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LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 30.06.2017 - 8 U 729/16
Verwertbarkeit nachträglich genehmigter und im Verwaltungsverfahren veranlasster Gutachten eines nicht beauftragten Arztes im sozialgerichtlichen Verfahren Kein Beweisverwertungsverbot für ein unter Missachtung eines Widerspruchs eingeholten weiteren Gutachtens bei der Zielsetzung der Aktenentnahme eines vermeintlich fehlerhaften Gutachtens
1. Anders als im gerichtlichen Beweisverfahren scheidet eine nachträgliche Genehmigung des im Verwaltungsverfahren veranlassten Gutachtens eines hierzu nicht beauftragten Arztes nicht von vornherein aus. Liegen Gründe vor, die unter Berücksichtigung der besonderen Pflichtenbindung des Sachverständigen eine nachträgliche Genehmigung gerechtfertigt erscheinen lassen, ist ein solchermaßen fehlerhaft zustande gekommenes Gutachten durch die nachträgliche Genehmigung verwertbar.
2. Wird unter Missachtung des Widerspruchs nach § 76 Abs. 2 Nr. 1 SGB X unter Weitergabe eines zuvor eingeholten Gutachtens ein weiteres Gutachten eingeholt, ergibt sich hieraus kein Beweisverwertungsverbot für dieses Gutachten, wenn mit dem Widerspruch erkennbar nicht Sozialdatenschutz verfolgt wird, sondern ein vermeintlich unzulänglich erstattetes Gutachten aus den Akten genommen werden soll. Ein Verstoß gegen dem Sozialdatenschutz unterliegende Persönlichkeitsrechte liegt dann nicht vor.
1. § 62 SGB VII verdrängt in seinem Anwendungsbereich die generelle Regelung des § 48 SGB X.
2. Die in § 48 SGB X allgemein erteilte Ermächtigung zur Aufhebung von Verwaltungsakten ist nicht anwendbar, wenn und solange es speziell um die Änderung, Aufhebung oder Ersetzung von vorläufigen Feststellungen eines Rentenanspruchs in der gesetzlichen Unfallversicherung bis zum Ablauf von drei Jahren nach dem Versicherungsfall geht.
3. § 48 SGB X bleibt hingegen anwendbar, wenn sich aus dem ersten Rentenbescheid nicht hinreichend deutlich (objektiver Empfängerhorizont) ergibt, dass eine Rente als vorläufige Entschädigung bewilligt werden sollte.
4. Die zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der tägliche Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.
Normenkette:
GG Art. 1
,
GG Art. 2
,
SGB X § 21
,
SGB X § 22
,
SGB X § 67 Abs. 1
,
SGB X § 76 Abs. 2 Nr. 1
,
SGB X § 9
,
SGB VII § 200 Abs. 2 Hs. 2
,
SGG § 118
,
ZPO § 404
,
ZPO § 407a Abs. 2
Vorinstanzen: SG Freiburg 29.01.2016 S 9 U 3520/13
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 29.01.2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Der Kläger trägt die Kosten des im Berufungsverfahren auf seinen Antrag gemäß § 109 SGG eingeholten Gutachtens von Prof. Dr. W. vom 12.12.2016 sowie seine baren Auslagen endgültig selbst.

Entscheidungstext anzeigen: