Pflegeversicherung
Grundsatzrüge
Über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung einer Rechtsfrage
Gründe:
I
Das LSG Berlin-Brandenburg hat mit Urteil vom 22.3.2017 den Anspruch des Klägers auf Gewährung von Leistungen der Pflegestufe
I sowie zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen aus der sozialen Pflegeversicherung (sPV) verneint. Unter Hinweis
auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des SG (§
153 Abs
2 SGG) hat es ausgeführt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Leistungen nach dem bis zum 31.12.2016 geltenden Recht habe (§§
14 ff
SGB XI aF und §
45a, b
SGB XI aF, vgl §
140 SGB XI). Unter Berücksichtigung des Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 26.5.2016 bestehe weder
Hilfebedarf bei den Verrichtungen im Bereich der Grundpflege (0 Minuten), noch bestehe eine Einschränkung der Alltagskompetenz.
Der Kläger hat mit einem von ihm unterzeichneten, am 28.3.2017 beim BSG eingegangenen Schreiben Antrag auf Bewilligung von PKH und sinngemäß Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im
angefochtenen Urteil des LSG erhoben. Er rügt im Wesentlichen Verfahrensmängel.
II
Der Antrag auf PKH ist abzulehnen. Gemäß §
73a Abs
1 S 1
SGG iVm §
114 ZPO kann einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht,
nur zum Teil oder in Raten aufbringen kann, für das Verfahren vor dem BSG PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig
erscheint. Hier fehlt es an der hinreichenden Aussicht auf Erfolg. Es ist nicht zu erkennen, dass die Nichtzulassungsbeschwerde
des Klägers erfolgreich sein könnte.
Im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde geht es nicht darum, ob das Urteil des LSG richtig oder falsch ist. Vielmehr ist
gemäß §
160 Abs
2 SGG die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das Urteil des LSG von einer Entscheidung
des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel vorliegt, auf
dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Ein solcher Zulassungsgrund ist nach Prüfung des Streitstoffs im Rahmen
der gebotenen summarischen Prüfung durch den Senat nicht ersichtlich.
1. Es ist nicht erkennbar, dass eine Zulassung der Revision gegen das von dem Kläger angegriffene Berufungsurteil auf §
160 Abs
2 Nr
1 SGG gestützt werden könnte. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine
Rechtsfrage aufwirft, die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitzt, von der angestrebten Entscheidung
der Rechtssache im Revisionsverfahren somit erwartet werden kann, dass sie in einer bisher nicht geschehenen, jedoch das Interesse
der Allgemeinheit berührenden Weise die Rechtseinheit herstellen, wahren oder sichern oder die Weiterentwicklung des Rechts
fördern wird (vgl nur BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 30 S 57). Rechtsfragen, die in diesem Sinne noch grundsätzliche Bedeutung haben könnten, sind im Rahmen des PKH-Verfahrens
nicht ersichtlich. Das LSG hat den Rechtsstreit anhand der einschlägigen Rechtsnormen auf der Grundlage ausgelaufenen Rechts
entschieden. Ebenso wenig liegen Anhaltspunkte für den Zulassungsgrund der Divergenz vor, weil nicht ersichtlich ist, dass
das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des BSG abgewichen sein könnte (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG).
2. Nach summarischer Prüfung liegt kein Verfahrensfehler vor, der gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 SGG zur Zulassung der Revision führen könnte.
a) Das LSG musste über die eingelegte Berufung des Klägers entscheiden, weil die Berufung ohne Zulassung nach §
144 Abs
1 S 2
SGG statthaft war. Die Berufung des Klägers betrifft wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr. Daher hatte
der Kläger kein Wahlrecht nach §
105 Abs
2 S 2
SGG (vgl BSG SozR 4-1500 § 105 Nr 3 RdNr 6) zwischen der Durchführung der mündlichen Verhandlung in der ersten Instanz (als Rechtsbehelf) und der Einlegung eines Rechtsmittels.
Vorliegend war daher die Berufung das zulässige Rechtsmittel. Im Übrigen hat der Kläger gegenüber dem SG in seinem Schreiben vom 12.1.2017 erklärt: "Natürlich können Sie mein Schreiben auch als Berufung werten, steht ja explizit
drauf." Die Durchführung des Berufungsverfahrens war daher nicht verfahrensfehlerhaft.
b) Das LSG musste sich auch nicht gedrängt sehen, dem im Schreiben vom 12.1.2017 angekündigten Beweisantrag, "dass die hier
zu erledigende Arbeit keinesfalls in 27 Minuten zu schaffen ist" nachzugehen. Eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht des
LSG (§
103 SGG) liegt nicht vor, selbst wenn zugunsten des nicht anwaltlich vertretenen Klägers nicht auf die strengen Anforderungen an
einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag (§
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG) abgestellt wird. Denn die vom Kläger unter Beweis gestellte Behauptung ist nicht entscheidungserheblich. Offensichtlich
bezieht der Kläger seine Behauptung auf den Hilfebedarf im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung (§
15 Abs
3 SGB XI aF). Den hierfür benötigten Zeitaufwand hat der MDK im Gutachten vom 26.5.2016 auf täglich 17 Minuten bzw auf wöchentlich
2 Stunden eingeschätzt. Selbst wenn dieser Zeitaufwand im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung höher einzustufen sein
sollte, fehlte es am notwendigen Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege (von mehr als 45 Minuten wöchentlich im Tagesdurchschnitt)
für die Bewilligung einer Pflegestufe. Der Kläger hat sich gegen die verrichtungsbezogenen Feststellungen nicht gewandt.
c) Es liegen keine Anhaltspunkte vor, dass das LSG rechtliches Gehör (§
62 SGG) verletzt haben könnte. Obwohl der Kläger um eine mündliche Verhandlung gebeten hat, ist er zur Sitzung des LSG am 22.3.2017,
in der der Rechtsstreit in seiner Abwesenheit mündlich verhandelt und entschieden worden ist, trotz ordnungsgemäßer Mitteilung
des Termins nicht erschienen.
d) Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte im Berufungsverfahren - entgegen der Ansicht des Klägers - nicht ordnungsgemäß vertreten
war, liegen nicht vor. Dass im vorliegenden Rechtsstreit nicht über die Voraussetzungen zur Erteilung des sog Merkzeichens
"G" nach den Vorschriften des Schwerbehindertenrechts (§
69 Abs
4 SGB IX) zu entscheiden war, hat das SG bereits ausführlich dargelegt. Ebenso wenig ist Streitgegenstand dieses Rechtsstreits, dem Kläger eine behindertengerechte
Wohnung zu verschaffen. Auch insofern liegt kein Verfahrensfehler des LSG vor.
3. Die von dem Kläger persönlich erhobene Beschwerde ist bereits deshalb unzulässig, weil sie nicht von einem gemäß §
73 Abs
4 SGG zugelassenen Prozessbevollmächtigten eingelegt worden ist. Schon die Beschwerdeschrift muss von einem nach dieser Vorschrift
zugelassenen Prozessbevollmächtigten unterzeichnet sein. Hierauf ist der Kläger in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen
Berufungsurteils hingewiesen worden.
Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß §
160a Abs
4 S 1 Halbs 2
SGG iVm §
169 S 2 und 3
SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 Abs
1 SGG.