Beitragsveranlagung in der gesetzlichen Unfallversicherung; Bestandskraft des Veranlagungsbescheides; Zulässigkeit der Zugangsfiktion
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten wegen der Höhe der Beiträge bzw. des Beitragsvorschusses für das Jahr 2012 und 2013.
Der Beschwerdeführer meldete am 28 Januar 2010 bei der Stadt E. folgendes Gewerbe an: "Raumausstattung und Gestaltung, Trockenbau,
Einbau von genormten Bauteilen, Bodenlegergewerbe, Fugengewerbe, Holz- und Bautenschutz, Estrichlegerarbeiten, Fliesen-, Platten-
und Mosaikleger, Rolladen- und Jalousienbauer, Gebäudereinigerarbeiten und Glasreinigung". Die Beschwerdegegnerin erlangte
hiervon am 21. April 2010 Kenntnis. Daraufhin forderte sie den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 15. Juni 2010 auf, eine
Betriebsbeschreibung ausgefüllt zurückzusenden. Trotz Mahnung kam der Beschwerdeführer dem nicht nach. Daraufhin stellte die
Beschwerdegegnerin mit Bescheid vom 21. Januar 2011 ihre Zuständigkeit ab dem 1. Februar 2010 fest. Mit Bescheid vom selben
Tage veranlagte sie den Beschwerdeführer ab dem 1. Februar 2010 nach den Gefahrtarifstellen 100 (Errichten von Bauwerken des
Hoch- und Tiefbaus) und 900 (Büroteil des Unternehmens). Mit Schreiben vom 12. November 2011 bat sie ihn, Lohnnachweise für
das Jahr 2011 vorzulegen. Mit Bescheid vom 25. November 2011 wurde der Beschwerdeführer nach den Gefahrtarifstellen 100 (Bauwerksbau)
und 900 (Büroteil) ab dem 1. Januar 2012 veranlagt. Mit ausgefülltem Formular vom 6. Januar 2012 teilte der Beschwerdeführer
mit, dass er im Jahre 2011 keine Arbeitnehmer beschäftigt habe. Die im Formular angegebene Gefahrtarifstelle "Errichten von
Bauwerken des Hoch- und Tiefbaus" ließ er unbeanstandet. Mit weiterem Formular über den Lohnnachweis 2012 teilte der Beschwerdeführer
am 7. Februar 2013 die Arbeitsentgelte der bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer im Jahre 2012 mit. Die vorgedruckte Angabe zum
Ge "Bauwerksbau" änderte er handschriftlich in "Bauausbau" ab; für die Gefahrtarifstelle "100" fügte er nunmehr "200" ein.
Mit Beitragsvorschussbescheid vom 14. Februar 2013 setzte die Beschwerdegegnerin einen Gesamtvorschuss für das Jahr 2012 in
Höhe von 6.141,12 EUR ausgehend von der im Veranlagungsbescheid vom 25. November 2011 festgesetzten Gefahrtarifstelle fest.
Mit Bescheid vom selben Tage forderte sie einen Beitragsvorschuss für 2013 in Höhe von 2.047,01 EUR an. Nachdem der Beschwerdeführer
mit Schreiben vom 4. April 2013 im Hinblick auf den offen stehenden Betrag in Höhe von 8.188,13 EUR gemahnt worden war, meldete
dieser sich telefonisch am 11. April 2013 und beanstandete, dass er die Beitragsbescheide nicht erhalten habe. Diese wurden
daraufhin nochmals zur Kenntnis übersandt.
Mit Bescheid vom 25. April 2013 setzte die Beschwerdegegnerin den Beitrag für das Jahr 2012 endgültig auf 6.141,12 EUR fest.
Für das Jahr 2013 wurde mit Bescheid vom selben Tage ein Beitragsvorschuss in Höhe von 6.106,50 EUR festgesetzt. Ebenso wurde
mit Bescheid vom selben Tage für das Jahr 2014 ein Beitragsvorschuss in Höhe von 2.018,45 EUR angefordert. Hiergegen legte
der Beschwerdeführer am 30. April 2013 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, dass er nicht dem Gewerbezweig "Errichten
von Bauwerken des Hoch- und Tiefbaus", sondern dem "Bauausbau" zuzuordnen sei. Mit Schreiben vom 27. Mai 2013 teilte der Beschwerdeführer
mit, dass er mit Wirkung vom heutigen Tage keine Arbeitnehmer mehr beschäftige.
Am 25. Juni 2013 wurde in den Räumen des Steuerberaters des Beschwerdeführers eine Betriebsprüfung durchgeführt. Aufgrund
der vorhandenen Unterlagen kam der Betriebsprüfer zu dem Ergebnis, dass nur Tätigkeiten ausgeführt werden, die der Gefahrtarifstelle
200 Bauausbau zuzuordnen seien.
Daraufhin änderte die Beschwerdegegnerin mit Bescheid vom 27. Juni 2013 die Veranlagung ab dem 1. März 2013 auf die Gefahrtarifstelle
200 (Bauausbau und Fertigteilherstellung) ab. Für den Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis zum 28. Februar 2013 wurde die Veranlagung
zur Gefahrtarifstelle 100 (Bauwerksbau) aufrechterhalten. Mit Bescheid vom selben Tage änderte die Beschwerdegegnerin den
Beitragsvorschussbescheid für das Jahr 2013 entsprechend und setzte den Gesamtvorschuss auf 763,33 EUR fest. Der Vorschuss
für das Jahr 2014 wurde auf 0 festgesetzt.
Am 17. Juni 2013 hat der Beschwerdeführer beim Sozialgericht Gotha einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt. Die
Beitragseinstufung sei nicht korrekt erfolgt. Gewerbezweig sei ausschließlich der des Bauausbaus und nicht das Hoch- und Tiefbaugewerbe.
Die Durchsetzung der Beitragsforderung stelle eine unbillige Härte dar.
Mit Bescheid vom 18. Juli 2013 hat die Beschwerdegegnerin den Widerspruch des Beschwerdeführers "gegen den Veranlagungsbescheid
vom 25. November 2011, geändert durch den Veranlagungsbescheid vom 27. Juni 2013", als unzulässig und den Widerspruch gegen
den Beitragsbescheid für das Jahr 2012 und den Beitragsvorschussbescheid für das Jahr 2013, letzterer in der Fassung des Änderungsbescheides
vom 27. Juni 2013, zurückgewiesen. Hinsichtlich des Veranlagungsbescheides sei die Widerspruchsfrist abgelaufen. Dieser sei
bestandskräftig geworden. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, diesen Bescheid nicht erhalten zu haben, sei nicht glaubhaft.
Eine Änderung der Veranlagung könne mit Wirkung für die Vergangenheit nach §
160 Abs.
2 Nummer
2 des
Siebten Buches Sozialgesetzbuch SGB VII nur erfolgen, wenn die Veranlagung zu einer zu hohen Gefahrtarifklasse vom Unternehmer nicht zu vertreten sei. Dies sei hier
nicht der Fall. Da somit eine rückwirkende Änderung der Veranlagung nicht möglich sei, könne der Widerspruch gegen den Beitragsbescheid
für das Jahr 2012 und den Vorschussbescheid für das Jahr 2013 keinen Erfolg haben.
Mit Beschluss vom 14. Oktober 2013 hat das Sozialgericht Gotha den Antrag abgelehnt. Die Beschwerdegegnerin habe mit Bescheid
vom 27. Juni 2013 die Veranlagung des Unternehmens mit Wirkung ab dem 1. März 2013 auf die Gefahrtarifstelle 200 zu Recht
geändert und mit Bescheid vom selben Tage den Beitragsvorschuss für das Jahr 2013 entsprechend angepasst. Eine rückwirkende
Änderung der Veranlagung könne nicht erfolgen. Der Beschwerdeführer habe erheblich gegen seine Mitwirkungspflichten verstoßen,
da er den Betriebsfragebogen nicht ausgefüllt habe. Daher sei die Veranlagung nach der höchsten in Betracht kommenden Gefahrtarifklasse
entsprechend der Satzung zu Recht Erfolg. Eine Änderung könne nach §
160 Abs.
1 SGB VII nur mit Beginn des Monats erfolgen, der der Änderungsmitteilung folge. Bis zur Änderungsmitteilung im Februar 2013 habe der
Beschwerdegegnerin nur die Gewerbeanmeldung vorgelegen, in der noch Holz- und Bautenschutz eingetragen gewesen sei. Eine unbillige
Härte durch die Vollziehung der Beitragsbescheide könne nicht festgestellt werden.
Mit der Beschwerde verfolgt der Beschwerdeführer sein Begehren weiter. Die Beschwerdegegnerin habe Informationen Dritter ungeprüft
ihren Entscheidungen zu Grunde gelegt. Zu keiner Zeit sei der Beschwerdeführer ordnungsgemäß über die Beitragserhebung informiert
worden. Für einen kleinen Handwerker seien derartige überzogene Forderungen existenzbedrohend. Für den Beschwerdeführer als
Versicherten sei das Verfahren nach §
183 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) kostenfrei, so dass die Auferlegung von Verfahrenskosten nicht in Betracht komme.
Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 14. Oktober 2013 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den
Beitragsbescheid vom 25. April 2013 den endgültigen Beitrag für das Jahr 2012 betreffend und den Beitragsvorschussbescheid
vom 27. Juni 2013 für das Jahr 2013 jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juli 2013 anzuordnen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Beschwerde könne in der Sache keinen Erfolg haben. Eine unbillige Härte sei nicht ausreichend dargetan worden. Die erforderliche
Glaubhaftmachung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse sei bis zum heutigen Tage nicht erfolgt. Die Beitragserhebung sei
auch in der Sache nicht zu beanstanden. Der Beschwerdeführer sei seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen. Entgegen
der Verpflichtung aus §
192 Abs.
1 SGB VII habe er sein Unternehmen nicht angemeldet. Auch ansonsten seien seine Mitteilung nicht rechtzeitig erfolgt.
Ergänzend wird auf den wesentlichen Inhalt der Gerichtsakten dieses Verfahrens, sowie des Verfahrens S 18 U 2993/13 und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beschwerdegegnerin Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig (§
172 SGG) und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Der Beitrags- und der Beitragsvorschussbescheid vom 25. April 2013
jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juli 2013 sind aller Voraussicht nach insoweit rechtswidrig, als
für den Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis zum 28. Februar 2013 die Veranlagung des Beschwerdeführers nach der Gefahrtarifklasse
100 (Bauwerksbau) erfolgt ist. Hingegen ist die Beschwerde unbegründet, soweit die Beitragsforderung auf die Gefahrtarifklasse
200 (Bauausbau) gestützt werden kann.
Um Missverständnissen vorzubeugen, weist der Senat darauf hin, dass nach Erlass der Änderungsbescheide vom 27. Juni 2013 im
Hinblick auf die Beitragserhebung nur noch folgende zwei Bescheide aktuell relevant sind: Zum einen ist dies der Beitragsbescheid
vom 25. April 2013, mit dem die Beschwerdegegnerin den Beitrag für das Jahr 2012 endgültig auf 6.141,12 EUR festgesetzt hat.
Dieser wurde auch mit den Bescheiden vom 27. Juni 2013 in der Sache nicht geändert. Des Weiteren ist noch streitbefangen der
Beitragsvorschussbescheid für das Jahr 2013 vom 25. April 2013 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 27. Juni 2013. Damit
wurde ein Gesamtvorschuss in Höhe von 763,33 EUR angefordert. Diesen Sachstand berücksichtigt auch der Widerspruchsbescheid
vom 18. Juli 2013. Die Widersprüche des Klägers wurden insoweit unter Einbeziehung der ergangenen Änderungsbescheide vom 27.
Juni 2013 zurückgewiesen. Unter Einbeziehung des Widerspruchsbescheides ist inzwischen auch beim Sozialgericht Gotha ein Klageverfahren
anhängig. In diesem Zusammenhang braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob es sich dabei um die Fortsetzung der ursprünglich
anhängig gemachten Untätigkeitsklage vom 17. Juni 2013 unter Einbeziehung des Widerspruchsbescheides der Beschwerdegegnerin
vom 18. Juli 2013 handelt oder ob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 16. August 2013 unter Berücksichtigung des inzwischen
ergangenen Widerspruchsbescheides eigenständig nochmals Klage erhoben hat. Daher ist das Begehren des Beschwerdeführers dahingehend
auszulegen, dass er die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Beitragsbescheid vom 25. April 2013 für
das Jahr 2012 und den Beitragsvorschussbescheid vom 25. April 2013 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 27. Juni 2013
für das Jahr 2013, jeweils in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. Juli 2013, begehrt.
Hiervon ausgehend hat das Sozialgericht teilweise zu Unrecht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Beschwerdeführers
gegen die genannten Bescheide abgelehnt.
Der vorläufige Rechtsschutz gegen den Bescheid richtet sich nach §
86 b Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGG. Danach kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende
Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht entscheidet dabei nach Ermessen und aufgrund
einer Interessenabwägung.
Die Klage gegen die angefochtenen Bescheide hat abweichend von der Regel des §
86 a Abs.
1 Satz 1
SGG nach §
86 a Abs.
2 Nr.
1 SGG keine aufschiebende Wirkung, weil mit den Bescheiden eine Beitragspflicht des Beschwerdeführers festgestellt und die daraus
resultierende Zahlungspflicht festgesetzt wurde.
Da der Gesetzgeber im vorliegenden Fall die sofortige Vollziehbarkeit unmittelbar durch Gesetz angeordnet hat, besteht nur
Anlass davon abzuweichen, wenn ein überwiegendes Interesse des durch den Verwaltungsakt Belasteten feststellbar ist. Bei der
Interessenabwägung ist insbesondere auf die Erfolgsaussichten der Klage abzustellen. Entsprechend der Regelung des §
86 a Abs.
3 Satz 2
SGG soll die Anordnung der aufschiebenden Wirkung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes
bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche
Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit in dem Sinne, dass ein Klageerfolg wahrscheinlicher ist als ein Misserfolg, bestehen
hier insoweit, als die angefochtenen Bescheide bei der Beitragsfestsetzung die Gefahrtarifklasse 100 (Bauwerksbau) zu Grunde
legen.
Der Beschwerdeführer unterliegt als in der Bauwirtschaft tätiger Unternehmer nach den Vorschriften des
Siebten Buches Sozialgesetzbuch der Beitragspflicht. Streitig ist allein der Zeitpunkt, ab dem im Rahmen der Beitragsfestsetzung die Veranlagung des Unternehmens
auf die Gefahrtarifstelle 200 zu ändern ist. Es spricht alles dafür, dass die Beschwerdegegnerin sich nicht auf die Bestandskraft
des Veranlagungsbescheides vom 25. November 2011 berufen und diesen der Beitragserhebung zu Grunde legen kann. Rechtsgrundlage
für den Veranlagungsbescheid vom 25. November 2011 ist §
159 Abs.
1 S. 1
SGB VII, nach dem der Unfallversicherungsträger die Unternehmen für die Tarifzeit nach dem Gefahrtarif zu Gefahrklassen veranlagt.
Ausgehend hiervon ist die Beschwerdegegnerin aller Voraussicht nach gehalten, den Beschwerdeführer ab dem 1. Januar 2012 und
nicht erst ab dem 1. März 2013 zur Gefahrtarifklasse 200 (Bauausbau) zu veranlagen. Vom Tatsächlichen her entspricht dies
dem Ergebnis der Betriebsprüfung vom 25. Juni 2013. Die Beschwerdegegnerin hat mit Änderungsbescheiden vom 27. Juni 2013 mit
Wirkung ab 1. März 2013 die Veranlagung entsprechend geändert und die Beitragsbescheide angepasst. Soweit die Beschwerdegegnerin
der Auffassung ist, dass eine Änderung der Veranlagung für Zeiten vor dem 1. März 2013 wegen der Regelung des §
160 Abs.
2 Nr.
2 SGB VII ausscheidet, weil die Veranlagung zu einer zu hohen Gefahrklasse vom Beschwerdeführer zu vertreten sei, übersieht sie, dass
die Anwendung des §
160 SGB VII voraussetzt, dass der Veranlagungsbescheid bestandskräftig ist. Von einer Bestandskraft des Veranlagungsbescheides kann entgegen
den Ausführungen der Beschwerdegegnerin in ihrem Widerspruchsbescheid vom 18. Juli 2013 nicht ausgegangen werden. Die Frist
für die Einlegung eines Widerspruchs beginnt nach §
84 Abs.
1 SGG mit der Bekanntgabe des Verwaltungsaktes. Erfolgt die Bekanntgabe wie hier mit einfachem Brief, so gilt der Verwaltungsakt
nach § 37 Abs. 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch SGB X mit dem dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekanntgegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen
ist. Diese Zugangsfiktion greift aber nur ein, wenn der Tag der Aufgabe zur Post in den Behördenakten vermerkt wurde. Ein
entsprechender Abvermerk ist im Verwaltungsvorgang nicht vorhanden. In einem solchen Fall reicht grundsätzlich das einfache
Bestreiten des Zugangs aus und die Beschwerdegegnerin muss den Zugang beweisen, was bislang nicht gelungen ist. Der Widerspruch
des Klägers gegen den Veranlagungsbescheid vom 25. November 2011 am 30. April 2013 ist daher aller Voraussicht nach rechtzeitig.
Soweit die Beschwerdegegnerin in ihrem Widerspruchsbescheid vom 18. Juli 2013 ausführt, dass sie davon ausgehe, dass der Beschwerdeführer
den Veranlagungsbescheid vom 25. November 2011 erhalten habe, weil er das wenige Tage zuvor versandte Lohnnachweisformular
für 2011 erhalten und am 6. Januar 2012 ausgefüllt zurückgeschickt habe, überzeugt dies nicht.
Grundsätzlich kann sich aus sonstigen Umständen ergeben, dass ein Adressat einen Bescheid erhalten hat. Dabei sind die Umstände
des Einzelfalles zu würdigen (Pattar in Juris-PK, § 37 SGB X Rn. 101 ff.). Aus dem Erhalt der Lohnachweisformulare für die Jahre 2011 und 2012 (dokumentiert durch deren Rücksendung)
kann aber nicht der Schluss gezogen werden, dass der Beschwerdeführer den Veranlagungsbescheid vom 25. November 2011 tatsächlich
erhalten hat. Dies rechtfertigt allenfalls den Schluss, dass Briefe an den Beschwerdeführer unter der angegebenen Adresse
diesen damals tatsächlich erreichten und nicht zum Beispiel als unzustellbar zurückkamen. Mangels Abvermerk im Verwaltungsvorgang
kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass der Bescheid vom 25. November 2011 aufgrund eines internen Fehlers zum Beispiel
erst gar nicht zur Post gegeben wurde oder auf dem Postweg verlorengegangen ist. Jedenfalls kann die Beschwerdegegnerin den
ihr obliegenden Vollbeweis eines Zugangs nicht führen.
Aus der Tatsache, dass in den Lohnnachweisformularen die Gefahrtarifklasse nachrichtlich wiedergegeben war, folgt nichts anderes.
Daraus kann nicht zwingend hergeleitet werden, dass der Beschwerdeführer Kenntnis von dem Veranlagungsbescheid vom 25. November
2011 hatte. Auch aus der Vornahme der handschriftlichen Änderungen hinsichtlich der Gefahrtarifklasse im Lohnachweisformular
für das Jahr 2012 folgt nur, dass der Beschwerdeführer um die Bedeutung der Gefahrtarifklassen für die Beitragsfestsetzung
wusste. Eine zwingende Kenntnis des Bescheides vom 25. November 2011 lässt sich damit nicht begründen. Daraus folgt, dass
mangels Bekanntgabe des Bescheides weder die Frist des §
84 SGG noch die Jahresfrist des §
66 Abs.
2 SGG in Lauf gesetzt wurde. Der Widerspruch am 30. April 2013 war daher nicht verfristet und die Beschwerdegegnerin hätte die
Veranlagung zur Gefahrtarifklasse an das Ergebnis der Betriebsprüfung vom 25. Juni 2013 anpassen und die Beitragsbescheide
entsprechend ändern müssen.
Daher kann es offenbleiben, ob die Beschwerdegegnerin nicht auch deshalb die Veranlagung mit Wirkung ab dem 1. Januar 2012
hätte ändern müssen, da sie mit Bescheid vom 27. Juni 2013 wörtlich ausgeführt hat "der Bescheid vom 25.11.2011 wird aufgehoben"
und dies möglicherweise im Sinne einer vollständigen Aufhebung zu verstehen ist. Hingegen lautet die Überschrift des Bescheides
"Änderung der Veranlagung" und aus der Begründung des Bescheides folgt, dass eine Änderung erst ab dem 1. März 2013 erfolgen
soll. Angesichts dessen ist es erörterungswürdig, ob der Bescheid vom 25. Juni 2013 nicht so auszulegen ist, dass die Veranlagung
zu einer Gefahrtarifklasse ab 1. Januar 2012 unter vollständiger Aufhebung des Veranlagungsbescheides vom 25. November 2011
neu geregelt wurde. Hierbei ist zu beachten, dass bei der Auslegung eines Verwaltungsaktes Unklarheiten zu Lasten der Beschwerdegegnerin
gehen.
Demgegenüber hat die Beschwerde insoweit keinen Erfolg, als der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer die Anordnung der aufschiebenden
Wirkung seiner Klage in vollem Umfang und nicht der Höhe nach begrenzt auf die durch die Veranlagung entstehenden höheren
Beiträge begehrt. Die Beitragsbescheide sind offensichtlich insoweit rechtmäßig, als sie durch die Heranziehung der Gefahrtarifklasse
200 (Bauausbau) gerechtfertigt sind. Hinsichtlich der sich daraus ergebenden Höhe der Beitragsforderung wird auf die mit Schriftsatz
vom 17. Dezember 2013 vorgelegte Differenzberechnung der Beschwerdegegnerin Bezug genommen.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren konnte nach §
73 a SGG in Verbindung mit §
114 ff. der
Zivilprozessordnung (
ZPO) keinen Erfolg haben. Soweit der Beschwerdeführer unterlegen ist, war der Antrag bereits mangels Erfolgsaussicht abzulehnen.
Hinsichtlich des obsiegenden Teils des Rechtsstreits hat der Beschwerdeführer entgegen §
118 ZPO seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht glaubhaft dargelegt. Ausweislich der vorgelegten betriebswirtschaftlichen
Auswertung erzielt der Beschwerdeführer seit Oktober 2013 keine Einnahmen mehr, davor waren die Einkünfte im Jahr 2013 voraussichtlich
negativ und er hat auch keine sonstigen Einkünfte angegeben. Seine Lebensgefährtin bezieht Arbeitslosengeld I. Dies reicht
der Höhe nach nur aus, um Miete und Nebenkosten zu decken. Wovon der Unterhalt für vier Personen (einschließlich der zwei
Kinder seiner Lebensgefährtin) bestritten wird, bleibt offen. Angaben darüber, ob das volljährige Kind seiner Lebensgefährtin
eigene Einkünfte hat, fehlen ebenso. Erstinstanzlich fehlt es bislang an einer Entscheidung über den PKH-Antrag. Dies hat
das SG nachzuholen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
197 a Abs.
1 Satz 1
SGG in Verbindung mit §
154,155 der
Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO). Der Beschwerdeführer führt den Rechtsstreit nicht als Versicherter im Sinne des §
183 SGG, sondern er handelt als Unternehmer, der sich gegen eine Beitragsforderung wendet.
Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach §
86 b Abs.
1 Nr.
2 SGG ist grundsätzlich ein geringerer Streitwert als im Hauptsacheverfahren anzusetzen, weil es sich um eine vorläufige Regelung
ohne Vorwegnahme der Hauptsache handelt. Der Streitwert für das Hauptsacheverfahren ist nach § 52 Abs. 3 GKG die Höhe der in den Beitragsbescheiden bezifferten Geldleistung: 6.141,12 EUR + 763,33 EUR = 6.904,45 EUR. Hiervon ein Viertel
festzusetzen trägt dem vorläufigen Charakter des Verfahrens angemessen Rechnung. Nach § 63 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes (GKG) kann die erstinstanzliche Kostenfestsetzung von der Rechtsmittelinstanz von Amts wegen geändert werden, aber nicht ersetzt
werden. Daher hat der Senat den Streitwert allein für die Beschwerdeinstanz festgesetzt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
177 SGG).