Anspruch auf Grundsicherung nach dem SGB XII; Glaubhaftmachung und Folgenabwägung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes; Beweislastverteilung zum Nachweis der Hilfebedürftigkeit;
Glaubwürdigkeit einer eidesstattlichen Versicherung
Gründe
I.
Gegenstand dieses Verfahrens ist eine Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München (SG) vom 12. Februar 2015. Darin hat das SG im Wesentlichen die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig Hilfe zum
Lebensunterhalt iHv 132,55 EUR monatlich zuzüglich eines monatlichen Zuschusses zum Beitrag zur freiwilligen Kranken- und
Pflegeversicherung iHv 138,37 EUR monatlich für die Zeit vom 8.1. bis 30.4.2015 zu zahlen.
Am 16.10.2014 beantragte der 1956 geborene Antragsteller für die Zeit ab 1.11.2014 Grundsicherungsleistungen. Er hatte bis
30.6.2014 Hilfe zum Lebensunterhalt erhalten (vgl. Aufhebungsbescheid vom 4.6.2014 für den Zeitraum 1.7.2014 bis 31.1.2015
wegen Verkaufs einer Eigentumswohnung). Zwischenzeitlich erhielt der Antragsteller im Juli 2014 mit Beginn vom 1.11.2007 Rente
wegen voller Erwerbsminderung von der Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd mit einem monatlichen Leistung von ca. 240 EUR.
Seit 2008 teilt der Antragsteller seine Unterkunft mit der 1958 geborenen B. H., unter anderem zuvor in der vom Antragsteller
verkauften Wohnung in der A-Straße. Nach den vorgelegten Kontoauszügen erhielt der Antragsteller von der Käuferin der Eigentumswohnung
eine Restzahlung in Höhe von 167.878 EUR sowie von der Bausparkasse (aus einem Vertrag seines Bruders S.) 28.080 EUR (Juli
2014). Am 4.7.2014 erfolgten Auszahlungen vom Konto des Antragstellers iHv 160 000 EUR und am 21.7.2014 iHv 25 000 EUR. Hierzu
gab der Antragsteller an, in der Zeit seiner Insolvenz sowie seit dem Bezug von Hartz IV ab 1.1.2005 bis zu seinem Ausscheiden
aus dem Leistungsbezug zum 1.7.2014 Schulden aufgenommen zu haben, die er nunmehr getilgt habe. Mit B. H., die derzeit als
Krankenschwester tätig sei, bilde er eine Mietgemeinschaft.
Zum Verbrauch der Summe von 185 000 EUR ließ der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten vortragen, dass von 2006 bis
zum Ausscheiden aus dem Leistungsbezug zum 30.6.2014 verschiedene Sozialleistungen bezogen worden seien. Während dieser Zeit
seien Zahlungsverpflichtungen gegenüber Dritten entstanden. Hierbei habe es sich nicht um Geschenke gehandelt, sondern um
darlehensweise Zuwendungen zB für Arzneimittel oder Reparaturen und dergleichen. Der Antragsteller sei zur Rückzahlung dieser
Darlehen verpflichtet gewesen und sei dieser Verpflichtung nun nachgekommen. Soweit nach der Schuldentilgung noch Mittel vorhanden
gewesen seien, seien dies genutzt worden, um die neue Wohnung einzurichten, den Lebensunterhalt zu bestreiten und einige Dinge
zu tun, die in den vergangenen Jahren wegen des Sozialleistungsbezugs nicht möglich gewesen seien.
Dem entgegnete die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 26.11.2014, dass die vorgelegten Unterlagen weiter nicht ausreichend
seien, um über den Leistungsantrag zu entscheiden. Ua würden Nachweise über den Verbrauch der Einnahmen aus Juli 2014 benötigt.
Mit weiterem Schreiben vom 16.12.2014 wies der Bevollmächtigte die Antragsgegnerin darauf hin, dass der Lebensunterhalt des
Antragstellers nicht sichergestellt sei und bat um die Gewährung eines Vorschusses, falls eine Leistungsbewilligung bis 31.12.2014
nicht möglich sei. Die Antragsgegnerin wiederholte hierauf ihre Auffassung, dass eine Bewilligung wegen fehlender Unterlagen
nicht möglich sei. Entsprechendes gelte für die Gewährung eines Vorschusses (Schreiben vom 19.12.2014).
Daraufhin hat der Antragsteller am 8.1.2014 beim SG einstweiligen Rechtsschutz beantragen. Der Antragsteller habe sämtliche aus dem Verkauf seiner Eigentumswohnung erzielten
Mittel verbraucht. Er habe allein 135 500 EUR an seinen Hauptgläubiger zurückbezahlt. Weitere 28 500 EUR seien an einen zweiten
Gläubiger getilgt worden. Den Restbetrag von 31 000 EUR habe der Antragsteller im Zeitraum Juli bis Ende Oktober 2014 verbraucht,
so dass insgesamt der Gesamtbetrag von 195 000 EUR ausgegeben worden sei. Die von der Antragsgegnerin verlangten Angaben seien
weder notwendig noch für den Antragsteller oder Dritte zumutbar. Nunmehr sei es Sache der Antragsgegnerin nachzuweisen, dass
die Angaben des Antragstellers nicht richtig seien. Soweit die Antragsgegnerin das Bestehen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft
zwischen dem Antragsteller und Frau H. darauf stütze, dass diese sich wiederholt und nunmehr seit 2008 eine Wohnung teilten,
lasse sie unberücksichtigt, dass es andernfalls für den Antragsteller, der auf den Bezug von Sozialleistungen angewiesen sei,
praktisch unmöglich gewesen wäre, eine Wohnung anzumieten.
Mit Beschluss vom 12. Februar 2015 hat das SG dem Antrag, wie oben dargestellt, zum Teil stattgegeben. Auf der Grundlage einer Güter- und Folgenabwägung (BVerfG vom 12.5.2005,
NVwZ 2005, 927) habe der Antrag des Antragstellers im tenorierten Umfang Erfolg gehabt, da insoweit Anordnungsanspruch und -grund glaubhaft
seien. Ausschlaggebend sei gewesen, dass die mit der Versagung des vorliegend begehrten Rechtsschutzes (möglicherweise) verbundenen
Belastungen - fehlende Möglichkeit, das Existenzminimum zu bestreiten - insbesondere auf dessen Schutz durch Art
1 und Art
2 Abs.
1 GG schwer wiege, so dass die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Anordnungsanspruchs umso niedriger gestellt werden
dürften. Auf dieser Grundlage sei derzeit ein Anordnungsanspruch des Antragstellers auf Hilfe zum Lebensunterhalt glaubhaft.
Es sei fraglich, ob die Antragsgegnerin die Grundsätze der Amtsermittlung bislang ausreichend berücksichtigt habe, wenn sie
meine, der Antragsteller könne seine Hilfebedürftigkeit ausschließlich durch die Nennung der Namen seiner Gläubiger nachweisen.
Denn zwar werde eine vollständige Aufklärung des Sachverhalts vorliegend nur unter Mitwirkung des Antragstellers möglich sein.
Dabei sei es allerdings Aufgabe der Antragsgegnerin, auf die vollständige Tatsachendarstellung durch den Beteiligten hinzuwirken
und diese Tatsachendarstellung auf ihre Wirklichkeit hin zu überprüfen. Nicht jede Behauptung eines Verfahrensbeteiligten
müsse angezweifelt werden und es könne auch nicht nur das berücksichtigt werden, das bewiesen sei. Die Behörde brauche daher,
sofern sich nicht aus der Gesamtlage des Falles Bedenken aufdrängen, einem Tatbestandsmerkmal bzw. einer Tatsache nicht durch
eigene Ermittlungen nachzugehen, wenn die Tatsache von niemandem bestritten werde und sie hinsichtlich der zu beweisenden
Tatsachen keine Zweifel habe (Siefert in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl., 2014, § 20 RdNr 8). Der Ansatz der Antragsgegnerin, bei den Gläubigern über den Verbleib des Vermögens zu ermitteln, sei sicherlich
ein Ermittlungsansatz. Gleichzeitig erscheine es aber nicht ausgeschlossen, dass der Sachverhalt "von der anderen Seite her"
schlüssig gemacht werden könne, da ggf auch die namentliche Nennung der Gläubiger nicht ausreichen werde, um die Hilfebedürftigkeit
des Antragstellers zu belegen. Denn weiter stelle sich die Frage, wie - zur Deckung der nötigsten Bedürfnisse wie zB Arzneimittel,
Reparaturen - neben dem Leistungsbezug Mittel iHv 160 00 EUR benötigt werden konnten. Es sei nur bedingt nachvollziehbar,
dass dahingehend bislang keinerlei Rückfragen erfolgt seien. Insoweit sollte schließlich eine Aufstellung vorhanden sein (und
nicht erst erstellt werden müssen), zumindest welche Beträge (von wem) wann und ggf zu welchem Zweck geliehen worden seien.
Denn anders sei nicht nachzuvollziehen, wie der Antragsteller über einen Zeitraum von annähernd zehn Jahren den Überblick
behalten habe. Insgesamt seien - vor einer abschließenden Entscheidung - weitere Ermittlungen erforderlich, die insbesondere
nach aktuellem Sachstand vom Antragsteller nicht verweigert würden. Zumindest für die notwendige Dauer dieser Ermittlungen
seien die Angaben des Antragstellers seine Hilfebedürftigkeit betreffend glaubhaft, da sie als wahr unterstellt die Hilfebedürftigkeit
begründen würden.
Es sei nicht ganz klar, ob der Antragsgegner seine ablehnende Haltung auch auf die Unkenntnis der persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnisse von Frau H. stütze. Zurzeit könne nicht ohne weiteres auf das Bestehen einer Wirtschafts- und Einstehensgemeinschaft
des Antragstellers und der Frau H. geschlossen werden. Zudem fehlten dazu jegliche Angaben zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen
derselben. Hier sei zB an eine (schriftliche) Zeugeneinvernahme zu denken.
Die Höhe des Anordnungsanspruchs ergebe sich aus § 19 Abs. 1, § 27 Abs. 1, § 27a SGB XII hinsichtlich des Regelbedarfs bzw. aus § 32 Abs. 2, 3 SGB XII hinsichtlich der Übernahme des Beitrags zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung. Die (summarische) Prüfung des Anspruchs
auf Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach § 19 Abs. 2 i.V.m. § 41 SGB XII unterbleibe im Hinblick auf § 41 Abs. 4 SGB XII bzw. im Hinblick darauf, dass die auf dieser Grundlage möglichen Leistungen nach ihrem Umfang denen der Hilfe zum Lebensunterhalt
entsprächen (§ 42 SGB XII). Soweit § 32 Abs. 2 SGB XII die Übernahme der Beiträge für freiwillige Mitglieder in der gesetzlichen Krankenversicherung in das Ermessen des Leistungsträgers
stelle, sei dieses vorläufig auf Null reduziert, um im Hinblick auf die angeschlagene Gesundheit des Antragstellers Krankenversicherungsschutz
sicherzustellen. Ein Anordnungsgrund liege vor, weil der Nachteil, existenzsichernde Leistungen gegenwärtig nicht erhalten
zu haben, nachträglich nicht mehr korrigiert werden könne. Nachdem derzeit ein ungekündigtes Mietverhältnis bestehe und Mietschulden
nicht geltend gemacht würden, seien insoweit derzeit schwere und unzumutbare, nicht anders abzuwendende Nachteile, die durch
eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr korrigiert werden könnten, nicht ersichtlich. Insoweit fehle es an einem Anordnungsgrund.
Der Beginn der Anordnung entspreche dem Tag der Antragstellung bei Gericht, das Ende dem Antrag des Antragstellers. Weitergehende
Berechnungen insbesondere zu dem geltend gemachten Aufstockungsbetrag und der Absetzung von Versicherungen unterblieben zum
einen im Hinblick auf die im vorliegenden Verfahren lediglich vorzunehmende summarische Prüfung. Zum anderen sei auch bei
existenzsichernde Leistungen betreffenden Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes ein Abschlag vom Regelbedarf grds zulässig,
um eine Vorwegnahme der Hauptsache zu vermeiden (BVerfG, Beschluss vom 12.5.2005, aaO).
Gegen den am 13.2.2015 zugestellten Beschluss des SG München vom 12.2.2015 hat der Antragsteller am 3.3.2015 Beschwerde zum
Bayer. Landessozialgericht (LSG) erhoben und Antrag auf Prozesskostenhilfe gestellt.
Zur Begründung wird im Wesentlichen angeführt, dass nicht solange zugewartet werden dürfe, bis der Unterkunftsbedarf gefährdet
sei. Auch dieser sei vorläufig zuzubilligen. Denn der Antragsteller habe seine finanzielle Situation dargelegt. Darüber hinaus
sei die Antragsgegnerin "in der Beweislast, dass die Angaben, die der Beschwerdeführer gemacht habe, nicht stimmten". Der
Beschwerdeführer müsse nicht darlegen, wann er wem was gegeben habe und warum. Darüber hinaus habe die Antragsgegnerin nicht
die richtigen Fragen gestellt.
Die Antragsgegnerin hat angeboten, sich damit zufrieden zu geben, die Namen der Kreditgeber in den Akten zu schwärzen, nachdem
eine Offenbarung und Überprüfung erfolgt sei. Ebenso würde es genügen, wenn die Kreditgeber nur dem Gericht gegenüber genannt
würden und die Vorgänge von diesem geprüft würden.
Daraufhin hat der Antragsteller (bzw. sein Bevollmächtigter) die Bereitschaft zum Erscheinen in einem Erörterungstermin erklärt.
Dabei werde offenbar, dass der Antragsteller glaubwürdig sei.
Der Antragsteller beantragt,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung unter Abänderung des Beschlusses des Sozialgerichts München vom 12.
Februar 2015 zu verpflichten, dem Antragsteller vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache, längstens jedoch bis
zum 30.4.2015 Leistungen nach dem SGB XII iHv monatlich 946,84 EUR zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten der Antragsgegnerin und des SG verwiesen.
II.
Gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 12. Februar 2015 ist nach dem gestellten Antrag die Beschwerde zum Bayer.
Landessozialgericht auch vom Beschwerdewert her gemäß §§
172 Abs.
1,
173 SGG statthaft. Sie ist binnen eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim LSG am 3.3.2015 schriftlich eingelegt worden.
Die Beschwerde ist aber unbegründet.
Die Anträge nach den Absätzen 1 und 2 (des §
86b SGG) sind schon vor Klageerhebung zulässig (§
86b Abs.
3 SGG).
Der Antragsteller kann seinen auf Leistungen ab 8.1.2015 bis zum 30.4.2015 gerichteten Antrag auf Abänderung (höhere Leistungen
in der Differenz von monatlich946 EUR zu 270 EUR) allenfalls im Wege der einstweiligen Anordnung nach §
86 b Abs.
2 S.2
SGG erreichen. Wegen der prozessualen Voraussetzungen einer Anordnung kann voll auf die Ausführungen des SG Bezug genommen werden. Zutreffend hat das SG die Grundlagen seiner Entscheidung dargestellt. Für die Begründung einer Rechtsposition im einstweiligen Rechtsschutz ist
ein Antrag auf eine Regelungsanordnung nach §
86b Abs.
2 Satz 2
SGG statthaft. Der Antrag muss zulässig sein und die Anordnung muss zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheinen. Es
muss glaubhaft sein, dass ein materielles Recht besteht, für das einstweiliger Rechtsschutz geltend gemacht wird (Anordnungsanspruch),
und es muss glaubhaft sein, dass eine vorläufige Regelung notwendig ist, weil ein Abwarten auf die Entscheidung im Hauptsacheverfahren
nicht zumutbar ist (Anordnungsgrund). Nach der Spruchpraxis des Bundesverfassungsgerichts (z.B. Beschluss des BVerfG vom 12.5.2005,
1 BvR 569/05) ist eine abschließende (nicht nur summarische) Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache vorzunehmen oder, sofern
diese nicht möglich ist, eine Güter- und Folgenabwägung vorzunehmen, wenn bei den Betroffenen ohne die Gewährung von einstweiligen
Rechtsschutz eine schwere Verletzung ihrer Rechte auch nur möglich ist. Dies erfordert das Grundrecht auf ein Existenzminimum
(Art
1 Abs.
1 Grundgesetz -
GG) und nach Art
19 Abs.
4 GG die Notwendigkeit wirksamen Rechtsschutzes (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 10. November 2014 - L 8 SO
186/14 B ER -, Rn. 29, [...]).
Die insoweit zu stellenden Anforderungen sind umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes
verbundenen Belastungen - insbesondere auch im Hinblick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005,
1 BvR 569/05, NVwZ 2005, 927 m.w.N.). Allerdings bedeutet dies nicht, dass abweichend von der gesetzlichen Verteilung der Beweis- bzw. Feststellungslast
aufgrund einer Folgenabwägung immer eine Entscheidung zu Gunsten desjenigen ergehen muss, der Leistungen nach dem SGB XII beansprucht, wenn eine Aufklärung des Sachverhaltes im Eilverfahren wegen nicht ausreichender Mitwirkung verhindert wird
(vgl. Beschlüsse des Bayer. LSG vom 14. Juli 2014 - L 8 SO 121/14 B ER -, Rn. 25, [...] und vom 17.12.2013, L 8 SO 228/13
B ER, vom 30.01.2013, Az.: L 16 AS 888/12 B ER, vom 13.06.2012 - L 7 AS 361/12 B ER, vom 03.06.2013, L 8 AS 218/13 B ER). Zu fragen ist dann aufgrund einer Folgenabwägung, ob die ohne Mitwirkung festgestellte Wahrscheinlichkeit eines bestimmten
Abwägungsbelangs für den Erfolg des Eilantrags ausreicht, etwa, weil schwere Grundrechtsverletzungen drohen und ein Hauptsacheerfolg
zwar nicht überwiegend wahrscheinlich, aber doch möglich ist (Krodel in BeckOK
SGG §
86b Stand: 01.03.2013, Rn 85 - 85.2). Die starke Gewichtung existenzieller Belange führt nicht automatisch zu (fortlaufenden)
Bewilligungen im einstweiligen Rechtsschutz, wenn über längere Dauer und nach intensiven Bemühungen des Trägers der Grundsicherung
Mitwirkungsobliegenheiten nicht genügt wird (erkennender Senat aaO). Ein Hauptsacheerfolg erscheint dann auch nicht möglich,
da eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Fortsetzung des Verhaltens des Antragstellers spricht. Dann gilt auch im Eilverfahren
hinsichtlich der Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs die Beweisverteilung des materiellen Rechts. Wie dort, hat die Folgen
einer objektiven Beweislosigkeit zu tragen, wer Leistungen der Grundsicherung beantragt, wenn sich nach Ausschöpfung der verfügbaren
Beweismittel die Leistungsvoraussetzungen nicht feststellen lassen (Bundessozialgericht - BSG - vom 19.02.2009, B 4 AS 10/09 R, Rn. 21). So liegt der Fall hier. Die Umstände sprechen zwar auch für eine Notlage des Antragstellers, soweit er keine
Leistungen vom Antragsgegner erhält. Er verfügt nur über ein monatliches Renteneinkommen von circa 285 EUR und kann davon
allein sicher nicht die Mietkosten (anteilig von circa 600 EUR bisher durch Überweisung an die Mitbewohnerin bewerkstelligt)
und seinen Lebensunterhalt bestreiten. Andererseits hat es der Antragsteller in der Hand, die Notlage zu beseitigen. Es wäre
ihm ein Leichtes, die Zweifel am Verbrauch des Einkommen/Vermögens auszuräumen, indem er konkrete Angaben über die Verwendung
der aus dem Wohnungsverkauf erlangten Mittel macht. Der Streit um Beweislastverteilung und korrektes Verhalten der Antragsgegnerin
ist unverständlich, wenn der Antragsteller tatsächlich in einer prekären Situation sein sollte, zumal nunmehr die Antragsgegnerin
mit Schreiben vom 24.3.2015 alternative Möglichkeiten der Offenbarung angeboten hat. Die Antragsgegnerin hat angeboten, sich
damit zufrieden zu geben, die Namen der Kreditgeber in den Akten zu schwärzen, nachdem eine Offenbarung und Überprüfung erfolgt
sei. Ebenso würde es genügen, wenn die Kreditgeber nur dem Gericht gegenüber genannt würden und die Vorgänge von diesem geprüft
würden. Der Antragsteller hat hier über längere Dauer (Antragstellung am 16.10.2014) und trotz intensiver Bemühungen des Trägers
der Grundsicherung Mitwirkungsobliegenheiten nicht genügt.
Die Zweifel am Vorliegen der Hilfebedürftigkeit sind massiv und beruhen nicht auf Umständen, die vergleichbar denjenigen wären,
mit denen sich das Bundesverfassungsgericht auseinander setzen musste. Im Beschluss vom 12.5.2005 (Aktenzeichen: 1 BvR 569/05) zur Methodik der Folgenabwägung mit dem Appell, die Anforderungen an die Glaubhaftmachung durch den Antragsteller des Eilverfahrens
nicht zu überspannen, ist der Pflichtenkreis des Grundsicherungsträgers angesprochen, insbesondere, wenn der Amtsermittlungsgrundsatz
gilt ([...], Rn. 28). Glaubhaftmachung (vgl. §
920 Abs.
2 ZPO) ist aber nicht mit Glaubwürdigkeit gleichzusetzen und insbesondere nicht mit einer "eidesstattlichen Erklärung" - wie hier
vom 31.12.2014 - herzustellen. Nach §
294 Abs.
1 ZPO kann auch zur Versicherung an Eides statt zugelassen werden, wer eine tatsächliche Behauptung glaubhaft zu machen hat. Damit
wird die Glaubhaftmachung lediglich als Beweismittel - nicht als feste Beweisregel (vgl. §
286 Abs.
2 ZPO) - angeführt. Dieses unterliegt aber wie alle Beweismittel auch immer einer Beweiswürdigung (z.B. der Frage der Glaubwürdigkeit),
für die kein Formzwang besteht (§§
128 SGG,
286 ZPO).
Mit Glaubhaftmachung iSv §
920 Abs.
2 ZPO wird vielmehr ein bestimmtes Ausmaß der richterlichen Überzeugung vom Vorliegen bestimmter Tatsachen bezeichnet. Die Glaubhaftmachung
bezieht sich auf die reduzierte Prüfungsdichte und die nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordernde Überzeugungsgewissheit
für die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruches und des Anordnungsgrundes in summarischen Verfahren (Bundesverfassungsgericht
(BVerfG) vom 29.7.2003 - 2 BvR 311/03 - NVwZ 2004, 95, 96). Glaubhaft gemacht ist eine Behauptung, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass sie zutrifft (BGH
NJW-RR 2011, 136 Rn 7). Ob die erforderliche Wahrscheinlichkeit gegeben ist, hat das Gericht entsprechend §
286 ZPO in freier Würdigung zu beurteilen (BGH NJW-RR 2007, 776 Rn 12). Das Tatbestandsmerkmal der Hilflosigkeit erfordert den Vollbeweis, der sich, an den Belangen des einstweiligen Rechtsschutzes
orientiert, auf ein geringeres Maß im Umfang der Glaubhaftmachung reduziert. In diesem Zusammenhang sind die Ausführungen
des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 12.5.2005, Az.: 1 BvR 569/05, Rn. 28) zu verstehen, dass Umstände der Vergangenheit nur insoweit herangezogen werden dürfen, als sie eindeutige Erkenntnisse
über die gegenwärtige Lage des Anspruchstellers ermöglichen. Dies gelte sowohl für die Feststellung der Hilfebedürftigkeit
selbst als auch für die Überprüfung einer Obliegenheitsverletzung nach §§
60,
66 SGB I, wenn über den Anspruch anhand eines dieser Kriterien entschieden werden solle. Aus diesen Gründen dürfen existenzsichernde
Leistungen nicht auf Grund bloßer Mutmaßungen verweigert werden, insbesondere wenn sich diese auf vergangene Umstände stützen.
Dem Beschluss vom 12.5.2005 (Az.: 1 BvR 569/05) lag ein Sachverhalt zu Grunde, in dem im Januar 2005 Grundsicherung vom zuständigen Träger versagt worden ist weil dieser
Zweifel an der Hilfebedürftigkeit der Beschwerdeführer hegte, die auf Umständen vom Januar 2001 bis August 2003 beruhten.
Die Beschwerdeführer hätten von Januar 2001 bis August 2003 nacheinander zwei Pkw gehalten, auf Wochenmärkten Dienstleistungen
angeboten und einen Sparvertrag mit 25 EUR monatlich bedient.
Im vorliegenden Sachverhalt hat der Antragsteller nach Abmeldung aus dem Leistungsbezug im Juni 2014 aus dem Verkauf einer
Eigentumswohnung im Juli 2014 durch Kontoauszüge belegte Zahlungen in Höhe von insgesamt 195.000 EUR erhalten, die er bei
erneuter Antragstellung am 16.10.2014 verbraucht haben will. Sowohl der Zeitablauf, als auch die Höhe des Einkommens werfen
derart konkrete Zweifel am Vorliegen der Hilfebedürftigkeit auf, dass sich eine detaillierte Darlegung des Verbrauchs einer
Summe von fast 200.000 EUR unabweisbar aufdrängt. Hier ist der Zufluss nachweislich belegt und beruht nicht auf Vermutungen.
Unter diesen Voraussetzungen kann die Sach- und Rechtslage nicht abschließend geprüft werden, sondern erfordert vielmehr umfassende
Ermittlungen, beispielsweise durch Einvernahme des Bruders des Antragstellers, dessen Bausparvertrag ausbezahlt worden ist
und dem ein Nießbrauch am veräußerten Immobilienobjekt zugestanden hat. Insoweit zerstreut die schlichte Erklärung des Antragstellers
zur Glaubhaftmachung im Sinne des §
294 Abs.
1 ZPO nicht die vorhandenen Zweifel. Denn es handelt sich um kein ausgesprochen nahe liegenden, der Lebenserfahrung entsprechendes
Verhalten und es besteht Anlass, an der Wahrscheinlichkeit des vorgetragenen Sachverhalts zu zweifeln (vgl. Beschluss des
OVG NRW vom 30.1.2015, Aktenzeichen: 1 A 221/14). Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen auf Seite 7 der angefochtenen Entscheidung hingewiesen. Dort werden an
der vorgebrachten Verwendung des Verkaufserlöses unter anderem Zweifel aufgeworfen, weil nicht ersichtlich sei, welche Beträge
während der Insolvenz des Antragstellers und zu welchem Zweck aufgenommen worden seien. Ebenso sei schwer erklärbar, welche
Beträge im Laufe der Hilfebedürftigkeit zur Deckung "dringender Bedarfe" aufgenommen worden seien, da der Antragsteller doch
im Leistungsbezug gestanden habe.
Dabei kann dahingestellt sein bleiben, inwieweit eine Zurechnung von Einkommen der Mitbewohnerin des Antragstellers in Betracht
kommt. Insoweit bestünde u.U. bei den im Rahmen der angeführten Spruchpraxis des Bundesverfassungsgerichts reduzierten Prozessvoraussetzungen
ein Anordnungsanspruch, solange nicht weitere Erkenntnismöglichkeiten im Rahmen der Amtsermittlung ausgeschöpft werden (vgl.
hierzu BSG, Urteil vom 1.7.2009, B 4 AS 78/08 R, Rn 17).
Im Rahmen der Folgenabwägung fehlt es somit an Elementen, die dem Anordnungsanspruch (dem zwischen den Parteien bestehende
Rechtsverhältnis) und dem Anordnungsgrund (Dringlichkeit für eine Regelungsverfügung) zuzuordnen sind. Aufgrund des gestellten
Antrags (§
123 SGG), der Anordnung höherer Leistungen durch das Beschwerdegericht, ist nicht über die bisher durch das SG getroffene Anordnung zu befinden. Diese darf auf ein Rechtsmittel des Antragstellers nicht verbösert werden. Die Entscheidung
des SG ist daher zu belassen. Im Übrigen ist der Streit um die richtigen Ansätze der Ermittlungen durch die Antragsgegnerin müßig
(so z.B. auch das jüngste Schreiben des Antragstellers vom 25.3.2015 an die Antragsgegnerin, das den Senat am 1.4.2015 erreichte),
solange eine Verwaltungsentscheidung schlechthin aussteht. Die vorzunehmenden Ermittlungen ändern nichts an der derzeit gegebenen
Beweislage, dem Fehlen einer konkreten Darlegung über die Verwendung des Verkaufserlöses. Es ist aufgrund des Verhaltens des
Antragstellers - der noch im Schreiben vom 25.3.2015 an die Antragsgegnerin eine Umkehr der Beweislast annimmt - nicht abzusehen,
ob dies durch die Benennung von Gläubigern, eine Auflistung oder die Billigung eines höheren Verbrauchs seit 2005 neben den
Leistungen der Grundsicherung behoben werden kann.
Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht das Verfahren in der Hauptsache
ersetzt und nicht Ermittlungen wie in einem Erkenntnisverfahren verlangt. Damit war aufgrund des bisherigen Sachverhalts (zuletzt
Einlassung des Antragstellers vom 25.3.2015) zu entscheiden; die Abhaltung eines Erörterungstermins mit dem Zweck einer Sachermittlung
ist nicht angezeigt (§
294 Abs.
2 ZPO).
Ein Beteiligter erhält Prozesskostenhilfe, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten
der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende
Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§
73a Abs.
1 Satz 1
SGG in Verbindung mit §
114 Satz 1
ZPO). Das ist aus den oben angeführten Gründen für das Beschwerdeverfahren nicht der Fall.
Die Beschwerde ist daher zurückzuweisen und der Antrag auf Prozesskostenhilfe abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG und berücksichtigt, dass die Beschwerde des Antragstellers keinen Erfolg hatte
Dieser Beschluss ist gemäß §
177 SGG unanfechtbar.