Freistellung von Rechtsanwaltskosten für erfolgreich durchgeführte Widerspruchsverfahren
Kostenerstattungsanspruch als Freistellungsanspruch
Tatsächlich geleistete Zahlung an den Bevollmächtigten
Tatbestand:
Im Streit steht die Freistellung der Klägerin von den Rechtsanwaltskosten für drei erfolgreich durchgeführte Widerspruchsverfahren.
Die Klägerin bezieht Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - SGB II. Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 9. August 2011 hob der Beklagte die Leistungen für die Zeit vom 1. Juni 2011
bis 31. Juli 2011 u.a. gegenüber der Klägerin teilweise in Höhe von 523,47 Euro auf. Der Bescheid wurde bestandskräftig. Mit
weiteren Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden vom 31. Oktober 2012 hob der Beklagte die Leistungsbewilligung für die Zeit
vom 13. August 2011 bis 31. Oktober 2011 in Höhe von 532,80 Euro, für die Zeit vom 1. Dezember 2011 bis 30. April 2012 in
Höhe von 888,00 Euro und für die Zeit vom 1. Juni 2012 bis 30. September 2012 in Höhe von 682,16 Euro auf. Auch diese Bescheide
wurden bestandskräftig.
Am 21. Mai 2014 legte der Prozessbevollmächtigte für die Klägerin und ihren Sohn Widerspruch gegen einen Bescheid vom 25.
April 2014 ein. Der Widerspruch wurde unter der Nummer W 2693/14 registriert. Am 22. Mai 2014 legte der Prozessbevollmächtigte außerdem für die Klägerin und ihren Sohn gegen einen Versagungsbescheid
vom 23. April 2014 Widerspruch ein, der zur Widerspruchsnummer W 2692/14 registriert wurde. Schließlich wurde vom Prozessbevollmächtigten am 4. Juni 2014 für die Klägerin und ihren Sohn Widerspruch
gegen die im Abhilfebescheid vom 4. Juni 2014 getroffene Kostengrundentscheidung eingelegt. Der Widerspruch wurde unter der
Nummer W 2898/14 registriert.
Den Widersprüchen lag eine Vollmacht der Klägerin zugrunde, welche u.a. unter Punkt 5 "zur Übertragung der Vollmacht ganz
oder teilweise auf andere" den Passus enthielt, dass etwaige Kostenerstattungsansprüche an die Bevollmächtigten abgetreten
werden, die diese Abtretung annehmen.
Mit Abhilfebescheiden vom 4. Juni 2014, 14. August 2014 und 15. August 2014 gab der Beklagte den Widersprüchen statt und erklärte,
dass er die in den Widerspruchsverfahren W 2692/14, W 2693/14 und W 2898/14 entstandenen notwendigen Kosten der in diesen Verfahren von ihrem Prozessbevollmächtigten vertretenen Klägerin erstatten
werde und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten insofern als notwendig anerkenne.
Mit Schreiben vom 22. August 2014 beantragte der Prozessbevollmächtigte jeweils unter Bezugnahme auf die vom Beklagten getroffenen
Kostenentscheidungen, die Kosten seiner Zuziehung in den einzelnen Widerspruchsverfahren entsprechend beigefügter Kostenberechnungen
wie folgt festzusetzen:
- für das Verfahren W 2692/14 der Klägerin und eines weiteren Widerspruchsführers insgesamt 487,90 Euro, - für das Verfahren W 2693/14 der Klägerin und eines weiteren Widerspruchsführers insgesamt 487,90 Euro, - für das Verfahren W 2898/14 der Klägerin und eines weiteren Widerspruchsführers insgesamt 297,62 Euro.
Mit an den Prozessbevollmächtigten gerichtetem Schreiben vom 16. Oktober 2014 erkannte der Beklagte die für das Verfahren
W 2692/14 geltend gemachten Kosten in voller Höhe als erstattungsfähig an, erklärte sich jedoch unter Verweis auf eine beigefügte Aufrechnungserklärung
gleichen Datums nur zu einer Auszahlung in Höhe von 243,95 Euro bereit. Dies begründete der Beklagte damit, dass gegen die
Klägerin u.a. aus dem Bescheid vom 9. August 2011 eine Erstattungsforderung bestehe, von der noch ein Betrag in Höhe von 298,84
Euro offen sei. Gemäß §
406 Bürgerliches Gesetzbuch -
BGB - könne die gegen den bisherigen Gläubiger bestehende Forderung gegenüber dem neuen Gläubiger aufgerechnet werden, wenn die
Forderung bereits vor dem Zeitpunkt der Abtretung des Kostenerstattungsanspruchs fällig geworden sei. Bei Erwerb des Erstattungsanspruchs
habe der Beklagte keine Kenntnis von der Vorausabtretung der im gegenständlichen Widerspruchsverfahren zum Zeitpunkt der Vollmachtserteilung
etwaig sich ergebenden Kostenerstattungsanspruchs. Die Klägerin werde durch die Aufrechnung von einer Verbindlichkeit gegenüber
dem Beklagten befreit, auch wenn sie sich dadurch einem Gebührenanspruch des Prozessbevollmächtigten in gleicher Höhe ausgesetzt
sehe. Hier sei zu berücksichtigen, dass es sich bei Leistungen des Beklagten um steuerfinanzierte Transferleistungen handele.
Mit weiteren gleichlautenden Schreiben vom 17. Oktober 2014 erkannte der Beklagte auch in den Widerspruchsverfahren W 2693/14 und W 2898/14 jeweils die geltend gemachten Kosten in voller Höhe an und minderte den auszuzahlenden Kostenerstattungsanspruch unter Verweis
auf beigefügte und wie die Erklärung vom 16. Oktober 2014 begründete Aufrechnungserklärungen jeweils wegen einer Erstattungsforderung
gegen die Klägerin in Höhe von 970,24 Euro aus den Bescheiden vom 31. Oktober 2012 auf 243,95 Euro (W 2693/14) bzw. 148,81 Euro (W 2898/14).
Die Klägerin hat am 22. September 2016 vor dem Sozialgericht Berlin Klage erhoben und die Freistellung von den in der Widerspruchsverfahren
W 2692/14, W 2693/14 und W 2898/14 entstandenen Anwaltskosten begehrt.
Mit Schreiben vom 20. Februar 2018 erklärte der Beklagte jeweils hilfsweise für den Fall eines fehlenden Anspruchsübergangs
auf den Prozessbevollmächtigten auch gegenüber der Klägerin selbst die Aufrechnung gegen Kostenansprüche aus den Widerspruchsverfahren
W 2692/14, W 2693/14 und W 2898/14 in Höhe der auf die Klägerin entfallenden hälftigen Widerspruchskosten.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass die Aufrechnungen unwirksam seien, da es an der Gleichartigkeit der wechselseitigen
Forderungen fehle. Dem Zahlungsanspruch des Beklagten stehe auf ihrer Seite ein Freistellungsanspruch gegenüber. Dieser ergebe
sich aus einer teleologischen Auslegung des § 63 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - SGB X. Solange die Kosten eines Rechtsanwalts durch den Mandanten noch nicht beglichen worden seien, habe dieser im Fall eines
erfolgreichen Widerspruchsverfahrens gegen den Leistungsträger gemäß § 63 SGB X keinen Anspruch auf Erstattung verauslagter Kosten, sondern nur auf Freistellung vom Vergütungsanspruch des Anwalts. Die
formularmäßige Vorausabtretung von Kostenerstattungsansprüchen in den erteilten Verfahrensvollmachten sei unwirksam. Die Aufrechnungserklärungen
des Beklagten seien jedoch selbst bei Bestehen einer Aufrechnungslage rechtswidrig und unwirksam, da kein Ermessen ausgeübt
worden sei und in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise in Grundrechte der Rechtsanwälte eingegriffen werde.
Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, sie von den Kosten für die Rechtsvertretung in den Widerspruchsverfahren
W 2692/14, W 2693/14 und W 2898/14 freizustellen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, dass ein Freistellungsanspruch der Klägerin
nicht bestehe. § 63 SGB X begründe einen Aufwendungsersatzanspruch des Mandaten als Auftraggeber gegen die Widerspruchsbehörde und keinen Freistellungsanspruch.
Die Voraussetzungen des §
257 BGB lägen nicht vor. Insofern habe die Klägerin einen Kostenerstattungsanspruch, den sie wirksam an den Prozessbevollmächtigten
abgetreten habe. Der Bevollmächtigte habe mit der Erstattung der außergerichtlichen Kosten einen Erstattungsanspruch im eigenen
Namen geltend gemacht. Dieser Gebührenerstattungsanspruch sei durch die Aufrechnungen vom 16. Oktober 2014 und 17. Oktober
2014 erloschen.
Mit Urteil vom 20. Februar 2018 hat das Sozialgericht Berlin den Beklagten verurteilt, die Klägerin von deren in den Widerspruchsverfahren
W 2692/14, W 2693/14 und W 2898/14 entstandenen Kosten für die Rechtsvertretung durch den Prozessbevollmächtigten freizustellen und die Berufung zugelassen.
Ein Erlöschen der Kostenansprüche der Klägerin sei zu verneinen. Die gegenüber dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin abgegebenen
Aufrechnungserklärungen seien schon wegen innerer Widersprüchlichkeit unwirksam. Es werde nicht hinreichend deutlich, ob gegen
einen Anspruch des Prozessbevollmächtigten oder einen Anspruch der Klägerin aufgerechnet werde. Darüber hinaus fehle es für
eine wirksame Aufrechnung an einer Gleichartigkeit der geschuldeten Leistungen. Die Kammer schließe sich der insofern wohl
herrschenden Meinung in der Rechtsprechung und Kommentarliteratur an, dass es sich bei dem Anspruch des Widerspruchsführers
auf Erstattung seiner Kosten nach § 63 SGB X nicht um einen Zahlungsanspruch, sondern um einen Freistellunganspruch handele, solange eine Zahlung der Rechtsanwaltsvergütung
durch den Widerspruchsführer an seinen Bevollmächtigten noch nicht erfolgt ist (Verweis auf LSG Berlin-Brandenburg, Urteil
vom 13. Oktober 2016, L 31 AS 1774/16; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 6. Mai 2015, L 6 AS 288/13; SG Berlin, Urteil vom 8. Februar 2018, S 102 AS 25796/15; Becker in Hauck/Noftz, SGB, 05/17, § 63 SGB X; Rn. 114a). Das BSG habe in seinem Urteil vom 2. Dezember 2014 (B 14 AS 60/13 R) ebenfalls angenommen, dass der Kostenerstattungsanspruch des Widerspruchsführers nach § 63 SGB X grundsätzlich auf die Freistellung vom Vergütungsanspruch seines Bevollmächtigten gerichtet sei. Dabei könne dahinstehen,
ob zwischen der Klägerin und ihrem Prozessbevollmächtigten wirksam eine Abtretung des Kostenerstattungsanspruchs vereinbart
worden sei. Denn ein abtretbarer Zahlungsanspruch der Klägerin sei bislang nicht entstanden.
Gegen das am 19. März 2018 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 23. März 2018 Berufung eingelegt.
Ein Freistellunganspruch liege nicht vor, da es an einer Rechtsgrundlage fehle. §
257 BGB sei auf den verfahrensrechtlichen Kostenerstattungsanspruch nicht anwendbar, da die Voraussetzungen des §
257 BGB nicht vorlägen. Der Befreiungsanspruch könne auch nicht direkt aus § 63 SGB X hergeleitet werden. Da ein Befreiungsanspruch nicht bestanden habe, hätten sich zwei Geldforderungen aufrechenbar gegenüber
gestanden. Eine Ausdehnung des § 43 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG - sei im Rahmen des 2. Kostenmodernisierungsgesetzes gerade nicht erfolgt. Das BSG habe sich bislang nicht damit auseinandergesetzt, ob sich die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Freistellungsanspruch
auf den im Sozialgericht anwendbaren Kostenerstattungsanspruch ohne Weiteres übertragen lasse. In der Entscheidung vom 2.
Dezember 2014 habe sich das BSG nicht mit der Frage des Freistellungsanspruchs befasst, da dessen Voraussetzungen oder Anwendbarkeit nicht im Streit gestanden
hätten. Die Revision sei zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. Februar 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Ob die Voraussetzungen des §
257 BGB erfüllt seien, spiele keine Rolle, da es sich bei dem Freistellungsanspruch nicht um einen Befreiungsanspruch im Sinne des
BGB handele. Der Freistellungsanspruch sei eine durch Auslegung und Rechtsprechung begründete Anspruchsvariante der Erfüllungsmöglichkeiten
des Kosten- oder Aufwendungserstattungsanspruchs aus § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Es sei unschädlich, dass der § 63 SGB X das tatsächlich übliche Dreiecksverfahren der Kostenfestsetzung und Erfüllung per Freistellungsanspruch nicht wörtlich aufführe.
Mit Schriftsätzen vom 29. Oktober 2018 und vom 8. November 2018 haben die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer schriftlichen
Entscheidung nach §
124 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz -
SGG - erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten
sowie der Gerichtsakte verwiesen, der Gegenstand der Beratung und Entscheidung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, insbesondere trotz des Streitwertes von 636,71 Euro (1.273,42 Euro - 243,95 Euro - 243,95 Euro
- 148,81 Euro) statthaft, weil sie vom Sozialgericht zugelassen worden ist; an diese Zulassung ist das Landessozialgericht
gebunden (§
144 Abs.
3 SGG), auch wenn die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache tatsächlich nicht gegeben sein sollte (vergleiche hierzu LSG Berlin-Brandenburg,
Beschluss vom 21. März 2017, L 18 AS 232/17 NZB, juris).
Die Berufung des Beklagten ist aber unbegründet. Das Sozialgericht Berlin hat zu Recht den Beklagten verurteilt, die Klägerin
von deren in den Widerspruchsverfahren W 2692/14, W 2693/14 und W 2898/14 entstandenen Kosten für die Rechtsvertretung durch den Prozessbevollmächtigten freizustellen.
Die Klage ist zulässig. Die Klägerin verfolgt ihr Begehren zutreffend mit der allgemeinen Leistungsklage nach §
54 Abs.
5 SGG. Danach kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt
nicht zu ergehen hatte. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Vorliegend wendet sich die Klägerin nicht gegen die Abhilfebescheide
vom 4. Juni 2014, 14. August 2014 und 15. August 2014, sondern begehrt die Freistellung von dem Vergütungsanspruch ihres Bevollmächtigten,
den der Beklagte der Höhe nach als angemessen anerkannt hat und bezüglich dessen er die Zuziehung eines Bevollmächtigten auch
für notwendig erklärt hat. Die Aufrechnungserklärungen des Beklagten vom 16. Oktober 2014 und vom 17. Oktober 2014 stellen
keine Verwaltungsakte, sondern öffentlich-rechtliche Willenserklärungen dar (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 5. September 2006, B 4 R 71/06 R, Rn. 20, juris), so dass auch diesbezüglich eine Anfechtungsklage ausscheidet (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom
13. Oktober 2016, L 31 AS 1774/16, Rn. 23, juris).
Die Klägerin ist auch aktivlegitimiert, nicht dagegen ihr Bevollmächtigter. Nur die Klägerin ist Inhaberin des Anspruchs aus
§ 63 SGB X (vgl. LSG, Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13. Oktober 2016, L 31 AS 1774/16, Rn. 24, juris). Zudem liegen auch die Voraussetzungen des gesetzlichen Forderungsübergangs nach § 9 Satz 2 Beratungshilfegesetz - BerHG - nicht vor, da der Klägerin Beratungshilfe für die Widerspruchsverfahren nicht gewährt worden ist. Schließlich hat die Klägerin
ihren Anspruch auf Freistellung von den Kosten der Vorverfahren auch nicht an ihren Bevollmächtigten abgetreten. Denn die
Klausel der Vollmacht, dass etwaige Kostenerstattungsansprüche an die Bevollmächtigten abgetreten werden, betrifft ausweislich
ihres Wortlauts nur Kostenerstattungsansprüche. Vorliegend geht es jedoch nicht um einen Kostenerstattungsanspruch der Klägerin,
sondern um einen Freistellungsanspruch. Im Übrigen wäre die Regelung über die Abtretung unter den vorliegenden Umständen als
überraschende Klausel gemäß §
305c BGB unwirksam. Nach §
305c BGB werden Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild
des Vertrags so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, nicht Vertragsbestandteil.
Der Mandant muss bei einer mit "Vollmacht" überschriebenen Urkunde nicht davon ausgehen, dass diese neben der aufgrund einseitiger
empfangsbedürftiger Willenserklärung wirksamen Vollmachtserteilung gemäß §
167 Abs.
1 BGB auch noch eine weitere auf Abschluss eines Abtretungsvertrags gerichtete Willenserklärung enthält. Denn inhaltlich handelt
es sich um eine zweiseitige Abrede, die mit der Erteilung der Vollmacht nicht im Zusammenhang steht. Jedenfalls im vorliegenden
Fall, in dem sich aus der Überschrift der Urkunde oder sonst in hervorgehobener Weise kein Hinweis darauf ergibt, dass diese
neben der Vollmacht noch andere Regelungen enthält, ist die Klausel über die Abtretung gemäß §
305c BGB als unwirksam anzusehen (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 25. März 2015, 2 Ws 426/14, Rn. 19, juris).
Die Leistungsklage ist auch begründet. Der geltend gemachte Freistellungsanspruch ist entstanden. Soweit der Widerspruch erfolgreich
ist, hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben
hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten (§ 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines sonstigen Bevollmächtigten im Vorverfahren sind erstattungsfähig,
wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war (§ 63 Abs. 2 SGB X). Vorliegend waren die von der anwaltlich vertretenen Klägerin gegen die Bescheide vom 23. April 2014, 25. April 2014 und
4. Juni 2014 eingelegten Widersprüche in vollem Umfang erfolgreich. Mit Abhilfebescheiden vom 4. Juni 2014, 14. August 2014
und 15. August 2014 gab der Beklagte den Widersprüchen statt. Zugleich erkannte der Beklagte die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten
als notwendig an und erklärte sich schließlich bereit, die in den Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten auf Antrag zu
erstatten, soweit sie notwendig waren und nachgewiesen sind. Schließlich erkannte der Beklagte mit den Schreiben vom 16. Oktober
2014 und 17. Oktober 2014 die mit Kostennoten vom 22. August 2014 geltend gemachten Kosten in voller Höhe (zusammen 1.273,42
Euro) an. Danach ist der geltend gemachte Vergütungsanspruch von zusammen 1.273,42 Euro nicht nur nach den gesetzlichen Regelungen
entstanden, sondern sogar von dem Beklagten bereits in voller Höhe anerkannt.
Der Vergütungsanspruch in Höhe von 1.273,42 Euro ist auch nicht teilweise in Höhe des im hiesigen Verfahren noch geltend gemachten
Betrages von 636,71 Euro gemäß §
389 BGB dadurch erloschen, das der Beklagte mit Erstattungsforderungen gegen die Klägerin nach §
387 BGB aufgerechnet hat. Nach §
389 BGB bewirkt die Aufrechnung, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem
sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind.
Zwar entspricht es gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass im sozialrechtlichen Verfahren die die Aufrechnung
betreffenden zivilrechtlichen Vorschriften der §§
387 ff.
BGB, soweit sich aus §§
51 ff. Sozialgesetzbuch Erstes Buch -
SGB I - nichts Abweichendes ergibt, entsprechende Anwendung finden (vgl. BSG, Urteil vom 12. Juni 2008, B 3 P 1/07 R, Rn. 13, juris; Urteil vom 11. Oktober 1979, 3 RK 88/77, Rn. 13, juris und Urteil vom 25. August 1961, 1 RA 233/59, Rn. 12f., juris).
Allerdings liegen die Voraussetzungen des §
387 BGB hier nicht vor. Danach kann, wenn zwei Personen einander Leistungen schulden, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind,
jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern
und die ihm obliegende Leistung bewirken kann. Es handelt sich hier zwar um gegenseitige Forderungen. Allerdings fehlt es
vorliegend an der Voraussetzung der Gleichartigkeit, da ein Zahlungsanspruch des Beklagten einem Freistellunganspruch der
Klägerin gegenübersteht.
Es ist höchstrichterlich geklärt, dass der Kostenerstattungsanspruch nach § 63 SGB X, solange der Erstattungsgläubiger den Vergütungsanspruch seines Rechtsanwaltes noch nicht beglichen hat, einen Freistellungsanspruch
darstellt (BSG, Urteil vom 2. Dezember 2014, B 14 AS 60/13 R, Rn. 14, juris), jedenfalls soweit kein Forderungsübergang aus Abtretung oder aus sonstigen Gründen eingetreten ist. Entgegen
der Ansicht des Beklagten erfasst § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X nicht nur einen Aufwendungsersatzanspruch des Mandanten gegen die Behörde, sondern ebenso einen Freistellungsanspruch. Der
Kostenerstattungsanspruch nach § 63 SGB X hängt nicht von einer tatsächlich geleisteten Zahlung des Erstattungsgläubigers ab, vielmehr ist ausreichend, wenn der Mandant
einer Honorarforderung des bevollmächtigten Rechtsanwalts tatsächlich ausgesetzt ist. Damit kann auf § 63 SGB X ein auch vorliegend streitgegenständlicher Freistellungsanspruch des Erstattungsgläubigers gegen die zur Kostenerstattung
verpflichtete Behörde gestützt werden (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 31. März 2017, L 18 AS 232/17 NZB, Rn. 4, juris; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31. Mai 2018, L 29 AS 1928/17, Rn. 33, juris).
Im Übrigen ist die Frage, ob der Freistellunganspruch auf §
257 BGB oder auf § 63 SGB X gestützt werden kann, ohne rechtliche Relevanz. Denn mangels abweichender Rechtsfolgen kann dahinstehen, ob der Freistellungsanspruch
aus einer entsprechenden Anwendung des §
257 BGB folgt - danach kann derjenige, der berechtigt ist, Ersatz für Aufwendungen zu verlangen, die er für einen bestimmten Zweck
macht, wenn er für diesen Zweck eine Verbindlichkeit eingeht, Befreiung von dieser Verbindlichkeit verlangen - oder er sich
unmittelbar aus Sinn und Zweck des § 63 SGB X ergibt (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13. Oktober 2016, L 31 AS 1774/16, Rn. 32, juris; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. Mai 2018, L 10 AS 1054/17 NZB - unveröffentlicht). Es unterliegt keinem Zweifel, dass der Erstattungsgläubiger in dem einen wie dem anderen Fall Freistellung
von der Honorarforderung des von ihm bevollmächtigten Rechtsanwalts verlangen kann.
Des Weiteren ist höchstrichterlich geklärt, dass es an der Voraussetzung einer gleichartigen Forderung gemäß §
387 BGB fehlt, wenn eine Geldforderung einem Freistellungsanspruch gegenübersteht (BGH, Beschluss vom 9. Juli 2009, IX ZR 135/08, Rn. 3, juris; Urteil vom 6. Juli 1977, IV ZR 17/76, Rn. 51, juris; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 6. Mai 2015, L 6 AS 288/13, Rn. 31, juris), weil ein Freistellungsanspruch auf ein Tun schlechthin, also auf eine ersetzbare Handlung, gerichtet ist,
die nach §
887 Zivilprozessordnung -
ZPO - zu vollstrecken ist, und es sich damit nicht um einen Anspruch auf Zahlung einer Geldleistung, deren Vollstreckung nach
§§
803 bis
882a ZPO zu erfolgen hat, handelt (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. Oktober 2018, L 32 AS 523/18 NZB, Rn. 18, juris; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13. Oktober 2016, L 31 AS 1774/16, Rn. 31, juris). Dem folgt der Senat.
Insgesamt bleibt danach festzuhalten, dass ein Aufwendungsersatzanspruch bei einer weiter bestehenden Verbindlichkeit als
Freistellungsanspruch geltend gemacht werden kann und dieser Freistellunganspruch mangels Gleichartigkeit im Sinne von §
387 BGB mit einer Geldforderung nicht aufgerechnet werden kann. Die Aufrechnungserklärung des Beklagten ist mithin vorliegend unwirksam
und führte nicht zum teilweisen Erlöschen des Aufwendungsersatzanspruchs. Die Klägerin hat damit gegen den Beklagten Anspruch
auf vollständige Freistellung von deren in den Widerspruchsverfahren W 2692/14, W 2693/14 und W 2898/14 entstandenen Kosten für die Rechtsvertretung durch den Prozessbevollmächtigten, soweit diese mit den Schreiben vom 16. und
17. Oktober 2014 noch nicht erfolgt ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 Nr.
1 oder 2
SGG nicht vorliegen. Durch die Rechtsprechung des BSG ist bereits geklärt, dass ein Freistellunganspruch des Erstattungsgläubigers gegen die zur Kostenerstattung verpflichtete
Behörde auf § 63 SGB X gestützt werden kann. Geklärt ist auch, dass eine von der Behörde erklärte Aufrechnung eines Erstattungsanspruchs gegen einen
anerkannten Anspruch auf Kostenerstattung in Form eines Freistellunganspruchs an der fehlenden Gleichartigkeit dieser Forderungen
scheitert. Darauf, dass das BSG diese Frage bisher nicht ausdrücklich entschieden hat, kommt es nicht an, da die Frage eine Vorschrift des
BGB (hier §
387 BGB) betrifft und einschlägige Rechtsprechung eines anderen oberen Bundesgerichts (hier des BGH) existiert (vgl. BSG, Beschluss vom 13. Mai 1997, 13 BJ 271/96, Leitsatz, juris).