Sozialversicherungspflicht
Mitarbeiter in einer Jugendfreizeiteinrichtung
Abhängige Beschäftigung aufgrund der tatsächlichen Einzelfallumstände trotz anderslautender vertraglicher Bezeichnung als
"freier Mitarbeiter"
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um den sozialversicherungsrechtlichen Status des Beigeladenen zu 1) in seiner seit dem 5. Januar
2009 für den Kläger ausgeübten Tätigkeit als Leiter eines Computerkurses sowie des Kurses "Werken mit Holz".
Der im Jahre 1968 geborene Beigeladene zu 1) ist Diplom-Meteorologe und Fitnesstrainer.
Der Kläger ist mit dem Jugendamt T- Träger des Kinder- und Jugendclubs "h" in Berlin-, einer Jugendfreizeiteinrichtung (JFE)
mit verschiedenen Freizeitangeboten.
Erstmalig am 15. Dezember 2008 schloss der Kläger ("Auftraggeber") mit dem Beigeladenen zu 1) ("Auftragnehmer") einen als
"Honorarvertrag" bezeichneten Vertrag, der mit dem h als Einsatzort die "Anleitung einer Computergruppe und Werken mit Holz
für Kinder und Jugendliche von 6 bis 18 Jahren" zum Gegenstand hatte. Der Vertrag umfasste den Zeitraum 5. Januar 2009 bis
30. Juni 2009, montags 15 bis 19 Uhr, dienstags 14 bis 19 Uhr und mittwochs 14 bis 19 Uhr, mithin 351 Arbeitsstunden insgesamt
zu einem Stundenhonorar in Höhe von 10,75 Euro.
Entsprechende Verträge schlossen Kläger und Beigeladener zu 1) für die Zeiträume
1. Juli 2009 bis 16. Dezember 2009, 20. Januar bis 30. Juni 2010, 23. August bis 15. Dezember 2010, 12. Januar bis 29. Juni
2011, 15. August bis 14. Dezember 2011, 11. Januar bis 20. Juni 2012, 6. August bis 12. Dezember 2012, 9. Januar bis 19. Juni
2013, 5. August bis 18. Dezember 2013 und 3. Februar bis 7. Juli 2014.
Wegen der Einzelheiten [Stundenumfang, sonstige Tätigkeiten des Beigeladenen zu 1) für den Kläger, jahresbezogenes Gesamthonorar]
wird auf die vom Kläger am 7. Juli 2014 erstellte Übersicht, Bl. 122 und 123 der Gerichtsakte, Bezug genommen.
Das jeweils vereinbarte Honorar in Höhe von 10,75 Euro beruhte auf den "Ausführungsvorschriften für Honorare im Geschäftsbereich
der Kinder- und Jugendhilfe" (AV Hon-KJH) der Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport vom 17. Oktober 2001. Diese enthielten
u.a. folgende Regelungen:
3 - Verträge
(...) Der Vertragstext muss sicherstellen, dass die Honorarkräfte ihre Arbeit selbstbestimmt lediglich zur Erfüllung eines
vertraglichen Auftrages erbringen, ohne hierbei dem Direktionsrecht des Landes Berlin unterworfen zu sein. Hierfür ist zum
Ausdruck zu bringen, dass die Honorarkraft ihre Tätigkeit im Wesentlichen frei gestalten kann und über die Art und Weise der
Auftragserfüllung im Rahmen des durch den Vertrag festgelegten Inhalts allein entscheidet. Unbedingt erforderliche zeitliche
Vorgaben und örtliche Bindungen bei der Erbringung der Leistung dürfen nicht auf Weisungsrecht beruhen, sondern auf vertraglichen
Abreden. (...)
11 - Honorarkräfte als arbeitnehmerähnliche Personen
(1) Honorarkräfte, die sozial schutzbedürftig vergleichbar einem Arbeitnehmer und im Rahmen der freien Mitarbeiterverhältnisse
zum Land Berlin von diesen wirtschaftlich abhängig sind (arbeitnehmerähnliche Personen) erhalten auf Antrag zu den Kosten
ihrer Kranken- und Rentenversicherung einen Zuschuss (...).
Die zwischen Kläger und Beigeladenem zu 1) geschlossenen Verträge enthielten auf dieser Grundlage folgende Regelungen:
Der Auftragnehmer erhält ein Honorar gemäß der Anlage zur AV Hon KJH in der jeweils geltenden Fassung für jede vereinbarte
Stunde a 60 min in Höhe von 10,75 Euro. Mit diesem Honorar sind alle entstehenden Kosten und Aufwendungen, einschließlich
Wege-, Vor- sowie Nachbereitungszeiten abgegolten. Pausenzeiten werden nicht vergütet und sind in der Honorarabrechnung auszuweisen
(vgl. Nr. 12 AV HonKJH). Das Honorar wird monatlich nachträglich, nur für tatsächlich erbrachte Leistungen gezahlt. Die Rechnung
muss spätestens bis zum folgenden Monatsende vorliegen. (...). Die Honorare sind Bruttobeträge. Der Auftraggeber ist verpflichtet,
den Finanzbehörden geleistete Honorarzahlungen nach der Mitteilungsverordnung (MV) - in der jeweils gültigen Fassung - mitzuteilen. Der Vertrag kann jederzeit beendet werden. Gründe für eine Kündigung sind
unter anderem wenn:
- die Zielgruppe der vereinbarten Leistung nicht mehr existiert,
- der Vertragsgegenstand nicht mehr existiert,
- der Erfüllungsort (die Einrichtung) geschlossen wird,
- der Auftragnehmer den Vertrag nicht erfüllt,
- die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern nicht mehr möglich ist,
- gegen die Verpflichtung in der "Schutzerklärung" verstoßen bzw. die Unwahrheit nachgewiesen wird.
Der Auftragnehmer:
- unterliegt keinem Direktionsrecht des Landes Berlin,
- begründet durch seine Leistung kein Arbeitsverhältnis mit dem Auftraggeber,
- hat durch seine Leistung keinen Anspruch auf regelmäßigen Einsatz oder Übernahme in ein Arbeitsverhältnis,
- verpflichtet sich, jede geschlossene Vereinbarung über eine Tätigkeit mit dem Land Berlin dem Auftraggeber mitzuteilen und
nicht mehr als 18 Stunden wöchentlich als freie/r Mitarbeiter/in für das Land Berlin tätig zu sein,
- erfüllt die Aufsichtspflicht in den Vertragszeiten,
- informiert den/die Leiter/in der Einrichtung, ggf. den Fachbereich unverzüglich, wenn die Erfüllung des Vertrages gefährdet
ist (z. B. wegen Krankheit),
- haftet für schuldhaft verursachte Schäden,
- erhält durch die Abt. Familie, Jugend und Sport keinen Ersatz für Sach- und Körperschäden, die ihm auf dem Weg zum oder
am Leistungsort entstehen,
- verpflichtet sich zur Verschwiegenheit über alle dienstlichen Vorgänge, die durch die Tätigkeit bekannte werden, auch für
die Zeit nach Beendigung des Vertragsverhältnisses,
- erhält eine Ausfertigung dieses Vertrages.
Bestandteil des Vertrages sind die "Ausführungsvorschriften für Honorare im Geschäftsbereich der Kinder- und Jugendhilfe (AV
Hon-KJH)" in der jeweils geltenden Fassung. Im Übrigen sind die entsprechenden Bestimmungen des
BGB bindend.
Der/Die Auftragnehmer/in hat die gesetzlichen Vorgaben, insbesondere des SGB VIII zu beachten und die entsprechenden Voraussetzungen, die sich aus dem Jugendrundschreiben Nr. 34/2006 zur Umsetzung des §
72 a SGB und § 8 a SGB VIII ergeben, zu erfüllen. Dazu gehört auch die Vorlage eines aktuell gültigen Führungszeugnisses.
Der Beigeladene zu 1) nutzt bei seiner Arbeit die Computer sowie Werkzeug und Holzmaterialien der Einrichtung als Arbeitsmittel.
Er übt seine Tätigkeit ausschließlich in den Räumen bzw. auf dem Gelände der Einrichtung aus. In dem "h" sind 3,5 feste pädagogische
Mitarbeiter tätig sowie "freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter". Auf der Internetseite der Einrichtung (http://www.h-berlin.de/Mitarbeiter.html)
ist der Beigeladene zu 1) als Mitglied des Teams mit Vornamen und mit Foto genannt. Die Arbeit des "h" beruht auf einem vom
Kläger erstellten schriftlichen Konzept, das u.a. die Notwendigkeit der Teamarbeit betont. Auf Bl. 10 bis 14 des Verwaltungsvorgangs
der Beklagten wird insoweit Bezug genommen. Dem "h" steht der Sozialoberinspektor K als Einrichtungsleiter vor, der sich in
der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 9. Juli 2014 als Vorgesetzter des Beigeladenen zu 1) vorstellte. Nach den Bekundungen
des Einrichtungsleiters nimmt der Beigeladene zu 1) aus Zeitgründen nicht an den abgehaltenen Teambesprechungen teil, steht
aber in ständiger Kommunikation mit dem Einrichtungsleiter und springt ein, wenn Stammpersonal ausfällt. Die Arbeitszeiten
des Beigeladenen zu 1) variieren nach Bedarf. Der Einrichtungsleiter verwaltet das Budget der JFE und ist in der Lage, die
vereinbarten Arbeitszeiten des Beigeladenen zu 1) nach Maßgabe vorhandener Mittel im Einzelfall zu verlängern, wozu es auch
tatsächlich kam. Zusätzlich zu den vertraglich festgelegten Aufgaben betreute der Beigeladene zu 1) in der Einrichtung so
bei Bedarf eine Fahrradwerkstatt und einen Fitnessraum und pflegte das Computernetzwerk und den Internetauftritt. Die Beachtung
der pädagogischen Konzeption der JFE durch den Beigeladenen zu 1) wird durch den Einrichtungsleiter überwacht.
Auf Veranlassung des Landesrechnungshofes, die sich auf alle "freien Mitarbeiter" der kommunalen Jugendfreizeiteinrichtungen
bezog, stellten der Kläger und der Beigeladene zu 1) bei dem Beklagten am 29. April 2009 einen Antrag auf Feststellung des
sozialversicherungsrechtlichen Status des Beigeladenen zu 1). Der Kläger hat im Verwaltungsverfahren u.a. vorgebracht, der
Beigeladene zu 1) sei einem Volkshochschuldozenten vergleichbar und unterliege keinen Weisungen.
Mit Bescheiden vom 29. September 2009 stellte die Beklagte gegenüber dem Kläger und dem Beigeladenen zu 1) fest, dass dessen
Tätigkeit als Leiter eines Computerkurses sowie des Kurses "Werken mit Holz" bei dem Kläger seit dem 5. Januar 2009 im Rahmen
eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde. Mit Änderungsbescheiden vom 1. März 2010 korrigierte die Beklagte
den Verfügungssatz dahingehend, dass für den Beigeladenen zu 1) in der seit dem 5. Januar 2009 ausgeübten Beschäftigung als
Leiter eines Computerkurses sowie des Kurses "Werken mit Holz" bei dem Bezirksamt T/Versicherungspflicht in der Krankenversicherung,
der Pflegeversicherung, der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe. Eine Vielzahl von Merkmalen
belege das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses. So besitze der Kläger ein einseitiges Direktionsrecht.
Die Tätigkeit werde in den Räumen des Auftraggebers und mit dessen Arbeitsmitteln ausgeführt. Der Beigeladene zu 1) unterliege
bei seiner Tätigkeit klaren Vorgaben und sei in die vom Kläger vorgegebene Organisation eingegliedert, der der Leiter der
Einrichtung vorstehe, zu dessen Aufgaben auch der Einsatz der Honorarkräfte gehöre. Zu den Aufgaben des Beigeladenen zu 1)
gehöre auch die vertraglich vereinbarte Aufsichtspflicht über die die Einrichtung besuchenden Kinder und Jugendlichen. Auch
dadurch sei er Teil des Teams, zu dem er auch nach dem Internetauftritt der Einrichtung zähle. Einem Unternehmerrisiko unterliege
er nicht. Einem Dozenten sei er nicht vergleichbar, vielmehr obliege ihm die Betreuung von Kindern und Jugendlichen.
Den hiergegen vom Kläger erhobenen Widerspruch, den der Kläger mit dem ausdrücklich vereinbarten Status eines freien Mitarbeiters
und der fehlenden Weisungsabhängigkeit des Beigeladenen zu 1) begründete, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.
April 2010 zurück.
Zur Begründung seiner hiergegen erhobenen Klage hat der Kläger im Wesentlichen angeführt, Weisungen unterliege der Beigeladene
zu 1) nicht, vielmehr sei er völlig frei in der inhaltlichen, didaktischen und methodischen Gestaltung seiner Arbeit. Vertraglich
sei ein Direktionsrecht ausdrücklich ausgeschlossen. Die dem Beigeladenen zu 1) während seines Unterrichts obliegende Aufsichtspflicht
sei für die Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses unerheblich. Die geringe wöchentliche Arbeitszeit habe es dem Beigeladenen
zu 1) ermöglicht, zusätzlich als Fitnesstrainer zu arbeiten. Sein unternehmerisches Risiko habe in dem Umstand bestanden,
im Krankheitsfall keine Vergütung zu erhalten sowie in der Abhängigkeit seiner Tätigkeit von ausreichender Nachfrage seitens
der Kinder und Jugendlichen. Bezahlten Urlaub habe er nicht erhalten.
Mit Urteil vom 16. November 2012 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen angeführt:
Bei der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) für den Kläger handele es sich um eine abhängige Beschäftigung, weil nach dem Gesamtbild
der Arbeitsleistung die hierfür sprechenden Merkmale überwögen. Zu festgelegten Zeiten betreue der Beigeladene zu 1) Kinder
und Jugendliche im "h ". In der mündlichen Verhandlung habe er erklärt, dies nicht auf Computerkurse und Holzwerken zu beschränken,
sondern je nach Nachfrage auch andere Angebote zu machen, wie etwa Fahrradwerkstatt und Fitnessraum. Dabei unterliege er keinerlei
unternehmerischem Risiko.
Gegen das ihm am 10. Dezember 2012 zugestellte Urteil richtet sich die am 18. Dezember 2012 erhobene Berufung des Klägers.
Im Gesamtbild aller Umstände liege gerade keine abhängige Beschäftigung vor. Das unternehmerische Risiko habe in der Notwendigkeit
ausreichender Nachfrage seitens der Besucher der Einrichtung bestanden sowie in fehlender Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.
Weisungen habe der Beigeladene zu 1) nicht erhalten; er sei frei darin gewesen, welche Angebote er den Kindern und Jugendlichen
machte.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 9. Juli 2014 hat die Beklagte die streitigen Bescheide geändert und Versicherungspflicht
des Beigeladenen zu 1) in seiner Tätigkeit als Leiter eines Computerkurses sowie des Kurses "Werken mit Holz" für folgende
Zeiträume festgestellt:
5. Januar bis 30. Juni 2009, 1. Juli bis 16. Dezember 2009, 20. Januar bis 30. Juni 2010, 23. August bis 15. Dezember 2010,
12. Januar bis 29. Juni 2011, 15. August bis 14. Dezember 2011, 11. Januar bis 20. Juni 2012, 6. August bis 12. Dezember 2012,
9. Januar bis 19. Juni 2013, 5. August bis 18. Dezember 2013, 3. Februar bis 7. Juli 2014.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. November 2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 29. September 2009 in der
Fassung des Bescheides vom 1. März 2010, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. April 2010 sowie des Bescheides
vom 9. Juli 2014 aufzuheben und festzustellen, dass der Beigeladene zu 1) in seiner Tätigkeit für den Kläger als Leiter einer
Computergruppe sowie des Kurses "Werken mit Holz" nicht der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung, der Pflegeversicherung,
der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Im Gegensatz zur Auffassung des Klägers unterliege der Beigeladene
zu 1) gerade keinem unternehmerischen Risiko. Dies wäre nur dann der Fall, wenn er eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft
auch mit der Gefahr des Verlustes einsetze, der Erfolg des Einsatzes von sächlichen oder persönlichen Mitteln also ungewiss
sei. Hier habe der Beigeladene zu 1) eine feste Vergütung nach Stunden erhalten, die nicht an einen bestimmten Erfolg gekoppelt
gewesen sei. Fehlende Lohnfortzahlung im Krankheitsfall allein stelle kein Unternehmerrisiko dar.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge
von Kläger und Beklagter Bezug genommen, die, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und
der Entscheidungsfindung waren.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, hat aber keinen Erfolg. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Beigeladene zu
1) unterliegt in seiner seit dem 5. Januar 2009 ausgeübten Tätigkeit für den Kläger als Leiter eines Computerkurses sowie
des Kurses "Werken mit Holz" der Versicherungspflicht in allen den Sparten der Sozialversicherung.
I. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist auch der während des Berufungsverfahrens von der Beklagten erlassene, an den Kläger
gerichtete Bescheid vom 9. Juli 2014. Dieser hat die bis dahin angefochtenen Bescheide über die Feststellung zum Vorliegen
von Versicherungspflicht um die relevanten Zeiträume, für die Versicherungspflicht besteht, ergänzt. Darin liegt eine konkretisierende
Feststellung mit der Folge, dass der Verwaltungsakt vom 9. Juli 2014 die unvollständige vorangegangene Regelung im Sinne von
§
96 Abs.
1 in Verbindung mit §
153 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) ersetzt (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 30. Oktober 2013, B 12 KR 17/11 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 20).
II. Versicherungspflichtig in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung sind nach §
5 Abs.
1 Nr.
1 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (
SGB V), §
20 Abs.
1 Satz 2 Nr.
1 Sozialgesetzbuch/Elftes Buch (
SGB XI), §
1 Satz 1 Nr.
1 Sozialgesetzbuch/Sechstes Buch (
SGB VI) und §
25 Abs.
1 Sozialgesetzbuch/Drittes Buch (
SGB III) u.a. Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen
einer Beschäftigung ist §
7 Abs.
1 Sozialgesetzbuch/Viertes Buch (
SGB IV). Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine
Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Eine
Beschäftigung setzt voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem
fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort
und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit
vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit
über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig
beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der
Arbeitsleistung, welches sich nach den tatsächlichen Verhältnissen bestimmt. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind
die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben.
Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich
Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie
es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine
im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung
auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose -
Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition
nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung
auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag
geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird und die praktizierte
Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (st. Rspr., vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 24. Januar 2007, B 12 KR 31/06 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 16f.).
III. Hieran gemessen übt der Beigeladene zu 1) auch zur Überzeugung des Senats seine seit dem 5. Januar 2009 ausgeübte Tätigkeit
als Leiter eines Computerkurses sowie des Kurses "Werken mit Holz" im Rahmen einer Sozialversicherungspflicht begründenden
Beschäftigung im Sinne von §
7 Abs.
1 SGB IV aus.
1. Das grundsätzlich als Ausgangspunkt der rechtlichen Prüfung fungierende Vertragsverhältnis der Beteiligten gibt hier allerdings
keinen näheren Aufschluss über das (Nicht-)Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses. Aus dem Wortlaut des zwischen Kläger
und Beigeladenem zu 1) geschlossenen und in einer Vielzahl von Fällen verwendeten Formularvertrages und der ihm zugrunde liegenden
AV Hon-KJH spricht das Bemühen des klagenden Landes Berlin, um jeden Preis und unabhängig von der im Einzelfall tatsächlich
verrichteten Arbeit die Begründung eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses zu vermeiden. Der Senat
wertet dies als (versuchte) Umgehung der einschlägigen sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen, um sicherzustellen, dass
auch im Falle einer abhängigen Beschäftigung der Eindruck von Weisungsfreiheit entstehen soll. Nr. 3 Sätze 3 und 4 der AV
Hon-KJH lässt keine andere Schlussfolgerung zu: Danach "muss" der Vertragstext sicherstellen, dass "die Honorarkräfte ihre
Arbeit selbstbestimmt lediglich zur Erfüllung eines vertraglichen Auftrages erbringen, ohne hierbei dem Direktionsrecht des
Landes Berlin unterworfen zu sein. Hierfür ist zum Ausdruck zu bringen, dass die Honorarkraft ihre Tätigkeit im Wesentlichen
frei gestalten kann und über die Art und Weise der Auftragserfüllung im Rahmen des durch den Vertrag festgelegten Inhaltes
allein entscheidet." Diese für alle "Honorarkräfte" im Geschäftsbereich der Kinder- und Jugendhilfe nach dem Sozialgesetzbuch/Achtes
Buch (SGB VIII) geltenden Vorgaben lassen nicht erkennen, dass der Vertragstext davon abhängen soll, ob nach dem tatsächlichen Willen der
Vertragsparteien eine selbständige oder eine abhängige Arbeit Vertragsgegenstand werden soll. Vielmehr soll der Vertragstext
schematisch auf alle denkbaren Arbeitsleistungen angewendet werden, um möglichst schon vom Wortlaut des Vertrages her die
Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses auszuschließen. Dementsprechend enthielt auch der mit dem Beigeladenen zu 1) geschlossene
Vertrag etwa die Formulierung, dass er keinem Direktionsrecht des Landes Berlin unterliege und ein Arbeitsverhältnis nicht
begründet werde. Der Senat hält fest: Die für die Ausführung der Kinder- und Jugendhilfe nach dem SGB VIII in Berlin zuständige Sozialverwaltung - die Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport im Zusammenwirken mit den Jugendämtern
der Bezirke - hat sich aktiv um eine Umgehung der Sozialversicherungspflicht begründenden Rechtsvorschriften bemüht, indem
sämtliche "Honorarkräfte" unabhängig von den näheren Umständen ihrer Arbeit in das Rechtsverhältnis eines "freien Mitarbeiters"
gedrängt werden sollten. Wegen des erkennbar fehlenden Einzelfallbezuges kommt den vertraglichen Regelungen, die im vorliegenden
Fall eher die Qualität eines Scheingeschäfts haben (vgl. §
117 BGB), daher keine rechtliche Bedeutung zu. Für die rechtliche Bewertung Ausschlag gebend können vor diesem Hintergrund nur die
tatsächlichen Verhältnisse der jeweiligen Arbeitsleistung sein.
2. Diese tatsächlichen Verhältnisse gebieten in dem hier zu beurteilenden Fall zwingend die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses.
Der Fall des Beigeladenen zu 1) macht dabei besonders deutlich, zu welchen Auswirkungen die beschriebenen Bemühungen des Landes
Berlin um eine Umgehung des Sozialversicherungsrechts führen: Der Beigeladene zu 1) ist seit Anfang 2009 Teil des die JFE
"h" betreibenden Teams, wird als Teil des Teams auch nach außen hin präsentiert, ist nach innen aber Teil einer in zwei Klassen
geteilten Belegschaft, von denen der eine Teil aus "festen" und sozialversicherungsrechtlich wie üblich abgesicherten Mitarbeitern
besteht, während der andere Teil "frei" tätig werden soll, ohne dass für den Kläger etwa die Last von Sozialversicherungsabgaben
oder anderer Leistungen wie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall anfällt.
Für die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses spricht eine Fülle relevanter Anhaltspunkte: Der Beigeladene zu 1) arbeitet
in der JFE nicht weisungsfrei. Der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat anwesende Leiter der Einrichtung, der Sozialoberinspektor
K, stellte sich dem Senat zu Beginn der Sitzung unbefangen als "Vorgesetzter" des Beigeladenen zu 1) vor. Er achtet darauf,
dass der Beigeladene zu 1) in seinen Kursen die pädagogische Konzeption der JFE beachtet und setzt ihn je nach vorhandenen
Mitteln auch spontan zusätzlich zu den vertraglich festgelegten Aufgaben in anderen Bereichen ein. Damit ist der Beigeladene
zu 1) direkt in den Betrieb der JFE eingebunden. Zwar nimmt er aufgrund seines begrenzten Zeitbudgets nicht an den Teambesprechungen
teil, wird aber vom Einrichtungsleiter über deren Ergebnisse in Kenntnis gesetzt. Zugleich fungiert der Beigeladene zu 1)
auch als Vertreter, wenn Stammpersonal ausfällt. Er hat sich an dem schriftlich ausgearbeiteten Konzept der Einrichtung zu
orientieren und lebt unmittelbares kollegiales Miteinander im Team, als dessen gleichberechtigter Teil er im Internetauftritt
der Einrichtung dargestellt wird. Zudem hat der Kläger dem Beigeladenen zu 1) eine Erfüllung der den Kindern und Jugendlichen
gegenüber bestehenden Aufsichtspflicht auferlegt. Auch dieser Aspekt zeigt, wie sehr der Beigeladene zu 1) in den Betrieb
der JFE eingebunden ist. Zugleich ist er an die JFE als Arbeitsort gebunden und kann auch nur bedingt über seine Arbeitszeit
verfügen, denn diese liegt naturgemäß in den Nachmittagsstunden. Der Beigeladene zu 1) nutzt bei der hier in Rede stehenden
Tätigkeit "Computerkurs und Werken mit Holz" ausschließlich Räumlichkeiten und Materialien, die ihm vom Kläger zur Verfügung
gestellt werden. Im Hinblick auf den Inhalt der geschuldeten Arbeit ist zu berücksichtigen, dass die vom Beigeladenen zu 1)
zu erbringenden pädagogischen und kreativen Leistungen zu den so genannten Diensten höherer Art zählen, für die in der Rechtsprechung
des Bundessozialgerichts schon seit langem ein eingeschränktes Weisungsrecht, welches sich zur funktionsgerecht dienenden
Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert, als kennzeichnend angesehen wurde; höhere Dienste werden im Rahmen abhängiger Beschäftigung
geleistet, wenn sie fremdbestimmt bleiben und in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen (Bundessozialgericht,
Urteil vom 19. Juni 2001, B 12 KR 44/00 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 14). Solange jemand - wie der Beigeladene zu 1) - in einen für ihn fremden, d.h. den Interessen
eines anderen dienenden und von seinem Willen beherrschten Betrieb eingegliedert ist und damit der objektiven Ordnung dieses
Betriebes unterliegt, ist er abhängig beschäftigt (vgl. auch Bundessozialgericht, Urteil vom 18. November 1980, 12 RK 76/79 -, zitiert nach juris, dort Rdnr. 19).
Ein ins Gewicht fallendes unternehmerisches Risiko bestand für den Beigeladenen zu 1) dabei nicht. Maßgebliches Kriterium
ist insoweit, ob eigenes Kapital und/oder die eigene Arbeitskraft mit dem Risiko auch eines Verlustes "aufs Spiel gesetzt"
wird, der Erfolg des Einsatzes von sächlichen oder persönlichen Mitteln also ungewiss ist (st. Rspr., vgl. nur Bundessozialgericht,
aaO., Rdnr. 22). Der Beigeladene zu 1) setzt weder eigenes Kapital ein, noch fließt ihm durch seine Tätigkeit ein Unternehmergewinn
zu. Die Höhe seiner Vergütung hängt ausschließlich von den Regelungen ab, die der Kläger in den AV Hon-KJH fast nach Art eines
Tarifvertrages mit nach Qualifikation und Aufgaben abgestaffelten Stundensätzen trifft. Nicht zum Unternehmerrisiko gehört
eine Haftung für Verschulden bei der fehlerhaften Ausführung einer übertragenen Tätigkeit; eine solche Haftung kann ihre Grundlage
und Grenze auch in dem einer abhängigen Beschäftigung zugrunde liegenden Arbeitsvertrag haben. Die vom Kläger angeführte fehlende
Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ist kein Indiz für ein unternehmerisches Risiko, sondern nur Auswirkung der vom Kläger schematisch
und flächendeckend beabsichtigten Vermeidung spezifischer Arbeitnehmerrechte.
Weitere gegen eine Selbständigkeit sprechende Umstände, wie z.B. vom Beigeladenen zu 1) vertraglich übernommene Nebenpflichten,
treten hinzu. So wird sich ein Selbständiger typischerweise nicht verpflichten, weitere Verträge seinem Vertragspartner mitzuteilen
oder gar seine Tätigkeit für diesen Vertragspartner auf eine bestimmtes wöchentliches Zeitkontingent (hier: 18 Stunden) zu
beschränken. Schon zur Erwirtschaftung seiner finanziellen Lebensgrundlagen und zur Absicherung für Phasen mit geringeren
Einkünften wird das Interesse eines Selbständigen in der Regel dahin gehen, seine Erwerbsmöglichkeiten bis zum zeitlichen
Umfang einer Vollzeittätigkeit, d.h. bis ca. 40 Stunden wöchentlich, auszudehnen.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs.
1 Satz 1
SGG i.V.m. §
154 Abs.
2 Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreites. Kosten der Beigeladenen sind gemäß §
162 Abs.
3 VwGO nicht zu erstatten, weil sie keine Anträge gestellt und somit kein Kostenrisiko übernommen haben. Die Revision ist nicht
zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach §
160 Abs.
2 SGG nicht ersichtlich sind.