Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Entziehung des Nachteilsausgleichs für Gehörlose nach dem Sächsischen Landesblindengeldgesetz
(LBlindG).
Die 1993 geborene Klägerin leidet laut der Epikrise der Klinik und Poliklinik für Kinderheilkunde des Universitätsklinikums
Y ... der Technischen Universität B ... vom 12.11.1993 an einer perinatalen Hirnschädigung, Mikrozephalie, Fetopathia diabetica,
Vorhofseptumdefekt II. Grades mit gering- bis mäßiggradigem Links-Rechts-Shunt. Des Weiteren besteht eine hochgradige Innenohrschwerhörigkeit
beidseits, mit zwei Hörgeräten versorgt. Es besteht eine geistige und motorische Entwicklungsverzögerung.
Mit Bescheid vom 15.06.1994 stellte das Amt für Familie und Soziales B ... fest, dass wegen des Missbildungssyndroms mit Hirnschädigung
und der Stoffwechselstörung sowie der Schwerhörigkeit der Grad der Behinderung (GdB) 100 betrage und die gesundheitlichen
Voraussetzungen für die Merkzeichen "B", "G", "H" und "RF" erfüllt seien. Mit weiterem Bescheid vom 12.06.1996 gewährte das
Amt für Familie und Soziales B ... der Klägerin Leistungen nach dem LBlindG für schwerstbehinderte Kinder. Im Nachprüfungsverfahren
1999 wurde keine Befundänderung festgestellt, es liege weiterhin Taubheit sowie ein Missbildungssyndrom mit Hirnschädigung,
Stoffwechselstörung, Schwerhörigkeit vor. Mit Schreiben vom 07.07.1999 wurde mitgeteilt, dass es bei der im Bescheid vom 15.06.1994
getroffenen Feststellung bleibe. Im Jahre 2000 wurde Dr. X ..., Facharzt für Phoniatrie und Pädaudiologie und HNO mit der
Untersuchung der Klägerin beauftragt, es sollte festgestellt werden, ob eine mindestens an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit
mit schweren Sprachstörungen bestehe. Aufgrund der Untersuchung vom 23.11.2000 erstellt Dr. X ... am 25.11.2000 ein phoniatrisch-pädaudiologisches
Gutachten. Es liege eine hochgradige an Taubheit grenzende angeborene Innenohrschwerhörigkeit sowie eine mittel- bis hochgradige
audiogene Sprachstörung vor. Mit Bescheid vom 08.01.2001 wurde festgestellt, dass eine neue Feststellung nach § 4 Schwerbehindertengesetz über den Bescheid vom 15.06.1994 nicht zu treffen sei. Die festgestellten Behinderungen würden wie folgt neu bezeichnet:
an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit mit audiogener Sprachstörung. Eine inhaltliche Änderung sei damit nicht verbunden. Mit
Bescheid vom 19.12.2000 entschied das Amt für Familie und Soziales B ..., dass der Bescheid vom 12.06.1996 mit Wirkung ab
01.02.1996 insoweit zurückgenommen werde, als dass der Nachteilsausgleich für Gehörlose nicht bewilligt worden sei. Es ergehe
folgende neue Entscheidung: Mit Wirkung vom 01.02.1996 haben sie Anspruch auf den Nachteilsausgleich für schwerstbehinderte
Kinder und den Nachteilsausgleich für Gehörlose. Sie erhalten weiterhin den Nachteilsausgleich für schwerstbehinderte Kinder
in Höhe von monatlich 150,00 DM. Die Überprüfung der HNO-ärztlichen Untersuchungsbefunde vom 23.11.2000 von Dr. X ... und
die versorgungsärztliche Stellungnahme dazu hätten ergeben, dass eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit mit audiogener
Sprachstörung mit einem GdB von 100 und damit die medizinischen Voraussetzungen zur Gewährung des Nachteilsausgleichs für
Gehörlose vorlägen.
Am 13.12.2011 fertigte Frau W ..., Referatsleiterin beim Beklagten, im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens von Amts wegen folgenden
Aktenvermerk: Im Rahmen einer persönlichen Vorsprache am 25.10.2011 ist aufgefallen, dass Frau M ... den NTA für Gehörlose
bezieht, sie sich aber am geführten Gespräch beteiligt hat. Es kamen dadurch Zweifel auf, ob Frau M ... tatsächlich gehörlos
im Sinne des LBlindG ist, zumal in einem Entwicklungsbericht vom 23.10.1997 (Bl. 50/51 S-Akte) ein großes Mitteilungsbedürfnis
angegeben wurde. Beigezogen wurde das nervenfachärztliche Gutachten vom 01.03.2011, erstellt im Betreuungsverfahren von Dr.
V ..., aus dem hervorgeht, dass die Klägerin mit Unterstützung der Mutter etwas ängstlich auf einfache Fragen antwortete,
es war möglich, sich mit ihr mit einfachen Sätzen zu verständigen.
Am 04.04.2012 nahm Dipl.-Med. U ... sozialmedizinisch Stellung (Bl. 67 VA): Es liegt eine angeborene an Taubheit grenzende
Schwerhörigkeit vor. Anfang 1994 Versorgung mit Hörgeräten. Sprachliche Kommunikation habe sich entwickelt. Auch aktuell habe
sich die Klägerin bei der Begutachtung mit der Neurologin sprachlich verständigen können, der GdB von 100 (für die Schwerhörigkeit
allein) sei nicht mehr vertretbar.
Nach Anhörung vom 14.05.2012 entschied der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 18.06.2012, dass der GdB weiterhin 100 betrage
und die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Merkzeichen "RF", "B" und "G" weiter vorlägen, die Voraussetzungen für die
Zuerkennung des Merkzeichens "H" sowie der übrigen Merkzeichen lägen nicht vor. Die Verhältnisse, die dem Bescheid vom 15.06.1994
in Gestalt des Bescheides vom 08.01.2001 zugrunde lagen, hätten sich insofern wesentlich geändert, als bei der bisher berücksichtigten
Funktionsbeeinträchtigung "an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit mit audiogener Sprachstörung" eine Besserung der sprachlichen
Kommunikation eingetreten sei. Aus den beigezogenen Befunden und der versorgungsärztlichen Stellungnahme gehe hervor, dass
die Klägerin sich sprachlich verständigen könne. Schwere Sprachstörungen (schwer verständliche Lautsprache und geringer Sprachschatz),
die im Zusammenwirken mit der an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit bisher einen GdB von 100 bedingt hätten, lägen nicht
mehr vor. Der Einzel-GdB sei daher niedriger festzustellen. Aus der versorgungsmedizinischen Stellungnahme geht hervor, dass
die geistige Behinderung mit einem Einzel-GdB von 50 und die an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit mit Sprachstörung mit einem
Einzel-GdB von 90 festgesetzt wurden. Mit weiterem Bescheid vom 19.06.2012 entschied der Beklagte, dass mit Wirkung ab 01.07.2012
der Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach dem LBlindG entfalle. Nach dem Ergebnis der vorgenommenen Prüfung unter Berücksichtigung
der beigezogenen bzw. vorgelegten ärztlichen Unterlagen liege eine Gehörlosigkeit im Umfang der gesetzlichen Bestimmungen
des § 1 Abs. 4 LBlindG nicht mehr vor, die Voraussetzungen für die Gewährung des Nachteilsausgleichs für Gehörlose seien weggefallen.
Der GdB sei zwar weiterhin mit 100 festzustellen, der GdB allein für die "an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit mit Sprachstörung"
betrage 90. Damit würden die gesundheitlichen Voraussetzungen zur Gewährung des Nachteilsausgleichs für Gehörlose nicht weiter
erfüllt.
Auf den dagegen erhobenen Widerspruch wurde die Klägerin am 12.12.2012 durch den Gutachterarzt des Beklagten, Dipl.-Med U
..., untersucht. Am 12.12.2012 fertigte die Mitarbeiterin des Beklagten Frau T ... folgenden Aktenvermerk: "Frau M ... erschien
heute in Begleitung ihrer Mutter geladen zu einer Untersuchung im Amt im Rahmen des anhängigen Widerspruchsverfahrens. Gegenstand
der heutigen Untersuchung durch den Gutachter, Herrn Dipl.-Med. U ..., war das Ausmaß der bestehenden Sprachstörung im Zusammenhang
mit der als Behinderung im Sinne des §
69 SGB IX festgestellten Taubheit festzustellen. Bei der Gesprächsführung durch den Gutachter antwortete Frau M ... trotz großer Aufregung
mit einfachen Sätzen, welche für den Außenstehenden gut verständlich waren."
Mit Teilabhilfebescheid vom 10.01.2013 wurde festgestellt, dass die Klägerin die gesundheitlichen Voraussetzungen für das
Merkzeichen "Gl", gültig ab 01.07.2001, erfülle.
Die gegen die beiden Bescheide (vom 18. und 19.06.2012) eingelegten Widersprüche wurden durch den Kommunalen Sozialverband
Sachsen mit Widerspruchsbescheid vom 13.02.2013 (
SGB IX) und 14.02.2013 (LBlindG) zurückgewiesen. Das Verfahren nach dem LBlindG wurde zunächst unter dem Aktenzeichen S 16 BL 4/13 geführt und mit Beschluss des SG vom 27.05.2013 zu dem SB-Verfahren S 6 SB 173/17 hinzuverbunden. Die Klage gegen den Bescheid vom 18.06.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.02.2013, ausdrücklich
gerichtet auf das Merkzeichen "H" (S 6 SB 173/14), wurde mit Schriftsatz vom 26.08.2013 zurückgenommen.
Mit Gerichtsbescheid vom 18.06.2014 hat das SG die Klage, gerichtet auf Aufhebung des Einstellungsbescheides nach dem LBlindG vom 19.06.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 14.02.2013, abgewiesen. Es könnten keine derart schweren Sprachstörungen mehr festgestellt werden, dass immer noch ein
GdB von 100 für den Funktionsbereich Hör- und Gleichgewichtsorgan festzustellen sei. Damit entfalle auch der Anspruch auf
Leistungen nach dem LBlindG.
Zur Begründung hat es ausgeführt:
"Gegenstand des Verfahrens sind die im Antrag der Klägerin genannten Bescheide. Das noch streitgegenständliche Begehren der
Klägerin ergibt sich aus der Klageschrift des ursprünglichen Verfahrens nach dem Landesblindengeldgesetz vom 12.03.2013.
Ziel der der Klage ist demnach die Aufhebung der im Antrag genannten Bescheide und die Beibehaltung des in den Bescheiden
vom 12.06.1996 und vom 19.12.2000 gewährten Anspruchs auf Leistungen nach dem Landesblindengeldgesetz, auch wenn das Verfahren
nach Rücknahme der Kläger gegen die Bescheide nach dem Schwerbehindertenrecht unter dem schwerbehindertenrechtlichen Aktenzeichen
fortgeführt wird.
Da für den Fall der Aufhebung des Änderungsbescheides in Gestalt des Widerspruchsbescheides der früher festgestellte Leistungsanspruch
bestehen bleibt, besteht zudem für eine weitergehende Verpflichtungsklage kein Rechtschutzbedürfnis der Klägerin. Denn es
handelt sich bei den Bescheiden aus den Jahren 1996 und 2000 um Verwaltungsakte mit Dauerwirkung, der solange wirksam bleiben,
wie sie nicht aufgehoben bzw. abgeändert werden. Käme das Gericht bei der Prüfung des Änderungsbescheides in Gestalt des Widerspruchsbescheides
zu der Auffassung, diese Entscheidungen seien rechtswidrig und daher aufzuheben, bestünden weiterhin die genannten Bescheide
aus 1996 und 2000 vollumfänglich fort.
Der Prüfungsumfang der isolierten Anfechtungsklage beschränkt sich darauf, ob die vom Beklagten bzw. der Widerspruchsbehörde
erlassenen Bescheide zur Zeit des Erlasses rechtmäßig waren. Denn der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit
bei isolierten Anfechtungsklagen im Schwerbehindertenrecht ist der Zeitpunkt der letzten behördliche Entscheidung (vergl.:
BSG 9 RVs 15/96). Das Gericht hat somit bei seiner Entscheidung auf die zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides geltende Sach-
und Rechtslage abzustellen.
Zu überprüfen war mithin, ob die Entscheidungen des Beklagten und der Widerspruchsbehörde damals rechtmäßig waren.
Die vorgenommenen Aufhebung der Bescheide über die Gewährung von Leistungen nach dem Landesblindengeldgesetz war rechtmäßig
und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§
54 Abs.
2 Satz 1
SGG).
Die Rechtsgrundlage der vorgenommenen Reduzierung ist§ 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB-X).
Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB-X ist, anders als im Fall des § 45 SGB-X, ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die
beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine wesentliche
Änderung der Verhältnisse im Ausmaß der Behinderung liegt vor, wenn der veränderte Gesundheitszustand mehr als 6 Monate angehalten
hat oder voraussichtlich anhalten wird und die Änderung des GdB Grades wenigstens 10 beträgt oder wenn die entscheidenden
Voraussetzungen für Nachteilsausgleiche für behinderte Menschen erfüllt werden oder entfallen sind.
Nach § 1 LBlindG erhalten Blinde, hochgradig Sehsehwache, Gehörlose und schwerstbehinderte Kinder, die das erste Lebensjahr
vollendet haben und im Freistaat Sachsen ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben oder nach der Verordnung VO (EG)
Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit
(ABI. L 166 vom 30. April 2004, S. 1, L 200 S. 1, L 204 vom 4. August 2007, S. 30), geändert durch die Verordnung (EG Nr.
988/2009, ABI. L 284 vom 30. Oktober 2009, S. 43), in der jeweils geltenden Fassung, anspruchsberechtigt sind, zum Ausgleich
ihrer behinderungsbedingten Mehraufwendungen Leistungen nach diesem Gesetz.
Der Eintritt der Volljährigkeit lässt den Anspruch der Klägerin demnach zweifelsfrei und wohl auch unstreitig insoweit entfallen,
als er sich auf das anspruchsbegründende Tatbestandsmerkmal "schwerstbehinderte Kinder" gründet.
Der Anspruch ist aber auch entfallen, soweit er sich auf das Tatbestandsmerkmal "Gehörlosigkeit" gründet.
Nach § 1 Abs. 4 Landesblindengeldgesetz gelten als gehörlos im Sinne des Gesetzes Personen - nur dieser Gesichtspunkt kommt
hier bei der Klägerin in Betracht - mit angeborener oder bis zum siebenten Lebensjahr erworbener Taubheit oder an Taubheit
grenzender Schwerhörigkeit, wenn bei ihnen allein wegen der Taubheit und wegen der mit der Taubheit einhergehenden schweren
Störung des Spracherwerbs ein GdB von 100 festgestellt ist. Personen, die erst später die Taubheit oder an Taubheit grenzende
Schwerhörigkeit erworben haben, gelten nur dann als gehörlos, wenn bei ihnen allein wegen der Taubheit und der mit der Taubheit
einhergehenden schweren Sprachstörung ein Grad der Behinderung von 100 festgestellt ist.
Für die Beurteilung des Gehörs und dem sich daraus ergebenden GdB sieht die hier heranzuziehenden versorgungsmedizinischen
Grundsätze (VMG) unter B.5. bzw. B.5.1. folgende Festlegungen zur Höhe des festzustellenden GdB s vor, wobei der im Versorgungsrecht
übliche Grad der Schädigung (GdS) dem GdB entspricht:
5. Maßgebend für die Bewertung des GdS bei Hörstörungen ist die Herabsetzung des Sprachgehörs, deren Umfang durch Prüfung
ohne Hörhilfen zu bestimmen ist. Der Beurteilung ist die von der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf-
und Hals-Chirurgie empfohlene Tabelle (siehe Nummer 5.2.4, Tabelle D) zugrunde zu legen. Nach Durchführung eines Ton- und
Sprachaudiogramms ist der Prozentsatz des Hörverlustes aus entsprechenden Tabellen abzuleiten.
Die in der GdS-Tabelle enthaltenen Werte zur Schwerhörigkeit berücksichtigen die Möglichkeit eines Teilausgleichs durch Hörhilfen
mit.
Sind mit der Hörstörung andere Erscheinungen verbunden, z. B. Ohrgeräusche, Gleichgewichtsstörungen, Artikulationsstörungen
oder außergewöhnliche psychoreaktive Störungen, so kann der GdS entsprechend höher bewertet werden.
5.1 Angeborene oder in der Kindheit erworbene Taubheit oder an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit mit Sprachstörungen
angeboren oder bis zum 7. Lebensjahr erworben (schwere Störung des Spracherwerbs, in der Regel lebenslang) 100
später erworben (im 8. bis 18. Lebensjahr) mit schweren Sprach- störungen (schwer verständliche Lautsprache, geringer Sprach-
schatz) 100
sonst je nach Sprachstörung 80-90
Die VMG geht also bei Geburt oder in früher Jugend erworbener Taubheit oder an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit für die
Bestimmung des GdB s von schweren Sprachstörungen aus, wie sich aus der Formulierung " ... in der Regel lebenslang" ergibt.
Die Formulierung "in der Regel" bedeutet nach allgemeinem juristischen Sprachgebrauch, dass bei Nicht-(oder: nicht mehr)-vorliegen
der Voraussetzungen ein anderer niedrigerer GdB festgestellt werden kann.
Auch der Sachverständigenrat geht offenkundig davon aus, dass die Festlegungen entsprechend zu lesen sind, wie sich aus dem
Protokoll der Tagung vom 17.03.1998 (dort: TOP 2.1., insbesondere 3. Absatz) ergibt, in dem festgestellt wird, dass sich der
Erfolg im Sinne eines Spracherwerbs bei einer Implantation von Cochlea Implantaten erst bei Volljährigkeit beurteilen lässt.
Im vorliegenden Fall ist es unstreitig, dass die Klägerin gehörlos im Sinne der genannten Vorschriften ist, wenn sie auch
Töne in einem gewissen Tonbereich wahrnimmt, wie sich aus der Stellungnahme des versorgungsmedizinischen Dienstes des Beklagten
vom 23.10.2013 ergibt.
Allerdings können keine derart schweren Sprachstörungen festgestellt werden, dass immer noch ein GdB von 100 für den schwerbehindertenrechtlichen
Funktionsbereich "Hör- und Gleichgewichtsorgan" festzustellen ist, wobei es angesichts der Festlegungen des Landesblindengeldgesetzes
dahinstehen kann, ob der GdB mit 80 oder mit 90 zutreffend festzustellen wäre.
Solche schweren Sprachstörungen wären nur dann anzunehmen, wenn eine Verständigung soweit erschwert ist, dass ein Verstehen
der Klägerin infolge (beispielsweise) einer stark verwaschenen oder ansonsten undeutlichen Sprache derart erschwert ist, dass
eine geordnete Verständigung nicht oder unter Zuhilfenahme weiterer Komponenten wie Gebärdensprache oder Schreiben bzw. Aufmalen
möglich ist.
Ein immer noch bestehendes aktuelles - und nur darauf kommt es hier an - derart eingeschränktes Sprachvermögen kann den Akten
nicht entnommen werden.
Das Gericht muss sich insoweit bei seiner Beurteilung, da diese anderweitig immer von einer nicht zu verifizierenden Mitwirkung
der Klägerin abhängig ist, auf objektive Befunde aus den Akten stützen.
Dem in der Verwaltungsakte befindlichen Gesprächsvermerk vom 13.12.2011, gefertigt durch die bei dem Beklagten zuständige
Referatsleiterin, ist zu entnehmen, dass die Klägerin sich damals derart an dem Gespräch beteiligt hat, dass Zweifel an der
Voraussetzungen für den Bezug von Leistungen nach dem Landesblindengeldgesetz auftraten. Dem im Betreuungsverfahren gefertigten
Gutachten ist zu entnehmen, das die dortigen anamnestischen Feststellungen durch die Mutter der Klägerin erfolgt sind, wie
die Art und Weise der Feststellungen erkennbar macht. Rückschlüsse können daraus also nicht gezogen werden.
Einem allerdings ohne Datum verfassten Gesprächsvermerk Frau T ..., Sachbearbeiterin des Beklagten, ist zu entnehmen, dass
die Klägerin bei einer Untersuchung durch den sozialmedizinischen Dienst des Beklagten, Herrn Dipl. med. U ..., trotz großer
Aufregung mit einfachen Sätzen antwortete, welche für Außenstehende gut verständlich waren.
Herr Dipl. med. U ... bestätigt diese Feststellungen in seiner versorgungsmedizinischen Stellungnahme vom 23.10.2013 ausdrücklich.
Er wies darauf hin, dass er sich mit der Klägerin am 12.12.2013 im Amt unterhalten habe. Das Gespräch habe sich auf einfache
Inhalte beschränkt. Relevante kommunikative Defizite habe er nicht feststellen können. Die Lautsprache sei nicht schwer verständlich
gewesen, es habe kein geringer Sprachschatz vorgelegen.
Der Ansicht, dass bei der Klägerin schwere Sprachstörungen vorliegen, geäußert durch Frau Dr. D ... im Befundbericht vom August
2013, kann angesichts der teilweise sehr detaillierten Feststellungen der vorgenannten drei Personen nicht gefolgt werden,
zumal Frau Dr. D ... bereits im Befundbericht vom 21.04.1994 ungefragt eine Empfehlung eines GdB s von 100 abgegeben hat,
was ihr als Medizinerin nicht zusteht, denn die Feststellung des GdB·s ist ausschließlich eine juristische und kein medizinische
Frage (vergl. z. B.: BSG B 9 SB 35110 B; B 9 SB 2/12 R). Die Ärztin hat also bereits damals ihre Kompetenzen zugunsten der Klägerin überschritten. Entsprechendes gilt für die Befundberichte
vom 05.05.1999 und vom 14.08.2012.
Sehr aufschlussreich ist auch der Aktenvermerk vom 30.10.2000 von der Sachbearbeiterin des Amtes für Familie und Soziales
B ... über ein Gespräch mit der Mutter der Klägerin, das kommentarlos bleiben soll. Dort heißt es nämlich u.a. (Unterstreichung
durch das Gericht): "Frau M erklärt noch, dass das Sprechen erlernt hat und nichts hört. Sie hat Bedenken, das ihr das Geld
weggenommen wird".
Dem Gutachten vom 25.11.2000 ist zu entnehmen, dass die Klägerin während des Besuches des Integrationskindergartens nach erfolgter
optimierter Hörgeräteversorgung ihr Sprachverständnis verbessert habe. Der aktive Wortschatz sei aufgebaut worden. Mangels
Mitarbeit konnten aber keine näheren Einschätzungen erfolgen. Die damals-jährige Klägerin spreche allerdings verwaschen und
mit teilweise unverständlicher Artikulation. Allerdings stellte die Gutachterin auch fest, dass die Klägerin bemüht sei, alle
Laute richtig zu bilden. Teilweise bedeutet, dass die Klägerin bereits damals zumindest teilweise gut artikuliert sprach,
also gut verständlich war.
Bereits im Jahre 1997, also im Alter von 4 ½ Jahren wurde durch die Lebenshilfe B ... im Entwicklungsbericht vom 23.10.1997
festgestellt, dass die Klägerin beginne, kurze Sätze zu gebrauchen, u. a. ihren Namen, sowie Worte wie "mein" und "ich" gebrauche.
Sie habe ein großes Mitteilungsbedürfnis, insbesondere spreche sie über familiäre Ereignisse. Auch hieraus ist zu entnehmen,
dass die.Klägerin im täglichen Leben, also in "normalen" Situationen, wenn sie sich unbeobachtet gefühlt hat, durchaus verständlich
sprechen konnte.
Das Gericht hat, angesichts der durch die vorgenannten Berichte nachgewiesenen durchaus erfolgreichen Bemühungen der Klägerin
zum Spracherwerb bereits in früher Jugend, keinerlei Zweifel daran, dass die sich aus den Vermerken bzw. der Stellungnahme
vom Dezember 2011 und vom Dezember 2013 ergebende Sprachfertigkeit der Klägerin tatsächlich vorliegt, so dass zur Überzeugung
des Gerichts keine derart schwerwiegenden Sprachstörungen vorliegen, die einen GdB von 100 rechtfertigen kann."
Mit der am Montag, den 21.07.2014 nach Zustellung des Gerichtsbescheids vom 20.06.2014 fristgerecht zum Sächsischen Landessozialgericht
eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren, den Einstellungsbescheid zum Bezug des Nachteilsausgleichs für Gehörlose
nach dem LBlindG aufzuheben, weiter. Der Bescheid sei rechtswidrig, weil die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 SGB X nicht vorlägen. Die Feststellung, dass im Vergleich zu den für den Bescheid vom 19.12.2000 maßgeblichen Verhältnissen eine
wesentliche Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse eingetreten sei, sei fehlerhaft. Bei der Klägerin liege
weiterhin eine Taubheit einhergehend mit schweren Sprachstörungen vor. Der im Jahre 2000 durch Dr. X ... festgestellte Zustand
habe sich nicht verändert. Soweit man davon ausgehe, dass die Bewilligung im Jahre 2000 von Anfang an rechtswidrig gewesen
sei, weil bereits damals ein besseres Sprachvermögen vorgelegen habe, scheitere eine Rücknahme nach § 45 SGB X am Fristablauf nach § 45 Abs. 3 SGB X.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 18.06.2014 sowie den Bescheid des Beklagten vom 19.06.2012 in Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 14.02.2013 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das Gericht hat ein Gutachten erstellen lassen von Dr. F ..., Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, vom 11.01.2019, Tag der Untersuchung
23.10.2018. Bei der Klägerin bestehe eine angeborene Taubheit mit Hörresten beidseits. Zumindest seit 2012 liege bei der Klägerin
ein Sprachvermögen vor, das dem aktuellen entspreche. Im normalen Alltag gelinge der Klägerin eine lautsprachliche Kommunikation,
zwar infolge der Defizite eingeschränkt, aber noch in ausreichender Form. Dabei sei sie nicht auf Gebärdensprache oder andere
Hilfsmittel angewiesen. Deshalb sei nicht vom Vorliegen einer schweren Sprachstörung auszugehen, die einen GdB von 100 als
Folge einer angeborenen Taubheit mit Hörresten mit schweren Sprachstörungen rechtfertige. Diesbezüglich sei bei Vorliegen
einer angeborenen Taubheit mit Hörresten beidseits mit Sprachstörungen ein Einzel-GdB von 90 zu empfehlen. Die zusätzlich
vorliegende schwerhörigkeitsbedingte Sprechstörung mit Einschränkung der Ausspracheverständlichkeit führe nicht zu einer wesentlichen
Zunahme der Einschränkung der Kommunikationsfähigkeit der Klägerin. Damit rechtfertige die Artikulationsstörung keine Erhöhung
des oben genannten GdB infolge der angeborenen Taubheit mit Hörresten beidseits und Sprachstörungen. Daneben liege als relevante
Funktionseinschränkung eine geringgradige Debilität (empfohlener Einzel-GdB von 50) vor. Ergänzend zu den Beiratsbeschlüssen
von 1986 sei auszuführen, dass seit der damaligen Zeit sich nicht nur durch den Einsatz von Cochlea-Implantaten, sondern auch
durch die Entwicklung der modernen Hörgerätetechnik (Hochleistungshörgeräte) die Voraussetzungen für die Entwicklung sprachlicher
Fähigkeiten bei Kindern mit hochgradiger an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit oder Taubheit mit Hörresten deutlich verbessert
habe. Die Klägerin sei zumindest seit dem 12.12.2010 (Befundbericht von Dr. S ...) nicht mehr gehörlos im Sinne des LBlindG.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichts- und Behördenakten, die Gegenstand
der mündlichen Verhandlung waren.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung
vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Um festzustellen,
ob eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse eingetreten ist, ist der Zustand zum Zeitpunkt des Erlasses des
abzuändernden Bescheides mit dem Zustand zum Zeitpunkt des Änderungsbescheides zu vergleichen, also der Zustand 2000 ist mit
dem Zustand 2012 zu vergleichen.
Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 LBlindG spätestens sei Erlass des angefochtenen Bescheides nicht mehr.
Nach dieser Vorschrift sind Gehörlose im Sinne dieses Gesetzes Personen mit angeborener oder bis zum 7. Lebensjahr erworbener
Taubheit oder an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit, wenn bei ihnen allein wegen der Taubheit und wegen der mit der Taubheit
einhergehenden schweren Störung des Spracherwerbs ein GdB von 100 festgestellt ist. Die Klägerin kann keine Leistungen mehr
nach § 1 Abs. 1 LBlindG beanspruchen, weil bei ihr kein GdB von 100 allein wegen der Taubheit und wegen der mit der Taubheit
einhergehenden schweren Störung des Spracherwerbs mehr festzustellen ist. Die Voraussetzungen hierfür sind in Teil B Nr. 5
bzw. 5.1 der Anlage zur VersMedV geregelt. Nach Teil B Nr. 5.1 der Anlage zur VersMedV (angeborene oder in der Kindheit erworbene Taubheit oder an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit mit Sprachstörungen) wird
die angeborene oder bis zum 7. Lebensjahr erworbene (schwere Störung des Spracherwerbs in der Regel lebenslang) mit einem
GdB von 100 bewertet. Die später erworbene (im 8. bis 18. Lebensjahr) mit schweren Sprachstörungen (schwer verständliche Lautsprache,
geringer Sprachschatz) wird ebenfalls mit einem GdB 100 bewertet. Sonst wird die Taubheit oder an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit
mit Sprachstörungen je nach Sprachstörung mit einem GdB von 80 bis 90 bewertet.
Nach Auswertung der im Verfahren vorliegenden medizinischen Unterlagen, insbesondere des Gutachtens des Sachverständigen Dr.
F ... steht für das Gericht fest, dass die Klägerin an einer angeborenen Taubheit mit Hörresten beidseits leidet, durch den
Einsatz von Hochleistungshörgeräten werden die Auswirkungen teilweise kompensiert. Der prozentuale Hörverlust beträgt 100,
was aber nicht bedeutet, dass die Klägerin überhaupt nichts hört. Vielmehr kann die Klägerin Töne mit einem Lautheitsmaß bis
115 dB in einem Frequenzband von 0,15 bis 4 kHz wahrnehmen (funktionale oder soziale Taubheit). Diesen Umstand machen sich
moderne Hochleistungshörgeräte zunutze, die gezielt diese Hörreste verstärken können. Somit ist der Umstand erklärbar, dass
die Klägerin die Sprache auditiv aufnehmen konnte, wie Dipl.-Med. U ... in seiner sozialmedizinischen Stellungnahme vom 23.10.2013
(Bl. 229 Verwaltungsakte) zutreffend feststellt. Auch Dr. F ... bestätigt diese Einschätzung, Blatt 32 des Gutachtens, in
dem er ausführt, dass sich seit den Beiratsbeschlüssen von 1986 die Voraussetzungen die Entwicklung sprachlicher Fähigkeiten
bei Kindern mit hochgradiger an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit oder Taubheit mit Hörresten deutlich dadurch verbessert
haben, dass einerseits Cochlea-Implantate entwickelt wurden und andererseits, wie im Fall der Klägerin, moderne Hochleistungshörgeräte
entwickelt und eingesetzt wurden. Die Bemessung des GdB ist nach Teil B Nr. 5.1 der Anlage zur VersMedV zunächst im Fall der Klägerin als angeborene Funktionsstörung i. V. m. der dadurch regelmäßig einhergehenden schweren Störung
des Spracherwerbs lebenslang mit 100 festzusetzen. Abweichend hiervon kann jedoch je nach Sprachstörung ein GdB von 80 oder
90 festzustellen sein. Dies ist hier der Fall, weil bei der Klägerin keine schwere Störung des Spracherwerbs mehr vorliegt.
Aus dem ärztlichen Befundbericht von Dr. S ... vom 12.12.2010 geht hervor, dass ein noch nicht altersgerechter Wortschatz
mit Wortfindungsschwächen vorliegt, wobei spontan vollständige Sätze gebildet werden, was jedoch bei direktiven Aufforderungen
und bei Beschreiben von Gefühlen, Plänen und Handlungen nur unvollkommen gelingt. Die Indikation von Sprache in Handlung war
noch mangelhaft. Das Nachsprechen von Sätzen erfolgte bis maximal acht Silben bei ausschließlicher Ansprache über das Ohr,
beim Zusätzlichen Ablesen vom Munde bis zu zehn Silben. Die Mitarbeiterin des Beklagten Frau W ... hat bei der Vorsprache
am 25.10.2011 festgestellt, dass die Klägerin sich am Gespräch beteiligen konnte. Der ärztliche Gutachter Dipl.-Med. U ...
des Beklagten konnte sich persönlich am 12.12.2012 mit der Klägerin unterhalten und dabei feststellen, dass sich die Gespräche
auf einfache Inhalte beschränkten, dabei war kein geringer Sprachwortschatz festzustellen. Auch die Lautsprache war für ihn
nicht schwer verständlich. In der aktuellen Untersuchung bei Dr. F ... 2018 bildet die Klägerin kurze einfache Sätze, zum
Teil bestand dabei ein solcher Dysgrammatismus, dass der Inhalt nicht zu verstehen war und nachgefragt werden musste. Der
Wortschatz selbst war für diese allgemeine Kommunikation ausreichend, aber geringer als normal. Während der logopädischen
Diagnostik war eine deutliche Einschränkung des Wortschatzes außerhalb der Norm (95 % Percentile) nachweisbar. Dies schränkte
die allgemeine Kommunikationsfähigkeit der Klägerin nur geringfügig ein. Eine differenzierte Kommunikation hielt der Gutachter
aufgrund des eingeschränkten Wortschatzes aber definitiv nicht für möglich. In der Spontansprache fielen dem Gutachter während
der logopädischen Diagnostik dysgrammatische Strukturen und teil inadäquate Inhalte auf. Die Ausdrucksweise war insgesamt
als Folge des eingeschränkten Wortschatzes sehr einfach. Im Abschlusszeugnis der E ..., Förderschule für geistige Behinderung,
finden sich bezüglich der sprachlichen Fähigkeiten der Klägerin folgende Hinweise: "Sie ist überaus mitteilungsfreudig, häufig
bringt sie eigene Ideen ein und bereichert somit die Unterrichtsgespräche. Im sprachlichen Bereich zeigt sie sehr gute Lese-
und Rechtschreibfähigkeiten. Sie schreibt gerne eigene Texte, vergisst aber mitunter Wörter, so dass der Inhalt nicht immer
zu erfassen ist. Aus einfachen Texten kann sie Informationen entnehmen und Fragen dazu beantworten."
Soweit die Klagepartei darauf abstellt, der Gutachter Dr. F ... habe lediglich ausgeführt, mindestens bis November 2000 sei
eine sehr deutliche und wahrscheinlich schwere Störung der Sprachentwicklung feststellbar gewesen und sich daraus im Umkehrschluss
ergebe, dass ab Dezember 2000 keine schwere Sprachstörung mehr bestanden habe, kann dem nicht gefolgt werden. Denn die Einschätzung
des Gutachters (mindestens bis November 2000) trifft für die Zeit danach gerade keine gegenteilige Aussage (mindestens), zum
anderen hat der Gutachter seine Einschätzung auf diesen Zeitraum beschränkt, weil für die Zeit nach November 2000 bis 2010
keine Befunde vorliegen.
Zusammenfassend ist damit der Einschätzung des Gutachters Dr. F ... zuzustimmen, das mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit seit
mindestens 2012 mit der Klägerin eine einfache Alltagskommunikation mit den genannten Einschränkungen infolge des Dysgrammatismus
und fehlerhafter Satzinhalte auch über einen längeren Zeitraum, wie einer ausführlichen Gutachtenanamnese möglich war und
ist. Eine differenzierte Unterhaltung wird mit der Klägerin, auch vor allem aufgrund ihrer sprachlichen Defizite, nicht möglich
sein. Die gutachterliche Einschätzung, dass eine mittelgradige Sprachstörung an der Grenze zur schweren Sprachstörung im Wesentlichen
als Folge der angeborenen Taubheit mit Hörresten beidseits vorliegt, wird vom Gericht geteilt. Damit ist entsprechend der
Abstufung in Teil B Nr. 5.1 der Anlage zur VersMedV keine schwere Sprachstörung mit einem GdB von 100, sondern eine darunterliegende mittelgradig bis schwere Sprachstörung anzunehmen,
die eine Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums von 80 bis 90 hier mit einem GdB von 90 rechtfertigt.
Zur Anwendung von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X sind nun im nächsten Schritt die Verhältnisse im Jahre 2012 mit den Verhältnissen im Jahre 2000 zu vergleichen.
In seinem Gutachten vom 25.11.2000 stellte Dr. X ... fest, die Klägerin spreche sehr rasch mit verwaschener zum Teil unverständlicher
Artikulation. In der Übungssituation war sie bemüht, alle Worte richtig zu bilden. Sie war um Blickkontakt bemüht und las
sehr gut ab. Aktiver und passiver Wortschatz lagen unter der Altersnorm. Unter Verwendung der HDO-Geräte war das Sprachverständnis
auch ohne Blickkontakt deutlich besser. Seiner Einschätzung nach lag eine hochgradige an Taubheit grenzende angeborene Innenohrschwerhörigkeit
sowie eine mittel- bis hochgradige audiogene Sprachstörung vor. Die Einschätzung des damals zuständigen Amtes für Familie
und Soziales im Bescheid vom 08.01.2000, es liege eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit mit audiogener Sprachstörung
vor, die einen GdB von 100 bedinge, ist auf Grundlage der fachärztlichen Einschätzung nicht zu beanstanden. Dass diese Entscheidung
auf Grundlage der fachärztlichen Einschätzung unzutreffend und damit rechtswidrig begünstigend im Sinne des § 45 SGB X gewesen wäre, wie die Klägerbevollmächtigte einwendet, lässt sich nicht feststellen. Im Jahre 2012 liegt dagegen, wie oben
dargestellt, ein Sprachvermögen vor, das nicht mehr einer schweren Sprachstörung mit einem GdB von 100 entspricht. Der Empfehlung
des Gutachters Dr. F ... mit einem GdB von 90 ist zu folgen. Insoweit liegen die Voraussetzungen von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X vor, es liegt eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse zwischen 2000 und 2012 vor, die der Beklagte zutreffend zum Anlass
genommen hat, mit dem angefochtenen Bescheid vom 18.06.2012 den GdB für den Funktionsbereich Hör- und Gleichgewichtsorgan
neu (für die Zukunft) auf 90 festzusetzen und infolgedessen mit dem Bescheid vom 19.06.2012 ab 01.07.2012 (für die Zukunft)
keinen Nachteilsausgleich mehr nach dem LBlindG wegen Besserung der sprachlichen Kommunikation zu bewilligen.
Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 10.02.1993 - 9/9a RVs 5/91) eine Beweiserleichterung zugunsten der Verwaltung dahingehend gilt, dass eine Vermutung dafür besteht, dass die nachteiligen
Auswirkungen eines regelwidrigen, körperlichen, geistigen oder seelischen Zustands geringer geworden sind und nicht ursprünglich
unrichtig bewertet worden sind, wenn sie aktuell wesentlich geringer bewertet werden als in einem zuvor erlassenen Bescheid.
Ergeben die aktuellen Feststellungen also im Vergleich mit dem Vorbescheid einen um mindestens 10 geringeren GdB, so wird
vermutet, dass eine wesentliche Besserung eingetreten ist. Entsprechendes gilt auch für Nachteilsausgleiche (vgl. Wendler/Schillings
Versorgungsmedizinische Grundsätze, Anlage zu § 2 VersMedV S. 94).
Unabhängig davon wäre die Rücknahme der Leistungsbewilligung nach dem LBlindG auch 2012 bzw. heute möglich, wenn ein Fall
des § 45 SGB X vorläge, weil die in § 45 Absatz 3 Satz 1 SGB X geregelte Rücknahmefrist von zwei Jahren nach Bekanntgabe des rechtswidrigen begünstigenden Bescheids im LBlindG nicht zur
Anwendung kommt. Denn in § 8 Abs. 1 Satz 2 LBlindG ist ausdrücklich geregelt, dass abweichend von § 45 Absatz 3 Satz 1 SGB X ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung jederzeit mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen werden
kann.