Rente wegen voller Erwerbsminderung
Verfahrensrüge
Hinwirken auf die Stellung von Beweisanträgen
Gründe:
Mit Urteil vom 24.9.2014 hat das Bayerische LSG einen Anspruch der Klägerin auf Rente wegen voller Erwerbsminderung verneint.
Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG hat die Klägerin Beschwerde zum BSG eingelegt. Sie beruft sich auf Verfahrensfehler und die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.
Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG),
- das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder
- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).
Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des §
160a Abs
2 S 3
SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß §
160a Abs
4 S 1 iVm §
169 SGG zu verwerfen.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung
beruhen könne (§
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 1
SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§
160a Abs
2 S 3
SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist
die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem
Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§
109 und
128 Abs
1 S 1
SGG und auf eine Verletzung des §
103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist.
Die Klägerin rügt einen Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht (§
103 SGG). Hierzu trägt sie vor, sie habe zu Protokoll der mündlichen Verhandlung am 24.9.2014 nach den Hauptanträgen beantragt, "hilfsweise
werden die bisher gestellten Beweisanträge hinsichtlich §
106 SGG und §
109 SGG aufrechterhalten und wiederholt, zum Beweis dafür, dass am 28.07.2004 noch keine Erwerbsminderung vorgelegen hat, sondern
erst zu einem späteren Zeitpunkt eintrat. Die Beweisanträge gelten hinsichtlich der benannten Zeugen, als auch einer weiteren
Begutachtung". Im Einzelnen sei die Einholung eines ärztlichen Sachverständigengutachtens sowie die Einvernahme der leitenden
Sozialpädagogin M. V., der Schwester sowie der Mutter der Klägerin M. G. als Zeugen zu diesem Thema beantragt worden.
Mit diesem Vorbringen ist ein Verstoß gegen §
103 SGG nicht ausreichend bezeichnet. Es fehlt jedenfalls an den erforderlichen Darlegungen, warum sich das Berufungsgericht ausgehend
von den von ihm getroffenen tatsächlichen Feststellungen (§
163 SGG) und auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung hätte gedrängt fühlen müssen, den genannten Anträgen nachzukommen.
Soweit die Klägerin vorträgt, das Gutachten von Dr. H. vom 3.2.2014, auf das sich das LSG vorwiegend stütze, enthalte Widersprüche,
greift sie die Beweiswürdigung des LSG an. Nach §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG kann aber die Nichtzulassungsbeschwerde auf die Verletzung des §
128 Abs
1 S 1
SGG nicht gestützt werden. Dies gilt ebenso für einen Verstoß gegen §
109 (§
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG).
Die Klägerin sieht eine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs darin, dass das LSG im Urteil ausgeführt habe: "Den im übrigen
gestellten Beweisanträgen ist der Senat nicht nachzukommen, auch weil sie nicht prozeßordnungsgemäß gestellt wurden". Dies
sei unzutreffend und überraschend und falls zutreffend mit der Hinweispflicht nach §
106 Abs
1 SGG nicht vereinbar, vielmehr seien entsprechende Anträge bezüglich Sachverständigengutachten und Anhörung von Zeugen zu konkreten
Beweisthemen gestellt worden. Ebenso habe das LSG Hinweis- und Fürsorgepflichten aus §
106 Abs
1, §
112 Abs
2 S 1
SGG verletzt, weil es sie im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht zur Stellung weiterer Beweisanträge angehalten habe. Die
Klägerin verkennt dabei jeweils, dass die Tatsachengerichte generell nicht verpflichtet sind, auf die Stellung von Beweisanträgen
hinzuwirken (BSG SozR 1500 § 160 Nr 13; BSG Beschluss vom 28.5.1997 - 9 BV 144/96 - Juris RdNr 3) und folglich auch die Fassung gestellter Anträge nicht zu korrigieren brauchen. Hält das Tatsachengericht
eine Beweisaufnahme für notwendig, so hat es keinen entsprechenden Beweisantrag herbeizuführen, sondern den Beweis von Amts
wegen auch ohne Antrag zu erheben. Lehnt es die Beweiserhebung dagegen ab, so muss es nicht kompensatorisch auf einen Beweisantrag
hinwirken und damit helfen, eine Nichtzulassungsbeschwerde vorzubereiten (BSG SozR 1500 § 160 Nr 13; Becker, SGb 2007, 328, 331; Berchtold/Richter, Prozesse in Sozialsachen, 2009, § 7 RdNr 132; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen
Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX RdNr
132). Keinesfalls kann über den Umweg des §
106 Abs
1 SGG und des §
112 Abs
2 S 1
SGG ein Beweisantrag, der weder unmittelbar vor noch in der mündlichen Verhandlung wiederholt und deshalb nicht gestellt worden
ist, zur Revisionszulassung führen, weil sonst die Vorgaben des §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG iVm §
103 SGG umgangen werden könnten.
Auch die Grundsatzrüge nach §
160 Abs
2 Nr
1 SGG hat keinen Erfolg. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den
Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig
und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen
Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen
aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren
eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre
(abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall
hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).
Die Klägerin hält folgende Frage für grundsätzlich bedeutsam:
"Liegt die in §
53 Abs.
2 SGB VI geforderte 'volle Erwerbsminderung' für die vorzeitige Erfüllung der Wartezeit für eine Rente wegen Erwerbsminderung schon
dann vor, wenn teilweise Erwerbsminderung bei verschlossenem Arbeitsmarkt nach der sogenannten konkreten Betrachtungsweise
gegeben ist - wie es das Bayerische LSG annimmt -, oder muß ein Leistungsvermögen von weniger als 3 Stunden, wie es dem Wortlaut
von §
43 Abs.
2 SGB VI entspricht, gegeben sein?"
Die Beschwerdebegründung hat jedenfalls nicht dargetan, dass hierüber auf der Grundlage der vom LSG getroffenen tatsächlichen
Feststellungen (§
163 SGG) in einem künftigen Revisionsverfahren notwendig zu entscheiden wäre. Insofern wäre für eine schlüssige Darlegung insbesondere
darauf einzugehen gewesen, dass das Berufungsgericht an mehreren Stellen seiner Überzeugung Ausdruck verleiht, dass die Klägerin
ab dem 28.7.2004 nur noch über ein unter dreistündiges Leistungsvermögen verfügt und nur hilfsweise im Rahmen eines obiter
dictum eine Rechtsfrage erörtert, die sich bei fiktiver Zugrundelegung der Ergebnisse des Sachverständigen Dr. K. stellen
könnte.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (vgl §
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 Abs
1 SGG.