Arzneimittelversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung
Berücksichtigung der Umsatzsteuer bei der Preisermittlung für in einem Krankenhaus hergestellte Arzneimittelzubereitungen
Rückzahlungsanspruch der Krankenkasse gegen das Krankenhaus nach rückwirkender Verneinung der Umsatzsteuerpflicht durch die
Steuerverwaltung
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über die Rückzahlung des auf Herstellungspauschalen entfallenden Anteils der für individuell hergestellte
Arzneimittelzubereitungen gezahlten Umsatzsteuer (USt).
Die klinikumseigene Apotheke (im Folgenden: Krankenhausapotheke) der Beklagten, Trägerin eines zur Versorgung Versicherter
zugelassenen Krankenhauses, stellte individuell für Versicherte der klagenden Krankenkasse (KK) Arzneimittelzubereitungen
her und gab sie an diese zur ambulanten Behandlung im Krankenhaus der Beklagten durch deren Krankenhausärzte ab. Als Berechnungsgrundlage
für die Arzneimittelzubereitungen diente eine zwischen der Beklagten und ua der Klägerin 2004 schriftlich abgeschlossene "Vereinbarung
gem. §
129a SGB V" (Arzneimittelpreisvereinbarung, im Folgenden: AMPV). §
5 AMPV sieht ergänzend zu den sonstigen Vergütungsbestandteilen für die Preisberechnung von Arzneimittelzubereitungen vor:
"(2) (...) + Herstellungspauschale i.H.v. 16 Euro (...) (3) Die gem. Abs. 2 ermittelten Beträge erhöhen sich um den jeweils
geltenden Mehrwertsteuersatz". Die Beklagte führte die von der Klägerin gezahlte USt an das Finanzamt (FA) ab. Das FA stimmte
der für das Jahr 2010 abgegebenen USt-Anmeldung zu (14.8.2012). Der BFH entschied mit Urteil vom 24.9.2014, dass die Abgabe
von Zytostatika durch die Krankenhausapotheke bei Abgabe zur ambulanten Behandlung der Patienten im Krankenhaus steuerfrei
ist. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) folgte dem für Arzneimittelzubereitungen auch für die Vergangenheit (Schreiben
vom 28.9.2016, III C 3 - S 7170/11/10004). Die Klägerin hat zunächst die Rückzahlung der von ihr 2010 für Zubereitungen abgerechneten
USt von 101 366 Euro nebst Zinsen begehrt (Klage vom 23.12.2014), die Zahlungsforderung aber danach auf 1319,36 Euro nebst
Zinsen beschränkt, den auf 434 Herstellungspauschalen gezahlten USt-Anteil. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 15.11.2016). Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen: Der Klägerin stehe
kein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zu. Die Beklagte habe die für die Arzneimittelzubereitungen gezahlte USt mit
Rechtsgrund erlangt. Die Beklagte sei aufgrund ihrer USt-Anmeldung umsatzsteuerpflichtig geworden und geblieben. Sie habe
gegenüber dem FA nicht auf den rückwirkenden Wegfall der USt-Pflicht hinwirken müssen. Das BMF-Schreiben habe nur die Möglichkeit,
nicht die Pflicht einer rückwirkenden Korrektur eröffnet. Eine solche Pflicht ergebe sich nicht aus der AMPV (Urteil vom 16.1.2018).
Die Klägerin rügt mit ihrer Revision die Verletzung der §§
280,
812 BGB sowie der Regelung des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs und des öffentlich-rechtlichen Schadensersatzanspruchs.
Das LSG habe die Ansprüche zu Unrecht verneint. Seit dem BMF-Schreiben sei auch nach Auffassung der Steuerverwaltung die Abgabe
von Arzneimittelzubereitungen nicht umsatzsteuerpflichtig. Dies müsse die Beklagte gegen sich gelten lassen.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16. Januar 2018 und des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15. November
2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin 1319,36 Euro nebst Zinsen hierauf von fünf Prozentpunkten über
dem jeweiligen Basiszinssatz seit 23. Dezember 2014 zu zahlen, hilfsweise, das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg
vom 16. Januar 2018 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Sie sei dennoch bereit, den Anspruch zu erfüllen und die Verfahrenskosten
zu übernehmen und habe Zahlung geleistet.
II
Die zulässige Revision der klagenden KK ist überwiegend begründet (§
170 Abs
2 S 1
SGG). Der erkennende Senat ist durch die Erklärungen der Beklagten nicht an einer Entscheidung durch begründetes Sachurteil gehindert
(dazu 1.). Die vorinstanzlichen Urteile sind abzuändern. Zu Unrecht hat das LSG die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende
SG-Urteil in vollem Umfang zurückgewiesen. Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch darauf, ihr 1319,36 Euro nebst Zinsen
hierauf zu zahlen. Der Zahlungsanspruch beruht entweder auf vertraglicher Rückzahlungspflicht gemäß ergänzender Vertragsauslegung
(dazu 2.) oder auf vertraglicher Schadensersatzpflicht (dazu 3.), ohne dass die Einreden der Beklagten durchgreifen (dazu
4.). Die Beklagte hat Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz erst seit 21.10.2016 zu zahlen,
nicht bereits für die Zeit vom 23.12.2014 bis 20.10.2016 (dazu 5.).
1. Der erkennende Senat ist trotz der Erklärungen der Beklagten im Revisionsverfahren nicht gehindert, durch begründetes Sachurteil
und nicht etwa nur durch bloßes Anerkenntnisurteil zu entscheiden.
Ein Anerkenntnisurteil ergeht im Revisionsverfahren nur auf gesonderten Antrag des Klägers (vgl §
555 Abs
3 ZPO idF durch Art 1 Nr 18 Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10.10.2013 mWv 1.1.2014, BGBl I 3786 iVm §
202 S 1
SGG idF durch Art 9 Gesetz zur Einführung einer zivilprozessualen Musterfeststellungsklage vom 12.7.2018, BGBl I 1151 mWv 1.11.2018). Erklärt
ein Beklagter erst in der Revisionsinstanz, den Anspruch anzuerkennen, kann der Kläger wählen, ob der Rechtsstreit durch Anerkenntnisurteil
oder durch streitige Entscheidung mit Begründung beendet wird. Die Regelung bringt die auch in der Revisionsinstanz geltende
Dispositionsmaxime mit dem öffentlichen Interesse an der Klärung von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung, der Wahrung
der Rechtseinheit und der Fortbildung des Rechts in ein neues, ausgewogenes Verhältnis. Ein Beklagter kann Grundsatzentscheidungen
des Revisionsgerichts nicht dadurch verhindern, dass er den klägerischen Anspruch anerkennt (vgl Beschlussempfehlung und Bericht
des Rechtsausschusses zu den Entwürfen eines Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs der BReg und des Bundesrats,
BT-Drucks 17/13948 S 35 zu Nr 18 - neu - [§ 555
ZPO-E]). Die Regelung gilt nach allen Auslegungsmethoden in Revisionsverfahren für alle, nicht nur für in der mündlichen Verhandlung
erklärte Anerkenntnisse (aA Winter, NJW 2014, 267, 268 f; Koch in Saenger,
ZPO, 8. Aufl 2019, § 555 RdNr 1). Sie ist in Revisionsverfahren beim BSG entsprechend anzuwenden (vgl BSG Urteil vom 18.12.2018 - B 1 KR 31/17 R - Juris RdNr 8, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).
Die Beklagte hat im Revisionsverfahren ausdrücklich kein Anerkenntnis erklärt (zur Rechtsnatur als Prozesserklärung vgl BSGE
119, 293 = SozR 4-1500 § 101 Nr 2, RdNr 10 ff). Die Erklärungen der Beklagten, den Anspruch zu erfüllen, die Verfahrenskosten zu tragen
und 2355,60 Euro auf ein Bankkonto der Klägerin überwiesen zu haben, ohne hiermit ein Anerkenntnis nach §
101 SGG zu erklären, sollen vor dem Hintergrund der entsprechenden Anwendung des §
555 Abs
3 ZPO gemäß §
202 S 1
SGG gerade die Erklärung eines Anerkenntnisses vermeiden. Sie beseitigen weder das Rechtsschutzinteresse der Klägerin an der
Revision (vgl dazu Hauck in Hennig,
SGG, Stand März 2019, §
160 RdNr 24 mwN) noch an der Klage. Sie beschränken sich auf den materiell-rechtlichen Einwand, den eingeklagten Zahlungsanspruch
einschließlich des erwarteten Anspruchs der Klägerin auf Begleichung der Verfahrenskosten erfüllt zu haben.
Das Revisionsgericht ist nicht gehalten, neuem Tatsachenvortrag der Beklagten zur Erfüllung der Klageforderung im Revisionsverfahren
nachzugehen. Das BSG ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in Bezug auf diese Feststellungen
zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind (vgl §
163 SGG). Die Regelung bewirkt für das BSG das grundsätzliche Verbot, selbst Tatsachen festzustellen (vgl Hauck in Zeihe,
SGG, Stand Oktober 2018, §
163 Anm 1e). Einer der Ausnahmefälle vom Verbot (vgl Hauck in Zeihe,
SGG, Stand Oktober 2018, §
163 Anm 4 und 5) liegt nicht vor. Sollte die Beklagte tatsächlich den Anspruch der Klägerin erfüllt haben, wird die Klägerin
aus dem Urteil nicht vollstrecken. Andernfalls kann sich die Beklagte dagegen durch den Nachweis der Erfüllung wehren.
Die Klägerin kann ihr Begehren mit der von ihr erhobenen (echten) Leistungsklage im hier bestehenden Gleichordnungsverhältnis
zulässigerweise geltend machen (stRspr; vgl zB BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 9 mwN; BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 12). Die Klage ist auch im Übrigen zulässig.
2. Der Anspruch beruht für den Fall, dass die maßgeblichen USt-Verwaltungsakte (USt-VAe) und USt-Anmeldungen zumindest noch
am 20.10.2016 nicht bestandskräftig, sondern abänderbar waren, auf einer vertraglichen, sich aus ergänzender Vertragsauslegung
ergebenden Rückzahlungspflicht.
a) Der Zahlungsanspruch der Klägerin richtet sich gegen die Beklagte als Vertragspartnerin, obwohl die Klägerin den Zahlbetrag
an das Abrechnungszentrum als Zessionar (Abtretungsempfänger) der vermeintlichen Vergütungsforderung zahlte. Das Abrechnungszentrum
durfte im Rahmen des §
300 Abs
2 und Abs
3 SGB V tätig werden (anders der Fall in BSGE 102, 134 = SozR 4-2500 § 295 Nr 2) und sich in diesem Rahmen die Ansprüche der Beklagten im Wege des unechten Factorings abtreten
lassen. Hierbei verbleibt das Ausfallrisiko bei dem ursprünglichen Forderungsinhaber (vgl zB BGH Urteil vom 21.3.2018 - VIII ZR 17/17 - NJW 2018, 2254 RdNr 36; BGHZ 58, 364; aA Porten, KH 2015, 568, 569 ff). Rechtsstreitigkeiten über Berechtigung und Umfang der Forderung sind auch unter Berücksichtigung der Vorgaben des
Datenschutzes des SGB zwischen der KK und dem Rechtsträger der Krankenhausapotheke zu führen. Das sieht im Ergebnis auch der
allseits bekannte Vertrag zwischen Beklagter und dem Rechenzentrum vor. Es entspricht im Ergebnis auch der Rspr des BGH zum
Bereicherungsausgleich zwischen dem (vermeintlichen) Schuldner und dem Zedenten (stRspr; vgl zB BGH Urteil vom 6.7.2012 -
V ZR 268/11 - Juris RdNr 7 mwN = NJW 2012, 3373; BGH Urteil vom 26.1.2006 - I ZR 89/03 - Juris RdNr 13 mwN = NJW 2006, 1731; BGH Urteil vom 19.1.2005 - VIII ZR 173/03 - Juris RdNr 8 mwN = NJW 2005, 1369; grundlegend BGHZ 105, 365, 369 ff). Der sachliche Grund bei einer insoweit vorzunehmenden bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung liegt darin, dass
in dem zwischen ihnen bestehenden Rechtsverhältnis der angenommene Rechtsgrund für die vermeintlich geschuldete Zahlung zu
sehen ist.
b) Die Beteiligten schlossen mit der AMPV wirksam einen Vertrag nach §
129a SGB V (eingefügt in das
SGB V durch Art 1 Nr 93 Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung [GKV-Modernisierungsgesetz - GMG)] vom 14.11.2003, BGBl
I 2190, mWv 1.1.2004; S 4 eingefügt durch Art 15 Nr 9 Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften
vom 17.7.2009, BGBI I 1990, mWv 23.7.2009). Die AMPV begründet den streitigen Rückzahlungsanspruch bei Abänderbarkeit der
maßgeblichen USt-VAe und -Anmeldungen zumindest noch am 20.10.2016. Die AMPV berechtigt die Krankenhausapotheke der Beklagten
(§ 2 Abs 2 S 2 AMPV), für Versicherte der vertragschließenden KKn unter den Voraussetzungen des §
31 Abs
1 SGB V (§
2 Abs
1 S 1 AMPV) ärztlich verordnete (§
3 Abs 1 AMPV) "Arzneimittel zur unmittelbaren Anwendung in Ambulanzen des Krankenhauses und an ermächtigte Krankenhausärzte"
abzugeben (§ 1 Abs 1 S 1 AMPV) und hierfür nach Maßgabe der Preisvereinbarung (§ 5 AMPV) und des Abrechenmodus (§ 4 AMPV)
Vergütung zu erhalten. Die Krankenhausapotheke der Beklagten darf aufgrund der AMPV anstelle einer Offizinapotheke bei ambulanter
Behandlung Versicherter im Krankenhaus durch Krankenhausärzte Arzneimittel zu Lasten der KKn dieser Versicherten abgeben,
da sie über eine apothekenrechtliche Betriebserlaubnis verfügt (vgl § 14 Abs 1 S 1 Gesetz über das Apothekenwesen - Apothekengesetz [ApoG] idF durch Art 1 Nr 2 Gesetz zur Änderung des ApoG vom 15.6.2005, BGBl I 1642 und § 14 Abs 7 S 2 ApoG idF durch Art 16a Gesetz zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung [Pflege-Weiterentwicklungsgesetz] vom 28.5.2008, BGBl I
874; zur Notwendigkeit einer Vereinbarung nach §
129a SGB V für eine Krankenhausapotheke, um außerhalb der stationären Krankenhausleistungen iS von § 2 Abs 1 S 1 Krankenhausentgeltgesetz Arzneimittel an Versicherte abzugeben und abzurechnen vgl zB Axer in Becker/Kingreen,
SGB V, 6. Aufl 2018, §
129a RdNr 1; wohl auch: von Dewitz in Beck-OK Sozialrecht, Stand Dezember 2018, §
129a SGB V RdNr 7; Wesser in Kieser/Wesser/Saalfrank, ApoG, Stand Mai 2017, § 14 RdNr 99).
c) Der vertragliche Rückzahlungsanspruch der Klägerin entstand mit der amtlichen Veröffentlichung des Schreibens des BMF vom
28.9.2016 (mit dem Betreff: USt-Befreiung nach § 4 Nr 14 Buchst b UStG - Abgabe von Zytostatika im Rahmen ambulanter Krebstherapien; BFH Urteil vom 24.9.2014 - V R 19/1; BMF-Az: III C 3 - S 7170/11/10004;
im Folgenden BMF-Schreiben vom 28.9.2016, veröffentlicht im BStBl I 2016, Nr 18 vom 20.10.2016, S 1043) am 20.10.2016 in Höhe
von 1319,36 Euro, wenn die maßgeblichen USt-Bescheide oder -Anmeldungen zu diesem Zeitpunkt nach den Regelungen der §§
164,
168 ff
AO zumindest noch abänderbar waren. Dies folgt aus der ergänzenden Auslegung der AMPV. Danach steht den vertragschließenden
KKn wie der Klägerin gegen die Beklagte ein vertraglicher Anspruch auf Rückzahlung zu Unrecht gezahlter USt zu, soweit die
Steuerverwaltung ihre Auffassung über die von ihr bejahte USt-Pflicht für von der AMPV erfasste Leistungen ändert und die
USt-Pflicht mit Rückwirkung verneint.
aa) Die Voraussetzungen einer ergänzenden Vertragsauslegung (§
157 BGB iVm §
69 Abs
1 S 3
SGB V idF durch Art 1 Nr
1e Buchst a Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung [GKV-OrgWG] vom
15.12.2008, BGBl I 2426) der AMPV sind erfüllt. Dieses im bürgerlichen Recht (§
157 BGB) entwickelte Auslegungsverfahren ist auch auf öffentlich-rechtliche Verträge wie die AMPV anwendbar (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 69 Nr 7 RdNr 24; BSG SozR 3-2500 § 39 Nr 4 S 18 f mwN = Juris RdNr 22). Die ergänzende Vertragsauslegung setzt eine Regelungslücke, eine planwidrige Unvollständigkeit
der Bestimmungen des Rechtsgeschäfts voraus (stRspr; BGHZ 9, 273, 277 f mwN auch zur Rspr des Reichsgerichts; BGHZ 40, 91, 103; BGHZ 90, 69, 73 f; BGH Urteil vom 11.1.2012 - XII ZR 40/10 - NJW 2012, 844 RdNr 24 = Juris RdNr 24). So liegt es, wenn der Vertrag eine Bestimmung vermissen lässt, die erforderlich ist, um den ihm
zugrunde liegenden Regelungsplan der Parteien zu verwirklichen, wenn mithin ohne Vervollständigung des Vertrags eine angemessene,
interessengerechte Lösung nicht zu erzielen wäre (vgl BSGE 115, 40 = SozR 4-2500 § 302 Nr 1, RdNr 32; BGHZ 170, 311, RdNr 28 mwN; s ferner BGH Urteil vom 12.7.1989 - VIII ZR 297/88 - NJW 1990, 115, 116; BGH Urteil vom 13.5.1993 - IX ZR 166/92 - NJW 1993, 2935, 2937; BGH Urteil vom 11.1.2012 - XII ZR 40/10 - NJW 2012, 844, RdNr 24 = Juris RdNr 24). Soweit schon das anzuwendende Gesetzesrecht Regelungen zur Schließung der vertraglichen Lücke
bereithält, fehlt es an einer durch die ergänzende Vertragsauslegung zu schließenden Regelungslücke.
(1) Der erkennende Senat darf die AMPV selbst ergänzend auslegen. Das Revisionsgericht darf Willenserklärungen, auch öffentlich-rechtliche
Erklärungen einschließlich VAe, selbst auslegen, wenn das Vordergericht dies unterlassen hat und weitere Feststellungen nicht
mehr in Betracht kommen (vgl BSG SozR 4-2500 § 133 Nr 6 RdNr 36; BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 12). Ob es sich bei der AMPV zudem, wofür viel spricht, um einen sog "typischen" Vertrag handelt,
dessen Auslegung revisionsgerichtlich uneingeschränkt überprüfbar ist (vgl BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 59 RdNr 19), bedarf keiner weiteren Abklärung. Das LSG hat zwar angenommen, dass die Vertragsparteien in der AMPV eine
Nettopreisvereinbarung geregelt haben, die Möglichkeit einer ergänzenden Vertragsauslegung hingegen nicht auch nur erwogen.
(2) Die AMPV enthält eine qualifizierte Regelungslücke hinsichtlich der die Herstellungskosten betreffenden USt-Regelung.
§ 5 Abs 3 AMPV und die ihn ergänzende Fußnote 3 bedachte die zeitlich rückwirkende Änderung der maßgeblichen Rechtsauffassung
der Steuerverwaltung über die USt-Pflicht von Zubereitungen nicht und trifft hierfür auch keine ausdrückliche Regelung.
§ 5 Abs 3 AMPV mit Fußnote 3 bestimmt: "Die gem. Abs. 2 ermittelten Beträge erhöhen sich um den jeweils geltenden Mehrwertsteuersatz"
(§ 5 Abs 3 AMPV). "Ist die Abgabe durch die Krankenhausapotheke nicht umsatzsteuerpflichtig, so ist wegen der fehlenden Möglichkeit
des Vorsteuerabzugs die Umsatzsteuer fiktiv aufzuschlagen. Dies gilt nicht hinsichtlich der Herstellungspauschale" (Fußnote
3 zu § 5 Abs 3 AMPV). Die Beteiligten gingen davon aus, dass die Herstellungspauschale mit Blick auf den Vorsteuerabzug keine
Probleme bereiten werde, weil die Herstellungspauschale - ungeachtet der im Herstellungsprozess ergänzend zu den Zubereitungsbestandteilen,
Fertigarzneimitteln und Applikationshilfen ansonsten anfallenden umsatzsteuerpflichtigen Leistungen Dritter - im Wesentlichen
umsatzsteuerfreie Arbeitskosten abdeckt.
§ 5 Abs 3 AMPV mit Fußnote 3 regelt Preisbestandteile bei künftigen Änderungen der USt-Pflicht auf die betroffenen Arzneimittelzubereitungen:
Die gemäß § 5 Abs 2 AMPV ermittelten Beträge erhöhen sich um den jeweils geltenden Mehrwertsteuersatz. Besteht keine USt-Pflicht,
ist die USt grundsätzlich, abgesehen von der Herstellungspauschale, fiktiv aufzuschlagen. Für die Frage, welcher USt-Satz
jeweils gilt, darf der Unternehmer - hier die Beklagte - bei einer Nettopreisvereinbarung wie der AMPV die Rechtsauffassung
der Steuerverwaltung zugrunde legen, soweit der Vertrag nicht etwas Abweichendes regelt. Das gilt sowohl für die durch bindende
USt-VAe festgesetzte, von dem Unternehmer abzuführende USt als auch, wenn zwar eine Regelung des FA gegenüber dem Steuerschuldner
im Einzelfall nicht ergangen ist, der Steuerschuldner aber auch ohne eine solche formell bescheidmäßige Umsetzung einer unmissverständlichen
Rechtsauffassung der Steuerverwaltung folgt. Denn das Entscheidungsrecht über die Besteuerung liegt nach dem System der
AO ausschließlich bei der Steuerverwaltung. Nur diese trifft verbindliche Entscheidungen über die Steuerpflicht. Meinungsunterschiede
über Grund und Höhe der USt-Pflicht sind zwischen dem Unternehmer als Steuerschuldner und dem Steuerfiskus als Steuergläubiger,
notfalls vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit zu klären. Entscheidungen der Gerichte anderer Gerichtsbarkeiten - hier
der Sozialgerichtsbarkeit - im Verhältnis zwischen Unternehmer und Abnehmer entfalten in der öffentlich-rechtlichen Beziehung
zwischen Unternehmer und Steuerfiskus keine Bindungswirkung. Grundsätzlich ist dementsprechend die vom FA gegenüber dem Unternehmer
bindend getroffene Festsetzung der USt im Verhältnis zwischen Unternehmer und Abnehmer ebenfalls als verbindlich anzusehen
(vgl zum Ganzen BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 1 KR 7/08 R - Juris RdNr 16 ff mwN = USK 2009-4; s ferner BSGE 101, 137 = SozR 4-2500 § 69 Nr 6, RdNr 13). Eine Prozessführungslast des Unternehmers - hier der Beklagten - besteht nicht (vgl BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 1 KR 7/08 R - Juris RdNr 19 = USK 2009-4). Der Beklagten kann ohne vertragliche Verpflichtung nicht angesonnen werden, einen fremdnützigen
Rechtsstreit zu führen (vgl BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 1 KR 7/08 R - Juris RdNr 20 = USK 2009-4).
Die Vertragsparteien der AMPV haben nicht bedacht, was gelten soll, wenn die Steuerverwaltung bei den betroffenen Arzneimittelzubereitungen,
für die die Herstellungspauschale als Vergütungsbestandteil zu berücksichtigen ist, die USt-Pflicht abgerechneter und bezahlter
Leistungen nach der USt-Anmeldung im weiteren zeitlichen Verlauf anders als zuvor beurteilt. Für diesen Fall besteht keine
Klarheit darüber, was mit dem "jeweils geltenden Mehrwertsteuersatz" gemeint ist. So aber lag es hier. Nach der bei Abgabe
der USt-Anmeldung geltenden Erlasslage war von USt-Pflicht auch der Herstellungspauschale auszugehen. § 4 Nr 14 Buchst b UStG (idF durch Art 7 Nr 4 Buchst b Jahressteuergesetz 2009 [JStG 2009] vom 19.12.2008, BGBl I 2794, mWv 1.1.2009) regelt: "Von den unter § 1 Abs.
1 Nr. 1 fallenden Umsätzen sind steuerfrei: (...) 14. (...) b) Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen (...)
sowie damit eng verbundene Umsätze, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts erbracht werden. Die in Satz 1 bezeichneten
Leistungen sind auch steuerfrei, wenn sie von aa) zugelassenen Krankenhäusern nach §
108 des
Fünften Buches Sozialgesetzbuch (...) erbracht werden; (...)". Hierzu gab das BMF durch Abschn 100 Abs 3 Nr 4 Umsatzsteuerrichtlinie (UStR) 2008 der Steuerverwaltung vor: "Nicht zu den eng verbundenen Umsätzen gehören insbesondere (...) 4. die Abgabe von Medikamenten
zur unmittelbaren Anwendung durch ermächtigte Krankenhausambulanzen an Patienten während der ambulanten Behandlung sowie die
Abgabe von Medikamenten durch Krankenhausapotheken an Patienten im Rahmen der ambulanten Behandlung im Krankenhaus; (...)"
(s ferner Abschn 4.14.6 Abs 3 Nr 4 Umsatzsteuer-Anwendungserlass [UStAE], vom 1.10.2010, BStBl 2010 I 846).
Jedenfalls mit dem 20.10.2016 änderte sich die Erlasslage. Der BFH entschied - von den Vertragsparteien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses
(2004) nicht vorhergesehen - mit Urteil vom 24.9.2014 (V R 19/11 - BFHE 247, 369 = BStBl II 2016, 781) für die Streitjahre 2005 und 2006 zu § 4 Nr 16 Buchst b UStG - soweit hier von Belang ohne inhaltliche Änderung zu § 4 Nr 14 Buchst b UStG idF des JStG 2009 -, dass die Verabreichung von Zytostatika im Rahmen einer ambulant in einem Krankenhaus durchgeführten ärztlichen Heilbehandlung,
die dort individuell für den einzelnen Patienten in einer Apotheke dieses Krankenhauses hergestellt werden, als ein mit der
ärztlichen Heilbehandlung eng verbundener Umsatz - abweichend von Abschn 100 Abs 3 Nr 4 UStR 2005 und Abschn 4.14.6 Abs 3 Nr 4 UStAE - steuerfrei ist. Ebenfalls von den Vertragsparteien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses (2004) nicht vorhergesehen änderte
das BMF-Schreiben vom 28.9.2016 den Abschn 4.14.6 UStAE (BStBl I 2016, Nr 18 vom 20.10.2016, S 1043) und fügte in den dortigen Abs 2 eine neue Nr 3 ein: (2) (...) können zu den
eng verbundenen Umsätzen gehören: (...) "3. die Abgabe von individuell für den einzelnen Patienten in einer Apotheke des Krankenhauses
hergestellten Arzneimitteln, wenn diese im Rahmen einer ambulant in den Räumen dieses Krankenhauses durchgeführten Heilbehandlung
verwendet werden; auf die sozialrechtliche Ermächtigungsform für die ambulante Heilbehandlung kommt es nicht an (...)". Für
Umsätze, die vor dem 1.4.2017 ausgeführt worden sind, sieht das BMF-Schreiben vor, dass der Unternehmer seine Leistungen abweichend
von Abschn 4.14.6 Abs 2 Nr 3 UStAE dem allgemeinen Steuersatz unterwerfen und insoweit aus den damit zusammenhängenden Eingangsleistungen unter den weiteren
Voraussetzungen des § 15 UStG den Vorsteuerabzug geltend machen kann, wenn die Fälle noch "offen" sind. Die Beklagte konnte auf dieser Grundlage einen
Erstattungsanspruch für USt, die sie in der Vergangenheit für den Vergütungsbestandteil "Herstellungspauschale" gezahlt hatte,
gegen das FA in Höhe des streitgegenständlichen Betrags seit 20.10.2016, dem Tag der amtlichen Veröffentlichung des geänderten
Abschn 4.14.6 UStAE, risikolos geltend machen, soweit die USt-VAe und -Anmeldungen nicht bereits bestandskräftig waren.
(3) Die hieraus erwachsende Regelungslücke in § 5 Abs 3 AMPV mit Fußnote 3 lässt sich nicht durch dispositives oder sonstiges
Gesetzesrecht, insbesondere Steuerrecht schließen (vgl zum Vorrang vor ergänzender Vertragsauslegung zB BGH Urteil vom 20.2.2019
- VIII ZR 7/18 - Juris RdNr 47 mwN; BGHZ 170, 311, RdNr 29, dort zum Gesamtschuldverhältnis von Steuer- und Haftungsschuldner). So trifft das nach §
69 Abs
1 S 3
SGB V ergänzend zur AMPV anzuwendende dispositive Recht des Werklieferungsvertrags (§
650 BGB) keine spezifische Regelung. Ein einseitiges Preisbestimmungsrecht der Beklagten nach §
316 BGB scheidet wegen der Regelungen in § 5 AMPV von vornherein aus. Die Regelung über die Störung der Geschäftsgrundlage nach §
313 BGB ist gegenüber der ergänzenden Vertragsauslegung nachrangig (vgl BGH Urteil vom 20.2.2019 - VIII ZR 7/18 - Juris RdNr 45 mwN). Die Möglichkeit einer auch im öffentlich-rechtlichen Vertragsrecht anwendbaren Schadensersatzhaftung
(vgl §
280 BGB iVm §
69 Abs
1 S 3
SGB V und hierzu zB BSGE 115, 11 = SozR 4-2500 §
69 Nr 9, RdNr 12; BSGE 110, 104 = SozR 4-1300 § 112 Nr 1, RdNr 36) macht eine ergänzende Vertragsauslegung nicht entbehrlich. Auch aus dem UStG und der
AO lassen sich keine Regelungen entnehmen, die unmittelbar die Aufteilung des Risikos einer fehlerhaften Bewertung der USt-Pflicht
im Verhältnis zwischen dem die Lieferung erbringenden Unternehmer und dem Abnehmer seiner Lieferung regeln (vgl §§ 2, 3 UStG). Schließlich enthalten auch das BMF-Schreiben vom 28.9.2016 - ungeachtet der fehlenden außenwirksamen Normqualität norminterpretierender
Verwaltungsvorschriften (vgl BFH Urteil vom 16.9.2015 - XI R 27/13 - Juris RdNr 30 mwN = BFH/NV 2016, 252) - und die Verfügungssätze des USt-VA vom 14.8.2012 keine Regelung über die endgültige sozialrechtliche Zuweisung des Risikos
fehlerhafter Bewertung der USt-Pflicht und deren Rechtsfolgen.
bb) Nach der gebotenen ergänzenden Vertragsauslegung des § 5 Abs 3 AMPV mit Fußnote 3 hat die Klägerin wie die anderen am
Vertrag beteiligten KKn vertraglich Anspruch gegen die Beklagte auf Rückzahlung zu Unrecht gezahlter USt, wenn die Steuerverwaltung
ihre Rechtsauffassung zur zunächst bejahten USt-Pflicht von erbrachten Leistungen der Beklagten mit Wirkung für die Vergangenheit
klar verneint und die Beklagte ohne Prozess ihren Erstattungsanspruch (§
37 Abs
2 AO) gegen das FA wegen bereits gezahlter USt einfach und risikolos durchsetzen kann. Dies ist ihr in solchen Fällen angesichts
der grundsätzlichen Kostenfreiheit der Verfahren nach der
AO einschließlich des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens (§§
347 ff
AO) auch zumutbar. Voraussetzung dafür ist, dass noch keine Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung formell bestandskräftig
erfolgt ist, der Vorbehalt der Nachprüfung nicht formell bestandskräftig aufgehoben worden ist und die Festsetzungsfrist (§
169 AO) noch nicht abgelaufen ist (vgl §
164 Abs
1,
3 und
4 AO). Nur dann handelt es sich zudem um einen noch "offenen" Fall iS des BMF-Schreibens vom 28.9.2016 (dort unter V. Zeitlicher
Anwendungsbereich). Dass - wie oben dargelegt - die Rechtsauffassung der Steuerverwaltung zugrunde zu legen ist, soweit der
Vertrag nicht etwas Abweichendes regelt, muss auch im Fall rückwirkender Änderung der Rechtsauffassung der Steuerverwaltung
für die Beklagte im Sinne ausgewogener Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen gelten. Maßgeblicher Zeitpunkt ist die
Veröffentlichung der Rechtsauffassung der Steuerverwaltung in einem amtlichen Mitteilungsblatt, regelmäßig dem vom BMF herausgegebenen
BStBl.
Die ergänzende Vertragsauslegung von § 5 Abs 3 AMPV mit Fußnote 3 begründet nach dem Regelungsplan der AMPV eine vertragliche
Rückgewährpflicht, nicht nur einen vorbehaltsbehafteten, vorläufigen Rechtsgrund für die Erhebung und Abführung der USt. Die
AMPV ist ein zwischen professionellen Akteuren ausgehandelter Vertrag, denen der Vollzug des UStG und die damit verbundenen Probleme vor Augen standen. Das belegt gerade die Regelung in der Fußnote 3 zu § 5 Abs 3 AMPV.
In einem solchen Fall entspricht es dem Willen der Vertragsparteien, zu einer insgesamt vertraglichen Bewältigung der Regelungslücke
zu gelangen (anders zB die vom BGH mit Urteilen vom 20.2.2019 entschiedenen Fälle - VIII ZR 7/18, 66/18, 115/18 und 189/18 - jeweils Juris). Der Rückzahlungsanspruch entsteht mit Beginn der für die Beklagte ungefährdeten
Durchsetzungsmöglichkeit des Erstattungsanspruchs gegenüber dem FA, dem Tag der Veröffentlichung der entsprechenden Verwaltungsvorschrift
im BStBl. Ob die Beklagte tatsächlich den Erstattungsanspruch gegenüber dem FA geltend macht oder den Eintritt einer bestandskräftigen
Steuerfestsetzung zulässt, berührt die Fortexistenz des Rückzahlungsanspruchs nicht.
cc) Belastungen, die der Beklagten - und anderen Krankenhausträgern als Unternehmer - im Verhältnis zum FA im Zuge der Rückabwicklung
ggf entstehen, schließen den Rückzahlungsanspruch der Klägerin nicht aus. Die Vertragsparteien der AMPV regelten bei der Herstellungspauschale
im Gegensatz zu den anderen Vergütungsbestandteilen keinen Kompensationsmechanismus bei nicht bestehender USt-Pflicht. Dementsprechend
hat die Beklagte im Gegenzug für die Möglichkeit, bei den anderen Vergütungsbestandteilen die fiktive Mehrwertsteuer anzusetzen,
demgegenüber im Falle der Herstellungspauschale mögliche wirtschaftliche Belastungen allein zu tragen. Sie kann diese auch
nicht teilweise auf die Klägerin und die anderen KKn abwälzen (vgl auch für weitere Konstellationen bezogen auf einen Bereicherungsanspruch
BGH Urteil vom 20.2.2019 - VIII ZR 7/18 - Juris RdNr 66 ff).
Eine den Rückzahlungsanspruch mindernde Berücksichtigung von Vorsteuerbeträgen scheidet bei der Herstellungspauschale nach
dem Regelungsplan der AMPV aus. Die AMPV trägt, wie oben ausgeführt, zugunsten der Beklagten der Berücksichtigung von Vorsteuerbeträgen
für den Fall der USt-Befreiung durch die Fiktion der USt-Pflicht Rechnung, schließt dies aber für die Herstellungspauschale
gerade aus. Die Herstellungspauschale deckt hingegen - ganz überwiegend - das nicht umsatzsteuerpflichtige anteilige Arbeitsentgelt
ab, das die Beklagte für die zur Herstellung der Arzneimittelzubereitung in Krankenhausapotheken herangezogenen Beschäftigten
aufwenden muss.
Ein besonderes mit § 14c UStG verbundenes Zinsproblem bei Ausweisung der USt in den Abrechnungen bei der Rückabwicklung stellt sich nicht (näher dazu vgl
nur BGH Urteil vom 20.2.2019 - VIII ZR 115/18 - Juris RdNr 79 ff). Die durch das Abrechnungszentrum der Beklagten erstellten Rechnungen enthielten nach den unangegriffenen,
den Senat bindenden (§
163 SGG) Feststellungen des LSG Bruttobeträge ohne gesonderten Ausweis der auf sämtliche Leistungsbestandteile einschließlich der
Herstellungspauschalen berechneten USt. Ungeachtet dessen könnte die Beklagte der Klägerin schon deswegen nicht entgegenhalten,
dass die ergänzende Vertragsauslegung für diesen Fall kein Rückzahlungsanspruch vorsehen könne, weil § 4 Abs 2 Buchst c und
d AMPV ausdrücklich vorgibt, dass die Abrechnung (nur) den Bruttopreis je verordnetem Mittel (Buchst c) und das Gesamt-Brutto
(Buchst d) enthalten soll. Soweit dabei der Beklagten oder einem von ihr beauftragten Abrechnungszentrum Fehler unterlaufen,
die im Verhältnis zum FA zu einer (größeren) finanziellen Belastung der Beklagten führen können, kann dies der Klägerin nicht
entgegengehalten werden. Vielmehr sind eventuelle Fehler der Erfüllungsgehilfen der Beklagten letzterer zuzurechnen.
3. Waren USt-VAe und -Anmeldungen für die betroffenen Herstellungspauschalen schon vor dem 20.10.2016 bestandskräftig und
nicht mehr nach §§
164,
168 ff
AO abänderbar, beruht der Anspruch der Klägerin auf einem Schadensersatzanspruch nach §
69 Abs
1 S 3
SGB V iVm §
280 Abs
1 BGB (zu dessen grundsätzlicher Anwendbarkeit vgl BSGE 115, 11 = SozR 4-2500 §
69 Nr 9, RdNr 9). Danach kann der Gläubiger, wenn der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt, Ersatz des hierdurch
entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Die Beklagte
haftet in diesem Fall im Umfang des vertraglichen Rückzahlungsanspruchs auf Schadensersatz, denn sie hat es zu vertreten,
dass die USt-VAe und -Anmeldungen pflichtwidrig schon vor dem 20.10.2016 bestandskräftig wurden. Der Fristablauf für die Festsetzung
lag in dieser Variante jedenfalls nach der Veröffentlichung des Urteils des BFH vom 24.9.2014.
a) Es kommt denkmöglich nach den unangegriffenen, den Senat bindenden, aber unvollständigen Feststellungen (§
163 SGG) des LSG in Betracht, dass die USt-Anmeldung für das Jahr 2009 am 20.10.2016 nicht mehr abänderbar war und auch streitgegenständliche
Umsätze umfasste. Das LSG hat zwar festgestellt, dass die Beklagte die USt-Anmeldung für das Jahr 2010 am 25.2.2012 abgegeben
hatte. In diesem Fall lief die Festsetzungsfrist erst am 31.12.2016 ab, die USt-Anmeldung war im Zeitpunkt der Veröffentlichung
des BMF-Schreibens noch abänderbar (§
164 AO). Die Festsetzungsfrist beträgt für die USt vier Jahre (vgl §
169 Abs
2 S 1 Nr
2 AO). Die Frist beginnt erst mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steueranmeldung eingereicht wird, spätestens jedoch mit
Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist (§
170 Abs
2 S 1 Nr
1 AO), es sei denn, dass die Festsetzungsfrist nach §
170 Abs
1 AO später beginnt. Umfasste auch die USt-Anmeldung für das Jahr 2009 streitgegenständliche Umsätze, fehlt es an Feststellungen
des LSG dazu, wann die Beklagte diese USt-Anmeldung einreichte. Es ist möglich, dass die Beklagte die USt-Anmeldung für das
Jahr 2009 entsprechend §
149 Abs
3 Nr
4 AO jedenfalls 2010 oder 2011 einreichte und die Festsetzungsfrist hierfür 2014 oder 2015 ablief, ohne dass die Beklagte Einspruch
einlegte.
Der erkennende Senat kann nicht ausschließen, dass einzelne der streitbefangenen Umsätze noch dem Jahr 2009 zuzuordnen sind.
Das LSG hat keine Feststellungen dazu getroffen, dass die USt-Anmeldung für das Jahr 2010 alle 434 streitgegenständlichen
Arzneimittelzubereitungen erfasste und die USt-Anmeldung für das Jahr 2009 keine streitgegenständlichen Arzneimittelzubereitungen
umfassten. Die Klägerin führt bei den 434 Behandlungsfällen auch solche aus dem Jahr 2009 auf. Feststellungen des LSG zu den
Zahlungszeitpunkten fehlen.
b) Die Beklagte hatte unter der Voraussetzung, dass die USt-Anmeldung für das Jahr 2009 streitgegenständliche Arzneimittelzubereitungen
umfasste, ab Veröffentlichung des die Revision zulassenden Urteils des FG Münster zur Umsatzsteuerfreiheit der einschlägigen
Arzneimittelzubereitungen, jedenfalls aber spätestens nach der Veröffentlichung des Urteils des BFH vom 24.9.2014 die Nebenpflicht,
im Rahmen des Zumutbaren steuerrechtlich einen möglichen vertraglichen Rückzahlungsanspruch der Klägerin (vgl dazu oben II.
2.) abzusichern, um eine nach dem UStG nicht bestehende, aber durch die Vorgaben der Steuerverwaltung geschaffene rechtswidrige umsatzsteuerliche Belastung der
Klägerin abzuwenden. Zumutbar ist der Beklagten wie anderen Unternehmen in vergleichbarer Lage, verfahrensrechtliche Schritte
gegenüber dem FA einzuleiten, die über die aus dem Vertrag geschuldete Mühewaltung hinaus keine weiteren Kostenrisiken mit
sich bringen, wenn bei verständiger Würdigung die naheliegende Möglichkeit einer Änderung der Rechtsauffassung der Steuerverwaltung
besteht. Hiervon ist spätestens mit Veröffentlichung eines höchstrichterlichen Urteils auszugehen, das eine allgemeine Verwaltungsvorschrift
des BMF mit einschlägigen Vorgaben für die Steuerverwaltung als nicht mit geltendem Recht in Einklang stehend erachtet. In
solchen Fällen muss die Beklagte als Unternehmerin mit den Mitteln der
AO den Eintritt der Bestandskraft betroffener USt-VAe oder betroffener Steueranmeldungen - etwa mittels Einspruchs oder Antrags
auf Abänderung - verhindern. Dies ist ihr angesichts der grundsätzlichen Kostenfreiheit der Verfahren nach der
AO einschließlich der außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren zumutbar (§§
347 ff
AO).
c) Die Beklagte verletzte die aufgezeigte Nebenpflicht, wenn sie die einschlägigen USt-VAe und -Anmeldungen schon vor dem
20.10.2016 bestandskräftig werden ließ. Sie unterließ dann die ihr zumutbaren Sicherungsmaßnahmen. Denn ihr war es spätestens
mit Bekanntwerden des BFH Urteils vom 24.9.2014 (bereits vollständig abgedruckt zB in DStR 2014, 2505 [Heft 50 vom 12.12.2014] = BFHE 247, 369 = BStBl II 2016, 781) zumutbar, die Abänderbarkeit der einschlägigen USt-VAe und -Anmeldungen aufrechtzuerhalten. Das Urteil erachtet die durch
frühere Vorgaben der Steuerverwaltung geschaffene einschlägige umsatzsteuerliche Belastung (vgl oben) für rechtswidrig. Das
LSG hat keine Gründe festgestellt, warum die Beklagte die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Sie sind auch sonst nicht
ersichtlich. In diesem Falle haftet die Beklagte der Klägerin im Umfang des zunichte gemachten Rückzahlungsanspruchs für auf
streitgegenständliche Herstellungspauschalen gezahlte USt-Anteile, die endgültig festgesetzt sind. Der Schadensersatzanspruch
entstand mit der Bekanntgabe der rückwirkenden Änderung der Rechtsauffassung der Steuerverwaltung am 20.10.2016.
4. Der Anspruch der Klägerin ist weder durch die Regelung des § 7 Abs 1 AMPV ausgeschlossen noch ist er verjährt.
a) Nach § 7 Abs 1 AMPV können rechnerische oder sachliche Beanstandungen nur innerhalb einer Frist von zwölf Monaten nach
Ende des Monats, in dem die Rechnungsstellung erfolgte, geltend gemacht werden. Sowohl der sich aus der ergänzenden Vertragsauslegung
ergebende Rückzahlungsanspruch der Klägerin als auch ein Schadensersatzanspruch nach §
280 Abs
1 BGB iVm §
69 Abs
1 S 3
SGB V ist von vornherein dem Anwendungsbereich des §
7 Abs
1 AMPV entzogen. Die Regelung über die Beanstandungsfrist hat nur die rechnerische und sachliche Unrichtigkeit der Rechnung
im Zeitpunkt ihres Zugangs beim Adressaten zum Gegenstand. Spätere Änderungen der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse,
die eine zunächst sachlich und rechnerisch richtige Rechnung unrichtig werden lassen, unterfallen nicht der Beanstandungsfrist.
Dies folgt schon daraus, dass die vertragliche Regelung allein auf die Rechnungsstellung als solche abstellt und hieran den
Fristenlauf knüpft. Die Regelung sieht hingegen keine allgemeine Ausschlussfrist für jedwedes sich aus dem Vertrag ergebende
Recht vor, das erst später als zwölf Monate nach Ende des Monats entsteht, in dem die Rechnungsstellung erfolgte. Der Senat
weist nur ergänzend darauf hin, dass viel für die Nichtigkeit spräche, wenn § 7 Abs 1 AMPV eine Ausschlussregelung enthielte
für jedwedes sich aus dem Vertrag ergebende, erst später als zwölf Monate nach Rechnungslegung entstehende Recht (vgl BSGE
112, 156 = SozR 4-2500 § 114 Nr 1, RdNr 31 f).
b) Sowohl der vertragliche Rückzahlungs- als auch Schadensersatzanspruch der Klägerin ist nicht verjährt. Beide Ansprüche
unterliegen der kurzen vierjährigen Verjährungsfrist. Sie beginnt entsprechend §
45 Abs
1 SGB I nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Anspruch entstanden ist (vgl BSGE 119, 150 = SozR 4-5560 § 17c Nr 3, RdNr 44 mwN zur vierjährigen Verjährungsfrist auch im Anwendungsbereich des §
69 SGB V; BSG SozR 4-2500 § 69 Nr 10 RdNr 13 ff; unzutreffend 3. Kammer des SG Mainz, zB Urteil vom 11.1.2016 - S 3 KR 349/15 - Juris = KHE 2016/51, und 13. Kammer des SG Speyer, zB Urteil vom 16.2.2018 - S 13 KR 286/16 - Juris = MedR 2018, 832). Die Klägerin hat vor Fristablauf am 23.12.2014 Klage erhoben.
Keine Anwendung findet die Verjährungsregelung des §
109 Abs
5 SGB V (idF durch Art 7 Nr 8a Gesetz zur Stärkung des Pflegepersonals [Pflegepersonal-Stärkungsgesetz - PpSG] vom 11.12.2018, BGBl I 2394, mWv 1.1.2019).
Sie greift nicht für Ansprüche, die auf Verträgen nach §
129a SGB V beruhen. Verträge gemäß §
129a SGB V sind nicht Bestandteil des Versorgungsvertrags nach §
109 SGB V. Ungeachtet weiterer Hindernisse findet §
109 Abs
5 SGB V, der in seinem Satz 2 auch eine rückwirkende Anwendung vorsieht, schon deswegen keine Anwendung, weil die Klägerin die vor
dem 1.1.2017 entstandene Forderung bis zum 9.11.2018 (vgl §
325 SGB V) gerichtlich geltend gemacht hat, nämlich am 23.12.2014.
5. Die Klägerin hat Anspruch auf Prozesszinsen erst ab 21.10.2016, dem Tag nach der Entstehung des vertraglichen Rückzahlungs-
oder Schadensersatzanspruchs. Für die Rechtsbeziehungen der KKn zu den Krankenhäusern gelten die Zinsvorschriften des
BGB entsprechend, soweit nicht in Verträgen etwas anderes geregelt ist (stRspr; vgl zB BSG SozR 4-2500 § 69 Nr 7 RdNr 14 mwN; BSG SozR 4-7610 § 204 Nr 2 RdNr 24). Die AMPV sieht keine eigene Regelung zur Verzinsung von Ansprüchen vor. Eine Geldschuld hat der Schuldner
von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig,
so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen (§
291 S 1
BGB). Ist Rechtshängigkeit eingetreten, beginnt der Lauf des Zinsanspruchs in entsprechender Anwendung von §
187 Abs
1 BGB erst mit dem folgenden Tag (BGH Urteil vom 24.1.1990 - VIII ZR 296/88 - Juris RdNr 25 = NJW-RR 1990, 518, 519; BAG Urteil vom 15.11.2000 - 5 AZR 365/99 - BAGE 96, 228, 233 = AP Nr 7 zu §
4 MuSchG 1968 = Juris RdNr 23; BAG Urteil vom 30.10.2001 - 1 AZR 65/01 - BAGE 99, 266, 273 = AP Nr 145 zu § 112 BetrVG 1972 = Juris RdNr 37; BVerwG Urteil vom 4.12.2001 - 4 C 2.00 - BVerwGE 115, 274, 293 = Buchholz 406.27 § 31 BBerG Nr 2 = Juris RdNr 50; unklar BGH Urteil vom 25.1.2013 - V ZR 118/11 - Juris RdNr 23 = NJW-RR 2013, 825, RdNr 23; BVerwG Urteil vom 18.5.1973 - VII C 21/72 - NJW 1973, 1854, 1855; BVerwG Urteil vom 23.3.2017 - 9 C 1.16 - BVerwGE 158, 296, RdNr 13; OLG Düsseldorf Urteil vom 11.7.2017 - I-1 U 167/16, 1 U 167/16 - Juris RdNr 40). Der Zinsanspruch beträgt fünf Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 1319,36 Euro (§
291 iVm §
288 Abs
1 BGB).
6. Die Kostenentscheidung folgt aus §
197a Abs
1 S 1 Teils 3
SGG iVm §
155 Abs
1 S 1 und S 3
VwGO, diejenige über den Streitwert aus §
197a Abs
1 S 1 Teils 1
SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 3 sowie § 47 Abs 1 GKG. Die Kostenentscheidung berücksichtigt, dass die Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren nur zu einem ganz geringen Teil
unterlegen ist.