Union Internationale Contre le Cancer (UICC) weitergeführt (vgl. Wikipedia, TNM-Klassifikation).
Insofern hat das Sozialgericht zutreffend ausgeführt, der Hypopharynx und der Larynx seien aneinander grenzende anatomische
Regionen, die sich jedoch deutlich voneinander unterschieden. Während sich im Hypopharynx Speise- und Luftwege trennten, liege
der Larynx nur im Bereich der Luftwege. Der Begriff Kehlkopfkrebs im Sinne der BK 4104 beziehe sich lediglich auf Tumorlokalisationen
im Bereich des inneren Kehlkopfes, der so genannten Atemstraße. Beim verstorbenen Ehemann der Klägerin sei der Tumor demgegenüber
in der Schleimhaut der seitlich äußeren Wand des Kehlkopfes und des Hypopharynx, der so genannten Schluckstraße, entstanden.
Diese Differenzierung zwischen Larynx und Hypopharynx deckt sich auch mit den Ausführungen bei Pschyrembel (Klinisches Wörterbuch,
264. Aufl.) zu den Stichworten Larynx, Hypopharynx, Hypopharynxkarzinom. Eine weitere Bestätigung findet sich auch in den
Ausführungen beider im gerichtlichen Verfahren herangezogenen medizinischen Sachverständigen. Prof. Dr. B___ hat in seinem
Gutachten vom 16. November 2009 ausdrücklich darauf abgestellt, dass der Hypopharynx anatonmisch nicht Teil des Kehlkopfes
sei, so dass eine Anerkennung eines sich im Sinus piriformis entwickelnden Karzinoms nicht nach der Nr. 4104
BKV erfolgen könne. Ebenfalls eine deutliche Differenzierung nimmt Prof. Dr. K_______ vor, der in seinem Gutachten vom 27. Februar
2013 unter Hinweis auf die entsprechenden ICD-10 Codes ausgeführt hat, der Larynx umfasse die anatomischen Lokalisationen
Glottis, Supraglottis, Subglottis, Kehlkopfknorpel (Code 32), während der Hypopharynx die anatomischen Lokalisationen Hypopharynx
und Sinus piriformis umfasse (Code 13 und 12).
Wie das Sozialgericht ebenfalls zutreffend festgestellt hat, kommt auch die Anerkennung der Krebserkrankung des Versicherten
als Wie-BK nicht in Betracht, da die Voraussetzungen des §
9 Abs.
2 SGB VII im Hinblick auf die in Rede stehende Erkrankung des verstorbenen Ehemannes der Klägerin nicht erfüllt seien. Auch auf die
diesbezüglichen überzeugenden Ausführungen, die u.a. auf das Gutachten von Prof. Dr. B___ gestützt sind, nimmt der Senat gemäß
§
153 Abs.
2 SGG Bezug und macht sie sich zu eigen.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 12. Januar 2010 - B 2 U 5/08 R -, recherchiert bei [...]) für die Entscheidung, ob der Tod eines Versicherten infolge eines Versicherungsfalls eingetreten
ist, auf den Zeitpunkt abzustellen ist, zu dem der Versicherte verstorben ist. Weiter heißt es im vorgenannten Urteil vom
12. Januar 2010 ausdrücklich, der Senat habe zwar im Zusammenhang mit Ansprüchen von Versicherten entschieden, neue wissenschaftliche
Erkenntnisse müssten sich im Zeitpunkt der Erkrankung des Versicherten noch nicht bis zur Aufnahme in die BK-Liste verdichtet
haben. Es reiche aus, wenn dies im Zeitpunkt der Entscheidung über den Anspruch geschehen sei. Dies sei aber auf die Rechte
der Hinterbliebenen eines Versicherten nicht übertragbar, weil sie aus dessen letzter Rechtsstellung abgeleitet seien. Gemäß
§
63 Abs.
1 Satz 2
SGB VII müsse der Tod des Versicherten "infolge eines Versicherungsfalls eingetreten" sein. Der Todestag des Versicherten sei der
späteste Zeitpunkt, an dem er einen Versicherungsfall erlitten haben könne.
Der Ehemann der Klägerin ist am __. ___ 2006 nicht infolge des Versicherungsfalls einer Wie-BK verstorben.
Nach §
9 Abs.
2 SGB VII haben die Versicherungsträger eine Krankheit, die nicht in der
BKV bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall
anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen
für eine Bezeichnung nach §
9 Abs.
1 Satz 2
SGB VII erfüllt sind. Diese "Öffnungsklausel" des §
9 Abs.
2 SGB VII soll nur die Regelungslücken in der
BKV schließen, die sich aus den zeitlichen Abständen zwischen den Änderungen der
BKV ergeben. Die Regelung ist aber keine allgemeine Härteklausel, für deren Anwendung es genügen würde, dass im Einzelfall berufsbedingte
Einwirkungen die rechtliche wesentliche Ursache einer nicht in der BK-Liste bezeichneten Krankheit sind. Vielmehr soll die
Anerkennung einer Wie-BK nur erfolgen, wenn die Voraussetzungen für die Aufnahme der betreffenden Einwirkungs-Krankheits-Kombination
in die Liste der Berufskrankheiten erfüllt sind, der Verordnungsgeber aber noch nicht tätig geworden ist. Der Versicherungsfall
der Wie-BK lässt sich zwar nachträglich feststellen, er ist aber objektiv zu dem Zeitpunkt eingetreten, zu dem die Voraussetzungen
des §
9 Abs.
2 SGB VII gegeben sind (BSG, Urteil vom 12. Januar 2010 - B 2 U 5/08 R - m.w.N. aus Rechtsprechung und Bundestagsdrucksachen). Im vorliegenden Fall kommt es also entscheidend darauf an, ob es
spätestens am 11. Mai 2006 wissenschaftliche Erkenntnisse gab, nach denen die Erkrankung in Form eines Hypopharynxkarzinoms/Weichteilsarkoms
als eindeutig asbestbedingt hätte angesehen werden können und in die Liste der Berufskrankheiten aufzunehmen gewesen wäre.
Das ist weder nach den Feststellungen des Sozialgerichts, gestützt auf die diesbezüglichen Ausführungen von Prof. Dr. B___,
noch nach den Angaben von Prof. Dr. K_______ in seinem Gutachten vom 27. Februar 2013 der Fall.
Prof. Dr. K_______ hat unter dem Kapitel "B) Hypopharynxkarzinom und Risikofaktoren" ausgeführt, in der europäischen Bevölkerung
liege die Hauptursache für Tumore des Larynx und des Hypopharynx im Konsum von Alkohol und Nikotin, wobei ein zusätzlicher
synergetischer Effekt beschrieben sei. Daneben sei eine Assoziation zum humanen Papillomavirus beschrieben. In einer 2006
durchgeführten Studie sei für das Larynxkarzinom ein leicht erhöhtes Risiko durch Formaldehydexposition beschrieben, das letztlich
nicht statistisch signifikant gewesen sei. Ein erhöhtes Risiko für das Hypopharynxkarzinom sei nicht beschrieben worden. Unter
Bezug auf eine 2012 - also lange nach dem Tod des Versicherten - veröffentlichte Studie hinsichtlich eines Zusammenhangs zwischen
beruflicher Exposition zu Holzstäuben und verschiedenen Tumorerkrankungen sei von der WHO (World Health Organisation) / IARC
(International Agency on Cancer Research) eine aktuelle Zusammenstellung der Krebsrisiken durch verschiedene Holzstäube veröffentlicht
und im Einzelnen auch auf die Entstehung von Larynx- und Hypopharynxkarzinom untersucht worden. Für das Pharynx- wie auch
für das Larynxkarzinom habe zusammenfassend kein klar erhöhtes Risiko für die Karzinomentstehung gesehen werden können. Im
Hinblick auf eine neue Stellungnahme der IARC von 2012, die neue Studienergebnisse mit einbeziehe, werde Asbest in der Entitäten-spezifischen
Liste der IARC für das Pharynxkarzinom als Risiko mit limitierter Evidenz angegeben.
Zur Frage nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft nach §
9 Abs.
2 SGB VII, insbesondere mit Blick auf BK 4103 und 4104, heißt es im Gutachten von Prof. Dr. K_______ zusammenfassend, der verstorbene
Ehemann der Klägerin habe im Rahmen seiner Tätigkeit als Möbeltischler zu einer Personengruppe gehört, die aufgrund ihrer
Arbeit besonderen Einflüssen ausgesetzt sei. Angesichts der dargelegten Assoziationen der beruflichen Gefahrenstoffexposition
sei nach den aktuellen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft für die Entstehung des Weichteilsarkoms und des Hypopharynxkarzinoms
eine Mit-Ursache insbesondere in der Exposition von Phenolen und Asbest zu sehen. Unter Berücksichtigung einer nicht weiter
quantifizierbaren Multi-Toxin-Exposition sei der Stellenwert der einzelnen Toxine wie Asbest und Phenol als Ko-Faktoren bei
der Kanzerogenese im vorliegenden Fall als höher einzustufen, als die Analyse der Einzelfaktoren abbilde. Der Zusammenhang
von Tätigkeit und Erkrankung an Hypopharynxkarzinom und Weichteilsarkom sei im Falle von Herrn D_____ als möglich und wahrscheinlich
zu werten. Die aktuellste Stellungnahme der IARC sei in der Publikation von Cogliano et al. von 2011 veröffentlicht. Auch
die IARC Monographie 100C, in der u.a. die Assoziationen von Asbest und Hypopharynxkarzinom aktuell bewertet worden seien,
sei im Jahr 2012 beschließend publiziert worden. Somit sei davon auszugehen, dass die Erkenntnisse bei der letzten Prüfung
der
BKV noch nicht vorgelegen hätten und auch in den ersten Gutachten zum Fall D_____ nicht hätten berücksichtigt werden können.
Ungeachtet dessen, dass sich danach bis heute die erforderliche hinreichende Wahrscheinlichkeit - wie von der Beklagten in
ihrem Schriftsatz vom 28. März 2013 zutreffend ausgeführt - wohl nicht bejahen ließe, haben neue wissenschaftlich-medizinische
Erkenntnisse, aufgrund derer mit einer das Krankheitsbild des Versicherten erfassenden Aufnahme in die Berufskrankheiten-Liste
auf Anraten des Medizinischen Sachverständigenbeirats zu rechnen gewesen wäre, spätestens zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt
des Todes von M______ D_____ nicht vorgelegen. Am 11. Mai 2006, dem Todestag des Versicherten, galt noch die
BKV in der Fassung der Verordnung zur Änderung der
Berufskrankheiten-Verordnung (
BKV-ÄndV) vom 5. September 2002 (BGBl. I S. 3541). Aber auch durch die erst nach dem Tode des Versicherten erfolgte Änderung der
BKV vom 11. Juni 2009 (2. Verordnung zur Änderung der
Berufskrankheiten-Verordnung, BGBl. I S. 1273) ist eine dem Anliegen der Klägerin entsprechende Aufnahme eines Krankheitsbildes in die Liste der Berufskrankheiten
nicht vorgenommen worden. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass neuere Erkenntnisse der Wissenschaft über Kausalzusammenhänge
zwischen einer solchen Erkrankung und berufsbedingten Verursachung, die sich bereits zur sog. "BK-Reife" verdichtet gehabt
hätten (vgl. BSG, Urteil vom 13. Februar 2013 - B 2 U 33/11 R -, recherchiert bei [...]) und deshalb als Wie-BK einzustufen gewesen wären, auf jeden Fall bis zur Änderung der
BKV im Jahre 2009 nicht vorgelegen haben.
Soweit die Klägerin wie auch Prof. Dr. K_______ darauf abstellen, maßgeblich sei zu berücksichtigen, dass beim Versicherten
eine Mehrfachbelastung mit einer Reihe von krebserregenden Substanzen, denen er beruflich bedingt ausgesetzt gewesen sei,
zum Tode geführt habe, so greift dieser Ansatz ebenfalls nicht durch. Prof. Dr. K_______ selbst hat insoweit ausgeführt, eine
Multi-Toxin-Exposition erschwere eine allgemeine monofaktorielle Klassifizierung, wie sie für die Einordnung in die Berufskrankheiten-Liste
erforderlich sei. Im Falle des verstorbenen Herrn D_____ sei diese Multi-Toxin-Exposition aber unbedingt zu berücksichtigen.
In der Zusammenfassung könne sowohl das Weichteilsarkom durch die Exposition von Phenolen wie auch das Hypopharynxkarzinom
durch die Exposition von Asbest und weiteren Toxinen als Quasi-Berufskrankheit eingeordnet werden. Daraus leitet die Klägerin
eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für die (Mit-)Ursächlichkeit berufsbedingter Schadstoffexpositionen ab und beruft sich
insoweit auf die Rechtsprechung des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts.
Der seinerzeit zuständige 1. Senat des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts hatte in seinem - von der Klägerin ausdrücklich
in Bezug genommenen - Urteil vom 13. September 2007 - L 1 U 44/03 - (in: Breithaupt - Sammlung von Entscheidungen aus dem Sozialrecht 2008, S. 308) versucht, das Problem der Synkanzerogenese
in einem vergleichbaren Ausgangsfall (Schweißer, Lungenkrebs, mehrere Noxen) so zu lösen, dass es eine neue kombinierte Berufskrankheit
aus mehreren Listen-Berufskrankheiten gebildet hatte. Das Bundessozialgericht ist einem solchen Vorgehen in dem sich anschließenden
Revisionsverfahren (Urteil vom 12. Januar 2010 - B 2 U 5/08 R -, recherchiert bei [...]) aber ausdrücklich entgegengetreten und hat klargestellt, dass es dem Bundesrecht widerspreche,
wenn die Verwaltung oder die Gerichte Tatbestände mehrerer Listen-Berufskrankheiten zu einer neuen Gesamt-Berufskrankheit
verbänden. Zur Bezeichnung einer neuen (Listen-)Berufskrankheit sei nur die Bundesregierung als Verordnungsgeberin ermächtigt
(§
9 Abs.
1 SGB VII) und neben diesem Listenprinzip gebe es nur die sog. Öffnungsklausel unter den eingeschränkten Voraussetzungen des §
9 Abs.
2 SGB VII, die hier - wie oben ausgeführt - nicht zu bejahen sind (vgl. auch Spellbrink, Anerkennung von Berufskrankheiten: Wege zu
mehr Einzelfallgerechtigkeit im Recht der Berufskrankheiten unter "Keine Lösung des Problems durch kreative Neuschöpfungen
der Rechtsprechung", Soziale Sicherheit 12/2013, S. 431, 433 ff.).
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 Abs.
1 und 4
SGG.
Gründe, die Revision nach §
160 Abs.
1, Abs.
2 Nr.
1 oder 2
SGG durch den Senat zuzulassen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.