Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit; Ermittlung des Leistungsvermögens auf dem allgemeinen
Arbeitsmarkt; Bestimmung des bisherigen Berufes eines angelernten Kraftfahrers bei freiwilliger Beitragszahlung; Keine Veränderung
der qualitativen Einstufung bei überdurchschnittlichen Leistungen
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der 1957 geborene Kläger war von 1972 bis 1979 als angelernter Lagerist und Fahrer tätig und arbeitete von 1979 bis 1982 als
Bodenleger und Verkäufer. In den Jahren 1983 bis 1998 war der Kläger dann als Kaftfahrer angestellt. Seit 1998 ist der Kläger
als selbständiger Bodenleger tätig und hat nach eigenen Angaben im Jahr 2001 eine 3 bis 4 Monate dauernde Ausbildung zum staatlich
geprüften Bodenleger absolviert (vgl. Bl. 82 ff der Verwaltungsakte). Der Kläger ist auch aktuell noch als selbständiger Bodenleger
tätig, dies aber nicht im vollschichtigem Umfang. Der Kläger leistete als selbständig Tätiger freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung.
Dem Kläger wird auf Grund eines Arbeitsunfalls mit Knieverletzung eine Verletztenrente nach einer MdE von 20 seit Juli 2008
gewährt. Vom Versorgungsamt wurde dem Kläger seit Mai 2008 ein GdB von 50 sowie das Merkzeichen G zuerkannt (Bl. 34 der Verwaltungsakte).
Am 23. Oktober 2008 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente, den er vorwiegend
mit Beschwerden des Knies begründete (Bl. 13 ff der Verwaltungsakte).
Nach Beiziehung und Auswertung von medizinischen Unterlagen und Befundberichten gab die Beklagte eine orthopädische Begutachtung
durch Dr. A. in Auftrag. In seinem Gutachten vom 2. Dezember 2008 diagnostizierte Dr. A. eine Gonarthrose beidseits, links
bei Zustand nach zweifacher vorderer Kreuzbandrekonstruktion, weiter ein degeneratives Lumbalsyndrom und ein rezidivierendes
Zervikalsyndrom bei Fehlstatik. Die Beschwerdebilder der HWS, LWS als auch beider Kniegelenke seien einer konservativen fachorthopädischen
Therapie zugänglich, insbesondere sollte eine muskuläre Kompensation im Bereich des linken Kniegelenks erreicht werden. Leichte
Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes könne der Kläger unter Beachtung näher dargelegter qualitativer Einschränkungen
sechs Stunden und mehr verrichten. Die Leistungsfähigkeit als Bodenleger betrage hingegen weniger als drei Stunden arbeitstäglich
(Bl. 65 ff der Verwaltungsakte).
In einer Stellungnahme vom 4. Februar 2009 führte der berufskundliche Dienst der Beklagten aus, als maßgeblicher Vorberuf
sei die Tätigkeit als angelernter Kraftfahrer anzusehen. Der Kläger verfüge nicht über eine abgeschlossene Berufsausbildung
als Kraftfahrer und sei insofern als Angestellter mit einer Ausbildungszeit von bis zu zwei Jahren einzustufen. Als sozial
zumutbare Verweisungstätigkeit wurden Tätigkeiten von Angestellten mit einer Anlernzeit von 3 bis 12 Monaten angesehen. Konkret
wurde eine Tätigkeit als gewerblicher Mitarbeiter in der Metall- und Elektroindustrie, bei der Kunststofffertigung oder in
der Spielzeugherstellung benannt. Beigezogen wurden Berichte über Arbeitsplatzerkundungen des berufskundlichen Dienstes der
Beklagten (Bl. 90 ff der Verwaltungsakte).
Mit Bescheid vom 18. Februar 2009 lehnte die Beklagte hierauf den Rentenantrag ab. Der Kläger sei nicht voll oder teilweise
Erwerbsgemindert. Der Kläger sei auch nicht wegen Berufsunfähigkeit teilweise erwerbsgemindert, da er sozial zumutbar auf
eine Tätigkeit als gewerblicher Mitarbeiter in der Metall- und Elektroindustrie, bei der Kunststofffertigung oder in der Spielzeugherstellung
zu verweisen sei (Bl. 108 der Verwaltungsakte).
Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 26. Februar 2009 Widerspruch mit der Begründung, sein Gesundheitszustand habe
sich in den letzten Jahren weiterhin verschlechtert (Bl. 117 der Verwaltungsakte).
Hierauf forderte die Beklagte verschiedene orthopädische Befundberichte des PD Dr. B. sowie einen Befundbericht des Dr. C.
an (Bl. 126 ff der Verwaltungsakte).
Nach Auswertung dieser Befundberichte wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15. September 2009 als
unbegründet zurück (Bl. 153 f der Verwaltungsakte).
Hiergegen hat der Kläger am 30. September 2009 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben und zur Begründung vorgetragen, er sei voll erwerbsgemindert. Es bestünden Zweifel an seiner Wegefähigkeit und er
könne weder als Bodenleger noch als Kraftfahrer weiter erwerbstätig sein. Da er als Facharbeiter zu qualifizieren sei, sei
ihm die von der Beklagten benannte Verweisungstätigkeit sozial nicht zumutbar. Diese sei ihm auch gesundheitlich nicht zumutbar,
da er keine ausschließlich stehenden Tätigkeiten ausüben könne. Wegen der Details der Klagebegründung wird auf Bl. 36 ff der
SG-Akte Bezug genommen.
Das SG hat hieraufhin zunächst die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen befragt sowie medizinische Unterlagen
aus einem parallel anhängigen Klageverfahren, in dem um die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) gestritten wurde, beigezogen.
Der Schmerztherapeut Dr. D. hat mit Schreiben vom 16. November 2009 über häufige Behandlungen ab Dezember 2006 wegen Knieschmerzen,
Flankenschmerz und Rückenschmerzen berichtet. Dr. D. hat ausgeführt, dem Kläger seien als Bodenleger für einen kurzen Zeitraum
sicher Tätigkeiten von länger als sechs Stunden möglich, dies würde aber in der Folge sehr wahrscheinlich zur Zunahme der
Knieschmerzen führen, so dass die Tätigkeit als Bodenleger auf Dauer nicht mehr über sechs Stunden möglich sei. Eine gewerbliche
Tätigkeit (Kunststoff, Metall, Elektro) über sechs Stunden sei bei wechselnder Tätigkeit durchaus möglich. Der Kläger könne
noch eine Stunde Gehen, dann würden Schmerzen im Knien ein Weitergehen ausschließen (Bl. 45 f der SG Akte).
Der Arzt für Orthopädie Dr. E. hat mit Schreiben vom 18. November 2009 mitgeteilt, im Vordergrund stünden die Beschwerden
im linken Kniegelenk mit Zustand nach 2-maliger Kreuzbandplastik und mäßiger Kniearthrose. Aufgrund der vorliegenden Befunde
sollte der Kläger durchaus noch in der Lage sein, leichte Tätigkeiten mit Wechsel der Körperhaltung mindestens sechs Stunden
arbeitstäglich zu verrichten. Befragt zur Wegefähigkeit, hat Dr. E. ausgeführt, es bestehe zwar eine Instabilität im Kniegelenk,
der Kläger könne jedoch noch mindestens 1 km Wegstecke zum Erreichen eines Arbeitsplatzes zurücklegen (Bl. 47 f der SG Akte).
Der Allgemeinarzt Dr. M. hat mit Schreiben vom 30. November 2009 mitgeteilt, aus hausärztlicher Sicht könne der Kläger leichte
Tätigkeiten noch mindestens sechs Stunden arbeitstägig verrichten, wenn (qualitative) Einschränkungen beachtet würden. In
Zusammenhang mit einer beruflichen Tätigkeiten könne der Kläger nicht über 1000 m hinaus gehen (Bl. 56 f der Verwaltungsakte).
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat das SG sodann den Facharzt für Orthopädie Dr. F. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 4. April
2010 hat Dr. F. dargelegt, der Kläger leide unter einer posttraumatischen Gonarthrose links mit chronischer schmerzhafter
Funktionseinschränkung und synovialen Reizerscheinungen bei chronischer anteromedialer Instabilität trotz mehrfacher vorderer
Kreuzbandplastik, unter einer initialen Gonarthrose rechts ohne Funktionsbeeinträchtigung und chronisch synovialen Reizerscheinungen,
weiter Patelladysplasie beidseits, unter einem chronisch wiederkehrenden degenerativen lumbalen Wirbelsyndrom ohne wesentliche
Funktionsbehinderung, ohne radikuläre Reiz- oder Ausfallerscheinungen, bei geringfügiger Wirbelsäulenfehlstatik, weiter unter
wiederkehrenden Reizerscheinungen des Muskel-Sehnen-Weichteilmantels beider Schultergelenke bei Schultereckgelenksarthrose
beidseits, ohne Funktionsbehinderung, sowie unter einer Spreizfußdeformität beidseits ohne Funktionsbehinderung. Weiter lägen
außerhalb des orthopädischen Fachgebiets der Verdacht auf ein Restless-legs-syndrom, und eine latente Depressivität vor. In
qualitativer Hinsicht hat Dr. F. vor diesem Hintergrund dargelegt, der Kläger könne dauerhaft keine häufig oder überwiegend
stehenden und gehenden Tätigkeiten, keine Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten über 10 bis 12 kg, keine Überkopfarbeiten
und keine Arbeiten unter hoher Stressbelastung mehr verrichten. Unter Beachtung dieser qualitativen Leistungseinschränkungen
sei der Kläger noch sechsstündig arbeitstäglich leistungsfähig. Als Bodenleger sei der Kläger nur noch unter drei Stunden
leistungsfähig, als Berufskraftfahrer sei der Kläger ebenfalls nicht mehr vollschichtig leistungsfähig. Das Gehvermögen sei
für längere Strecken sicherlich eingeschränkt. Dessen ungeachtet sei es dem Kläger möglich und zumutbar 4-fach arbeitstäglich
eine Strecke von 500 m in einem Zeitaufwand von unter 20 Minuten zurückzulegen. Wegen des genauen Inhalts des Gutachtens wird
auf Bl. 102 ff der SG Akte Bezug genommen.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat verschiedene Einwendungen gegen das Gutachten des Dr. F. erhoben und erneut auf
eine Einschränkung der Wegefähigkeit verwiesen (Bl. 160 f der SG Akte).
Auf Anfrage des SG hat der Mitarbeiter G. des früheren Arbeitgebers des Klägers telefonisch mitgeteilt, der Kläger habe als Fahrer Luft- und
Seefracht bei Kunden abgeholt und zu den Flughäfen, vor allem Zürich, gebracht. Eine tarifliche Bindung der Firma habe nicht
vorgelegen (Bl. 166 der SG Akte).
Das SG hat des Weiteren das fachorthopädische Gutachten des Dr. H. vom 31. Oktober 2010 beigezogen, welches im Parallelverfahren
Az.: S 8 SB 1798/09 in Auftrag gegeben wurde. Dr. H. hat in diesem Gutachten u.a. ausgeführt, entgegen den Ausführungen im Gutachten des Dr.
F. stünden nicht die Kniebeschwerden, sondern die Schmerzerkrankung und das Restless-legs-Syndrom im Vordergrund. Diese könne
er aber nicht mit ausreichender Kompetenz beurteilen (Bl. 167 - 182 der SG Akte).
Zudem hat das SG ein im Rahmen eines Klageverfahrens gegen die Unfallkasse (Az.: 5 11 U 2648/09) erstelltes Gutachten des Chirurgen und Orthopäden Dr. Schmid vom 31. März 2011 beigezogen (Bl. 218 bis 228 der SG Akte).
Auf Anfrage des SG haben der Nervenarzt Dr. D. und der Arzt für Anästhesie I. mit Schreiben vom 21. Januar 2011 über die Fortführung der dortigen
Behandlung berichtet. Die depressiv ängstliche Entwicklung habe sich insgesamt eher verschlechtert und es sei trotz intensiver
Behandlung eine zunehmende Chronifizierung eingetreten (Bl. 188 bsi 195 der SG Akte).
Der Hausarzt Dr. M. hat auf nochmalige Nachfrage des SG mit Schreiben vom 31. Januar 2011 berichtet, der Gesundheitszustand habe sich insgesamt nicht gebessert (Bl. 196 ff der SG Akte).
Auf Antrag des Klägers gem. §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) hat das SG Prof. Schmitt von der technischen Uni Dresden, Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, mit der Erstellung
eines weiteren Gutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 20. August 2012 hat Dr. Schmitt ein chronisches Schmerzsyndrom,
eine Gonarthrose links, ein lokales Lumbalsyndrom sowie weiter eine depressive Episode und ein Restless-legs-Syndrom diagnostiziert.
Nach seiner Beurteilung müsse die Tätigkeit 50% bis 70% im Sitzen stattfinden, häufiges oder überwiegendes Gehen und Stehen,
Tragen von Leitern, häufiges Bücken, Gehen in unebenem Gelände sowie das Besteigen von Leitern und Gerüsten seien zu vermeiden.
Dr. Schmitt hat sich der Vorbegutachtung durch Dr. F. ausdrücklich angeschlossen und hält den Kläger unter Beachtung der genannten
qualitativen Einschränkungen für in der Lage, leichte Tätigkeiten mehr als sechs Stunden arbeitstäglich zu verrichten. Allerdings
hat Dr. Schmitt die gutachterliche Abklärung der psychischen Beeinträchtigung angeregt (Bl. 248 ff der SG Akte).
Das SG hat hieraufhin den Nervenarzt Dr. K. mit der Erstellung eine nervenärztliches Gutachtens beauftragt. In seinem Gutachten
vom 4. April 2013 hat Dr. K. ausgeführt, eine Parkinsonkrankheit liege nicht vor, der neurologische Befund sei in Ordnung.
Das Restless-legs-Syndrom bestehe und werde behandelt. Eine depressive Episode bestehe eindeutig nicht und sei auch nie dokumentiert
worden. Es liege eine leichtere Depressivität, dem Schweregrad vergleichbar mit einer Dysthymia vor, die auf die chronische
Einnahme von Opiatpräparaten (Morphinpräparaten) und die seit langem bekannte Abhängigkeit von diesen Substanzen zurückzuführen
sei. Es bestehe ein chronisches Schmerzsyndrom im Sinne von Knieschmerzen; doch sei keine eigentliche Schmerzkrankheit (in
der Form) erkennbar, dass der Schmerz zum Hauptfokus der gesamten Lebenstätigkeit würde. Der Kläger habe bei der Begutachtung,
unter der Einnahme von Medikamenten, nicht schmerzgeplagt oder leidendgewirkt. Nach erfolgtem Opiatentzug seien nervenärztlich
keine wesentlichen qualitativen Leistungseinschränkungen anzuführen. Auch wenn kein weiterer Entzug erfolge, seien die tatsächlich
vorhandenen psychischen Funktionsstörungen leichtgradig. Der Kläger könne mindestens sechs Stunden täglich einer regelmäßigen
Tätigkeit nachgehen, was er in seinem Alltag auch beweise. Er schaffe es sogar noch, in diesem zeitlichen Umfang seiner nicht
leidensgerechten Tätigkeit als selbständiger Bodenleger nachzugehen, zudem am Wochenende die Bürotätigkeiten zu verrichten
und müsse hierbei auch noch deutlich mehr Energie aufbringen, da er bestimmte Umgehungsstrategien und Beinhaltungen entwickelt
habe, um trotzt seiner Knieerkrankung die Tätigkeit als Bodenleger weiter verrichten zu können. Eine quantitative Leistungsminderung
bestehe nicht (Bl. 269 ff der SG Akte).
Zum Gutachten des Dr. K. hat der Kläger vortragen lassen, dieses sei widersprüchlich.
Zwar werde ein chronisches Schmerzsyndrom bejaht, jedoch angegeben, es sei keine eigentliche Schmerzkrankheit erkennbar. Eine
weitere Aufklärung hinsichtlich der Schmerzkrankheit werde angeregt (Bl. 292 der SG Akte).
Mit Urteil vom 26. Juni 2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Die - näher dargelegten - Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung lägen
nicht vor. Unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen bestehe ein noch mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen
arbeitstäglich. Der Kläger sei nicht als Facharbeiter, sondern als Angelernter des oberen Bereichs einzustufen und könne insbesondere
noch die Tätigkeit eines gewerblichen Mitarbeiters in der Metall- und Elektroindustrie oder Kunststofffertigung sowie als
Pförtner an einer Nebenpforte ausführen. Die Gutachten der Dr. F. und Dr. K. sowie das Vorgutachten des Dr. A. seien überzeugend.
Wegen der Details wird auf Bl. 298 bis 311 der SG Akte verwiesen.
Gegen das am 17. Juli 2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24. Juli 2013 Berufung eingelegt. Zur Begründung der Berufung
hat der Kläger geltend gemacht, das SG habe sich "im Wesentlichen zu der Frage der teilweisen Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit beschäftigt. Eine eingehende
Beschäftigung mit dem Hauptantrag des Klägers, nämlich der vollen Erwerbsunfähigkeit", sei dem Urteil hingegen nicht zu entnehmen.
Das Gutachten des Dr. K. sei in sich widersprüchlich und dieser sei zur Beurteilung der Schmerzkrankheit des Klägers nicht
kompetent. Der Kläger hat zudem seine Auffassung wiederholt, dass er als Facharbeiter einzustufen sei und hierzu umfassend
vorgetragen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 26. Juni 2013 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom
18. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. September 2009 zu verurteilen, dem Kläger eine Rente wegen
voller Erwerbsminderung,
hilfsweise
wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, ab dem 1. Oktober 2008 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das Urteil des SG für zutreffend und im Übrigen an ihrer Entscheidung fest.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat der Senat nochmals den Nervenarzt Dr. D. den Orthopäden Dr. L. sowie den Schmerztherapeuten
I. als sachverständige Zeugen befragt.
Dr. D. hat mit Schreiben vom 1. Dezember 2013 mitgeteilt, körperlich stünden seit 2006 die Schmerzen in den Knien und in der
Wirbelsäule im Vordergrund. Dies bedinge vor allem beim berufsspezifischen häufigen Knien eine Verstärkung der Schmerzen.
Bedingt durch die Schmerzen (vor allem der Knie), aber auch durch die schon seit Jahren bestehende rezidivierende depressive
Symptomatik erfordere es für den Kläger sehr viel Kraft und Überwindung, eine aufgrund der Selbständigkeit notwendige Arbeitsleistung
von mehr als sechs Stunden zu erbringen. Eine solche werde vom Kläger derzeit nur sehr selten erreicht, zumeist betrage die
Arbeitszeit vier bis fünf Stunden. Neutral betrachtet würden die körperlichen und psychischen qualitativen Einschränkungen
eine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit auf drei bis sechs Stunden bedingen. Eine (rentenrelevante) Einschränkung der Gehstrecke
bestehe nicht. Eine Schmerztherapie werde durch den Arzt für Anästhesie und spezielle Schmerztherapie I. durchgeführt, dessen
Befragung er anrege (Bl. 39 bis 46 der Senatsakte).
Der Orthopäde Dr. L. hat mit Schreiben vom 2. Januar 2014 mitgeteilt, er habe den Kläger am 20. September 2005 und am 21.
Juli 2011 medizinisch betreut. Das zeitliche Belastungsvermögen liege bei vier bis sechs Stunden täglich. Vor allem bei der
Tätigkeit als Bodenleger könnten zwischenzeitlich Pausen von 15 bis 20 Minuten eingelegt werden. Vier Mal 500m Wegstrecke
könne der Kläger nur mit äußerster Anstrengung in 15 bis 20 Minuten bewältigen (Bl. 52 bis 53 der Senatsakte).
Der Arzt für Anästhesie und spezielle Schmerztherapie I. hat mit Schreiben vom 7. Februar 2014 mitgeteilt, im Handwerksberuf
"Fliesenleger" wirke sich vor allem die Gonarthrose erhebliche aus, die praktisch die Tätigkeit verhindere. Die chronische
Lumboischialgie sei bei häufigem Bücken ebenfalls problematisch. Aus schmerztherapeutischer Sicht sei der Kläger in der Lage,
leichte Arbeiten ohne Zwangshaltungen, ohne größere körperliche Belastungen "bis zu 6 Stunden täglich" auszuführen. Er behandle
den Kläger seit 2006, eine wesentliche Veränderung habe nicht stattgefunden, allerdings eine allmähliche Verschlechterung
im Sinne einer Chronifizierung (Bl. 57 der Senatsakte).
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Bl. 69 und 70 der Senatsakte).
Wegen des weiteren Vorbringens und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die
Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Nachdem sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben, konnte der Senat den Rechtsstreit gem. §
124 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Die gemäß den §§
143,
144,
151 SGG zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser
Erwerbsminderung bzw. teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit; das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (vgl. Bundessozialgericht [BSG] SozR 3-2600 § 44 Nr. 7) ist der
den Rentenantrag des Klägers vom 23. Oktober 2008 ablehnende Bescheid vom 18. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 15. September 2009. Dieser erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in dessen Rechten. Der Kläger hat
keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung.
Gemäß §
43 Abs.
1 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie
teilweise erwerbsgemindert sind (Satz 1 Nr. 1), in den letzen fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge
für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Satz 1 Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine
Wartezeit erfüllt haben (Satz 1 Nr. 3). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung
auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs
Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Satz 2). Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben - bei im Übrigen identischen
Tatbestandsvoraussetzungen - Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind,
unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. (§
43 Abs.
2 Satz 2
SGB VI). Gemäß §
43 Abs.
3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich
erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Der Kläger ist zur Überzeugung des Senats gesundheitlich in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zumindest
sechs Stunden arbeitstäglich zu verrichten und ist damit nicht teilweise und erst recht nicht voll erwerbsgemindert. Eine
quantitative Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens auf ein unter sechsstündiges Maß ist jedenfalls für leichte
Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht gegeben. Dies hat das SG in nicht zu beanstandender Würdigung der erhobenen Beweise, insbesondere der Gutachten von Dr. F. und Dr. K. wie auch der
eingeholten sachverständigen Zeugenaussagen, nachvollziehbar und ausführlich begründet geschlussfolgert. Der Senat nimmt auf
die diesbezüglichen Ausführungen des SG zur Vermeidung von Wiederholungen gem. §
153 Abs.
2 SGG Bezug, macht sich diese aufgrund eigener Überzeugungsbildung vollinhaltlich zu eigen und sieht insoweit von einer weiteren
Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
Das Vorbringen des Klägers zur Begründung der Berufung und insbesondere die im Verlauf des Berufungsverfahrens durchgeführte
Beweisaufnahme rechtfertigen keine abweichende Beurteilung.
Aus orthopädischer Sicht steht für den Senat auf Basis der Gutachten der Dres. F. und A. fest, dass die Leistungsfähigkeit
des Klägers in erster Linie durch eine beidseitige Gonarthrose, links mit chronischer schmerzhafter Funktionseinschränkung,
sowie einem chronisch wiederkehrenden degenerativen lumbalen Wirbelsyndrom ohne wesentliche Funktionsbehinderung, ohne radikuläre
Reiz- oder Ausfallerscheinungen, bei geringfügiger Wirbelsäulenfehlstatik limitiert wird. Dr. F. hat vor diesem Hintergrund
nachvollziehbar ausgeführt, dass der Kläger aufgrund dieser und der weiteren im Gutachten genannten orthopädischen Beeinträchtigungen
dauerhaft keine häufig oder überwiegend stehenden und gehenden Tätigkeiten, keine Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten
über 10 bis 12 kg und keine Überkopfarbeiten mehr verrichten kann, unter Beachtung dieser qualitativen Leistungseinschränkungen
jedoch noch mindestens sechsstündig arbeitstäglich leistungsfähig ist. Diese Beurteilung deckt sich in allen wesentlichen
Punkten mit der Beurteilung des Gutachters im Verwaltungsverfahren Dr. A. sowie im Übrigen auch mit der Beurteilung des auf
Antrag des Klägers gem. §
109 SGG eingeholten Gutachten des Prof. Schmitt. Auch dieser hält den Kläger unter Beachtung qualitativer Einschränkungen für in
der Lage, leichte Tätigkeiten mehr als sechs Stunden arbeitstäglich zu verrichten.
Werden die genannten Leistungseinschränkungen in qualitativer Hinsicht beachtet, wie dies bei einer Vielzahl leichter Tätigkeiten
- etwa leichten Bürotätigkeiten oder auch bei der von der Beklagten benannten Tätigkeit als gewerblicher Mitarbeiter in der
Metall- und Elektroindustrie, bei der Kunststofffertigung oder in der Spielzeugherstellung - ohne weiteres möglich ist, so
ist der Kläger in zeitlicher Hinsicht nicht in seiner Leistungsfähigkeit limitiert. Die vorliegenden qualitativen Einschränkungen
können damit zwar das Spektrum der für den Kläger in Betracht kommenden Tätigkeiten einschränken, sie begründen aber keine
Zweifel an der normalen betrieblichen Einsatzfähigkeit für leichtere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes.
Weitere Gesundheitsstörungen, die das Leistungsvermögen des Klägers in rentenrelevantem Umfang einschränken, können durch
den Senat nicht festgestellt werden. Dies gilt insbesondere für das nervenärztliche Fachgebiet. Zwar wurde von Prof. Schmitt
ausdrücklich die Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens angeregt, durch das hiernach eingeholte Gutachten des Dr. K.
erachtet es jedoch der Senat - ebenso wie das SG - für erwiesen, dass beim Kläger aus nervenärztlicher Sicht keine Erkrankung vorliegt, die das Leistungsvermögen des Klägers
in zeitlicher Hinsicht einschränkt. Dr. K. hat vielmehr festgestellt, dass eine - von Dr. Schmitt diskutierte - Parkinsonkrankheit
nicht vorliegt, sondern der neurologische Befund weitgehend unauffällig ist. Beim Kläger besteht aus neurologischer Sicht
ein sogenanntes Restless-legs-Syndrom, das jedoch unter der bereits durchgeführten Behandlung keinen Einfluss auf das quantitative
Leistungsvermögen des Klägers hat. Auf psychiatrischem Fachgebiet konnte Dr. K. beim Kläger lediglich eine leichtere Depressivität,
dem Schweregrad vergleichbar mit einer Dysthymia, feststellen, die auf die chronische Einnahme von Opiatpräparaten (Morphinpräparaten)
und die seit langem bekannte Abhängigkeit von diesen Substanzen zurückzuführen ist. Des weiteren hat Dr. K. beim Kläger ein
chronisches Schmerzsyndrom im Sinne von Knieschmerzen, aber keine eigentliche Schmerzkrankheit feststellen können. Entgegen
dem klägerischen Vortrag im Berufungsverfahrens ist das Gutachten des Dr. K. insoweit keineswegs widersprüchlich, sondern
Dr. K. hat vielmehr nachvollziehbar herausgearbeitet, dass trotz vorhandenere Schmerzen, der Schmerz eben nicht zum Hauptfokus
der gesamten Lebenstätigkeit geworden ist und daher kein Schweregrad besteht, der eine (rentenrechtlich relevante) eigenständige
Schmerzkrankheit begründet. Zusammenfassend ist Dr. K. für den Senat überzeugend zu dem Ergebnis gekommen, dass beim Kläger
nur leichte seelische Funktionsstörungen bestehen. Eingedenk dieser Befundlage und vor dem von Dr. K. zudem betontem Hintergrund,
dass beim Kläger keine intensivere nervenärztliche Behandlung erfolgt (keine Antragspsychotherapie, keine stationäre psychosomatische
oder psychiatrische Krankenhausbehandlung in den letzten Jahren) und der Kläger tatsächlich aktuell nahezu sechs Stunden in
der nicht leidensgerechten Tätigkeit als selbständiger Bodenleger arbeitet, schließt sich der Senat der Beurteilung Dr. K.s
an, dass der Kläger in der Lage ist, leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden arbeitstäglich zu verrichten.
Etwas anderes ergibt sich schließlich auch nicht aus der Beurteilung der als sachverständige Zeugen befragten behandelnden
Ärzte. Sowohl nach Einschätzung des Arztes für Orthopädie Dr. E. als auch des Allgemeinarztes Dr. M. kann der Kläger leichte
Tätigkeiten noch mindestens sechs Stunden arbeitstägig verrichten.
Auch die durch den Senat eingeholte (aktualisierte) Aussage der Nervenarztes Dr. D. sowie die Aussagen des Orthopäden Dr.
L. und des Schmerztherapeuten I. sind nicht dazu geeignet, den dem Kläger obliegenden Nachweis einer Erwerbsminderung zu führen.
Eine nachvollziehbare Begründung für eine Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens für leichte Tätigkeiten des allgemeinen
Arbeitsmarktes enthalten die genannten Aussagen nicht. Alle drei genannten Ärzte weisen vielmehr nachvollziehbar darauf hin,
dass das berufsspezifische häufige Knien im Rahmen der Tätigkeit als selbständiger Bodenleger denkbar ungünstig ist und nicht
den gesundheitlich bedingten, qualitativen Einschränkungen des Kläger entspricht. Soweit der Kläger diese Tätigkeit dennoch
vier bis fünf Stunden arbeitstäglich und zeitweise auch mehr als sechs Stunden verrichtet, erfolgt die Ausübung dieser spezifischen
Tätigkeit zur Überzeugung des Senats durchaus auf Kosten der (Rest-)Gesundheit. Funktionelle Einschränkungen, die jedoch selbst
leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ausschließen, wurden hingegen von den genannten Ärzten nicht mitgeteilt. Nervenarzt
Dr. D., der Orthopäde Dr. L. und der Schmerztherapeut I. haben letztlich keine weitergehenden oder grundlegend abweichenden
Befunde und Funktionsstörungen mitgeteilt, als sie auch in den Gutachten von Dr. K. und Dr. F. enthalten sind und dort ausführlich
und nachvollziehbar gewürdigt worden sind.
Damit ist der Senat - unter Betrachtung der Gesundheitsstörungen im Einzelnen und auch in deren Zusammenschau - zu der Überzeugung
gelangt, dass der Kläger unter Berücksichtigung der genannten qualitativen Einschränkungen in der Lage ist, Tätigkeiten auf
dem allgemeinen Arbeitsmarkt in einem zeitlichen Umfang von mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten.
Aus den genannten qualitativen Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit ergeben sich zudem weder schwere spezifische Leistungsbehinderungen
noch stellen die qualitativen Leistungseinschränkungen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen (vgl. dazu
BSG vom 11. Mai 1999 - B 13 RJ 71/97 R = SozR 3-2600 § 43 Nr. 21 - [...] Rdnr. 18 ff.) dar. Insbesondere bestehen keine Anhaltspunkte für eine rentenrechtlich
relevante Einschränkung der Wegefähigkeit. Neben der zeitlich ausreichenden Einsetzbarkeit des Versicherten am Arbeitsplatz
gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen. Eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die
dem Versicherten dies nicht erlaubt, stellt eine derart schwere Leistungseinschränkung dar, dass der Arbeitsmarkt trotz eines
vorhandenen vollschichtigen Leistungsvermögens als verschlossen anzusehen ist (BSG Großer Senat vom 19. Dezember 1996 - GS 2/95 - [...]). Konkret gilt: Hat der Versicherte keinen Arbeitsplatz und wird ihm ein solcher auch nicht angeboten, bemessen sich
die Wegstrecken, deren Zurücklegung ihm möglich sein müssen, - auch in Anbetracht der Zumutbarkeit eines Umzugs - nach einem
generalisierenden Maßstab, der zugleich den Bedürfnissen einer Massenverwaltung Rechnung trägt. Dabei wird angenommen, dass
ein Versicherter für den Weg zur Arbeitsstelle öffentliche Verkehrsmittel benutzen und von seiner Wohnung zum Verkehrsmittel
sowie vom Verkehrsmittel zur Arbeitsstelle und zurück Fußwege absolvieren muss. Eine (volle) Erwerbsminderung setzt danach
grundsätzlich voraus, dass ein Versicherter nicht vier Mal am Tag Wegstrecken von über 500 m mit zumutbarem Zeitaufwand (also
jeweils innerhalb von 20 Minuten) zu Fuß bewältigen und ferner zwei Mal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen
Verkehrsmitteln fahren kann. Bei der Beurteilung der Mobilität des Versicherten sind alle ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden
Hilfsmittel (z. B. Gehstützen) und Beförderungsmöglichkeiten zu berücksichtigen (vgl. BSG Urteil vom 17. Dezember 1991 - 13/5 RJ 73/90 - [...]). Es kommt hingegen nicht auf den konkreten Weg vom Wohnort zu einer Arbeitsstelle oder zur Haltestelle eines öffentlichen
Verkehrsmittels an, sondern darauf an, welche Wege allgemein üblich sind. Keiner der als Gutachter oder Zeugen befragten Ärzte
hat eine Einschränkung der Wegefähigkeit im zuvor genannten Sinn bestätigt, zumal der Kläger ja auch aktuell in der Tätigkeit
als selbständiger Bodenleger mobil ist.
Der Kläger hat des Weiteren auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.
Nach §
240 Abs.
1 SGB VI haben Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind, bis zur Vollendung der Regelaltersgrenze Anspruch
auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie die sonstigen Voraussetzungen erfüllen. Berufsunfähig sind Versicherte,
deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch
gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden
gesunken ist (§
240 Abs.
2 Satz 1
SGB VI). Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten,
die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung
sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können.
Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige
Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§
240 Abs.
2 Sätze 2 und 4
SGB VI).
Maßgeblich dafür, ob Berufsunfähigkeit vorliegt, ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG der "bisherige Beruf", den der Versicherte ausgeübt hat (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 107 und 169). Dabei ist unter dem bisherigen Beruf in der Regel die letzte nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübte versicherungspflichtige
Beschäftigung oder Tätigkeit jedenfalls dann zu verstehen, wenn sie zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben des Versicherten
war (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 130; BSG SozR 3-2600 § 43 Nr. 17). Der bisherige Beruf bestimmt sich bei Versicherten, die - wie der Kläger - neben freiwilligen Beiträgen auch Pflichtbeiträge
gezahlt haben, allein nach der versicherungspflichtig ausgeübten Tätigkeit. Durch freiwillige Beiträge, die seit dem 1. Januar
1984 gezahlt wurden, kann der bisherige Beruf nicht verändert werden, weil sie keinen anspruchsbegründenden, sondern nur einen
anspruchserhaltenden Charakter haben (Gürtner in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht,
SGB VI, § 240, Rn. 16, m.w.N.). Die Beklagte und das SG haben daher zutreffend auf die Tätigkeit als angestellter Kraftfahrer abgestellt. Auch wenn man davon ausgeht, dass diese
Tätigkeit dem gesundheitlichen Anforderungsprofil des Klägers nicht mehr entspricht, ist dieser dennoch nicht berufsunfähig
im zuvor genannten Sinn, da er auf die von der Beklagten benannte Tätigkeit als gewerblicher Mitarbeiter in der Metall- und
Elektroindustrie, Kunststofffertigung oder in der Spielzeugherstellung sowie auf die vom SG genannte Tätigkeit als Pförtner verweisbar ist. Auf die Ausführungen des SG wird insoweit Bezug genommen.
Diese Verweisungstätigkeiten sind dem Kläger gesundheitlich durchaus zumutbar. Nach der berufskundlichen Stellungnahme vom
4. Februar 2009, die der Senat für zutreffend und überzeugend erachtet, umfasst die Tätigkeit als gewerblicher Mitarbeiter
in der Metall- und Elektroindustrie, Kunststofffertigung oder in der Spielzeugherstellung auf der unteren Anlernebene folgende
Aufgaben (Bl. 90 ff der Verwaltungsakte): Durchführen von Sichtkontrollen und Ausführen von Entgratungsarbeiten an maschinell
gefertigten Kunststoffteilen für die Autoinnenausstattung, Montage von Baugruppen und Gehäusen aus Edelstahl und Aluminium,
Montage von Steckdosen und Schaltern für die Elektroinstallation, Durchführung der Sichtkontrollen von Scherfolien für elektrische
Rasierapparate im Rahmen der Qualitätssicherung, Montage von Staubsaugern und motorbetriebenen Kehrmaschinen sowie Zusammenstellung
von Spielzeug-Sets sowie Montage von Modelleisenbahnen. Die tarifliche Eingruppierung solcher Tätigkeiten erfolgt stets in
einer höheren als der niedrigsten Lohn- bzw. Gehaltsgruppe. Es handelt sich also nicht um die allereinfachsten Tätigkeiten,
da die entsprechenden Tarifverträge noch niedrigere Lohn- bzw. Gehaltsgruppen aufführen. Alle Tätigkeiten können im selbst
bestimmten Haltungswechsel zwischen Sitzen und Stehen verrichtet werden. Die Gewichtsbelastung liegt unterhalb von 5 kg. Die
Einarbeitungsdauer von drei Monaten wird nicht überschritten. Spezielle Kenntnisse sind nicht erforderlich. An den meisten
Arbeitsplätzen, die in nennenswerter Anzahl in der Bundesrepublik Deutschland vorhanden sind, wird die Beherrschung der deutschen
Sprache in Wort und Schrift erwartet. Diese Tätigkeiten kann der Kläger trotz der von Dr. F. geschilderten qualitativen Einschränkungen
verrichten, da diese weder häufig oder überwiegend stehende und gehende Tätigkeiten, keine Arbeiten mit Heben und Tragen von
Lasten über 10 bis 12 kg ohne mechanische Hilfsmittel, keine Überkopfarbeiten, keine Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, keine
Arbeiten unter ständigem Einfluss von Nässe, Kälte und/oder Zugluft sowie schließlich keine hohe Stressbelastung beinhalten.
Der Senat hat auch keinerlei Bedenken, dass der Kläger die für die Verweisungstätigkeit notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten
innerhalb einer bis zu drei Monaten dauernden Einarbeitung und Einweisung erwerben kann (vgl. zu dieser Voraussetzung: BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 23).
Auch im Hinblick auf die gesundheitliche Zumutbarkeit einer Tätigkeit als Pförtner an einer Nebenpforte für mindestens sechs
Stunden bestehen beim Senat keinerlei durchgreifenden Bedenken (vgl. zur grundsätzlichen Verweisbarkeit auf die Tätigkeit
als Pförtner, Urteil des Senats vom 10. Mai 2011 - L 13 R 5334/09 -, [...]).
Soweit der Kläger in der Berufung maßgeblich darauf abstellt, diese Tätigkeiten seien ihm sozial nicht zumutbar, folgt der
Senat dem nicht. Entgegen der Auffassung des Klägers, ist diesem die Verweisung auf die Tätigkeit als Pförtner oder als gewerblicher
Mitarbeiter in der Metall- und Elektroindustrie, Kunststofffertigung sozial zumutbar. Kann ein Versicherter den "bisherigen
Beruf" aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr verrichten, ist zu ermitteln, ob es zumindest eine Tätigkeit gibt, die sozial
zumutbar ist und die der Versicherte gesundheitlich wie fachlich noch bewältigen kann. Das BSG hat zur Feststellung des qualitativen Wertes des bisherigen Berufes und damit zur Bestimmung zumutbarer Verweisungstätigkeiten
(vgl. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 55; Niesel in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, §
240 SGB VI Rdnr. 24 ff. m.w.N.) ein Mehrstufenschema entwickelt, das die Arbeiterberufe in Gruppen untergliedert. Diese werden durch
die Leitberufe eines Facharbeiters mit Vorgesetztenfunktion (und diesem gleichgestellten besonders hoch qualifizierten Facharbeiters),
eines Facharbeiters, der einen anerkannten Ausbildungsberuf mit einer anerkannten Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren,
regelmäßig drei Jahren ausübt, eines angelernten Arbeiters, der einen Ausbildungsberuf mit einer vorgeschriebenen Regelausbildungszeit
von bis zu zwei Jahren ausübt, und eines ungelernten Arbeiters charakterisiert. Kriterien für eine Einstufung in dieses Schema
sind dabei die Ausbildung, die tarifliche Einstufung, die Dauer der Berufsausbildung, die Höhe der Entlohnung und insbesondere
die qualitativen Anforderungen des Berufs. Eine Verweisung ist grundsätzlich nur auf eine Tätigkeit der jeweils niedrigeren
Gruppe möglich.
Die vom Kläger bis 1989 ausgeübte Tätigkeit als Kraftfahrer ist in diesem Mehrstufenschema des BSG auf der Stufe eines "gehobenen Angelernten" und nicht wie der Kläger meint auf der Stufe eines "Facharbeiters" einzuordnen.
Der Kläger hat keine Tätigkeit ausgeübt, die der eines anerkannten Ausbildungsberuf mit einer anerkannten Ausbildungszeit
von mehr als zwei Jahren, regelmäßig drei Jahren, gleichzustellen wäre. Soweit der Kläger in der Berufungsbegründung insbesondere
vorträgt, sein Arbeitszeugnis aus dem Jahr 1998 (Bl. 88 der Verwaltungsakte) bestätige, dass er über die Qualifikation eines
Facharbeiters verfüge, vermochte dies den Senat nicht zu überzeugen. Richtig ist, dass dem Kläger durch dieses Zeugnis bescheinigt
wurde, er habe die ihm übertragenen Aufgaben "stets zur vollsten Zufriedenheit" seines Arbeitgebers verrichtet und es sich
mithin um ein "sehr gutes" Zeugnis handelt. Selbst die überdurchschnittliche Verrichtung von angelernten Tätigkeiten führt
jedoch nicht dazu, dass diese einer qualifizierten Berufsausbildung im zuvor genannten Sinn gleichzustellen sind. Die Einordnung
eines bestimmten Berufs in das Mehrstufenschema des BSG erfolgt zwar nicht ausschließlich nach der Dauer der absolvierten förmlichen Berufsausbildung. Ausschlaggebend ist allein
die Qualität der verrichteten Arbeit, d. h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb.
Es kommt auf das Gesamtbild an, wie es durch die in §
240 Abs.
2 Satz 2
SGB VI am Ende genannten Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung, bisheriger Beruf, besondere Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit)
umschrieben wird. Bei der konkreten Einordnung der Tätigkeit als angelernter Kraftfahrer ist aber zu beachten, dass selbst
die formelle Qualifikation als Berufskraftfahrer nach der Kraftfahrer-Ausbildungsverordnung (KraftfAusbV) aufgrund der für
diesen Beruf vorgeschriebenen lediglich zweijährigen Regelausbildungszeit (§ 2 KraftfAusbV in der bis 31. Juli 2011 gültigen
Fassung vom 26. Oktober 1973) für sich allein nicht ausreicht, um den Berufsschutz als Facharbeiter zu erlangen. Selbst der
Beruf des (gelernten) Kraftfahrers gehört nach diesen Regeln daher im allgemeinen nur zum angelernten Bereich, da er eine
Ausbildungszeit von nur bis zu zwei Jahren erfordert (BSG, Urteil vom 30. Juli 1997 - 5 RJ 8/96 - sowie Urteil vom 18. Januar 1995 - 5 RJ 18/94 -, [...]). Erst seit dem Inkrafttreten der Berufskraftfahrer-Ausbildungsverordnung (
BKV) vom 19. April 2001 (BGBl. I, S. 642) ist die Ausbildungsdauer auf nunmehr drei Jahre festgelegt worden. Dies hat jedoch grundsätzlich als nachträgliche Änderung
des Bewertungsmaßstabs unberücksichtigt zu bleiben, soweit dies den tatsächlich ausgeübten Beruf nicht mehr prägen konnte
(vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 2. Dezember 2011 - L 4 R 3833/08 -, [...]). Der Kläger hat die Tätigkeit als Kraftfahrer nur bis 1998 ausgeübt, so dass der Kläger selbst wenn man ihn einem
gelernten Kraftfahrer gleichstellt, auch nur die Stufe des angelernten Arbeiters erreichen kann. Der Senat vermag auch nicht
zu erkennen, dass der Kläger über diese Qualifikation hinaus Fähigkeiten und Fertigkeiten erlangt hat, die einem Berufsbild
entsprechen, das dem Anforderungsprofil des Facharbeiters genügt. Die im Zeugnis vom 29. Januar 1998 erwähnten Tätigkeiten,
der Abholung und Zustellung von Luft- und Seefrachtsendungen von Kunden sowie Fahrten zu den Flughäfen in Stuttgart und Zürich
stellen keine "besonderen Anforderungen" an die konkrete Tätigkeit dar, es handelt sich vielmehr um Aufgaben, die jeder Berufskraftfahrertätigkeit
immanent sind. Die Tatsache, dass der Kläger zudem neben der Fahrertätigkeit auch im Umschlaglager eingesetzt und dort mit
Instandhaltungsarbeiten betraut war, spricht im Übrigen gegen eine Gleichstellung mit dem Ausbildungsberuf "Berufskraftfahrer",
da es sich hierbei um allgemeine Lager- und Wartungsarbeiten handelt.
Lediglich hilfsweise - ohne dass es im Ergebnis darauf ankommt - ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger selbst dann nicht
berufsunfähig wäre, wenn er wie begehrt als Facharbeiter einzustufen wäre, da er dann gesundheitlich und sozial zumutbar auf
die Tätigkeit als Registrator und Poststellenmitarbeiter verwiesen werden könnte (vgl. zur Verweisbarkeit eines Facharbeiters:
Urteil des Senats vom 25. September 2012, Az.: L 13 R 6087/09, [...]). Auch auf diese Tätigkeiten könnte der Kläger sozial und gesundheitlich zumutbar verwiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG. Im Rahmen des dem Senat nach §
193 SGG eingeräumten Ermessens war für den Senat maßgeblich, dass der Kläger mit der Rechtsverfolgung ohne Erfolg geblieben ist und
die Beklagte keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat. Der Senat hält es auch im Falle einer Zurückweisung des Rechtsmittels
für erforderlich, nicht nur über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu entscheiden, sondern auch über die Kosten der vorausgehenden
Instanz (so Lüdtke, Kommentar zum
SGG, 4. Aufl., §
197a SGG Rdnr. 3; erkennender Senat, Urteil vom 19. November 2013, L 13 R 1662/12, veröffentlicht in [...]; a.A. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum
SGG, 10. Auflage, §
193 SGG Rdnr. 2a; Hintz/Lowe, Kommentar zum
SGG, §
193 SGG Rdnr. 11; Jansen, Kommentar zum
SGG, 4. Auflage, §
193 SGG Rdnr. 4).
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.