Einstweiliger Rechtsschutz im sozialgerichtlichen Verfahren, Rechtsschutzbedürfnis ohne vorherige Geltendmachung des Anspruchs
auf Übernahme der Aufwendungen für eine neue Unterkunft nach dem SGB XII
Gründe:
I. Streitig in dem Antragsverfahren ist die Zustimmung der Antragsgegnerin - Ag - zu 1) zur Übernahme der Aufwendungen für
eine neue Unterkunft sowie die Zustimmung des Antragsgegners - Ag - zu 2) zur Übernahme der Umzugskosten.
Der 1949 geborene und in W. (Landkreis A.) wohnhafte Antragsteller (Ast) bezieht Grundsicherungsleistungen nach dem Zwölften
Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Er beantragte mit Schreiben vom 19.03.2009 bei der Ag zu 1) die "Zusicherung" und "Erstausstattung"
für eine in A-Stadt, K.Str., gelegene Wohnung. Er beabsichtige, mit seinem Sohn dort zusammenzuziehen. Ihm stehe ein erhöhter
Wohnbedarf zu, weil er schwerbehindert sei (Grad der Behinderung von 90) und ihm das Merkzeichen G zuerkannt worden sei. Mit
Bescheid vom 23.03.2009/27.03.2009 wies die Ag zu 1) darauf hin, dass die Zustimmung zum Umzug nach A-Stadt, K.Str., nicht
erteilt werde, da die Miete über der maßgeblichen Mietobergrenze von 441,00 EUR für zwei Personen liege. Der Überschreitung
der Mietobergrenze könne nicht zugestimmt werden, da die Wohnung im ersten Stock liege und ein Aufzug nicht vorhanden sei.
Aufgrund der vorliegenden Erkrankungen des Antragstellers sei die Wohnung daher nicht geeignet. Hiergegen wandte sich der
Ast mit Widerspruch vom 06.04.2009.
Ebenfalls mit Schreiben vom 19.03.2009 beantragte der Ast beim Ag zu 2) die Übernahme der Kosten des Umzuges nach A-Stadt,
K.Str., einschließlich Vorschussleistungen. Dies lehnte der Ag zu 2) mit Schreiben vom 26.03.2009 ab. Über die Kosten, die
im Zusammenhang mit einem Umzug anfallen, könne erst entschieden werden, wenn der Umzug tatsächlich stattfinde.
Der Ast hat am 30.03.2009 beim Sozialgericht Nürnberg (SG) den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Die Ag zu 1) sei zu verpflichten, ihm für die Anmietung der Wohnung
in A-Stadt, K.Str., die Zustimmung zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft zu erteilen. Der Ag zu 2) sei zu verpflichten,
die Zustimmung für die Wohnungsbeschaffungskosten und Vorschussleistung für den Umzug in Höhe von 1.500,00 EUR zu erteilen.
Das Widerspruchs- und Klageverfahren könne nicht abgewartet werden, da der Verlust dieser Wohnung und Weitergabe an Dritte
drohe. Ebenso drohe die Verschlimmerung seiner Erkrankungen. Das Zusammenleben mit seinem Sohne werde vereitelt.
Unter dem 14.04.2009 hat der Ast mitgeteilt, dass die Wohnung in der K.Str. an Dritte vergeben worden sei. Er beabsichtige
jetzt die Anmietung einer Wohnung in A-Stadt, T. Str ... Er halte an dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung fest,
allerdings nunmehr bezogen auf die Wohnung in der T. Str ...
Die Ag zu 1) hat hierzu ausgeführt, die Mietobergrenze werde auch bei dieser Wohnung überschritten. Dem könne nicht zugestimmt
werden. Auch könne ohne Außenprüfung keine Aussage zu dem Erfordernis getroffen werden, ob die Wohnung für den Beschwerdeführer
als schwer Gehbehinderten geeignet sei. Der Ag zu 2) hat darauf hingewiesen, dass eine Entscheidung über die angemessenen
Umzugskosten erst nach erfolgter Zustimmung der Ag zu 1) zur Angemessenheit der Mietkosten erfolgen könne.
Auf Nachfrage des SG vom 17.04.2009 hat der Ast das Schreiben seiner Vermieterin vom 31.01.2009 zugeleitet, mit dem diese das Mietverhältnis über
die bisherige Wohnung in W. zum 31.05.2009 gekündigt habe.
Mit Beschluss vom 23.04.2009 hat das SG den Eilantrag abgelehnt. Die Zustimmung nach § 29 Abs 1 Satz 5 SGB XII zur Übernahme der Aufwendungen für die Wohnung in A-Stadt, T.Str., könne nicht verlangt werden. Zwar sei der
Umzug notwendig (Kündigung der bisherigen Wohnung zum 31.05.2009), allerdings komme die Übernahme unangemessener Mietaufwendungen
nur in Betracht, wenn der Umzug in die betreffende Wohnung unausweichlich sei. Insoweit habe der Ast keinerlei Nachweise über
Wohnungsbewerbungen erbracht, aus denen sich ergebe, dass trotz intensiver Suche eine Wohnung zu einem angemessenen Mietpreis
nicht zu finden sei. Aus diesem Grund seien auch die Voraussetzungen des § 29 Abs 1 Satz 7 SGB XII für eine Zustimmung hinsichtlich
der Wohnungsbeschaffungskosten sowie Vorschussleistungen für den Umzug nicht erfüllt. Umzugskosten könnten auch nicht pauschaliert
erbracht werden. Es bedürfe einer konkreten Notlage, für deren Vorliegen es auch auf die Notwendigkeit des Einziehens in die
neu angemietete Wohnung ankomme. Dies setze voraus, dass die neue Wohnung keine unangemessenen Kosten verursache.
Dagegen richtet sich die Beschwerde des Ast vom 29.04.2009. Unter Hinweis ua. auf Zeitungsinserate führt der Ast aus, dass
trotz ernsthafter und intensiver Bemühungen eine geeignete Wohnung in angemessener Miethöhe nicht zu finden gewesen sei. Bei
der Beurteilung der zu übernehmenden Umzugskosten sei es unerheblich, ob die neue Wohnung unangemessene oder angemessene Kosten
verursache.
Mit Schreiben vom 19.05.2009 bringt der Ast vor, auch die Wohnung in A-Stadt, T. Str., sei zwischenzeitlich an Dritte vermietet
worden. Es gehe ihm jetzt um eine Wohnung in A-Stadt, K.Str ... Es verbleibe bei dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung, die aber die Wohnung in der K.Str. zum Gegenstand habe. Im Übrigen sei die herangezogene Mietobergrenze rechtswidrig
und weder für die Verwaltung noch für die Gerichte verbindlich.
Der Ast beantragt, den Beschluss des SG aufzuheben und im Wege der einstweiligen Anordnung die Ag zu 1) zu verpflichten, ihm für die Anmietung der Wohnung in A-Stadt,
K.Str., die Zustimmung zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft zu erteilen, sowie den Ag zu 2) zu verpflichten, die Zustimmung
für die Wohnungsbeschaffungskosten und Vorschussleistung für den Umzug in Höhe von 1.500,00 EUR zu erteilen.
Die Ag zu 1) und der Ag zu 2) beantragen, die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Ag zu 1) verweist auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses. Es sei nicht glaubhaft, dass der Ast keine für ihn geeignete
Wohnung zu einem angemessenen Mietpreis gefunden habe. Die Festsetzung der Mietobergrenzen sei nicht zu beanstanden. Auch
die Miete der Wohnung in A-Stadt, K.Str., überschreite die Mietobergrenze, so dass die Zustimmung zu dem Umzugswunsch in diese
Wohnung ebenfalls abzulehnen sei. Der Ag zu 2) bringt vor, dass eine Entscheidung über die Tragung der Umzugskosten nicht
vorab erfolgen könne, sondern erst, wenn ein konkreter Einzug in eine neue angemessene Wohnung anstehe.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten der Ag zu 1) und des Ag zu 2) sowie die Gerichtsakten erster
und zweiter Instanz Bezug genommen.
II. Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Es fehlt an der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen
Eilbedürftigkeit.
Gegenstand des Antragsverfahrens ist der Erlass einer Regelungsanordnung nach §
86b Abs
2 Satz 2
Sozialgerichtsgesetz (
SGG). Der Ast begehrt die Verpflichtung der Ag zu 1), die Zustimmung im Sinne des § 29 Abs 1 Satz 5 SGB XII zu erteilen. Nach
dieser Vorschrift hat der Sozialhilfeträger für die neue Wohnung nur die angemessenen Aufwendungen zu übernehmen, es sei denn,
er hat der Übernahme der darüber hinausgehenden Aufwendungen vorher zugestimmt. Die Verpflichtung des Sozialhilfeträgers zu
dieser Zustimmung im Wege der einstweiligen Regelungsanordnung setzt einen Anordnungsanspruch (den materiell-rechtlichen Anspruch
auf Erteilung der Zustimmung) sowie einen Anordnungsgrund (einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet)
voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§
86b Abs
2 Satz 4
SGG iVm §
920 Abs
2 Zivilprozessordnung).
Zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung ist nicht mehr streitig, ob die Verpflichtung der Ag zu 1) erreicht werden kann,
den Aufwendungen für die Wohnungen in A-Stadt, K.Str. oder T. Str. zuzustimmen. Vielmehr geht es dem Ast im Beschwerdeverfahren
um eine Wohnung in der K.Str ... Insoweit ist der Ast für das Beschwerdeverfahren auch rechtsschutzbedürftig. Zwar fehlt es
an einem streitigen Rechtsverhältnis, da der Ast sich nicht zuvor an die Ag zu 1) gewandt hat, um deren Zustimmung hinsichtlich
der Wohnung K.Str. zu erreichen. Eine vorherige Geltendmachung hätte der Ag zu 1) vor der Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes
die Gelegenheit zur Prüfung gegeben, ob besondere Gründe vorliegen, die ein Abweichen von der Mietobergrenze rechtfertigen.
Indes kann ausnahmsweise dass Rechtsschutzbedürfnis für eine einstweilige Anordnung angenommen werden, da die Ag zu 1) im
Beschwerdeverfahren zum Ausdruck gebracht hat, dass sie die Erteilung der Zustimmung hinsichtlich der Wohnung K.Str. ablehnt.
Allerdings kann die beantragte Anordnung nicht ergehen, weil der Ast einen Anordnungsgrund, die Eilbedürftigkeit der Anordnung,
nicht glaubhaft gemacht hat. Die beantragte Verpflichtung zur Erteilung der Zustimmung stellt im Ergebnis nicht lediglich
eine vorläufige Regelung, sondern die unumkehrbare Vorwegnahme einer (möglichen) Hauptsache dar. Der Senat vermag nicht zu
erkennen, dass die hierfür erforderliche Eilbedürftigkeit besteht. Der Ast hat nicht vorgebracht, dass er nach Kündigung seiner
derzeit bewohnten Wohnung zum 31.05.2009 diese Wohnung nicht mehr nutzt. Es drohen keine Rechtsverletzungen, die im Wege des
einstweiligen Rechtsschutzes verhindert werden müssten. Es ist dem Ast auch anzuraten, der Ag zu 1) nicht nur ein Mietangebot
vorzulegen, sondern auch konkret darzutun, aus welchen - auch behinderungsbedingten - Gründen die Überschreitung der Mietobergrenze
gerechtfertigt sei.
Hieraus ergibt sich auch die fehlenden Eilbedürftigkeit hinsichtlich der beantragten Verpflichtung des Ag zu 2) nach § 29
Abs 1 Satz 7, 8 SGB XII zur Zustimmung zu den Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten. Der Ast hat nicht glaubhaft gemacht,
dass ein konkreter Umzug in die Wohnung K.Str. in Aussicht steht. Allein der Hinweis auf die Möglichkeit, diese Wohnung anzumieten,
reicht hierfür nicht aus. Solange nicht der Umzug in die Wohnung K.Str. konkret beabsichtigt ist, fehlt es an der Eilbedürftigkeit
der beantragten Anordnung.
Die Kostenentscheidung ergeht nach entsprechender Maßgabe des §
193 SGG.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§
177 SGG).