Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II; Rechtmäßigkeit einer Deckelung der Aufwendungen nach einem Umzug innerhalb des Vergleichsraums
Gründe:
I
In Streit steht die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1.2. bis 31.7.2012.
Der Kläger erhält seit 2005 Alg II - wegen gelegentlicher Erzielung von Einkommen aus Erwerbstätigkeiten - in wechselnder
Höhe. Zu Beginn des Leistungsbezugs bewohnte er eine rund 48 qm große Wohnung zu einem Bruttowarmmietpreis von 295,15 Euro.
Nach einer Abrissankündigung des Vermieters für das Haus, in dem die Wohnung gelegen war, bezog er zum 1.3.2007 eine geringfügig
kleinere Wohnung zu einem Mietpreis von insgesamt 294,44 Euro. Der Beklagte lehnte in der Folge eine vom Kläger beantragte
Zusicherung ab, die Aufwendungen für eine andere teurere, aber nach Maßgabe des Beklagten noch angemessene Wohnung im bisherigen
Wohnort zu berücksichtigen und die Kosten eines erneuten Umzugs zu übernehmen (Bescheid vom 29.2.2008). Zur Begründung wies
er darauf hin, der Umzug sei nicht erforderlich, weil keine wichtigen Gründe für einen solchen gegeben seien. Zum Februar
2009 zog der Kläger dennoch in eine andere Wohnung um, für die er insgesamt Mietaufwendungen in Höhe von 301,16 Euro zu tätigen
hatte (201 Euro netto kalt, 50 Euro kalte Betriebskostenvorauszahlung, 50 Euro Heizkosten). In der Folgezeit bewilligte der
Beklagte dem Kläger Unterkunftsleistungen lediglich in Höhe von 281,09 Euro. Er bemaß diesen Betrag nach den Aufwendungen
für die bisherige Unterkunft, unter Berücksichtigung eines Abzugs für die Kosten der Warmwasserbereitung. Nach einer Mieterhöhung
hatte der Kläger ab dem 1.1.2012 insgesamt 388,43 Euro für die neue Wohnung aufzuwenden. Durch Bescheid vom 23.12.2011 bewilligte
der Beklagte dem Kläger Alg II für den streitigen Zeitraum und setzte die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung weiterhin
mit 281,09 Euro fest, geändert auf 287,56 Euro durch Bescheid vom 8.3.2012. Den Widerspruch des Klägers hiergegen wies der
Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 19.3.2012 zurück.
Mit seiner Klage vor dem SG hat der Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft in Höhe von
388,43 Euro begehrt. Das Gericht hat der Klage insoweit stattgegeben, als es den Beklagten unter Änderung der angefochtenen
Bescheide verurteilt hat, 360,30 Euro an Gesamtaufwendungen für Unterkunft und Heizung bei der Berechnung der Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhalts zu berücksichtigen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Umzug des Klägers sei zwar nicht
erforderlich gewesen, die Beschränkung auf die bisherigen Unterkunftsaufwendungen müsse jedoch als eine dynamische Größe verstanden
werden. Bei einer dauerhaften statischen Deckelung wirke sich die Regelung wie eine Sanktion aus und führe zu einer verfassungsrechtlich
nicht vertretbaren Unterdeckung des Existenzminimums. Die erforderliche Dynamisierung habe sich an der Entwicklung der Mietaufwendungen
für die vormalige Unterkunft zu orientieren, was hier zu dem ausgeurteilten Betrag führe. Auf die Berufung des Beklagten hiergegen
hat das LSG das Urteil des SG geändert, soweit dieses den Beklagten in den Monaten Februar und März 2012 zu einer Berücksichtigung von mehr als 348 Euro
für die Unterkunftsaufwendungen verurteilt hat. Im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Auch das LSG ist zu der Überzeugung
gelangt, dass der Umzug nicht erforderlich gewesen sei, aus verfassungsrechtlichen Gründen jedoch eine dauerhafte Deckelung
ohne Dynamisierung nicht erfolgen dürfe. Diese Dynamisierung müsse, um zeit- und realitätsgerecht zu sein, ein Jahr nach dem
Umzug einsetzen und die Steigerungen der abstrakten Angemessenheitsgrenze für die Bruttowarmmiete - um der Produkttheorie
Rechnung zu tragen - zum Maßstab nehmen. Die Richtlinie des Beklagten habe vom 1.1. bis 31.3.2012 eine Bruttowarmmiete von
348 Euro als noch angemessen vorgesehen. Ab dem 1.4.2012 sei als Angemessenheitsgrenze eine Bruttokaltmiete von 309 Euro plus
Aufwendungen für Heizung entsprechend dem bundesweiten Heizkostenspiegel zugrunde gelegt worden. Damit werde zwar ab dem 1.4.2012
der vom SG ausgeurteilte Betrag von 360 Euro überschritten, zumal ein Abzug für die Kosten der Warmwasserbereitung nicht mehr zu erfolgen
habe. Da jedoch nur der Beklagte Berufung eingelegt habe, habe es insoweit bei dem Urteil des SG zu verbleiben (Urteil vom 20.11.2014).
Mit seiner Revision rügt der Beklagte eine Verletzung von § 22 Abs 1 S 2 SGB II. Die dort vorgesehene Deckelung sei statisch und gelte unbegrenzt. Denn es sei Sinn und Zweck der Regelung, einer Kostensteigerung
im Bereich der Unterkunftsleistungen im Vergleichsraum durch Ausschöpfung der örtlichen Angemessenheitsgrenze entgegenzuwirken.
Die Deckelung gelte so lange, bis aus persönlichen Gründen objektiv eine Neubestimmung der angemessenen Wohnkosten im Einzelfall
gerechtfertigt sei. Nach dem Normtext seien als Aufwendungen nur der bisherige Bedarf anzuerkennen. Hierbei könne es sich
nur um den Bedarf in Gestalt der Bruttowarmmiete zum Zeitpunkt des Auszugs aus der alten Wohnung handeln. Die vom SG vorgenommene Orientierung an den Kostensteigerungen für die alte Mietwohnung sei spekulativ und dem LSG sei entgegenzuhalten,
dass es dem Kläger unbenommen sei, seine persönliche Situation etwa durch die Aufnahme einer Arbeit zu verändern, um so eine
Grundlage für die Neubestimmung der angemessenen Unterkunftsaufwendungen zu schaffen und einer dauerhaften Deckelung entgegenzuwirken.
Im Übrigen hätte der Kläger durch einen weiteren Umzug die Deckelung beenden können, etwa, wenn er die bisherige Wohnung wegen
der Unterdeckung wieder aufgebe oder in einen anderen Vergleichsraum umgezogen wäre.
Der Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 20. November 2014 und des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 4. Juni
2013 zu ändern, soweit er verurteilt worden ist, im Zeitraum vom 1. Februar 2012 bis 31. Juli 2012 mehr als 287,73 Euro als
Aufwendungen für Unterkunft und Heizung bei der Berechnung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu berücksichtigen
und die Klage im Übrigen abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält die Ausführungen des LSG für zutreffend.
II
Die Revision ist im Sinne der Aufhebung der Entscheidung des LSG vom 20.11.2014 sowie der Zurückverweisung der Sache zur erneuten
Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht begründet.
Der Senat vermochte nicht abschließend darüber zu befinden, ob der Kläger einen Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft
und Heizung im Zeitraum vom 1.2. bis 31.7.2012 - begrenzt bis zur Höhe des Urteilsspruchs des LSG - hat als vom Beklagten
beschieden.
1. Streitgegenstand ist die Höhe der Leistungen für Unterkunft nach dem SGB II im Zeitraum vom 1.2. bis 31.7.2012, wie sie der Beklagte durch Bescheid vom 23.12.2013 idF des Änderungsbescheides vom 8.3.2012,
diese wiederum in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.3.2012 festgestellt hat. Der Kläger hat mit seiner Klage um
100,87 Euro höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung begehrt (388,43 Euro tatsächliche Aufwendungen minus 287,56 Euro
Leistungen für Unterkunft und Heizung = 100,87 Euro). Er hat insoweit eine zulässige (stRspr seit BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 f; BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 70 RdNr 16; zuletzt vom 16.6.2015 - B 4 AS 44/14 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 85 RdNr 11) Begrenzung des Streitgegenstandes auf Leistungen für Unterkunft und Heizung - klarstellend
zu Protokoll in der mündlichen Verhandlung vor dem BSG am 17.2.2016 - vorgenommen. Im Hinblick auf die Leistungen für Heizung hat der Beklagte den Kläger durch das Teilanerkenntnis
in derselben mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat, mit dem er sich bereit erklärt hat, insoweit die tatsächlichen
Aufwendungen zu übernehmen, für den hier streitigen Zeitraum klaglos gestellt. Es ist insoweit zwar zwischen diesen beiden
Leistungen zu unterscheiden, als ihre Bemessung getrennt voneinander zu erfolgen hat (BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 32/09 R - RdNr 12), ohne dass dies jedoch dazu führt, dass die Leistungen für Heizung als eigenständiger Streitgegenstand abtrennbar
sind (BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 42/13 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 78 RdNr 10 ff).
2. Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§
163 SGG) erfüllt der Kläger die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs 1 S 1 SGB II. Er hatte im streitigen Zeitraum die Altersgrenze des § 7 Abs 1 S 1 Nr 1 iVm § 7a SGB II noch nicht überschritten, war erwerbsfähig iS des § 7 Abs 1 S 1 Nr 2 iVm § 8 SGB II sowie hilfebedürftig iS des § 7 Abs 1 S 1 Nr 3 iVm § 9 SGB II und hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB II).
3. Nach den Feststellungen des LSG vermag der Senat jedoch nicht abschließend zu beurteilen, ob der Kläger Anspruch auf Leistungen
für Unterkunft und Heizung in Höhe des Ausspruchs des SG unter Berücksichtigung der vom Beklagten anerkannten tatsächlichen Aufwendungen für Heizung hat. In der Gesamtsumme höhere
Leistungen als dort ausgeurteilt kann der Kläger nicht beanspruchen, da er keine Berufung gegen das Urteil des SG vom 4.7.2013 eingelegt hat. Zwar sind die Voraussetzungen für eine "Deckelung" des Anspruchs auf Leistungen nach § 22 Abs 1 S 2 SGB II insoweit gegeben, als sich die Aufwendungen des Klägers für Unterkunft und Heizung durch den Umzug in die im streitigen Zeitraum
bewohnte Wohnung erhöht haben (a). Auch war der Umzug nicht erforderlich (b). Gleichwohl kann im Revisionsverfahren nicht
abschließend darüber befunden werden, ob die Voraussetzungen für eine "Deckelung" iS des § 22 Abs 1 S 2 SGB II gegeben sind, denn das LSG hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Höhe der Angemessenheitsgrenze im Zeitpunkt des
Umzugs des Klägers durch den Beklagten auf Grundlage eines schlüssigen Konzepts bestimmt worden ist (c).
a) Nach § 22 Abs 1 S 2 SGB II (idF der Bekanntmachung der Neufassung des SGB II vom 13.5.2011, BGBl I 850) wird für den Fall, dass sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die angemessenen Aufwendungen
für Unterkunft und Heizung erhöhen, nur der bisherige Bedarf anerkannt. Dies bedeutet, wie bereits nach dem bis zum 31.12.2010
geltenden Recht, dass die Leistungen weiterhin nur in Höhe der bis dahin zu tragenden angemessenen Aufwendungen erbracht werden
(keine inhaltliche Änderung gegenüber dem bis zum 31.12.2010 geltenden Recht durch das RBEG/SGB-II/SGB-XII-ÄndG vom 24.3.2011,
BGBl I 453, s BT-Drucks 17/3404, S 98). Zeitlich ist als Bezugspunkt der Zeitpunkt des Umzugs maßgeblich, hier also der 16.2.2009.
Die Gesamtmieten (Kaltmiete/Betriebskosten/Heizkosten) der alten und der neuen Wohnung zu diesem Zeitpunkt sind dabei zu vergleichen
(so BSG Urteil vom 29.4.2015 - B 14 AS 6/14 R - BSGE [vorgesehen] = SozR 4-4200 § 22 Nr 84, RdNr 23; s auch Berlit in LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 22 RdNr 75; S. Knickrehm/Hahn in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 4. Aufl 2015, § 22 SGB II RdNr 26; Lauterbach in Gagel, SGB II/SGB III, Stand Oktober 2015, § 22 RdNr 83; Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22 RdNr 111; aA Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, Stand Oktober 2012, K § 22 RdNr 238).
Nach den bindenden Feststellungen des LSG haben sich im vorliegenden Fall die Kosten für Unterkunft und Heizung nach dem Umzug
in die im streitigen Zeitraum vom Kläger bewohnte Wohnung gegenüber denen, die er für die davor gemietete Wohnung aufzubringen
hatte, erhöht. Die Aufwendungen für die alte Wohnung betrugen beim Auszug 294,44 Euro und diejenigen für die neue Wohnung
beim Einzug 301,16 Euro brutto warm.
b) Auch war der Umzug des Klägers in die im streitigen Zeitraum bewohnte Wohnung nicht erforderlich. Die Prüfung der Erforderlichkeit
eines Umzugs ist - auch insoweit folgt der erkennende Senat dem 14. Senat des BSG (Urteil vom 29.4.2015 - B 14 AS 6/14 R - BSGE [vorgesehen] = SozR 4-4200 § 22 Nr 84, RdNr 21) - in zwei Schritten daran zu messen, ob der Auszug aus der bisherigen
Wohnung notwendig oder aus sonstigen Gründen erforderlich ist. In einem weiteren Schritt ist festzustellen, ob die Kosten
gerade der von dem Hilfebedürftigen gewählten neuen Wohnung in Ansehung der Erforderlichkeit eines Umzugs angemessen sind
(siehe grundlegend BSG Urteil vom 24.11.2011 - B 14 AS 107/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 52 RdNr 18).
Eine Beschränkung auf die bisherigen KdU und Heizung kommt von vornherein dann nicht in Betracht, wenn der Umzug in eine andere
Wohnung notwendig in dem Sinne ist, dass die bisherige Wohnung den Unterkunftsbedarf des Hilfebedürftigen als Teil der verfassungsrechtlich
garantierten Existenzsicherung nicht (mehr) zu decken vermag. Hierunter fallen vor allem auch gesundheitliche Gründe, die
einen Verbleib in der bisherigen Wohnung nicht zulassen (BSG Urteil vom 24.11.2011 - B 14 AS 107/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 5 RdNr 14). Für eine derartige Notwendigkeit des Umzugs sind vorliegend keine Anhaltspunkte gegeben.
Aber auch eine Erforderlichkeit des Umzugs im weiteren Sinne war nach den Feststellungen des LSG zu verneinen. Zwar ist mit
dem 14. Senat davon auszugehen, dass ein Umzug (auch) dann als erforderlich angesehen werden kann, wenn ein plausibler, nachvollziehbarer
und verständlicher Grund für den Wohnungswechsel vorlag, von dem sich auch ein Nichthilfebedürftiger leiten lassen würde (BSG Urteil vom 24.11.2011 - B 14 AS 107/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 52 RdNr 17 unter Hinweis auf OVG Lüneburg Beschluss vom 10.2.1987 - 4 B 283/86 - FEVS 36, 291, 295). Insoweit kommt es im Gegensatz zu der von dem Beklagten vertretenen Auffassung nicht darauf an, ob
dem Kläger ein wichtiger Grund für den Umzug zur Seite stand. Hier mangelt es jedoch auch an der soeben umschriebenen Erforderlichkeit.
Der Kläger hat als Gründe für den Umzug angegeben, die bis dato gemietete Wohnung habe einen ungünstigen Zuschnitt gehabt,
sodass er seine Wohnzimmercouch aufgrund deren Größe nur vor die Heizung habe stellen können. Auch habe er nach der Abrissmitteilung
des Vermieters die sodann bezogene Wohnung nur als Übergangswohnung begriffen, bis er eine der ersten Wohnung vergleichbare
gefunden habe. Eine objektive Erforderlichkeit des Umzugs und eine damit verbundene Erhöhung der Mietaufwendungen sowie auch
der Leistungen nach § 22 Abs 1 S 1 SGB II folgt hieraus, wie das LSG zutreffend befunden hat, jedoch nicht. Daher kommt es nicht darauf an, ob sich die Kosten gerade
der von dem Hilfebedürftigen gewählten neuen Wohnung in Ansehung der Erforderlichkeit eines Umzugs als angemessen darstellen
(siehe grundlegend BSG Urteil vom 24.11.2011 - B 14 AS 107/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 52 RdNr 18).
c) Auch bei mangelnder Erforderlichkeit des Umzugs hat eine Deckelung des anzuerkennenden Bedarfs für Unterkunft und Heizung
nach § 22 Abs 1 S 2 SGB II in Höhe des bisherigen Bedarfs jedoch nur dann zu erfolgen, wenn für den örtlichen Vergleichsraum zutreffend ermittelte abstrakte
Angemessenheitsgrenzen bestehen (so bereits Urteil vom 29.4.2015 - B 14 AS 6/14 R - BSGE [vorgesehen] = SozR 4-4200 § 22 Nr 84, RdNr 23 ff). Dies folgt aus dem Wortlaut der Vorschrift, die auch nach der
Fassung, die sie durch das RBEG/SGB-II/SGB-XII-ÄndG (vom 24.3.2011, BGBl I 453) erhalten hat, die Erhöhung der "angemessenen"
Aufwendungen für Unterkunft und Heizung fordert. Damit nimmt sie systematisch Bezug auf § 22 Abs 1 S 1 SGB II, wonach Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht werden, soweit diese "angemessen"
sind. Zur Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit der Unterkunft muss der abstrakt als angemessen anzuerkennende
Mietpreis unter Berücksichtigung der örtlichen Besonderheiten ermittelt werden ("Referenzmiete", vgl BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 70 RdNr 23). Erforderlich dazu sind überprüfbare Erhebungen und Auswertungen, die eine hinreichende
Gewähr dafür bieten, dass sie die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Wohnungsmarkts wiedergeben ("schlüssiges Konzept",
siehe nur BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 70 RdNr 24). In der Begründung des Gesetzentwurfs zur Einfügung des S 2 in die Regelung des § 22 Abs 1 SGB II wird diese Verknüpfung ebenfalls betont (BT-Drucks 16/1410, S 23). Dort heißt es, mit der Regelung sollten die Kosten der
Unterkunft und Heizung in den Fällen auf die bisherigen angemessenen Unterkunftskosten begrenzt werden, in denen Hilfebedürftige
unter Ausschöpfung der durch den kommunalen Träger festgelegten Angemessenheitsgrenzen für Wohnraum in eine Wohnung mit höheren,
gerade noch angemessenen Kosten umzögen. So hat das BSG auch bereits mehrfach betont, Zweck von § 22 Abs 1 S 2 SGB II sei, eine missbräuchliche Leistungsinanspruchnahme durch Ausschöpfung der abstrakten Angemessenheitsgrenzen zu verhindern
und den Kommunen im Hinblick auf die Kostensteigerungen bei Leistungen nach § 22 Abs 1 S 1 SGB II eine Steuerungsfunktion zu belassen (BSG Urteil vom 9.4.2014 - B 14 AS 23/13 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 75 RdNr 21). Daher hat es eine Anwendbarkeit der Vorschrift auf Fallgestaltungen, bei denen ein Umzug
über die Grenzen des Vergleichsraums hinaus vorgenommen wird, verneint (vgl BSG Urteil vom 1.6.2010 - B 4 AS 60/09 R - BSGE 106, 147 = SozR 4-4200 § 22 Nr 35, RdNr 19 ff). Insbesondere im Hinblick auf diesen Schutzzweck schließt sich der erkennende Senat
dem 14. Senat an, wenn dieser zu einer Nichtanwendbarkeit der Deckelungsvorschrift des § 22 Abs 1 S 2 SGB II für den Fall gelangt, dass keine vom Leistungsträger zutreffend ermittelten kommunalen Angemessenheitsgrenzen bestehen (Urteil
vom 29.4.2015 - B 14 AS 6/14 R - BSGE [vorgesehen] = SozR 4-4200 § 22 Nr 84, RdNr 23 ff). Ob dies hier der Fall ist, hat das LSG - auf Grundlage seiner
Rechtsauffassung auch nicht erforderlich - nicht festgestellt.
Es hat zum einen keine Feststellungen dazu getroffen, ob die von ihm herangezogene KdU-Richtlinie des Beklagten auf einem
schlüssigen Konzept beruht. Zum zweiten befasst sich das Berufungsgericht nicht damit, ob zum Vergleichszeitpunkt iS des §
22 Abs 1 S 2 SGB II (s unter 3a), also dem Zeitpunkt des Auszugs aus der bisherigen Unterkunft und des Einzugs in die neue Wohnung, eine durch
den Beklagten transparent ermittelte Angemessenheitsgrenze vorhanden war, die die Mietpreise auf dem örtlichen Wohnungsmarkt
im Vergleichsraum realitätsgerecht wiedergeben hat. Soweit das Berufungsgericht mithin auf die sich in den Akten befindliche
Richtlinie zur Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung für den Landkreis Anhalt-Bitterfeld vom 1.4.2012 abstellt,
die es im vorläufigen Rechtsschutz als den Vorgaben des schlüssigen Konzepts folgend bewertet hat (LSG Sachsen-Anhalt Beschluss
vom 19.12.2014 - L 4 AS 479/14 B ER - Juris RdNr 46), erscheint fraglich, ob diese eine Rechtmäßigkeit der Deckelung im September 2009 herbeiführen kann.
Das LSG wird im wiedereröffneten Berufungsverfahren im Hinblick auf diesen Zeitpunkt entsprechende Feststellungen zu treffen
haben.
4. Sollten die Ermittlungen des LSG zu dem Ergebnis führen, dass im vorliegenden Fall rechtmäßig ermittelte abstrakte kommunale
Angemessenheitsgrenzen im Jahre 2009 existierten, wäre die Deckelung durch die angefochtenen Bescheide dem Grunde nach rechtmäßig.
Allerdings wäre dann - hier schließt sich der erkennende Senat ebenfalls dem 14. Senat des BSG an (Urteil vom 29.4.2015 - B 14 AS 6/14 R - BSGE [vorgesehen] = SozR 4-4200 § 22 Nr 84, RdNr 29) - zu beachten, dass sich zeitlich nachfolgende Anhebungen dieser
Angemessenheitsgrenzen auf die Deckelung auswirken. Die durch die Anhebung der abstrakten kommunalen Angemessenheitsgrenzen
anerkannten Kostensteigerungen auf dem örtlichen Wohnungsmarkt sind bei fortdauernder Deckelung zu berücksichtigen ("Dynamisierung").
Zwar ist der Wortlaut des § 22 Abs 1 S 2 SGB II im Hinblick darauf offen, ob die Deckelung als statisch oder als dynamisch im Sinne der Veränderung durch Zeitablauf zu bewerten
ist (zum dynamischen Deckel s hM: in der Literatur: Berlit in LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 22 RdNr 75; S. Knickrehm/Hahn in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 4. Aufl 2015, § 22 RdNr 28; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, Stand X/2012, K § 22 RdNr 242; Lauterbach in Gagel, SGB II/SGB III, Stand IV/2014, § 22 SGB II RdNr 86; Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22 RdNr 113; Piepenstock in juris-PK SGB II, 4. Aufl 2015, § 22 RdNr 174). Es wird auf den bisherigen Bedarf abgestellt, der anzuerkennen ist. Dieser Bedarf selbst ist jedoch nicht statisch,
sondern dynamisch, indem er auch bisher ständigen Veränderungen, nicht nur durch etwaige Erhöhungen der Nettokaltmiete, sondern
insbesondere der kalten Nebenkosten ausgesetzt war. Insoweit gilt für die Zukunft, verbliebe der Leistungsberechtigte in seiner
bisherigen Wohnung, nichts anderes. Die Deckelung des § 22 Abs 1 S 2 SGB II hat daher die Funktion einer individuellen Angemessenheitsgrenze. Lebt der Hilfebedürftige innerhalb des maßgeblichen Vergleichsraums
in einer kostenangemessenen Wohnung, die seine existenziellen Wohnbedürfnisse ausreichend erfüllt, ist die Übernahme weitergehender
Kosten nicht geboten. Sein Anspruch bleibt auf die Kosten dieser Wohnung beschränkt, solange nicht Veränderungen in seinen
persönlichen Umständen eintreten, die eine Neubestimmung der für ihn angemessenen Wohnkosten innerhalb der allgemeinen Angemessenheitsgrenzen
des S 1 gerechtfertigt erscheinen lassen (BSG Urteil vom 24.11.2011 - B 14 AS 107/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 52 RdNr 13).
Der Schutz des Leistungsträgers und des örtlichen Wohnungsmarkts vor der Ausschöpfung einer Angemessenheitsgrenze durch nicht
erforderliche Umzüge ist insoweit von dem Regelungswillen des Gesetzgebers des § 22 Abs 1 S 2 SGB II nicht umfasst, denn er bezieht sich nur auf die Ausschöpfung der Angemessenheitsgrenzen im Einzelfall und nicht auf Erhöhung
der allgemeinen Angemessenheitsgrenzen durch wirtschaftliche Entwicklungen und dadurch bedingte anerkannte Kostensteigerungen.
Ziel ist es insoweit, den Leistungsberechtigten zum Verbleib im angemessenen Wohnraum aufzufordern, der jedoch seinerseits
keine statischen Kosten verursacht, sondern ebenfalls dem Wandel auf dem Mietwohnungsmarkt unterworfen ist. Da damit ortsansässigen,
im Leistungsbezug stehenden Hilfebedürftigen die Vorteile, die sich für Hilfebedürftige insbesondere aus der Bestimmung der
Angemessenheit nach der Produkttheorie ergeben, nicht in vollem Umfang zugute kommen, Veränderungen im Wohnumfeld für sie
aus grundsicherungsrechtlicher Sicht nur möglich sind, soweit sie kostenneutral erfolgen können, gebietet die Gleichbehandlung
mit von außen zuziehenden Leistungsberechtigten, dass die Beschränkungen in ihren Gestaltungsmöglichkeiten maßvoll erfolgen
(BSG Urteil vom 24.11.2011 - B 14 AS 107/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 52 RdNr 17). Denn den Einschränkungen des § 22 Abs 1 S 2 SGB II unterliegen weder Leistungsberechtigte, die in den örtlichen Vergleichsraum zuziehen (dazu BSG Urteil vom 1.6.2010 - B 4 AS 60/09 R - BSGE 106, 147 = SozR 4-4200 § 22 Nr 35) noch geringverdienende, aber nicht im Leistungsbezug stehende Personen (vgl dazu BSG Urteil vom 30.8.2010 - B 4 AS 10/10 R - BSGE 106, 283 = SozR 4-4200 § 22 Nr 40).
Die zukünftige Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung nach einem nicht erforderlichen Umzug ist insoweit unter Berücksichtigung
der Gefahr der Ungleichbehandlung und einer verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigenden, die Existenzsicherung bedrohenden
Unterdeckung zu begrenzen (vgl zum verfassungsrechtlich zu garantierenden Existenzminimum im Bereich des Wohnens, BSG Urteil vom 25.6.2015 - B 14 AS 40/14 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 83 RdNr 15 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Maßstab insoweit ist die Dynamisierung der nach
dem schlüssigen Konzept ermittelten Angemessenheitsgrenzen (so auch BSG Urteil vom 29.4.2015 - B 14 AS 6/14 R - BSGE [vorgesehen] = SozR 4-4200 § 22 Nr 84, RdNr 29). Diese Steigerungen sind, da nach einem schlüssigen Konzept festgelegt,
Maßstab für die Abbildung der realen Dynamik auf dem Mietwohnungsmarkt des Vergleichsraums. Zudem bedeutet die Orientierung
an den Steigerungen der Angemessenheitsgrenzen eine verwaltungspraktikable Typisierung, die eine gleichmäßige Behandlung der
Leistungsberechtigten gewährleistet.
Soweit das SG auf die Veränderungen des Mietpreises der bisher bewohnten Mietwohnung abgestellt hat (so wohl auch Berlit in LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 22 RdNr 75; s auch Piepenstock in juris-PK SGB II, 4. Aufl 2015, § 22 RdNr 174), ist dieses Vorgehen zum einen mit einem erheblichen Ermittlungsaufwand für den Leistungsträger verbunden. Zudem
zieht es ggf das Erfordernis der Schätzung der Preissteigerungen nach sich, wenn der Vermieter keine Bereitschaft zeigt, die
Veränderungen des Mietpreises - etwa nach vielen Jahren - mitzuteilen. Schließlich koppelt ein solches Vorgehen die Dynamisierung
unter Umständen auch von den Veränderungen der Angemessenheitsgrenzen und damit den für alle Leistungsberechtigten geltenden
"abstrakten Deckelungen" ab. Die pauschale Zeitgrenze der Beendigung der Deckelung, wie sie vom LSG befürwortet worden ist,
findet im Gesetz keinen Anknüpfungspunkt. Der Rückgriff auf den maximalen Bewilligungszeitraum nach § 41 Abs 1 S 5 SGB II von einem Jahr steht in keiner Beziehung zu der Deckelung und ihrem Sinn und Zweck. Die Anknüpfung an die Veränderungen der
allgemeinen Angemessenheitsgrenze - bestimmt nach einem schlüssigen Konzept im Umzugszeitpunkt - greift hingegen auf die Ausgangsregelung
des § 22 Abs 1 S 1 SGB II zurück und entspricht der systematischen Einbindung des § 22 Abs 1 S 2 SGB II in diese (vgl auch S. Knickrehm/Hahn in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 4. Aufl 2015, § 22 RdNr 28; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, Stand X/2012, K § 22 RdNr 242; Lauterbach in Gagel, SGB II/SGB III, Stand IV/2014, § 22 SGB II RdNr 86; Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22 RdNr 113). Ob vor diesem Hintergrund noch eine Begrenzung der Deckelung in zeitlicher Hinsicht aus verfassungsrechtlichen
Gründen erforderlich sein könnte, konnte hier dahinstehen.
5. Das LSG wird ebenso über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.