Gewährung von Leistungen nach SGB II
Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft
Zerrüttung der Bedarfsgemeinschaft
Fehlende Mitwirkung bei der Ermittlung der Hilfebedürftigkeit
Gründe
I. Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) streitig. Der am 00.00.1991 geborene Antragsteller lebt mit seiner Mutter, seinen zwei Halbgeschwistern im Alter von 13
und 17 Jahren und seinem Stiefvater zusammen. Bis zum Herbst 2013 Jahres bezog die Familie als Bedarfsgemeinschaft Leistungen
nach dem SGB II von dem Antragsgegner. Infolge der Arbeitsaufnahme des Stiefvaters wurden die Leistungen eingestellt. Am 14.04.2014 beantragte
der Antragsteller erneut die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Hierbei gab er an, zu seiner Bedarfsgemeinschaft würden vier weitere Personen gehören, so unter anderem zwei Geschwister,
die Mutter sowie der Ehemann der Mutter. In der Anlage EK zur Feststellung der Einkommensverhältnisse der in der Bedarfsgemeinschaft
lebenden Person gab der Antragsteller als Einkommen seiner Mutter, eine Rente wegen Erwerbsminderung in Höhe von monatlich
747,07 EUR sowie Pflegegeld (Pflegestufe II) in Höhe von monatlich 440,00 EUR an. In der Anlage UH4 zur Feststellung von Unterhaltsansprüchen
des Antragstellers verwies er auf seinen leiblichen Vater, der selbst im Bezug von Leistungen nach dem SGB II steht. Angaben zu den Verhältnissen seines Stiefvaters machte er nicht, weil er der Auffassung war, dass dieser nicht zur
Bedarfsgemeinschaft gehöre. Lediglich eine Mitteilung über eine Mieterhöhung zum 01.01.2014 der Wohnung seiner Mutter und
seines Stiefvaters und ein Versicherungsschein betreffend eine Riester-Rente des Stiefvaters lagen dem Antrag bei. Der Aufforderung
des Antragsgegners weitere Unterlagen, unter anderem einen Nachweis über Kindergeld aller Kinder im Haushalt, einen Arbeitsvertrag,
Lohn- und Gehaltsabrechnungen für die letzten sechs Monate sowie Kontoauszüge aller Girokonten, jeweils durchgehend für die
letzten zwei Monate des Stiefvaters kam der Antragsteller nicht nach. Daraufhin lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom
05.06.2014 die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II mangels Mitwirkung unter Belehrung über die Rechtsfolgen nach §§
60,
66 SGB I ab. Der Antragssteller legte gegen diesen Bescheid Widerspruch ein. Am 04.06.2014 hat der Antragsteller beim Sozialgericht
Detmold den Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Gewährung von SGB II-Leistungen beantragt. Zur Begründung hat er ausgeführt, er habe nach der Schule bis Mitte 2012 eine Ausbildung zum Fahrzeugpfleger
erfolgreich absolviert. Danach sei er zeitweise arbeitslos gewesen, zeitweise geringfügig beschäftigt. Seit November 2013
sei er ohne Beschäftigung und ohne eigene Einnahmen. Der Arbeitslosengeld I-Anspruch sei ausgeschöpft. Er erhalte weder von
seiner Mutter noch von seinem Stiefvater finanzielle Unterstützung. Zudem verweigere sein Stiefvater die Herausgabe von Einkommensunterlagen
und seine Mutter erhalte eine Erwerbsunfähigkeitsrente in nur geringer Höhe. Er lebe zwar in der Wohnung seiner Mutter und
des Stiefvaters, eine Einstandsgemeinschaft würde jedoch nicht gebildet. Das persönliche Verhältnis sei äußerst schlecht.
Er sei schon mehrfach aufgefordert worden, sich eine eigene Wohnung zu suchen. Das Gericht hat Beweis erhoben. Die Mutter
sowie der Stiefvater des Antragstellers sollten als Zeugen gehört werden, sie haben aber von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht
Gebrauch gemacht. Der Stiefvater hat in dem Termin noch eine Bescheinigung über Verdienstausfall vom 16.06.2014 zur Gerichtsakte
gereicht, auf deren Inhalt Bezug genommen wird. Durch Beschluss vom 23.06.2014 hat das Sozialgericht Detmold den Antrag abgelehnt.
Auf die Gründe wird Bezug genommen.
Gegen den am 25.06.2014 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 02.07.2014 Beschwerde eingelegt und Prozesskostenhilfe
beantragt. Er begehrt sinngemäß den Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 23.06.2014 zu ändern, die aufschiebende Wirkung
seines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 05.06.2014 anzuordnen und den Antragsgegner zu verpflichten, ihm Leistungen zur
Sicherung seines Lebensunterhalts nach dem SGB II zu bewilligen.
Der Senat hat dem Antragssteller aufgegeben, mitzuteilen, welche Barmittel ihm zur Verfügung stehen und zu benennen, von wem
er diese ggf. erhält. Zudem möge er eidesstattlich versichern, ob er Verpflegung von Mutter oder Stiefvater erhält. Eine Antwort
ist in der gesetzten Frist unterblieben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Zur Begründung nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß §
142 Abs.
2 Satz 3 des
Sozialgerichtsgesetzes - (
SGG) auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung, die er in jeder Hinsicht für zutreffend erachtet, Bezug und macht sie sich
zu Eigen. Zu Recht hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt. Vorliegend fehlt es an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs.
Der Senat hat erhebliche Zweifel an der Hilfebedürftigkeit des Antragstellers, die auch im Beschwerdeverfahren nicht ausgeräumt
werden konnten. Er trägt im Wesentlichen nichts vor, was das Sozialgericht in seinem angefochtenen Beschluss nicht schon überzeugend
berücksichtigte und hat in keiner Weise der Glaubhaftmachung Genüge getan, auch weil er die Auflagen des Senats nicht erfüllt
hat. Zur Ermittlung der Hilfebedürftigkeit hat das Sozialgericht in einem ersten Schritt den monatlichen Bedarf der Bedarfsgemeinschaft
gemäß § 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II in der maßgeblichen Fassung durch das Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 24.3.2006 (SGB II-ÄndG (BGBl. I 558)) ermittelt und durch Gegenüberstellung der Bedarfe unter Berücksichtigung des Einkommens der Familie zu
Recht entschieden, dass sich ein Leistungsanspruch nach dem SGB II nicht ergibt. Dabei hat das Sozialgericht auch eine Bedarfsgemeinschaft des Antragsstellers mit seiner Mutter, dem Stiefvater
und den (Halb)Geschwistern nach § 7 Abs. 3 Nr. 1, 3 und 4 SGB II in der ab dem 1.7.2006 geltenden Fassung durch das SGB II-ÄndG annehmen dürfen und deshalb das Einkommen des Stiefvaters nach § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II in der seit dem 1.8.2006 geltenden Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006
(BGBl. I 1706) bei der Bedarfsermittlung berücksichtigt. Der Antragsteller gehört nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II als unter 25-jähriges, leibliches Kind eines der erwerbsfähigen Partner dieser Bedarfsgemeinschaft an, weil er hilfebedürftig
ist. Daneben ist entscheidend, dass er dem Haushalt der Mutter (der gemeinsam mit deren Ehemann besteht) angehört, der sich
als Schnittstelle von Merkmalen örtlicher (Familienwohnung), materieller (Vorsorge, Unterhalt) und immaterieller Art (Zuwendung,
Fürsorge, Begründung eines familienähnlichen Bandes) darstellt. Diese Rechtsprechung des Bundessozialgerichts umfasst auch
volljährige Kinder. Allerdings reicht im Hinblick auf ein Eltern-Kind-Verhältnis bei volljährigen Kindern der Hinweis auf
die elterliche Sorge nicht aus. Die entsprechenden Verpflichtungen der leiblichen Eltern entfallen im Grundsatz mit Vollendung
des 18. Lebensjahres, auch wenn die engen Eltern-Kind-Beziehungen im Übrigen nicht kalendermäßig mit dem Eintritt der Volljährigkeit
enden. Für das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft eines erwachsenen Kindes im Verhältnis zu seinen (leiblichen) Eltern ist
damit entscheidend die Zugehörigkeit zum Haushalt des Elternteils (vgl. bereits BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 51/09 R - SozR 4-4200 § 7 Nr. 23 RdNr. 19). Ist das (Stief)Kind also in den Haushalt des leiblichen Elternteils aufgenommen, gehört
es der über diesen Elternteil vermittelten Bedarfsgemeinschaft zwischen den Partnern an, ohne dass es einer weitergehenden
Prüfung der familienhaften Beziehungen zwischen Kind und Stiefelternteil bedarf. Ein zusätzlicher Einstandswille seitens des
Stiefelternteils ist auch bei erwachsenen Stiefkindern nicht zu fordern (vgl. BSG Urteil vom 14.03.2012 - B 14 AS 17/11 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 10). Nur wenn weitergehende Konflikte oder Anhaltspunkte für eine Trennung vorliegen, genügt die Herstellung
einer lediglich räumlichen Verbindung im Sinne einer Duldung der Anwesenheit in der Wohnung nicht (vgl. BSGE 29, 292, 293; BSGE 45, 67, 69). Erst ein Konflikt zwischen den Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft, der in einer (ernstlichen) Weigerung einer materiellen
und/oder immateriellen Unterstützung der Eltern für das erwachsene Kind mündet, berechtigt volljährige Kinder zur grundsicherungsrechtlich
folgenlosen Auflösung des gemeinschaftlichen Haushalts. Nur eine solche Auslegung der Regelungen des SGB II zu Leistungen an unter 25 Jährige wahrt die verfassungsrechtlich zu schützenden Belange der Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft.
Zwar hat der Antragsteller vorgetragen, dass das Verhältnis zwischen ihm, seiner Mutter und seinem Stiefvater gestört sei.
Ein solcher Konflikt würde den Antragsteller aber nur zu einer grundsicherungsrechtlich irrelevanten Auflösung des gemeinsamen
Haushaltes berechtigen. Im Übrigen liegen keine nachweisbaren Anhaltspunkte für diesen Vortrag der (ernstlichen) Weigerung
einer materiellen und/oder immateriellen Unterstützung der Eltern vor. Nachdem der Antragsteller keine Angaben zu seiner Verpflegungssituation
und seinen Bargeldmitteln machte, konnte der Senat nicht von einer Zerrüttung der Bedarfsgemeinschaft im Sinne einer Auflösung
des gemeinsamen Haushalts ausgehen. Sollte der Antragssteller tatsächlich solchen Problemen ausgesetzt sein und darüber hinaus
aufgefordert sein, die Wohnung verlassen zu müssen, dürfte er sich der kommunalen Hilfstruktur (z.B. der Wohnungshilfe) bedienen
können.
Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren steht dem Antragsteller nicht zu, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung nach
Vorstehendem keine hinreichende Aussicht auf Erfolg i.S.d. Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach
§§ 73a Abs. 1 S. 1
SGG, 114
Zivilprozessordnung bietet.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.