Versicherungspflicht in der Künstlersozialversicherung
Zugehörigkeit des Lektorenberufs zu den publizistischen Berufen
Kein genereller Ausschluss des Lektorats für wissenschaftliche Texte
Anforderungen an die Feststellung des Gesamtbildes einer gemischten Tätigkeit bei Berufsanfängern
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten um die Versicherungspflicht der Klägerin in der Künstlersozialversicherung (KSV) ab September 2011.
Die Klägerin ist examinierte Theologin und studierte zusätzlich Ethnologie und Soziologie. Sie sammelte Berufserfahrung ua
als Lektorin und Redakteurin bei einem Verlag sowie als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Lehrbeauftragte einer Universität,
bevor sie ab 26.9.2011 ihre Arbeitslosigkeit durch die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit beendete. Für diese Tätigkeit
erhielt sie einen monatlichen Gründungszuschuss von der Bundesagentur für Arbeit. Bei der beklagten Künstlersozialkasse (KSK)
meldete sie die selbstständige Tätigkeit als Publizistin an und beantragte die Feststellung ihrer Versicherungspflicht in
der KSV ab diesem Tag. Sie erklärte dazu, die Tätigkeit erstrecke sich auf die Bereiche Grafikdesign/Layout (etwa 5 %), Schriftstellerin
(etwa 10 %), wissenschaftliche Autorin (etwa 10 %), Lektorat und Übersetzungen von Literatur (etwa 70 %) und Lektorat/Übersetzungen
keine Literatur (bis zu 5 %).
Die Beklagte lehnte die Feststellung der Künstlersozialversicherungspflicht ab, weil es an der Erwerbsmäßigkeit der Tätigkeit
gemäß § 1 Nr 1 Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) fehle. Die Tätigkeit müsse auf die Erzielung von Einkommen zur Bestreitung des Lebensunterhalts gerichtet sein. Für das
Jahr 2011 habe die Klägerin lediglich Einkünfte für die Tätigkeiten "Indexierung" sowie "redaktionelle Unterstützung und Korrekturlesen"
nachgewiesen. Für das Jahr 2012 seien nur Einnahmen von 250 Euro für das Korrektorat und die Formatierung einer Masterarbeit
belegt. Orthographische und grammatikalische Korrekturen seien ebenso wenig publizistische Tätigkeiten iS des KSVG wie Bearbeitungen von Promotions- oder Habilitationsschriften (Bescheid vom 14.5.2012; Widerspruchsbescheid vom 13.8.2012).
Mit ihrer dagegen erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, aus der vorübergehenden, gesundheitsbedingten Auftragsflaute
im Frühjahr 2012 könne nicht auf das Fehlen einer erwerbsmäßig ausgeübten Tätigkeit geschlossen werden. In den Jahren 2013
und 2014 habe sie wieder überwiegend Einnahmen aus Übersetzung, Lektorat und Korrektorat erzielt. Aufgrund ihrer akademischen
Expertise und ihrer publizistischen Erfahrung habe sie sowohl bei ihren Übersetzungsarbeiten als auch bei ihren Lektoratsdienstleistungen
einen weiten Gestaltungsspielraum, sodass diese Tätigkeiten einschließlich der Erstellung eines Sachregisters für ein Fachbuch
publizistische Leistungen seien. Zudem sei sie als Autorin tätig und erwarte aus dieser Tätigkeit höhere Einnahmen.
Das SG hat die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufgehoben und festgestellt, dass die Klägerin seit dem 26.9.2011 als Publizistin
der Versicherungspflicht in der KSV unterliege. Lektoratsarbeiten gehörten zu den sog Katalogtätigkeiten des 1972 zum KSVG erstellten Autorenreports und daher grundsätzlich zu den publizistischen Tätigkeiten. Nach dem Urheberrecht stellten auch
die von der Klägerin vor allem ab Mitte 2012 bzw Anfang 2013 übernommenen Übersetzungsaufträge und Übersetzungslektorate wegen
des erforderlichen sprachlichen Einfühlungsvermögens und der stilistischen Fähigkeiten eigenschöpferische Leistungen und daher
auch publizistische Tätigkeiten dar. Als Berufsanfängerin stünden die geringen Einkünfte der Klägerin ihrer Versicherungspflicht
nach § 3 Abs 2 KSVG nicht entgegen. In den ersten acht Monaten in 2014 hätten die Einnahmen der Klägerin aus Lektoraten, Übersetzungen und Übersetzungslektoraten
die aus reinen Korrekturarbeiten deutlich überwogen (SG Urteil vom 15.7.2015).
Mit ihrer dagegen gerichteten Berufung ist die Beklagte vor dem LSG erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat ausgeführt,
das Gesamtbild der selbstständigen Tätigkeit der Klägerin werde durch publizistische Tätigkeiten geprägt, auch wenn die Drucksatz-/Layout-
und reinen Korrekturarbeiten nicht dazu zählten. Die Klägerin habe aufgrund ihrer hohen akademischen Qualifikation bei den
einzelnen Lektoratsarbeiten ihre persönliche Expertise einbringen können und "echte" Lektorate mit inhaltlicher Bedeutung
vorgenommen. Auch dem Lektorat von Dissertationen oder Habilitationsschriften fehle nicht der notwendige Öffentlichkeitsbezug,
denn diese Schriften seien zur Förderung des wissenschaftlichen Diskurses auf öffentliche Verbreitung angelegt. Eigenschöpferische
Leistungen seien auch bei der Erstellung von Sachregistern sowie bei den von der Klägerin ausgeführten Übersetzungsarbeiten
und -lektoraten gefordert. Aus diesen publizistischen und ihren schriftstellerischen Tätigkeiten erwirtschafte die Klägerin
ihre überwiegenden Einkünfte. Die geringen Einnahmen im Jahr 2012 seien überwiegend Folge gesundheitsbedingter Einschränkungen
gewesen. Der ernsthafte Wille der Klägerin, ihren Lebensunterhalt nicht nur unwesentlich durch ihre publizistische Tätigkeit
zu bestreiten, sei von Beginn an nachvollziehbar gewesen - nicht zuletzt aufgrund des bei der Agentur für Arbeit vorgelegten
Businessplans. Wegen des Berufsanfängerprivilegs sei die Klägerin in den ersten drei Jahren ihrer Tätigkeit nicht versicherungsfrei
gewesen und ab dem 26.9.2014 hätten ihre Einkünfte die Versicherungsfreigrenze von 3900 Euro jährlich deutlich überstiegen
(Urteil des LSG vom 23.11.2017).
Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten, die eine Verletzung materiellen Rechts (§§ 1, 2 KSVG) rügt. Sie führt aus, Versicherungspflicht bestehe nur, wenn die künstlerische bzw publizistische Tätigkeit erwerbsmäßig,
dh zur Sicherung der wirtschaftlichen Existenz ausgeübt werde. Bei der Übersetzung wissenschaftlicher Texte stehe die Kreativität
des Übersetzers hinter der des Schöpfers des Werks deutlich zurück, da diese Texte keine vom Original abweichenden Neuformulierungen
durch den Sprachmittler erlaubten. Anders als Übersetzungen belletristischer Literatur seien Übersetzungen wissenschaftlicher
Texte durch eine starke Rückbindung an den ausgangssprachlichen Text geprägt, sodass es wissenschaftlichen Übersetzungstätigkeiten
an einer hinreichenden eigenschöpferischen Leistung mangele. Die grundsätzliche Unterscheidung zwischen wissenschaftlichen
und literarischen Texten sei erforderlich, damit nicht in jedem Einzelfall eine sprachwissenschaftliche Expertise zur eigenschöpferischen
Leistung eingeholt werden müsse. Auch bei der Lektoratstätigkeit sei zwischen dem Wissenschaftsbereich und dem stilistischen
Lektorat zu differenzieren. Aufgrund der vorgegebenen wissenschaftlichen Standards sei eine eigenschöpferische sprachliche
Gestaltung eines wissenschaftlichen Textes ausgeschlossen und eine Leistung, die einer einfachen journalistischen oder schriftstellerischen
Tätigkeit nahe komme, nicht erkennbar. Seit der Änderung von § 2 S 2 KSVG müsse die Tätigkeit von Publizisten der von Schriftstellern oder Journalisten "ähnlich" sein. Bei Prüfungsarbeiten einschließlich
Dissertationen und Habilitationsschriften werde der erforderliche Öffentlichkeitsbezug von anderen Berufungsgerichten verneint.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalens vom 23. November 2017 und des Sozialgerichts Detmold vom 15. Juli
2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Entscheidungsgründe des Berufungsgerichts und führt ergänzend aus, ihre selbstständige Tätigkeit
bewege sich im Kernbereich des § 2 S 2 KSVG. Ihre Tätigkeit sei der eines Schriftstellers und Journalisten ähnlich und alle ihre Werke seien zur Veröffentlichung bestimmt.
Dies ergebe sich bereits aus ihrer großen Verantwortung für die schöpferischen und individuellen Ausgangstexte. Sie werde
insbesondere aufgrund ihrer Qualifikation und Sachkenntnis beauftragt. Dies zeige, dass die Auftraggeber ihr einen erheblichen
Gestaltungsspielraum zubilligten. Bei den Übersetzungen handele es sich um eigene Sprachwerke, bei denen ein Unterscheid zu
einem Literaturübersetzer nicht erkennbar sei. Gerade die Theologie lebe von der Sachkenntnis der Quellen und von den rhetorischen,
intellektuellen und literarischen Fähigkeiten der Beteiligten.
II
Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben zu Recht die angefochtenen Bescheide der Beklagten
aufgehoben und festgestellt, dass die Klägerin seit dem 26.9.2011 als Publizistin der Versicherungspflicht in der KSV unterliegt.
1. Zutreffend macht die Klägerin ihr Begehren im Wege einer kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage geltend. Da die
Beklagte selbst keine Mitglieder führt, beschränkt sich ihre Aufgabe insoweit auf die Feststellung der Versicherungspflicht
(vgl zB §§ 8 Abs 1 S 1, 11 Abs 2 KSVG sowie BSGE 96, 141 = SozR 4-5425 § 2 Nr 7, RdNr 9).
2. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage einer Feststellungsklage ist - ebenso wie in der Regel
bei der Verpflichtungs- oder Leistungsklage - grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz
(BSG SozR 4-2700 § 215 Nr 2 RdNr 11; BSG SozR 4-2400 § 22 Nr 4 RdNr 12). Da die Klägerin mit der Feststellung der Versicherungspflicht einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung begehrt
(BSGE 115, 29 = SozR 4-5425 § 3 Nr 2, RdNr 19 mwN), kommt es - wie bei laufenden Leistungen - auf die Sach- und Rechtslage in dem jeweiligen
Zeitraum an, für den die Feststellung begehrt wird (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 12. Aufl 2017, §
55 RdNr 21; §
54 RdNr 34).
3. Die Voraussetzungen der Versicherungspflicht der Klägerin nach dem KSVG lagen seit dem 26.9.2011 ununterbrochen bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem LSG (hierzu 4.) vor.
Nach § 8 Abs 1 KSVG beginnt die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung sowie in der sozialen Pflegeversicherung
mit dem Tag, an dem die Meldung des Versicherten nach § 11 Abs 1 KSVG eingeht, beim Fehlen einer Meldung mit dem Tag des Bescheides, durch den die Künstlersozialkasse die Versicherungspflicht
feststellt. Sie beginnt frühestens mit dem Tag, an dem die Voraussetzungen für die Versicherung erfüllt sind.
Die Meldung der Klägerin ging am 26.9.2011 bei der Beklagten ein. Die Voraussetzungen einer Versicherung in der gesetzlichen
Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung nach dem KSVG lagen bereits an diesem Tag vor. Denn die Klägerin übte seit diesem Tag eine publizistische Tätigkeit iS von § 2 S 2 KSVG (hierzu a) und b)) erwerbsmäßig und nicht nur vorübergehend (hierzu c)) aus, ohne in diesem Zusammenhang einen Arbeitnehmer
zu beschäftigen (§ 1 Nr 1 und 2 KSVG) und ohne einen Tatbestand der Versicherungsfreiheit nach §§ 3 bis 5 KSVG zu erfüllen (hierzu d)).
a) Nach § 2 S 2 KSVG in der zu Beginn der selbstständigen publizistischen Tätigkeit der Klägerin bis zum 31.12.2011 geltenden Fassung (durch das
Zweite Gesetz zur Änderung des Künstlersozialversicherungsgesetzes und anderer Gesetze vom 13.6.2001, BGBl I 1027) ist Publizist im Sinne dieses Gesetzes, wer als Schriftsteller, Journalist
oder in anderer Weise publizistisch tätig ist oder Publizistik lehrt. Aus der Öffnungsklausel "oder in anderer Weise publizistisch
tätig" sowie aus dem für die freien künstlerischen und publizistischen Berufe in aller Regel anzunehmenden sozialen Schutzbedürfnis
folgert der Senat in stRspr, dass der Begriff des Publizisten weit auszulegen ist (vgl BSGE 96, 141 = SozR 4-5425 § 2 Nr 7, RdNr 13; BSGE 78, 118, 120 = SozR 3-5425 § 26 Nr 2 S 4; BSG SozR 3-5425 § 2 Nr 12 S 53 mwN). Die Anerkennung als Publizist setzt nicht voraus, dass die Person in einem publizistischen Beruf vorgebildet
ist oder besondere Wertschätzung in Publizistikkreisen genießt. Auch das Niveau der Tätigkeit ist nicht entscheidend. Der
Begriff des Publizisten erfasst vielmehr jeden im Kommunikationsprozess an einer öffentlichen Aussage schöpferisch Mitwirkenden
(vgl BSGE 96, 141 = SozR 4-5425 § 2 Nr 7, RdNr 13 mwN aus der Rspr und unter Hinweis auf Meyers Enzyklopädisches Lexikon). Das Wort "Publizist"
geht zurück auf das lateinische Verb "publicare", was mit "veröffentlichen" zu übersetzen ist. Weil der Begriff "Öffentlichkeit"
weder aus sich heraus noch nach dem Gesetz eine bestimmte Zahl potentieller Interessenten oder Adressaten voraussetzt, reicht
es grundsätzlich aus, wenn das Werk oder die Tätigkeit für eine Mehrzahl von Personen bestimmt ist, es sei denn, der Kreis
dieser Personen ist von vorn herein abgegrenzt oder bestimmbar, wie beispielsweise die Teilnehmer eines konkreten Seminars
(vgl BSGE 96, 141 = SozR 4-5425 § 2 Nr 7, RdNr 13).
aa) Bei einem aus mehreren Arbeitsgebieten zusammengesetzten gemischten Berufsbild kann von einer künstlerischen bzw publizistischen
Tätigkeit nur ausgegangen werden, wenn gerade die künstlerischen bzw publizistischen Tätigkeitselemente das Gesamtbild der
Beschäftigung prägen, die Kunst bzw Publizistik also den Schwerpunkt der Berufsausübung bildet (vgl BSGE 96, 141 = SozR 4-5425 § 2 Nr 7, RdNr 12; BSG SozR 4-5425 § 2 Nr 8 RdNr 11 mwN). Es ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, für die Feststellung des Gesamtbildes der Tätigkeit vor allem
die Einzelfelder der Tätigkeit heranzuziehen, mit denen die überwiegenden Einkünfte erzielt werden und dort den Schwerpunkt
der Tätigkeit anzunehmen (vgl BSGE 96, 141= SozR 4-5425 § 2 Nr 7, RdNr 13).
bb) Diese Maßgabe gilt allerdings dann nicht, wenn bei der erstmaligen Aufnahme einer gemischten Tätigkeit das Gesamtbild
nicht allein durch die zuerst akquirierten Aufträge und die dadurch erzielten Einnahmen maßgeblich geprägt wird. Denn auch
bei einer konzeptionell auf überwiegend künstlerische/publizistische Tätigkeiten angelegten Selbständigkeit kann es vorkommen,
dass sich die anfänglichen Aufträge - sei es rein zufällig oder wegen der besonderen Anfangssituation - auf ein bestimmtes
Tätigkeitsfeld konzentrieren. Zur Bestimmung des Gesamtbildes der Tätigkeit in einer Anfangsphase können zwar - neben den
weiteren das Gesamtbild prägenden Umständen - auch die zuerst erzielten Aufträge mit herangezogen werden; solange es aber
an einer hinreichenden Anzahl von Aufträgen fehlt, kann deren Verteilung auf künstlerische/publizistische und sonstige Tätigkeitsbereiche
in der Regel keine Aussage zum Schwerpunkt der Tätigkeit entnommen werden. Würde dann allein darauf abgestellt, ob die überwiegenden
Einkünfte gerade mit den künstlerischen bzw publizistischen Tätigkeitsfeldern erzielt werden, verstieße dies gegen das Berufsanfängerprivileg
nach § 3 Abs 2 KSVG. Nach dieser Vorschrift tritt die Pflichtversicherung nach dem KSVG bis zum Ablauf von drei Jahren nach erstmaliger Aufnahme der Tätigkeit auch dann ein, wenn daraus (noch) gar kein Einkommen
erzielt wird. Diese Privilegierung berücksichtigt gerade die schwierige Berufsanfangssituation (so auch Brachmann in Finke/Brachmann/Nordhausen,
KSVG, 5. Aufl 2019, § 3 RdNr 21), in der sich eine neu aufgenommene Tätigkeit möglichweise noch nicht in voller Breite entfalten konnte. Die Voraussetzungen
einer erwerbsmäßigen und nicht nur vorübergehenden Ausübung der Tätigkeit bleiben davon unberührt. Es ist daher grundsätzlich
erforderlich und - solange keine Versicherungsfreiheit nach §§ 4, 5 KSVG vorliegt - für Berufsanfänger iS von § 3 Abs 2 KSVG auch ausreichend, dass durch die selbstständige künstlerische/publizistische Tätigkeit Einnahmen in nicht nur unerheblichem
Umfang erzielt werden "sollen" (so auch Brachmann in Finke/Brachmann/Nordhausen, KSVG, 5. Aufl 2019, § 3 RdNr 22).
cc) Bei Berufsanfängern ist also in erster Linie eine in die Zukunft gerichtete Betrachtung der Zielrichtung der neu aufgenommenen
Tätigkeit vorzunehmen. Das gilt sowohl für die Ermittlung der konkreten Tätigkeitselemente, die voraussichtlich das Gesamtbild
der neu aufgenommenen Tätigkeit prägen werden, als auch bei der Beurteilung des eigenschöpferischen Anteils der einzelnen
Tätigkeitselemente. Auch dies kann sich nicht allein aus vereinzelten Erstaufträgen ergeben. Das Gesamtbild einer neu aufgenommenen
Tätigkeit zeigt sich vielmehr an der Konzeption der selbstständigen Tätigkeit. Wesentliche konzeptionelle Elemente einer neu
aufgenommenen selbstständigen Tätigkeit ergeben sich in der Regel aus den Plänen für die Finanzierung (hier ggf aus dem Businessplan
der Klägerin aus September 2011, den sie der Bundesagentur für Arbeit vorgelegt hat) sowie aus beruflichen Kenntnissen, Fähigkeiten,
Erfahrungen und ggf Kontakten des Berufsanfängers. Für die prognostische Beurteilung können zudem neben den eigenen Angaben
des Berufsanfängers zB auch Werbemaßnahmen in Flyern oder ein Internetauftritt herangezogen werden, um einen Eindruck über
das Gesamtbild zu erhalten. Diese Betrachtungsweise entbindet die Beklagte bei Berufsanfängern von vornherein davon, einzelne
Aufträge, die bereits erzielt werden konnten, auf ihren konkreten eigenschöpferischen Gehalt zu prüfen oder gar Sachverständige
zu ihrer Prüfung heranzuziehen.
b) Nach diesen Maßstäben hat die Klägerin am 26.9.2011 eine publizistische Tätigkeit aufgenommen. Diese setzte sich nach den
unangefochtenen Feststellungen des LSG (§
163 SGG) überwiegend aus Lektoratstätigkeiten einschließlich dem Erstellen von Sachregistern, Übersetzungen, Übersetzungslektoraten
und schriftstellerischen Tätigkeiten zusammen. Reine Korrekturarbeiten sowie Drucksatz- und Layout-Arbeiten blieben dagegen
von untergeordneter Bedeutung, sodass es auf deren Einordnung als publizistische Tätigkeit nicht ankommt. Denn das Gesamtbild
der Tätigkeit der Klägerin wird auch ohne diese Arbeiten von publizistischen Tätigkeiten geprägt. Alle übrigen Tätigkeitsbereiche
der Klägerin gehören nämlich zur Publizistik iS von § 2 S 2 KSVG. Das ergibt sich für die schriftstellerischen Tätigkeiten direkt aus dem Wortlaut von § 2 S 2 KSVG, gilt aber - entgegen der Ansicht der Beklagten - auch für die Lektorats- und Übersetzungsarbeiten sowie die Übersetzungslektorate.
aa) Der Lektorenberuf gehört regelmäßig zu den publizistischen Berufen.
(1) Im Zuge der gesetzgeberischen Arbeiten zum KSVG wurde neben dem von der Bundesregierung in Auftrag gegebenen Künstlerbericht eine ähnliche Untersuchung für Publizisten angesprochen.
Gemeint war damit "Der Autorenreport" (Fohrbeck/Wiesand, Der Autorenreport, 1972), der durch einen Schriftstellerverband veranlasst
und von privater Seite finanziert worden war. In diesem Report sind Berufszweige genannt, die im Allgemeinen - ähnlich wie
die im Künstlerbericht erwähnten Künstlergruppen - als publizistische Berufe anzuerkennen sind, ohne dass es einer weiteren
Prüfung bedarf, soweit die erforderliche Nachhaltigkeit ihrer Ausübung (§ 1 Nr 1 KSVG) gesichert ist. Hierzu gehören neben den als Leitbildern der Publizistik in § 2 S 2 KSVG ausdrücklich genannten Schriftstellern und Journalisten die folgenden Berufe: Dichter, Autoren für Bühne, Film, Funk und
Fernsehen, Bildjournalisten bzw Bildberichterstatter, Kritiker, wissenschaftliche Autoren, Redakteure und auch Lektoren (so
bereits BSG SozR 4-5425 § 2 Nr 9 RdNr 17; vgl BR-Drucks 410/76 unter Bezugnahme auf BR-Bericht über die 437. Sitzung vom 16.7.1976). Diese Berufe werden
auch in § 2 Abs 1 der Verordnung zur Durchführung des KSVG vom 23.5.1984 (BGBl I 709) ausdrücklich aufgeführt und dem Bereich "Wort" zugeordnet (vgl Brachmann, aaO, § 2 RdNr 61).
(2) Die von der Beklagten nunmehr vertretene Auffassung, lediglich bei einem stilistischen Lektorat komme dem Lektor ein hinreichender
eigenschöpferischer Gestaltungsspielraum zu, während beim Wissenschaftslektorat die vorgegebene wissenschaftliche Methodik
eine eigenschöpferische sprachliche Gestaltung des Textes durch den Lektor ausschließe und eine der journalistischen oder
schriftstellerischen Tätigkeit nahe kommende inhaltliche Gestaltung und Aufmachung von Schriftwerken nicht erkennbar sei,
vermag der Senat nicht zu teilen. Gerade bei wissenschaftlichen Texten kann sich die sprachliche Gestaltung als sehr kompliziert
erweisen, da häufig besonders schwierige Inhalte differenziert und dennoch hinreichend verständlich darzustellen sind. Das
wird vielfach der Grund dafür sein, dass der selbst fachlich versierte Autor einen Lektor beauftragt. Er könnte sich ansonsten
mit der Beauftragung einfacher Korrekturarbeiten nach bestimmten Vorgaben begnügen. Bei hinreichenden wissenschaftlichen Fachkenntnissen
des Lektors kann sich der Autor auch bei einer sprachlichen Überarbeitung auf die inhaltliche Richtigkeit der Änderungen verlassen.
Nicht umsonst wirbt die Klägerin mit ihrer fachlichen Expertise und übernimmt das Lektorat lediglich in diesen Fachbereichen.
Zudem arbeitet ein Lektor in der Regel eng mit dem Autor zusammen. Inhaltliche Umgestaltungen des Textes können dem Autor
als Vorschlag oder Anregung unterbreitet und erst nach Rücksprache mit ihm in den Text aufgenommen werden. Im Hinblick auf
den eigenschöpferischen Gestaltungsspielraum lassen sich dabei keine grundsätzlichen Unterschiede zum stilistischen Lektorat
erkennen.
bb) Der Beruf des Übersetzers, der ebenfalls in § 2 Abs 1 Nr 9 der Verordnung zur Durchführung des KSVG vom 23.5.1984 (BGBl I 709) dem Bereich "Wort" zugeordnet ist, wird nach der auch dem oben erwähnten Autorenreport zu entnehmenden
allgemeinen Verkehrsanschauung demgegenüber nicht regelhaft und nicht ohne Weiteres den publizistischen Berufen zugeordnet,
sondern nur dann, wenn dem Übersetzer ein Gestaltungsspielraum zukommt, der über das rein Handwerkliche hinausgeht und ihm
eine hinreichende eigenschöpferische Leistung abverlangt, die Übersetzung also beispielsweise nicht durch einen Übersetzungsautomaten
(vgl BSG SozR 4-5425 § 2 Nr 9 RdNr 17 ff) bzw ein elektronisches Übersetzungsprogramm erledigt werden könnte (vgl auch Brachmann, aaO, § 2 RdNr 62,
72). Diesbezüglich hält der Senat an seiner Auffassung fest, dass Übersetzer, die wegen ihrer schöpferischen Leistung den
Schutz des Urheberrechts in Anspruch nehmen können, auch das Mindestmaß an schöpferischer Eigenleistung erbringen, die im
KSVG zur Anerkennung von Künstlern und Publizisten erforderlich ist (BSG SozR 4-5425 § 2 Nr 9 RdNr 18).
(1) Nach § 3 S 1 Urheberrechtsgesetz (UrhG) werden Übersetzungen und andere Bearbeitungen eines Werkes - unbeschadet des Urheberrechts am bearbeiteten Werk - wie selbstständige
Werke geschützt, wenn sie persönliche geistige Schöpfungen des Bearbeiters sind. Die Übersetzung muss sich daher, um einen
eigenen urheberrechtlichen Schutz zu genießen, durch eine eigene schöpferische Ausdruckskraft vom Originalwerk abheben. Eine
gewisse Abhängigkeit vom Ausgangswerk wird in der nach § 3 UrhG geschützten Bearbeitung aber sogar vorausgesetzt, weil es sich ansonsten um eine freie Benutzung eines fremden Werkes nach
§ 24 UrhG handelt. Es müssen daher zumindest die schöpferischen Elemente des Ausgangswerkes auch in der Bearbeitung wiederkehren (vgl
Dreyer in Dreyer/Kotthoff/Meckel/Hentsch, Urheberrecht, 4. Aufl 2018, § 3 RdNr 18 ff, 30 mwN). Die ausdrückliche Erwähnung
der Übersetzung in § 3 S 1 UrhG macht schon deutlich, dass ihr im Allgemeinen eine hinreichende persönliche geistige Schöpfung des Übersetzers zugrunde liegt,
wenn es sich nicht um ganz einfache Übertragungen in eine fremde Sprache handelt. Denn die neue Sprachform erfordert im Allgemeinen
ein besonderes Einfühlungsvermögen und eine gewisse sprachliche Ausdrucksfähigkeit. Sie lässt sich nicht allein durch eine
mechanische Übertragung der einzelnen Begriffe bewerkstelligen, sondern muss den Sinngehalt vollständig erfassen und auch
ggf Zwischentöne des Originals wiederzugeben versuchen. Lediglich reinen Routineübersetzungen ohne Gestaltungsspielraum, etwa
von einfachen Geschäftsbriefen oder Gebrauchsanweisungen kann ein hinreichender schöpferischer Gehalt fehlen (hM vgl BGH NJW
2000, 140, 141; OLG München ZUM 2004, 845, 847; Dreyer in Dreyer/Kotthoff/Meckel/Hentsch, aaO, § 3 RdNr 24, 39 mwN).
(2) Dementsprechend ist der Beruf eines Übersetzers nach der Rechtsprechung des BSG der Publizistik iS des § 2 S 2 KSVG zuzuordnen, wenn regelmäßig literarische oder künstlerische Texte übersetzt werden. Geht es hingegen um Übersetzungen von
Texten, die nicht der "Literatur" im weitesten Sinne zuzurechnen sind, ist nach der bisher hierzu ergangenen Rechtsprechung
des BSG im Einzelfall näher zu prüfen, ob der notwendige sprachliche und inhaltliche Gestaltungsspielraum nach der Natur der Sache
oder den konkreten Vorgaben des Auftraggebers gegeben ist, um die Übersetzung noch der Publizistik iS des § 2 S 2 KSVG zuzurechnen zu können oder ob es sich lediglich um eine technische bzw handwerkliche Übersetzung als wörtliche "Kopie" des
Originalwerkes handelt (vgl BSG SozR 4-5425 § 2 Nr 9 RdNr 20 mwN).
(3) Der vorliegende Fall bietet Anlass, diese Rechtsprechung fortzuentwickeln und weiter zu präzisieren. Zunächst ist festzuhalten,
dass es zB bei der einfachen Wiedergabe von Tatsachen, Nachrichten oder (Bedienungs-)Anleitungen in der Regel an einem hinreichenden
Gestaltungsspielraum fehlt, weil die erforderliche rein handwerkliche, wörtliche Übersetzung ohne Qualitätsverlust auch von
einem Übersetzungsprogramm vorgenommen werden könnte. Übersetzungen sind überdies nur dann publizistische Tätigkeiten iS von
§ 2 S 2 KSVG, wenn sie den notwendigen Öffentlichkeitsbezug aufweisen. Daran fehlt es bei der Übersetzung von Geschäftsbriefen in der
Regel, häufig auch bei Urkunden. Anleitungen oder Handbücher zur Bedienung von Geräten richten sich regelmäßig ebenfalls nur
an einen bestimmten, abgrenzbaren Personenkreis, nämlich die Käufer oder Nutzer des Gerätes. Zumindest seitdem § 2 S 2 KSVG dahingehend geändert wurde, dass Publizisten nicht nur "in anderer Weise", sondern "in ähnlicher Weise" wie Schriftsteller
und Journalisten tätig werden müssen (Art 14a Viertes Gesetz zur Änderung des
Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 22.12.2011, BGBl I 3057), gehört daher weder die Erstellung solcher Texte noch deren Übersetzung
zur Publizistik (vgl dazu näher unter 4. b)).
(4) Die Beurteilung, ob die Übersetzung eines Textes die für eine publizistische Tätigkeit iS von § 2 S 2 KSVG hinreichende eigenschöpferische Leistung des Übersetzers erfordert, kann jedoch nicht an eine Differenzierung zwischen verschiedenen
Arten von Literatur anknüpfen. Der Begriff der Literatur ist weit zu verstehen und umfasst nicht nur belletristische, schöngeistige
Texte oder Unterhaltungsliteratur, sondern schon dem Namen nach auch wissenschaftliche Literatur. Eine klare Abgrenzung zwischen
wissenschaftlicher Fachliteratur und anderen literarischen Texten ist nicht immer möglich. Zu den sog Katalogberufen, die
bei erwerbsmäßiger und nicht nur vorübergehender Ausübung im Allgemeinen ohne Weiteres als publizistische Berufe anzuerkennen
sind, gehören auch nicht nur die Schöpfer künstlerischer Texte, sondern genauso wissenschaftliche Autoren (vgl Brachmann,
aaO, § 2 RdNr 61; Autorenreport, aaO, zB S 31, 33). Es ist auch nicht gerechtfertigt, Übersetzungen wissenschaftlicher Texte
grundsätzlich nicht als publizistische Tätigkeiten anzuerkennen. Denn das Übersetzen komplexer wissenschaftlicher Texte erfordert
in der Regel nicht nur eine präzise sprachliche Ausdrucksfähigkeit in beiden Sprachen, sondern auch ein durch hinreichendes
Fachwissen geprägtes sprachliches Einfühlungsvermögen, um den Sinngehalt des Ausgangstextes vollständig zu erfassen. Fremdsprachenkenntnisse
und Fachwissen einschließlich der Kenntnisse der Fachbegriffe in beiden Sprachen eröffnen dem Übersetzer den erforderlichen
sprachlichen und inhaltlichen Gestaltungsspielraum. Ein grundlegender Unterschied ist diesbezüglich zwischen wissenschaftlicher
Fachliteratur und künstlerischer Literatur nicht zu erkennen.
cc) Den Tätigkeiten der Klägerin fehlt es auch nicht am notwendigen Öffentlichkeitsbezug. Das würde selbst dann gelten, wenn
sich ihre Lektorats- und/oder Übersetzungstätigkeiten lediglich auf Promotions- und Habilitationsschriften beschränken würde.
Denn diese Schriften werden der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt und sind an eine unbestimmte Mehrzahl von Personen gerichtet.
Unerheblich ist demgegenüber, ob der Autor mit der Veröffentlichung oder daneben mit dem Werk noch andere Ziele - wie die
Erlangung eines akademischen Grades - verfolgt.
dd) Im Übrigen liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die selbstständige Tätigkeit der Klägerin von Beginn an auf
die Bearbeitung von Promotions- und Habilitationsschriften in einem solchen Umfang ausgerichtet war, dass deshalb das wesentliche
Gepräge ihrer Gesamttätigkeit anders zu beurteilen wäre. Die zuerst akquirierten Aufträge genügen insoweit nicht, um aus ihnen
das Gepräge der Tätigkeit einer Berufsanfängerin ableiten zu können. Nach den eigenen Angaben der Klägerin, ihren Werbe- und
Öffentlichkeitsauftritten, ihren beruflichen Fähigkeiten, Kenntnissen und ihrer beruflichen Zielrichtung ist eine Schwerpunktbildung
ihrer Tätigkeit in der Bearbeitung von Dissertations- oder Habilitationsschriften in keiner Weise erkennbar. Die Zielrichtung
ist vielmehr bewusst breit angelegt und umfasst alle Texte der entsprechenden Fachrichtung gleichermaßen. Dies wird durch
die Entwicklung der Tätigkeit der Klägerin bestätigt, die im Laufe der Zeit auch andere umfangreiche Werke bearbeitet hat.
ee) Sind demnach sowohl die Lektorate als auch die Übersetzungstätigkeiten der Klägerin publizistische Tätigkeiten iS von
§ 2 S 2 KSVG, gilt dies erst recht für ihre Übersetzungslektorate.
ff) Damit lag der Schwerpunkt der klägerischen Tätigkeit im Bereich der Publizistik. Selbst wenn nach den Feststellungen des
LSG die überwiegenden Einnahmen der Klägerin in 2012 auf eine Fahnenkorrektur zurückzuführen sind, war ihre Gesamttätigkeit
nicht schwerpunktmäßig auf diese Arbeiten ausgerichtet. Das ergibt sich bereits daraus, dass der Umsatzeinbruch in 2012 nach
den unangegriffenen Feststellungen des LSG vorwiegend krankheitsbedingt war. Daraus lässt sich aber auch nicht eine Schwerpunktbildung
der Tätigkeit im Bereich Drucksatz- und Layout rechtfertigen. Das zeigt sich nicht nur an den im LSG-Urteil festgestellten
bereits akquirierten Einzelaufträgen, sondern vor allem an den beruflichen Kenntnissen und bisherigen Erfahrungen der Klägerin
sowie an ihrem Internetauftritt.
c) Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das LSG die selbstständige publizistische Tätigkeit der Klägerin auch
von Anfang an als eine iS von § 1 Nr 1 KSVG erwerbsmäßig und nicht nur vorübergehend ausgeübte Tätigkeit angesehen hat. Das Kriterium der Erwerbsmäßigkeit dient der
Abgrenzung zur reinen Liebhaberei (BSG SozR 3-5425 § 2 Nr 12 S 52; vgl auch Nordhausen in Finke/Brachmann/Nordhausen, KSVG, 5. Aufl 2019, § 1 RdNr 60 f). Die dem zugrunde liegenden Feststellungen des LSG, der ernsthafte Wille der Klägerin ihren Lebensunterhalt seit
September 2011 durch ihre Einnahmen aus der selbstständigen publizistischen Tätigkeit zu bestreiten, sei durch den von der
Bundesagentur für Arbeit gewährten Existenzgründungszuschuss und die hierzu vorgelegten Unterlagen - trotz der (auch gesundheitsbedingten)
Anlaufschwierigkeiten im Jahr 2012 - hinreichend belegt, hat die Beklagte nicht mit revisionsrechtlich durchgreifenden Verfahrensmängeln
gerügt.
d) Die Klägerin war im Zeitpunkt der Aufnahme ihrer Tätigkeit im September 2011 auch nicht nach §§ 3 bis 5 KSVG versicherungsfrei. Das Erzielen eines Mindesteinkommens war nach dem Berufsanfängerprivileg nach § 3 Abs 2 S 1 KSVG dazu nicht erforderlich. Ein Tatbestand der Versicherungsfreiheit nach den §§ 4, 5 KSVG lag nicht vor.
4. Die Voraussetzungen der Versicherungspflicht der Klägerin nach dem KSVG lagen nicht nur zum Zeitpunkt der Aufnahme ihrer selbstständigen Tätigkeit am 26.9.2011 vor, sondern darüber hinaus auch
ununterbrochen bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem LSG. Die Tätigkeit der Klägerin hat sich in diesem Zeitraum
- nach den im Revisionsverfahren bindenden Feststellungen des LSG - nicht wesentlich geändert. Sie hat lediglich das Anfangsstadium
verlassen und hat sich in der konzeptionell ausgerichteten Weise entwickelt.
a) Die Tätigkeit der Klägerin ist auch nach der zum 1.1.2012 erfolgten Gesetzesänderung von § 2 S 2 KSVG der Publizistik zuzuordnen. Diese Norm ist dahingehend geändert worden, dass nunmehr Publizist iS des KSVG nur noch derjenige ist, der als Schriftsteller, Journalist oder "in ähnlicher Weise" (statt "in anderer Weise") publizistisch
tätig ist oder Publizistik lehrt (Art 14a Viertes Gesetz zur Änderung des
Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 22.12.2011, BGBl I 3057). Mit dieser Änderung wollte der Gesetzgeber die Handlungsempfehlung der
Enquete-Kommission "Kultur in Deutschland" aufgreifen und als Publizisten iS des § 2 S 2 KSVG nur noch solche Personen erfassen, deren Berufsbild und Tätigkeitsfeld sich mit den in der Vorschrift genannten Leitberufen
des Schriftstellers und des Journalisten gleichsetzen lassen. Die Enquete-Kommission hielt eine "Schärfung" des bisherigen
Tatbestandsmerkmals "in anderer Weise publizistisch tätig" für erforderlich, weil sie die Rechtsprechung, wonach eine "an
die Öffentlichkeit gerichtete Aussage" ausreichend war (insbesondere im zitierten "Trauerredner-Urteil" - BSGE 96, 141 = SozR 4-5425 § 2 Nr 7), als zu weitgehend einstufte. Dadurch würden Personen in den Kreis der Berechtigten einbezogen, deren
Tätigkeitsprofile sich kaum noch mit den genannten Leitberufen gleichsetzen ließen (vgl Schlussbericht der Enquete-Kommission
"Kultur in Deutschland", BT-Drucks 16/7000, 4.5.1.2, B) S 301 und C) S 302). Für die Zeit ab 1.1.2012 ist nunmehr maßgeblich,
ob der Selbstständige konkret in ähnlicher Weise publizistisch tätig geworden ist wie ein Schriftsteller oder Journalist (BSGE
116, 185 = SozR 4-5425 § 25 Nr 10, RdNr 13; vgl auch BT-Drucks 17/7991 S 18 zu Nr 9).
b) Auch nach der Gesetzesänderung bleibt es dabei, dass die Anerkennung als Publizist keine bestimmte berufliche Vorbildung
oder besondere Wertschätzung in Publizistikkreisen voraussetzt. Denn auch für Schriftsteller und Journalisten gibt es keine
spezielle Berufsausbildung oder die Forderung einer besonderen Wertschätzung in Fachkreisen. Eine solche Voraussetzung könnte
zudem im Hinblick auf die durch Art
5 Abs
1 und
3 GG gewährleistete Meinungs-, Kunst-, Wissenschafts- und Pressefreiheit problematisch sein. Geschärft werden kann der Begriff
daher insbesondere beim notwendigen Öffentlichkeitsbezug. Dabei wird der Öffentlichkeitsbezug aber auch zukünftig nicht durch
ein bestimmtes Mindestpublikum konkretisiert. Denn eine eingeschränkte Einbeziehung der schon im erwähnten Autorenreport ausdrücklich
mit aufgeführten wissenschaftlichen Literatur, mit der hochspezialisierte Fachkreise häufig nur auf einen zahlenmäßig eng
begrenzten Interessentenkreis stoßen, war mit der Gesetzesänderung nicht beabsichtigt. Ist ein eng begrenzter Adressatenkreis
aber darüber hinaus - wie im Trauerrednerfall - durch persönliche (beispielsweise freundschaftliche oder familiäre) Verhältnisse
untereinander verbunden und ist insbesondere das (mündlich oder schriftlich) verbreitete Werk so individualisiert, dass kein
öffentliches Interesse erkennbar ist, fehlt es an einer hinreichenden Ähnlichkeit zur schriftstellerischen oder journalistischen
Tätigkeit. Diese sind nämlich regelmäßig darauf angelegt, durch ein im öffentlichen Interesse stehendes Thema ein zwar möglicherweise
nur kleines, aber nicht in diesem Sinne individuell und persönlich angesprochenes Publikum zu erreichen. Seit der Gesetzesänderung
reicht es daher nicht mehr aus, dass der Zugang offen und unbegrenzt ist, sondern das Werk an sich muss sich schon seinem
Zweck nach an die Öffentlichkeit wenden.
c) Nach diesen Maßgaben war die Tätigkeit der Klägerin auch über den 1.1.2012 hinaus eine publizistische Tätigkeit iS des
KSVG. Dem steht nicht der fachlich begrenzte Interessentenkreis entgegen. Anhaltspunkte für ein individuell eingrenzbares Publikum
liegen selbst bei Promotions- und Habilitationsschriften regelmäßig nicht vor. Diese sind - wie schon das LSG zutreffend ausgeführt
hat - ihrer Funktion nach auf die Förderung eines öffentlichen, wissenschaftlichen Diskurses gerichtet.
d) Die Tätigkeit der Klägerin war auch mit dem Ende des Berufsanfängerprivilegs nach § 3 Abs 2 S 1 KSVG nicht nach § 3 Abs 1 S 1 KSVG versicherungsfrei. Nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts überschritten die aus der publizistischen
Tätigkeit erzielten Einkünfte der Klägerin nach Ablauf der Dreijahresfrist nach erstmaliger Aufnahme der Tätigkeit am 26.9.2014
und im weiteren Verlauf bis zur mündlichen Verhandlung vor dem LSG am 23.11.2017 die Geringfügigkeitsgrenze nach § 3 Abs 1 S 1 KSVG in Höhe von jährlich 3900 Euro stets deutlich.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.