Verrechnung zu Unrecht erbrachter Existenzgründungszuschüsse mit Ansprüchen auf Regelaltersrente
Notwendige und einfache Beiladung
Identität des Streitgegenstands
Unterlassen einer einfachen Beiladung kein Verfahrensfehler
1. Eine Beiladung ist notwendig, wenn die in dem Rechtsstreit mögliche Entscheidung zugleich in die Rechtssphäre eines Dritten
unmittelbar eingreift, also durch Stattgabe der Klage oder durch deren Abweisung unmittelbar Rechte oder Rechtsbeziehungen
des Dritten gestaltet, bestätigt oder verändert werden.
2. Erforderlich ist insoweit zumindest eine (Teil-)Identität des Streitgegenstands im Verhältnis zu den beiden Hauptbeteiligten.
3. Das Unterlassen einer einfachen Beiladung i.S. von §
75 Abs.
1 S. 1
SGG stellt keinen Verfahrensmangel dar.
4. Dabei kann offenbleiben, ob ausnahmsweise etwas anderes gilt, wenn das Berufungsgericht die einfache Beiladung ermessensfehlerhaft
verneint hat.
Gründe:
Mit Urteil vom 3.4.2014 hat es das Bayerische LSG abgelehnt, die Entscheidung der Beklagten zu ändern, wonach die bestandskräftig
festgestellte Forderung der Bundesagentur für Arbeit (BA) gegen den Kläger auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Existenzgründungszuschüsse
mit seinen Ansprüchen auf Regelaltersrente verrechnet wird.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung wurde Beschwerde zum BSG eingelegt. In der Beschwerdebegründung wird ein Verfahrensmangel geltend gemacht.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.
Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG),
- das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder
- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).
Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des §
160a Abs
2 S 3
SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß §
160a Abs
4 S 1 iVm §
169 SGG zu verwerfen.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung
beruhen könne (§
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 1
SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§
160a Abs
2 S 3
SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist
die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem
Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht.
Der Kläger rügt, das LSG habe es verfahrensfehlerhaft unterlassen, die BA gemäß §
75 Abs
2 S 1 Alt 1
SGG zum Berufungsverfahren beizuladen (sog notwendige echte Beiladung). Nach dieser Vorschrift sind Dritte beizuladen, wenn sie
an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen
kann. Eine Beiladung ist in diesem Sinne notwendig, wenn die in dem Rechtsstreit mögliche Entscheidung zugleich in die Rechtssphäre
eines Dritten unmittelbar eingreift, also durch Stattgabe der Klage oder durch deren Abweisung unmittelbar Rechte oder Rechtsbeziehungen
des Dritten gestaltet, bestätigt oder verändert werden (vgl BSGE 11, 262, 265 = SozR Nr 17 zu §
75 SGG; BSGE 46, 232, 233 = SozR 2200 § 658 Nr 3; BSG SozR 1500 § 75 Nr 34). Erforderlich ist insoweit zumindest eine (Teil-)Identität des Streitgegenstands im Verhältnis zu den beiden Hauptbeteiligten
(vgl BSGE 85, 278, 279 = SozR 3-3300 § 43 Nr 1 S 2 und BSG Beschluss vom 21.7.2009 - B 7 AL 119/08 B - Juris RdNr 7; s auch Hommel in Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, §
75 RdNr 26; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl 2014, §
75 RdNr 10 mwN; Straßfeld in Roos/Wahrendorf,
SGG, 2014, §
75 RdNr 52). Da die Beschwerdebegründung den Sachverhalt, der dem angefochtenen Urteil zu Grunde liegt, allenfalls bruchstückhaft
schildert und es gleichzeitig versäumt, die Feststellungen anzugeben, die das LSG bindend (§
163 SGG) getroffen hat, fehlen hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Konstellation hier vorliegen könnte. So fehlen
bereits Angaben dazu, durch welches Verwaltungshandeln die Beklagte wann, in welcher (Handlungs-)Form, mit welchem Inhalt
und auf welcher Grundlage den Zahlungsanspruch des Klägers auf Regelaltersrente für welchen Zeitraum und in welcher Höhe mit
der angeblich bestandskräftig festgestellten Forderung der BA auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Existenzgründungszuschüsse
verrechnet hat. Darüber hinaus hätte der Kläger - neben der Darstellung des gesamten Verfahrensverlaufs - insbesondere seine
Sachanträge im Klage- und Berufungsverfahren und den zu Grunde liegenden Lebenssachverhalt schildern müssen, um den Streitgegenstand
zu verdeutlichen. Anschließend hätte er die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts wiedergeben sowie die Entscheidungsgründe
und die Argumentationsstruktur des angefochtenen Urteils herausarbeiten müssen, um aufzuzeigen, dass die Entscheidung auf
der unterlassenen Beiladung beruhen kann, was zB nicht der Fall wäre, wenn das LSG die Zulässigkeit der Klage und/oder der
Berufung verneint hätte. Aus dem Beschwerdevorbringen erschließt sich aber noch nicht einmal, mit welcher entscheidungserheblichen
Begründung das LSG das Anliegen des Klägers überhaupt abgelehnt hat. Im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde ist es aber keinesfalls
Aufgabe des Beschwerdegerichts, aus der angefochtenen Entscheidung auf Basis allgemeiner Ausführungen des Beschwerdeführers
das herauszufiltern, was sich möglicherweise als Verfahrensmangel darstellen könnte (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14). Vielmehr muss die Beschwerdebegründung den Senat in die Lage versetzen, sich ohne Studium der Gerichts- und Verwaltungsakten
allein auf Grund des klägerischen Vortrags ein Bild über den Streitgegenstand sowie seine tatsächlichen und rechtlichen Streitpunkte
zu machen (stRspr, zB BSG Beschluss vom 26.6.2006 - B 13 R 153/06 B - Juris RdNr 9 mwN). Daran fehlt es.
Das Unterlassen einer einfachen Beiladung iS von §
75 Abs
1 S 1
SGG stellt keinen Verfahrensmangel dar (BSGE 95, 141, 143 RdNr
6 mwN = SozR 4-2500 § 83 Nr 2 RdNr 14 mwN; BSG SozR 3-5520 § 32b Nr 3 S 10). Dabei kann offenbleiben, ob ausnahmsweise etwas anderes gilt, wenn das Berufungsgericht die einfache Beiladung
ermessensfehlerhaft verneint hat (befürwortend: Leitherer, aaO, §
75 RdNr 8b, Straßfeld, aaO, §
75 RdNr 307; Ulmer in Hennig,
SGG, §
75 RdNr 35). Denn auch insofern sind keine Tatsachen bezeichnet, die einen Ermessensfehler und einen darauf basierenden Verfahrensmangel
schlüssig ergeben könnten.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl §
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 Abs
1 SGG.