Darlegung der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage im sozialgerichtlichen Verfahren
Gründe:
Mit Beschluss vom 23.1.2007 hat das Bayerische Landessozialgericht (LSG) einen Anspruch des Klägers auf Gewährung von Altersrente
unter Berücksichtigung einer Beitragszeit im Lager N., Slowakei, verneint.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Beschluss hat der Kläger beim Bundessozialgericht (BSG) Beschwerde eingelegt.
Er macht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung genügt den Anforderungen nicht, weil keiner der in
§
160 Abs
2 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) abschließend aufgeführten Zulassungsgründe ordnungsgemäß dargetan worden ist (vgl §
160a Abs
2 Satz 3
SGG).
Grundsätzlich bedeutsam iS des §
160 Abs
2 Nr
1 SGG ist eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit
oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss
daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums
angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese Fragen noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus
Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine
derartige Klärung erwarten lässt (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59, 65).
Um seiner Darlegungspflicht (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG) zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen: (1) Eine konkrete Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit,
(3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung
der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung vom
10.5.2007 nicht gerecht.
Der Kläger hält die Fragen für grundsätzlich bedeutsam,
"ob das Staatsgebiet der Slowakei im Sinne von § 1 Abs 1 Nr 2 (des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen
in einem Ghetto) ZRBG vom Deutschen Reich besetzt oder diesem eingegliedert war" (1);
ob § 1 Abs 1 Nr 2 ZRBG in der Auslegung der Vorinstanzen verfassungsgemäß ist (2).
Der Senat lässt dahinstehen, ob es sich bei der Frage zu (1) um eine Rechtsfrage handelt; zumindest hinsichtlich der Besetzung
des Staatsgebiets der Slowakei bestehen Zweifel, soweit mit diesem Begriff tatsächliche historische Gegebenheiten umschrieben
werden.
Jedenfalls legt der Kläger die Klärungsbedürftigkeit beider Fragen nicht hinreichend dar. Hierzu hätte er zu Frage (1) aufzeigen
müssen, warum sich die nähere Bestimmung der Begriffe "besetzt" und "eingegliedert" nicht bereits aus dem geltenden Recht
(einschließlich des Völkerrechts) ergibt und ob nicht bereits Rechtsprechung des BSG (oder der anderen in §
160 Abs
2 Nr
2 SGG genannten Gerichte, ggf auch der anderen Bundesgerichte [vgl Senatsbeschluss vom 13.5.1997 - 13 BJ 271/96 - SozR 3-1500 § 160a Nr 21]) hierzu oder zum Status der Slowakei im streitigen Zeitraum besteht. Denn eine Rechtsfrage ist
auch dann geklärt, wenn sie vom BSG zwar noch nicht ausdrücklich entschieden worden ist, sich jedoch für ihre Beantwortung
in anderen Entscheidungen zu vergleichbaren Regelungen bereits ausreichende Anhaltspunkte ergeben (vgl Senatsbeschlüsse vom
21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 und vom 31.3.1993 - 13 BJ 215/92 - SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6).
Soweit der Kläger auf das Urteil des 4. Senats des BSG vom 14.12.2006 (B 4 R 29/06 R) Bezug nimmt, worin ausgeführt sei, dass besetzte Gebiete im völkerrechtlichen Sinne auch Gebiete seien, die Okkupanten
nicht ausdrücklich für besetzt erklärt, aber dem Einfluss der einheimischen Staatsgewalt (vorübergehend) entzogen hätten und
in denen die Macht über das Gebiet (Gebietshoheit) tatsächlich vom Okkupanten ausgeübt werde, legt er nicht dar, weshalb diese
Beschreibung auf die Situation der Slowakei im streitigen Zeitraum zutrifft und inwiefern sich hieraus ein Zulassungsanspruch
(Divergenz - §
160 Abs
2 Nr
2 SGG?) ergibt.
Die Frage zu (2) - (vermeintliche) Verfassungswidrigkeit der Auslegung des § 1 Abs 1 Nr 2 ZRBG durch die Vorinstanzen - lässt
nicht erkennen, in welcher Hinsicht der Kläger eine Verfassungswidrigkeit der Norm annehmen will. Die Begründungsanforderungen
an die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage werden aber nicht dadurch geringer, dass ein Verstoß gegen Verfassungsrecht
behauptet wird. Die Begründung darf sich daher nicht auf die bloße Berufung auf eine Ungleichbehandlung (Beschäftigter in
einem "Ghettolager" der Slowakei gegenüber solchen in polnischen oder tschechischen Ghettos) beschränken, sondern muss unter
Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des BSG darlegen, woraus sich im konkreten Fall die
Verfassungswidrigkeit ergibt (vgl BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11). Hierzu wäre insbesondere zu erörtern gewesen, aus welchen Gründen § 1 Abs 1 Nr 2 ZRBG die Geltung
des Gesetzes auf Gebiete beschränkt, die vom Deutschen Reich besetzt oder diesem eingegliedert waren, und auf dieser Grundlage
eine vor Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes nicht mehr zu rechtfertigende Ungleichbehandlung darzulegen gewesen. Diesen Anforderungen
genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß §
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG iVm §
169 Satz 3
SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des §
193 Abs
1 SGG.