Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erstattung von 1.988,87 Euro für von ihr erbrachte Leistungen der medizinischen
Rehabilitation in Form einer Anschlussheilbehandlung (AHB).
Der 1944 geborene Versicherte K G(Versicherter - V) ist bei der Klägerin renten- und bei der Beklagten krankenversichert.
Er befand sich seit Juni 2007 in der passiven Phase (Freistellungsphase) eines Altersteilzeitmodells. Im Anschluss an ein
stationären Krankenhausaufenthalt hielt sich der V vom 11. Dezember 2007 bis zum 1. Januar 2008 in einer Rehaklinik zur AHB-Behandlung
auf.
Die Klägerin bewilligte die AHB mit Bescheid vom 28. Dezember 2007. Die AHB werde von ihr im Auftrag und für Rechnung der
Krankenkasse durchgeführt, weil die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Leistung durch den Rentenversicherungsträger nicht
erfüllt seien. Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 13. März 2008 mit, deren Auffassung, dass ein Ausschlussgrund
gemäß §
12 Sozialgesetzbuch 6. Buch (
SGB VI) vorliege, weil sich der V in der passiven Phase seiner Altersteilzeit befinde, nicht zu teilen. Ein Ausschlussgrund gemäß
§
12 Abs.
1 Nr.
4 a SGB VI liege nicht vor (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 26. Juli 2007 - B 1 KR 34/06 -). Nach der Rechtsprechung des BSG könne die
Altersteilzeit nicht mit dem dauerhaften Ausscheiden aus dem Arbeitsleben gleichgesetzt werden.
Die Klägerin antwortete mit Schreiben vom 1. April 2008, durch den Rentenversicherungsträger zu erbringende Leistungen zur
medizinischen Rehabilitation setzten voraus, dass die Erwerbsfähigkeit des Versicherten durch die Leistungen wesentlich gebessert
oder wiederhergestellt werden könnten (§
9 Abs.
1 Nr.
2, 10
SGB VI). Die Vorschrift gehe davon aus, dass der Versicherte auch nach Durchführung der Reha-Leistung noch eine gewisse Zeit einer
Erwerbstätigkeit nachgehen könne. Dies sei in der passiven Phase eines laufenden Altersteilzeitmodelles nicht der Fall. Eine
weitere Beschäftigung bzw. dauerhafte Wiedereingliederung in das Erwerbsleben sei nicht mehr vorgesehen.
Sie hat am 30. April 2008 beim Sozialgericht Berlin (SG) Klage erhoben, mit der sie 1.963,67 Euro Pflegekosten sowie 25,20 Euro sonstige Kosten (Befundbericht), also insgesamt 1.988,87
Euro begehrt. Im Rahmen einer pflichtgemäßen Ermessensausübung liege nach der gängigen Verwaltungspraxis der Klägerin ein
Grund, Anschlussrehabilitationsleistungen nach den §
9 ff
SGB VI auszuschließen, in der Regel vor, wenn nach der Altersteilzeit-Vereinbarung die tatsächliche Beschäftigung innerhalb von
6 Monaten nach Eingang des Rehabilitationsantrages ende. Um ein vorzeitiges Ausscheiden bereits innerhalb der nächsten 6 Monate
zu verhindern, bedürfe es keiner Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Der V hier habe seinen geplanten dauerhaften
Ausstieg aus dem Erwerbsleben dadurch dokumentiert, dass er ab Juni 2007 in die passive Phase der Altersteilzeit eingetreten
sei. Deshalb greife der Ausschlussgrund des §
12 Abs.
1 Nr.
4 a SGB VI. Sie hat sich ergänzend auf das Urteil des BSG vom 14. Dezember 2006 (B 4 R 19/06 R) berufen. Auch danach ende das Erwerbsleben im Sinne des §
9 Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGB VI grundsätzlich mit dem Beginn der Freistellungsphase. §
7 Abs.
1 a Sozialgesetzbuch 4. Buch stehe dem nicht entgegen, weil dort lediglich das rechtliche Fortbestehen eines Beschäftigungsverhältnisses
angeordnet werde.
Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass das Urteil des BSG vom 26. Juni 2007 (- B 1 KR 34/06 R -) neuer sei als das jenige vom 14. Dezember 2006. Auch ergebe sich aus §
10 Altersteilzeitgesetz (ATG), dass ein Versicherter nach der beendeten Altersteilzeit durchaus nicht gehalten sei, Altersrente zu beziehen. Er könne
sich auch arbeitslos melden und damit dem Arbeitsmarkt wieder zur Verfügung stehen.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 25. September 2008 abgewiesen. Die Klage sei als allgemeine Leistungsklage nach §
54 Abs.
5 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zulässig. Sie sei jedoch unbegründet. Der Klägerin stehe kein Zahlungsanspruch für die beim V durchgeführte AHB aus § 6
der zwischen der Klägerin und dem Verband der Angestellten Krankenkassen LV sowie den Mitgliedskassen geschlossen Vereinbarungen
über ein gemeinsames AHB-Verfahren (AHB-Vereinbarung) vom 1. April 1988 bzw. direkt aus § 104 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zu. Zwar seien Ansprüche nach § 102 ff SGB X nicht bereits aufgrund des § 14 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch ausgeschlossen (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 26. Juni 2007 -B 1 KR 34/06 R -). Dasselbe gelte auch für die Regelungen der AHB-Vereinbarungen. Weder die Voraussetzungen des § 6 der AHB-Vereinbarungen noch die des § 104 SGB X seien aber erfüllt. Beide setzten voraus, dass die Klägerin die Leistungen als unzuständiger Rehabilitationsträger erbracht
habe. Vorliegend sei jedoch die Klägerin zuständiger Leistungsträger gewesen. Nach §
40 Abs.
4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (
SGB V) müssten die Krankenkassen Leistungen der medizinischen Rehabilitation nach §
40 Abs.
1 Satz 2
SGB V nur erbringen, wenn diese nicht nach den für andere Träger der Sozialversicherung geltenden Vorschriften mit Ausnahme des
§
31 SGB VI erbracht werden könnten. Die Klägerin habe hier die Rehabmaßnahmen nach §
9 ff
SGB VI erbringen müssen. Der Bezug von Leistungen nach dem ATG stelle nämlich keinen Ausschlussgrund im Sinne des §
12 Abs.
1 Nr.
4a SGB VI bzw. des §
5 Abs.
1,
3 Spiegelstrich Abs. 2, 3. Spiegelstrich der AHB-Vereinbarung dar. Nach diesen Vorschriften würden Leistungen zur Teilhabe
bzw. AHB-Leistungen durch den Rentenversicherungsträger nicht für Versicherte erbracht, die eine Leistung bezögen, die regelmäßig
bis zum Beginn einer Rente wegen Alters gezahlt werde. Diese Voraussetzung sei für den V, der lediglich aufgestocktes Altersteilzeitentgelt
seines Arbeitsgebers in der Passivphase der Altersteilzeit bezogen habe, nicht erfüllt. Bei diesem aufgestockten Entgelt handele
es sich nicht um Leistungen für Personen, die dauerhaft aus dem Erwerbsleben ausgeschieden seien und durch betriebliche Versorgungsleistungen
auf die Altersrente hingeführt würden. Der Arbeitnehmer scheide noch nicht dauerhaft aus dem Arbeitsleben aus. Der Phase der
Altersteilzeit könne sich eine weitere Arbeitsphase anschließen. Der Arbeitnehmer könne nach Abschluss der Altersteilzeit
Arbeitslosengeld beanspruchen. Er sei deshalb zu diesem Zeitpunkt nicht gehalten, Altersrente zu beanspruchen. Seiner Rechtsnatur
nach sei das Altersteilzeitverhältnis ein vollwertiges Arbeitsverhältnis (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 26. Juni 2007). Die
Auffassung der Klägerin auf der Grundlage der Entscheidung des 4. Senats des BSG vom 14. Dezember 2006 (B 4 R 19/06 R), sei unabhängig vom Vorliegen eines Ausschlussgrundes nach §
12 Abs.
1 SGB VI bereits im Rahmen der persönlichen Voraussetzungen eines Leistungsanspruches nach §
10 Abs.
1 SGB VI zu prüfen, ob der Versicherte sein Erwerbsleben auf Dauer aufgegeben habe, sei nicht überzeugend. §
9 Abs.
1 SGB VI regele nur allgemein vorab die Aufgaben der Leistungen zur Teilhabe im Sinne einer Zielvorstellung. Diese werde durch die
eigenen Regelungen der §
10 bis
12 SGB VI konkretisiert. Dass das Ziel von Teilhabeleistungen bei Versicherten, die ihr Erwerbsleben auf Dauer angelegt aufgegeben
hätten, grundsätzlich nicht mehr erreicht werden könne, möge an sich zutreffend seien. Diesem Umstand werde jedoch für den
vorliegenden Fall ausschließlich die Vorschrift des §
12 Abs.
1 Nr.
4 a SGB VI gerecht. Diese Vorschrift habe auch den Zweck, ältere Versicherte, die bereits dauerhaft aus dem Erwerbsleben ausgeschieden
seien und durch Lohnersatzleistungen auf die Altersrente hingeführt würden, von Reha-Leistungen auszuschließen (Bezugnahme
auf BT-Drucksache 13/6610 Seite 21 zu Nr. 4).
§
10 Abs.
1 SGB VI regele hingegen ausschließlich die persönlichen Voraussetzung der Leistungen und stelle hierbei alleine auf die Erwerbsfähigkeit
als solche ab und zwar - mit Ausnahme des hier nicht einschlägigen §
10 Abs.
1 Nr.
2 c SGB VI - unabhängig davon, ob der Versicherte noch einer Erwerbstätigkeit nachgehe oder nachgehen werde oder wolle. Würde man das
Vorliegen der persönlichen Voraussetzungen des §
10 SGB VI alleine deshalb verneinen, weil der Versicherte sein Erwerbsleben dauerhaft aufgegeben habe, wäre der Ausschlusstatbestand
des §
12 Abs.
1 Nr.
4 a SGB VI nicht nur überflüssig. Vielmehr widerspräche dies auch dem mit dieser Regelung zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers,
dass die dauerhafte Aufgabe des Erwerbslebens alleine noch nicht zum Ausschluss der Leistungen führen solle, sondern nur dann,
wenn der Versicherte zudem durch Lohnersatzleistungen auf die Altersrente hingeführt werde. Dementsprechend habe der 1. Senat
des BSG in seiner Entscheidung vom 26.06.2007 im Falle eines Versicherten, der nur ca. 2 Monate vor der passiven Phase der
Altersteilzeit gestanden habe, ohne weiteres das Vorliegen der §§
9 bis
11 SGB VI bejaht und sich lediglich mit den Voraussetzungen des §
12 Abs.
1 Nr.
4 a SGB VI näher auseinander gesetzt.
Gegen dieses Urteil richtet sich die zugelassene Berufung der Klägerin, zu deren Begründung sie ihr bisheriges Vorbringen
wiederholt. Da das ATG durch Altersteilzeitarbeit älteren Arbeitnehmern einen gleitenden Übergang vom Erwerbsleben in die
Altersrente ermöglichen solle (§ 1 ATG), spreche eine Altersteilzeitbeschäftigung zunächst einmal für die Annahme, dass der
Versicherte dauerhaft aus dem Erwerbsleben ausscheiden wolle. Im Rahmen ihrer Prognosebeurteilung im Sinne des §
10 SGB VI sei die Klägerin zum Ergebnis gelangt, dass die Rehabilitationsziele des §
9 SGB VI nicht mehr erreicht werden könnten, weil das Erwerbsleben des Versicherten bereits beendet sei. Im Oktober 2008 habe der
V einen Antrag auf Altersrente gestellt. Auch damit habe er seine Absicht nach außen manifestiert, nach dem Ende der Freistellungsphase
der Altersteilzeitarbeit nicht wieder in das erwerbstätig sein zu wollen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. Oktober 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.988,87 Euro
zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG für richtig.
Beiden Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt. Auf die von ihnen eingereichten
Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen.
Der Beschluss über den Streitwert folgt aus § 63 Abs. 1 GKG.