Gründe:
I
Die Beteiligten streiten (noch) über die Beitragsfestsetzung zur freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für den
Zeitraum von Juni 2016 bis Dezember 2017 oberhalb des Mindestbeitrags.
Die Klägerin ist freiwilliges Mitglied der beklagten Krankenkasse. Im Mai 2014 schloss sie in einem familiengerichtlichen
Verfahren einen Vergleich über den an sie zu zahlenden nachehelichen Unterhalt. Danach ist ua ab April 2013 ein Betrag von
monatlich 1000 Euro zu zahlen, in dem ein "Versicherungsbeitrag von monatlich 419,19 Euro enthalten" ist (Ziffer 1 Satz 2
des Vergleichs).
Auf der Grundlage des Einkommensteuerbescheids vom 12.5.2016 für das Jahr 2014 (EStB 2014) berücksichtigte die Beklagte bei
der Festsetzung der Beiträge zur GKV von 195,39 Euro monatlich für die Zeit ab 1.6.2016 die monatlichen Einkünfte der Klägerin
aus Gewerbebetrieb in Höhe von (iHv) 34,08 Euro, aus Vermietung und Verpachtung iHv 101 Euro sowie die Einnahmen aus Unterhaltsleistungen
iHv 1150,42 Euro (13 805 Euro jährlich); die im EStB 2014 ausgewiesenen Werbungskosten für Unterhaltsleistungen iHv 5836 Euro
(486,34 Euro monatlich) wurden nicht in Abzug gebracht (Bescheid vom 7.6.2016; rechnerische Korrektur um 0,69 Euro durch Abhilfebescheid
vom 28.7.2016, Widerspruchsbescheid vom 23.8.2016). Während des Klageverfahrens setzte die Beklagte die Beiträge zur GKV unter
Berücksichtigung der im Einkommensteuerbescheid vom 2.1.2017 für das Jahr 2015 (EStB 2015) ausgewiesenen Unterhaltsleistungen
iHv 12 000 Euro (1000 Euro monatlich) erneut ohne Abzug der Werbungskosten iHv 724 Euro (60,33 Euro monatlich) für die Zeit
ab 1.2.2017 iHv 168,55 Euro neu fest (Bescheid vom 19.1.2017; Widerspruchsbescheid vom 24.4.2017). Mit Bescheid vom 19.12.2017
stellte die Beklagte nach Auswertung einer aktuellen Einkommensanfrage fest, dass der Beitrag unverändert bleibe. Für die
Zeit ab 1.1.2018 wurden die Beiträge neu festgesetzt.
Klage und Berufung gegen die Erhebung von Beiträgen zur GKV für die Zeit vom 1.6.2016 bis zum 31.12.2017 oberhalb des Mindestbeitrags
sind erfolglos geblieben (SG-Urteil vom 15.9.2017; LSG-Urteil vom 19.2.2020). Das LSG hat zur Begründung ausgeführt, es sei nicht zu beanstanden, dass
die Beklagte die aus Ziffer 1 Satz 2 des Vergleichs eventuell folgende Zweckbindung eines Teils des vereinbarten Unterhaltsanspruchs
unberücksichtigt gelassen habe. Der insoweit vereinbarte Altersvorsorgeunterhalt sei nicht mit den zur Kompensation eines
besonderen persönlichen Bedarfs dienenden Leistungen, "Hilfe in besonderen Lebenslagen" und Leistungen des sozialen Entschädigungsrechts
vergleichbar. Auch seien die steuerrechtlich berücksichtigten Werbungskosten bei der Feststellung der beitragspflichtigen
Einnahmen nicht in Abzug zu bringen. Die Beitragserhebung bei sonstigen, nicht hauptberuflich selbstständig erwerbstätigen
freiwillig Versicherten wie der Klägerin folge konzeptionell dem Bruttoprinzip. Werbungskosten seien nach den Beitragsverfahrensgrundsätzen
Selbstzahler (BeitrVerfGrsSz) nur ausnahmsweise bei Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung sowie bei Einnahmen aus Kapitalvermögen
abzuziehen. Für eine analoge Anwendung fehle es daher schon an einer ungewollten Regelungslücke. Die unterschiedliche Behandlung
von Unterhaltsleistungen einerseits sowie Einkünften aus Vermietung und Verpachtung oder aus Kapitalvermögen andererseits
sei sachlich gerechtfertigt. Letztere Einkünfte würden aus vorhandenen Vermögenswerten erzielt und gingen zwingend mit Aufwendungen
einher. Unterhaltsleistungen resultierten hingegen aus einer ehelichen Verantwortung und seien nicht zwangsläufig mit Aufwendungen
verbunden. Darüber hinaus seien Unterhaltsansprüche im Bereich der Krankenversicherung typischerweise ein Ersatz für die entfallene
Teilhabe am Arbeitsentgelt des Unterhaltsverpflichteten. Auch das spreche dafür, bei Unterhaltsberechtigten vergleichbar mit
abhängig Beschäftigten und Rentnern das Bruttoprinzip heranzuziehen.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von §
240 Abs
1 und
2 sowie §
223 Abs
2 SGB V und Art
3 Abs
1 GG. Die Altersvorsorgebeiträge stünden für ihren Lebensunterhalt nicht zur Verfügung. Die Beitragserhebung folge bei freiwillig
Versicherten nicht generell dem Bruttoprinzip. Das sowohl bei Arbeitseinkommen als auch bei Einkünften aus Vermietung und
Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen geltende Nettoprinzip sei aus Gleichbehandlungsgründen auch auf Unterhaltsleistungen
als sonstige Überschusseinkünfte anzuwenden. Für eine Ungleichbehandlung fehle ein sachlicher Grund.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 19. Februar 2020 und des Sozialgerichts Köln vom 15. September
2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 7. Juni 2016 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 28. Juli 2016 und des Widerspruchsbescheids
vom 23. August 2016, den Bescheid vom 19. Januar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. April 2017 sowie den
Bescheid vom 19. Dezember 2017 insoweit aufzuheben, als die Beklagte die Beiträge zur freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung
für die Zeit vom 1. Juni 2016 bis zum 31. Dezember 2017 nach höheren beitragspflichtigen Einnahmen als 1/90stel der monatlichen
Bezugsgröße je Kalendertag festgesetzt hat.
Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
II
Die zulässige Revision der Klägerin ist teilweise begründet (§
170 Abs
2 Satz 1
SGG). Das LSG hat zu Unrecht in vollem Umfang die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des SG zurückgewiesen und die Klage gegen den Bescheid vom 19.12.2017 abgewiesen. Das mit der (Teil-)Anfechtungsklage verfolgte
Begehren der Klägerin richtet sich noch gegen die Festsetzung der Beiträge zur GKV nach höheren kalendertäglichen beitragspflichtigen
Einnahmen als 1/90stel der monatlichen Bezugsgröße (Mindesteinnahmen). Die Revision hat insoweit Erfolg, als die Beklagte
bei der Beitragsbemessung für die Zeit vom 1.6.2016 bis zum 31.1.2017 - wie beantragt - nur die Mindesteinnahmen und für die
Zeit vom 1.2. bis zum 31.12.2017 nur Einnahmen iHv monatlich 1048,50 Euro hätte heranziehen dürfen. In Bezug auf den Differenzbetrag
zu den Mindesteinnahmen (991,67 Euro monatlich) hat die Revision keinen Erfolg (§
170 Abs
1 Satz 1
SGG).
Die angegriffenen Bescheide sind im Umfang ihrer Aufhebung rechtswidrig und verletzen die Klägerin insoweit in ihren Rechten.
Die Unterhaltsleistungen sind zwar nach beitragsrechtlichen Maßstäben (dazu I.) - unabhängig von den besonderen steuerrechtlichen
Voraussetzungen des Realsplittings (dazu II.) - beitragspflichtig. Die Beklagte hat von den Unterhaltszahlungen auch zutreffend
nicht den im Unterhaltsvergleich benannten "Versicherungsbeitrag" abgesetzt (dazu III.). Sie hätte jedoch die in den EStB
2014 und 2015 ausgewiesenen Werbungskosten einkommensmindernd berücksichtigen müssen (dazu IV.). Infolgedessen waren Beiträge
zur GKV für die Zeit vom 1.6.2016 bis zum 31.1.2017 nach Mindesteinnahmen und für die Zeit danach bis zum 31.12.2017 nach
Einnahmen iHv 1048,50 Euro festzusetzen (dazu V.).
I. Unterhaltsleistungen sind bei der Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der GKV grundsätzlich als Einnahmen zu berücksichtigen.
Nach §
240 Abs
1 und Abs
2 Satz 1
SGB V in der hier maßgebenden Fassung des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der GKV vom 21.7.2014
(BGBl I 1133) wird die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder der GKV einheitlich durch den Spitzenverband Bund der
Krankenkassen (SpVBdKK) geregelt; dabei ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit
des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt. Bei der Bestimmung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sind mindestens die
Einnahmen des freiwilligen Mitglieds zu berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten
der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind (§
240 Abs
2 Satz 1
SGB V in der Fassung [idF] des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der GKV vom 26.3.2007, BGBl I 378). Diesem Regelungsauftrag
ist der SpVBdKK durch Erlass der BeitrVerfGrsSz vom 27.10.2008 (Die Beiträge 2009, 183 ff; für die hier streitige Zeit vom
1.6.2016 bis zum 31.12.2017 idF der sechsten Änderung vom 10.12.2014 - eBAnz vom 15.12.2014) grundsätzlich im Einklang mit
höherrangigem Gesetzes- und Verfassungsrecht (BSG Urteil vom 10.10.2017 - B 12 KR 16/16 R - SozR 4-2500 § 240 Nr 32 RdNr 15 mwN) nachgekommen.
Gemäß § 2 Abs 1 Satz 1 und 2 BeitrVerfGrsSz werden die Beiträge nach den beitragspflichtigen Einnahmen des Mitglieds bemessen,
wobei die Beitragsbemessung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds zu berücksichtigen hat. Als beitragspflichtige
Einnahmen sind das Arbeitsentgelt, das Arbeitseinkommen, der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, der
Zahlbetrag der Versorgungsbezüge sowie alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht
werden können, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung zugrunde zu legen (§ 3 Abs 1 Satz 1 BeitrVerfGrsSz). Die Grenzziehung
zwischen beitragspflichtigen und von der Beitragspflicht ausgenommenen Einnahmen erfordert regelmäßig eine wertende Entscheidung
dazu, ob sie dem Bestreiten des Lebensunterhalts zugeordnet werden können oder ausnahmsweise eine besondere eigenständige
Zweckbestimmung außerhalb des allgemeinen Lebensunterhalts aufweisen (BSG Urteil vom 10.10.2017 - B 12 KR 16/16 R - SozR 4-2500 § 240 Nr 32 RdNr 18 mwN). Danach gehören die Unterhaltsleistungen zu den beitragspflichtigen Einnahmen im Sinne
(iS) des § 3 Abs 1 Satz 1 BeitrVerfGrsSz. Denn sie stehen der Klägerin grundsätzlich zum Verbrauch für den allgemeinen Lebensunterhalt
zur Verfügung und prägen daher wesentlich ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit iS von §
240 Abs
1 Satz 2
SGB V. Dieser Zweck ergibt sich ungeachtet des tatsächlichen Verbrauchs aus den Vorschriften des Familienrechts. Danach umfasst
der nacheheliche Unterhalt den gesamten Lebensbedarf (§
1578 Abs
1 Satz 2
BGB). Der Unterhaltsanspruch entsteht nach Rechtskraft des Scheidungsurteils, wenn der bedürftige Ehegatte wegen fehlender angemessener
Erwerbstätigkeit (§
1573 Abs
1 BGB) nicht selbst für seinen Unterhalt sorgen kann (§
1569 Abs
1 Satz 1
BGB).
II. Auf die Steuerpflicht von Unterhaltsleistungen im Rahmen des begrenzten Realsplittings (dazu 1.) kommt es für die beitragsrechtliche
Qualifizierung als Einnahme nicht an (dazu 2.).
1. Unterhaltsleistungen unterliegen nach §
22 Nr 1a
Einkommensteuergesetz (
EStG; idF des Gesetzes zur Anpassung der
Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 22.12.2014, BGBl I 2417) in Verbindung
mit (iVm) §
10 Abs
1a Nr
1 EStG (idF des Steueränderungsgesetzes 2015 vom 2.11.2015, BGBl I 1834) als sonstige Überschusseinkünfte bis zu einem Höchstbetrag
von grundsätzlich 13 805 Euro nur dann der Einkommensteuer, wenn und soweit die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug
beim Unterhaltspflichtigen erfüllt sind (Korrespondenzprinzip). Dafür ist insbesondere erforderlich, dass der Geber dies mit
Zustimmung des Empfängers beantragt. Die vom Unterhaltsberechtigten zu zahlende Einkommensteuer hat der Unterhaltsleistende
in der Regel zivilrechtlich auszugleichen. Solche Ausgleichszahlungen sind wiederum Unterhaltsleistungen iS der genannten
Vorschriften, die der Empfänger gegebenenfalls zu versteuern hat (vgl BFH Beschluss vom 28.11.2007 - XI B 68/07 - juris RdNr 4). Fehlt die Zustimmung des Empfängers, kann der Unterhaltspflichtige die Unterhaltsleistungen nur als außergewöhnliche
Belastungen nach §
33a EStG geltend machen, beim Empfänger bleiben sie steuerfrei. Es obliegt somit der gemeinsamen Entscheidung der Unterhaltsbeteiligten,
ob die Unterhaltsleistungen beim Unterhaltsberechtigten versteuert werden. Die einvernehmliche Besteuerung von Unterhaltsleistungen
führt insgesamt betrachtet zumeist zu einer Minderung der Steuerlast. Wirtschaftlich wird so das bis zum Kalenderjahr der
Trennung in Betracht kommende Ehegattensplitting nach §
32a Abs
5 EStG in begrenztem Umfang fortgesetzt ("begrenztes Realsplitting", vgl dazu ausführlich BFH Urteil vom 9.12.2009 - X R 49/07 - juris). Die gesetzliche Regelung entspricht insoweit dem Prinzip der materiell-rechtlichen Korrespondenz und beruht auf
dem Konzept des Transfers von Einkünften.
2. Die Qualifizierung einer Unterhaltsleistung als Einnahme iS des §
240 SGB V ist nicht davon abhängig, ob und inwieweit diese auch steuerpflichtig ist (vgl Gerlach in Hauck/Noftz,
SGB V, §240, 5. EL 2018, RdNr 80). Anders als §
10 SGB V stellen weder §
240 SGB V noch die BeitrVerfGrsSz ausdrücklich auf den Begriff des Gesamteinkommens ab, der nach der Legaldefinition des §
16 SGB IV auf die Summe der Einkünfte iS des Einkommensteuerrechts (§
2 Abs
1 und
2 EStG) verweist (zu §
10 SGB V iVm §
16 SGB IV vgl BSG Urteil vom 29.6.2021 - B 12 KR 2/20 R - BSGE 132, 245 = SozR 4-2500 § 10 Nr 13, RdNr 15; zur Berücksichtigung von Unterhaltszahlungen und Werbungskosten beim Gesamteinkommen nach
§
10 Abs
1 Nr
5 SGB V iVm §
16 SGB IV vgl BSG Urteil vom 3.2.1994 - 12 RK 5/92 - SozR 3-2500 § 10 Nr 4 - juris RdNr 21 ff). Vielmehr ist in § 3 Abs 1 Satz 1 BeitrVerfGrsSz geregelt, dass beitragspflichtige Einnahmen "ohne
Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung" zugrunde zu legen sind. Dadurch wird zwar nicht die Außerachtlassung des Steuerrechts
an sich angeordnet, sondern lediglich klargestellt, dass im Beitragsrecht der GKV eine strikte Bindung weder an die steuerrechtlichen
Einkunftsarten noch deren jeweilige Besteuerung besteht (BSG Urteil vom 24.11.2020 - B 12 KR 31/19 R - SozR 4-2500 § 240 Nr 37 RdNr 16; vgl auch BSG Urteil vom 28.5.2015 - B 12 KR 12/13 R - SozR 4-2500 § 240 Nr 26 RdNr 15). Fehlt es im Sozialversicherungsrecht an einer Geltungsanordnung hinsichtlich des Steuerrechts,
ist in der Regel den Besonderheiten der jeweiligen Rechtsmaterie Rechnung zu tragen (vgl BSG Urteil vom 29.6.2021 - B 12 KR 2/20 R - aaO RdNr 16 mwN). Für die Heranziehung steuerrechtlicher Regelungen ist daher nur Raum, soweit das Steuerrecht auch mit
beitragsrechtlichen Wertungen übereinstimmt. Das ist im Hinblick auf das begrenzte Realsplitting nicht der Fall.
Für die Beitragspflicht kommt es nicht auf die Zustimmung des Unterhaltsempfängers zum Sonderausgabenabzug des Unterhaltsverpflichteten
an. Denn das Beitragsrecht kennt keinen mit dem Einkommensteuerrecht vergleichbaren Grundsatz, wonach eine einmal versteuerte
Einkunft bei Weiterleitung an Dritte zur Unterhaltsgewährung nicht ein zweites Mal herangezogen werden darf. Vielmehr muss
nach einer Ehescheidung der unterhalts- und versicherungspflichtige Ehegatte seinen Beitragsanteil nach dem Bruttoprinzip
gegebenenfalls aus seinem Arbeitsentgelt tragen, während sein früherer, nicht mehr familienversicherter Ehegatte Beiträge
zur freiwilligen Krankenversicherung aus dem Unterhalt zahlen muss, und zwar unabhängig davon, ob sich die geschiedenen Ehegatten
für ein begrenztes Realsplitting entschieden haben oder nicht (so bereits BSG Urteil vom 3.2.1994 - 12 RK 5/92 - SozR 3-2500 §
10 Nr 4 S 20 - juris RdNr 28; vgl Gerlach in Hauck/Noftz,
SGB V, §240, 5. EL 2018, RdNr 80). Dass der unterhaltspflichtige Ehegatte sein Einkommen für die Unterhaltszahlung verwenden muss,
ist für ihn und auch die Unterhaltsberechtigte, deren wirtschaftliche Leistungsfähigkeit durch die Unterhaltszahlungen zunimmt,
beitragsrechtlich unerheblich. Die Anwendung unterschiedlicher Grundsätze im Steuer- und im Beitragsrecht ist insoweit verfassungsrechtlich
unbedenklich (vgl BVerfG Beschluss vom 15.4.1986 - 1 BvR 1304/85 - SozR 2200 § 385 Nr 15 S 73 f).
Für die Beitragspflicht der Unterhaltsleistungen ist daher auch grundsätzlich nicht der steuerrechtliche Höchstbeitrag des
§
10 Abs
1a Nr
1 Satz 1
EStG iHv 13 805 Euro maßgeblich. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wird durch die tatsächlich erbrachten Leistungen bestimmt,
die gegebenenfalls höher sein können als der in Anspruch genommene Sonderausgabenabzug im Fall der Steuerpflicht. Dennoch
kann der Einkommensteuerbescheid zum Nachweis der Unterhaltsleistungen im Fall der Steuerpflicht auch bezüglich deren Höhe
herangezogen werden, wenn sich - wie hier aus dem Unterhaltsvergleich - keine Anhaltspunkte für tatsächlich darüber hinausgehende
Leistungen im streitgegenständlichen Zeitraum ergeben.
III. Der im familiengerichtlichen Vergleich gesondert ausgewiesene Versicherungsbeitrag ist nicht aufgrund einer besonderen
Stellung in der Rechtsordnung einnahmemindernd zu berücksichtigen. Der Senat hat nur in seltenen Ausnahmefällen bestimmte
Einnahmen, die nicht in erster Linie auf die Befriedigung des allgemeinen Lebensunterhalts ausgerichtet sind, wegen ihres
speziellen Zwecks von der Beitragsbemessung ausgenommen. Das sind zum einen (Sozial-)Leistungen, die gerade der Kompensation
eines besonderen persönlichen Bedarfs dienen oder als "Hilfe in besonderen Lebenslagen" nicht für den "allgemeinen" Lebensbedarf
des Betroffenen bestimmt sind, sondern dem Betroffenen ungekürzt erhalten bleiben sollen. Zum anderen sind nicht zu verbeitragen
Geldleistungen des sozialen Entschädigungsrechts, die in Ansehung eines in der Verantwortung der staatlichen Gemeinschaft
erlittenen Sonderopfers gewährt werden und in nahezu der gesamten Rechtsordnung nicht als Einkommen gelten (BSG Urteil vom 24.11.2020 - B 12 KR 31/19 R - SozR 4-2500 § 240 Nr 37 RdNr 26 mwN). Solchen Einnahmen ist gemein, dass sie auf einer förmlichen gesetzlichen Grundlage
beruhen, aus der sich unmittelbar oder ausnahmsweise mittelbar eine beitragsrechtliche Privilegierung durch eine anerkennenswerte
(soziale) Zwecksetzung ableiten lässt (vgl BSG Urteil vom 7.6.2018 - B 12 KR 1/17 R - SozR 4-2500 § 240 Nr 35 RdNr 23; § 3 Abs 1 Satz 3 Halbsatz 2 BeitrVerfGrsSz). Der Versicherungsbeitrag dient nicht einem
solchen besonderen Zweck.
Die familienrechtliche Vorschrift des §
1578 BGB stellt klar, dass die Kosten einer angemessenen Versicherung für den Fall der Krankheit und Pflegebedürftigkeit (Abs 2) sowie
- bei einem Unterhaltsanspruch wegen Erwerbslosigkeit - auch für den Fall des Alters sowie der verminderten Erwerbsfähigkeit
(Abs 3) zum Lebensbedarf gehören. Entsprechend wird auch aus dem vor dem OLG abgeschlossenen Vergleich deutlich, dass der
Versicherungsbeitrag Bestandteil des nachehelichen Unterhalts sein soll ("In den ... Unterhaltsbeträgen...enthalten"), der
monatlich in einer Summe ausgezahlt wird. Die Klägerin ist als Unterhaltsberechtigte rein faktisch in der tatsächlichen Verwendung
der für den Lebensunterhalt gewährten Unterhaltsleistungen frei. Unterhaltsrechtliche Konsequenzen hat eine zweckwidrige Verwendung
der Versicherungsbeiträge erst in einem späteren Versicherungsfall, wenn sich der Berechtigte gegebenenfalls nach §
1579 Nr 4
BGB so behandeln lassen muss, als hätten die Zahlungen zu einem entsprechenden Versicherungsanspruch geführt (vgl zum Kranken-
und Pflegevorsorgeunterhalt BSG Urteil vom 19.8.2015 - B 12 KR 11/14 R - SozR 4-2500 § 240 Nr 29 RdNr 19 ff mwN).
Selbst wenn die Klägerin den Versicherungsbeitrag zur Altersvorsorge an ein Versicherungsunternehmen abgetreten hätte, läge
darin nur eine für die Beitragsbemessung unbeachtliche Verwendung der Einnahmen. Eine Minderung der beitragsrechtlichen Leistungsfähigkeit
liegt nicht vor, wenn durch die Abtretung die Befreiung von einer Verbindlichkeit eintritt oder es sich um eine freiwillige
Zuwendung handelt (vgl BSG Urteil vom 17.3.2010 - B 12 KR 4/09 R - SozR 4-2500 § 240 Nr 14 RdNr 20; BSG Urteil vom 21.12.1993 - 12 RK 28/93 - SozR 3-2500 § 237 Nr 3 S 9 - juris RdNr 24). Das LSG weist außerdem zutreffend darauf hin, dass durch die Einzahlungen die wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit auch deshalb nicht geschmälert wird, weil daraus ein Gegenanspruch erwächst.
IV. Von den Unterhaltsleistungen sind die Werbungskosten einnahmemindernd abzusetzen. Werbungskosten sind nach § 3 Abs 1b
Satz 1 BeitrVerfGrsSz ausdrücklich zwar nur von den Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen abzuziehen.
Dieser Abzug ist im Hinblick auf die regelmäßig zu wahrende Belastungsgleichheit freiwillig Versicherter aber grundsätzlich
auch bei Unterhaltsleistungen geboten (dazu 1.). Die Beklagte hätte daher die in den EStB 2014 und 2015 ausgewiesenen Werbungskosten
berücksichtigen müssen (dazu 2.).
1. Aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art
3 Abs
1 GG iVm § 3 Abs
1b BeitrVerfGrsSz folgt, dass der Werbungskostenabzug nicht nur für freiwillig Versicherte mit Einnahmen aus Vermietung und
Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen gilt (zum Abzug von Schuldzinsen bei Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung vgl BSG Urteil vom 23.9.1999 - B 12 KR 12/98 R - SozR 3-2500 § 240 Nr 31 S 141 ff - juris RdNr 15 ff; s auch bereits BSG Urteil vom 24.10.1978 - 12 RK 53/76 - SozR 2200 § 313a Nr 6 S 26 f - juris RdNr 22; zur parallelen Wertung hinsichtlich §
62 SGB V vgl BSG Urteil vom 19.9.2007 - B 1 KR 7/07 R - SozR 4-2500 § 62 Nr 3 RdNr 17; zum Nettoprinzip bei Kapitalvermögen unter Ausschluss rein steuerrechtlicher Privilegierungen
wie dem vertikalen Verlustausgleich vgl BSG Urteil vom 28.5.2015 - B 12 KR 12/13 R - SozR 4-2500 § 240 Nr 26 RdNr 27 ff und Sparerfreibetrag BSG Urteil vom 9.8.2006 - B 12 KR 8/06 R - BSGE 97, 41 = SozR 4-2500 § 240 Nr 8, RdNr 19), sondern auch für Versicherte, die Einnahmen aus Unterhaltsleistungen beziehen. Der allgemeine
Gleichheitssatz gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Insbesondere soll ausgeschlossen werden, dass
eine Gruppe von Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und
solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (stRspr des BVerfG; zB BVerfG Beschluss
vom 19.12.2012 - 1 BvL 18/11 - BVerfGE 133, 1 RdNr 44 mwN).
Nach § 3 Abs 1b Satz 2 BeitrVerfGrsSz handelt es sich bei Werbungskosten - entsprechend der gleichlautenden Definition des
§
9 Abs
1 Satz 1
EStG - um Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Als solche mindern sie unmittelbar das wirtschaftliche
Ergebnis; sie stehen somit für den Lebensunterhalt nicht zur Verfügung. Im Steuerrecht gilt insoweit für alle steuerpflichtigen
Einnahmen das objektive Nettoprinzip (vgl §
2 Abs
2 EStG; vgl BVerfG Urteil vom 9.12.2008 - 2 BvL 1/07 - BVerfGE 122, 210 - juris RdNr 63; BFH Beschluss vom 30.1.1995 - GrS 4/92 - BFHE 176, 267 - juris RdNr 40), nach dem die erwerbssichernden Aufwendungen von den Einnahmen abgezogen werden. Die Werbungskosten haben
bei den Überschusseinkünften systematisch die gleiche Funktion wie die Betriebsausgaben bei den Gewinneinkünften (Schramm
in
EStG, eKommentar, §
9 Werbungskosten - Fassung vom 1.1.2019 - RdNr 20). Die Vorschrift des §
240 SGB V und die BeitrVerfGrsSz gehen - ähnlich wie das Steuerrecht von der finanziellen Leistungsfähigkeit - von der "wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit" des freiwillig Versicherten aus (vgl oben I.1.). Für die Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen gilt
das aus dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art
3 Abs
1 GG resultierende Gebot der Belastungsgleichheit, das sich auf alle staatlichen Abgaben erstreckt (vgl BVerfG Beschluss vom 7.4.2022
- 1 BvL 3/18 - juris RdNr 240 mwN). Dies erfordert nicht nur eine besondere Rechtfertigung für die Erhebung von Beiträgen dem Grunde nach
(vgl BSG Urteil vom 29.2.2012 - B 12 KR 5/10 R - BSGE 110, 130 = SozR 4-4200 § 46 Nr 2, RdNr 58) dafür, dass freiwillig Versicherte im Unterschied zu anderen freiwillig Versicherten in
höherem Maße zu Sozialversicherungsbeiträgen herangezogen werden. Eine solche Rechtfertigung ist für den Ausschluss von Werbungskosten
bei Unterhaltsleistungen nicht ersichtlich (dazu a bis e). Insoweit ist eine erweiternde Auslegung der Regelung des § 3 Abs
1b Satz 1 BeitrVerfGrsSz geboten (dazu f).
a) Aus §
240 SGB V und den BeitrVerfGrsSz lässt sich kein grundsätzlicher Vorrang des Bruttoprinzips bei der Beitragsbemessung freiwilliger
Mitglieder der GKV ableiten. Anders als in dem nicht zweckgebundenen Steuersystem darf zwar in einem auf Zwangsmitgliedschaft
und Beitragspflicht beruhenden Versicherungssystem auf das Bruttoeinkommen und damit eine typisierte Leistungsfähigkeit (vgl
zuletzt BVerfG Beschluss vom 7.4.2022 - 1 BvL 3/18 ua - juris RdNr 253) mit der Folge abgestellt werden, dass Werbungskosten nicht in Abzug zu bringen sind (vgl BVerfG Beschluss
vom 22.5.2001 - 1 BvL 4/96 - BVerfGE 103, 392 = SozR 3-2500 § 240 Nr 39 S 194 - juris RdNr 29). Es ist verfassungsrechtlich daher nicht zu beanstanden, dass Arbeitsentgelt,
Renten und Versorgungsbezüge einheitlich mit ihrem Bruttobetrag der Beitragsberechnung zugrunde gelegt werden und damit die
wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nur eingeschränkt berücksichtigt wird (vgl bereits BSG Urteil vom 28.1.1999 - B 12 KR 24/98 R - SozR 3-2500 § 237 Nr 7 S 22 - juris RdNr 22). Entsprechendes gilt für freiwillig Versicherte allerdings nur wegen der Grundsatznorm
des §
240 Abs
2 Satz 1
SGB V, wonach bei der Bestimmung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds zu
berücksichtigen sind, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu
legen sind (vgl bereits BSG Urteil vom 26.9.1996 - 12 RK 46/95 - BSGE 79, 133, 137 f = SozR 3-2500 § 240 Nr 27 S 102 f - juris RdNr 25). Der für Versicherungspflichtige geltende Maßstab ist aus Gründen
der Solidarität auch im Rahmen des §
240 SGB V heranzuziehen, weil ein freiwilliges Mitglied bei der Beitragsbemessung nicht geringer belastet werden darf als ein vergleichbarer
versicherungspflichtig Beschäftigter (vgl für das Arbeitsentgelt iS von §
14 SGB IV bereits BSG Urteil vom 10.5.1990 - 12 RK 62/87 - SozR 3-2500 § 240 Nr 1 S 3 - juris RdNr 14). Aus dieser Übertragung des für Einnahmen versicherungspflichtig Beschäftigter geltenden Bruttoprinzips
auf freiwillig Versicherte mit entsprechenden Einnahmen lässt sich aber nicht die Anwendung des Bruttoprinzips auch für solche
Einnahmen ableiten, die - wie hier - gerade nicht zu den beitragspflichtigen Einnahmen Versicherungspflichtiger gehören. Denn
§
240 SGB V und die BeitrVerfGrsSz legen nicht einheitlich das Bruttoprinzip zugrunde. Vielmehr gilt das Nettoprinzip für die in § 3
Abs 1b Satz 1 BeitrVerfGrsSz genannten Überschusseinkünfte und für das Arbeitseinkommen, das nach §
15 Abs
1 SGB IV als der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus selbstständiger
Tätigkeit definiert ist (vgl BSG Urteil vom 6.9.2001 - B 12 KR 5/01 R - SozR 3-2500 § 240 Nr 40 S 204 - juris RdNr 20). Dadurch ist gewährleistet, dass als Beitragsbemessungsgrundlage nicht der
Umsatz unbereinigt zugrunde gelegt wird, ohne die mit der Einkunftserzielung zwangsläufig verbundenen Betriebsausgaben zu
berücksichtigen (BSG Urteil vom 24.11.2020 - B 12 KR 31/19 R - SozR 4-2500 § 240 Nr 37 RdNr 16).
Ein grundsätzlicher Vorrang des Bruttoprinzips lässt sich - entgegen der Auffassung der Beklagten - auch nicht aus dem Beschluss
des BVerfG zur besonderen Mindestbemessungsgrenze hauptberuflich selbstständig Erwerbstätiger vom 22.5.2001 (1 BvL 4/96 - BVerfGE 103, 392 = SozR 3-2500 § 240 Nr 39) ableiten. Den Ausführungen in Abgrenzung zu Einkünften aus hauptberuflich selbstständiger Tätigkeit
(BVerfG aaO - juris RdNr 29), es würden "die Beiträge der sonstigen freiwillig Versicherten im Wesentlichen nach den Bruttoeinnahmen
bemessen (§
240 Abs.
2 Satz 2
SGB V; vgl. BSGE 78, 224 [226])", ist ein tragender Rechtssatz über die abschließende Zuordnung aller Einkunftsarten nicht zu entnehmen. Das BVerfG
bezieht sich nur auf §
240 Abs
2 SGB V sowie Entscheidungen zur Verbeitragung von Arbeitsentgelt und zur fehlenden Abzugsfähigkeit von erbrachten Unterhaltszahlungen
bei der Beitragsbemessung (BVerfG [Kammerbeschluss] vom 15.4.1986 - 1 BvR 1304/85 - SozR 2200 § 385 Nr 15 S 15).
b) Die Maßgeblichkeit des Bruttoprinzips folgt auch nicht daraus, dass Unterhaltsansprüche im Bereich der GKV typischerweise
ein Ersatz für die entgangene Teilhabe am Arbeitsentgelt des Unterhaltsverpflichteten seien. Selbst wenn dies der Fall sein
sollte, wäre deshalb für Unterhaltsleistungen nicht die entsprechende Anwendung des für Arbeitsentgelt geltenden Bruttoprinzips
nach §
240 Abs
2 Satz 1
SGB V geboten. Maßgebend ist grundsätzlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Individuums ("des freiwilligen Mitglieds",
vgl BSG Urteil vom 30.10.2013 - B 12 KR 21/11 R - SozR 4-2500 § 240 Nr 19 RdNr 20). Die Einnahmen eines Dritten werden nur ausnahmsweise nach § 2 Abs 4 BeitrVerfGrsSz berücksichtigt.
Danach sind bei Mitgliedern, deren Ehegatte oder Lebenspartner nicht einer Krankenkasse (§
4 Abs
2 SGB V) angehört, bei der Beitragsbemessung auch deren Einnahmen heranzuziehen. Auf diese Einnahmen des Ehegatten oder Lebenspartners
sind (ua) die Grundsätze zur Bestimmung der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder sinngemäß anzuwenden (vgl § 2 Abs
4 Satz 2 BeitrVerfGrsSz idF vom 23.6.2021). Bei dem nachehelichen Unterhaltsanspruch handelt es sich dagegen um eine eigene
individuelle Einnahme der geschiedenen Klägerin. Aus welchen Einnahmequellen des Unterhaltsverpflichteten sich die nachehelichen
Unterhaltsleistungen zusammensetzen, ist für die Beitragsbemessung nicht erheblich. Es kommt - anders als im Steuerrecht -
gerade nicht zu einer Verschiebung der Bemessungsgrundlagen (s II.2.). Vielmehr entstehen gegebenenfalls zwei getrennt voneinander
zu betrachtende Beitragsansprüche der GKV gegenüber Unterhaltsberechtigter und Unterhaltsverpflichtetem, unabhängig davon,
ob diese - wirtschaftlich betrachtet - auf derselben Einkunftsquelle beruhen.
c) Soweit das LSG auf die familienrechtliche Grundlage der Unterhaltsleistungen hinweist, während Einkünfte aus Vermietung
und Verpachtung sowie aus Kapitaleinkünften aus vorhandenen Vermögenswerten erzielt würden, handelt es sich um kein relevantes
Unterscheidungsmerkmal. Es spricht weder gegen die Qualifizierung als beitragspflichtige Einnahme (s dazu I.) noch ist ersichtlich,
wieso aus diesem Grund Werbungskosten generell unbeachtlich sein sollten. Eine Differenzierung kann allenfalls dann von Bedeutung
sein, wenn sie auch mit unterschiedlichen Auswirkungen auf die "wirtschaftliche Leistungsfähigkeit" einhergeht. Das ist aber
nicht ersichtlich.
d) Dass Aufwendungen bei einem gesetzlichen Unterhaltsanspruch nicht zwangsläufig anfallen müssen, führt im Einzelfall zu
einer fehlenden Einkommensminderung, hindert aber nicht deren grundsätzliche Berücksichtigungsfähigkeit als Werbungskosten,
wenn sie tatsächlich entstanden sind. Die Zwangsläufigkeit ist - anders als bei außergewöhnlichen Belastungen iS des §
33 Abs
1 EStG - kein gesetzliches Tatbestandsmerkmal von Werbungskosten.
e) Für die Anwendung des Bruttoprinzips spricht schließlich auch nicht der zu erwartende Verwaltungsaufwand. Unterhaltsleistungen
sind im Einkommensteuerbescheid zwar nur unter den Voraussetzungen des begrenzten Realsplittings erfasst (s II.1.). Damit
kann die Beklagte - anders etwa als bei Arbeitseinkommen oder bei Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung - nicht in allen
Fällen auf das Ergebnis eines verwaltungsmäßig rechtssicheren und dem Grundsatz der Gleichbehandlung Rechnung tragenden Verfahrens
zurückgreifen. Es ist aber nicht ersichtlich, dass die gegebenenfalls erforderliche eigenständige Ermittlung und Bewertung
von bereinigten Unterhaltsleistungen für die Träger der GKV einen unzumutbaren Verwaltungsaufwand bedeuten würden, zumal Aufwendungen
zur Erlangung des Unterhalts nicht immer entstehen dürften; insoweit dürfte auch nicht - wie etwa bei Kapitaleinkünften -
mit regelmäßig komplexen Finanzvorgängen zu rechnen sein.
f) Mangels eines die Privilegierung von freiwillig Versicherten mit Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung oder aus Kapitalvermögen
rechtfertigenden sachlichen Grundes ist § 3 Abs 1b Satz 1 BeitrVerfGrsSz erweiternd dahin auszulegen, dass auch die die wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit einschränkenden Werbungskosten in Bezug auf Unterhaltsleistungen zu berücksichtigen sind. Für die erweiternde
Auslegung einer untergesetzlichen Regelung kommt es - anders als bei der analogen Anwendung von förmlichen Gesetzen - nicht
darauf an, ob insoweit eine planvolle oder planwidrige Regelungslücke vorliegt. Zwar überlässt §
240 Abs
1 Satz 1
SGB V dem SpVBdKK die einheitliche Regelung der Beitragsbemessung. Dieser Regelungsbefugnis sind aber durch höherrangiges Recht
Grenzen gesetzt (BSG Urteil vom 19.12.2012 - B 12 KR 20/11 R - BSGE 113, 1 = SozR 4-2500 § 240 Nr 17, RdNr 43 mwN). Die nach Art
3 Abs
1 GG gebotene erweiternde Auslegung des § 3 Abs
1b Satz 1 BeitrVerfGrsSz ist jedenfalls kein Eingriff, der den Fachgerichten wegen Art
100 Abs
1 GG verwehrt oder dem Normgeber wegen seines Gestaltungsspielraums (vgl hierzu etwa BVerwG Urteil vom 11.10.1996 - 3 C 29/96 - BVerwGE 102, 113 - juris RdNr 36) vorbehalten bleiben müsste. Ein normatives Ermessen ist insoweit nicht ersichtlich; die Alternative einer
(rückwirkenden) Änderung in dem Sinne, dass der Abzug von Werbungskosten auch für Versicherte mit Einnahmen aus Vermietung
und Verpachtung oder aus Kapitalvermögen ausgeschlossen würde, wäre schon mit den Geboten der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes
unvereinbar.
2. Die Beklagte hätte daher die Unterhaltsleistungen erst nach Abzug der in den EStB 2014 und 2015 ausgewiesenen Werbungskosten
als beitragspflichtige Einnahmen berücksichtigen dürfen. Auch hinsichtlich des Verfahrens zur Feststellung der abzugsfähigen
Werbungskosten sind die für Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung sowie Kapitalvermögen geltenden Vorschriften entsprechend
heranzuziehen.
Nach § 5 Abs 2 Satz 1 BeitrVerfGrsSz sind laufende beitragspflichtige Einnahmen grundsätzlich dem Beitragsmonat zuzuordnen,
in dem der Anspruch auf sie entsteht oder sie zufließen. Hiervon abweichend ist das Arbeitseinkommen dem jeweiligen Beitragsmonat
mit einem Zwölftel des dem vorliegenden aktuellen Einkommensteuerbescheid zu entnehmenden Jahresbetrags zuzuordnen (§ 5 Abs
2 Satz 2 Halbsatz 1 BeitrVerfGrsSz). Dies gilt für Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie grundsätzlich auch für Einnahmen
aus Kapitalvermögen entsprechend, wobei für letztere an die Stelle des Einkommensteuerbescheids auch andere Beweismittel iS
des § 6 Abs 3 Satz 2 BeitrVerfGrsSz für die Gesamtheit der innerhalb eines Kalenderjahres erzielten Einnahmen treten können
(vgl § 5 Abs 2 Satz 3 und 4 BeitrVerfGrsSz). Nach § 6 Abs 3 BeitrVerfGrsSz entscheidet die Krankenkasse grundsätzlich nach
pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts, welche Beweismittel (Nachweise) sie für erforderlich hält (Satz 2);
der Nachweis ist für Arbeitseinkommen sowie Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung immer über den aktuellen Einkommensteuerbescheid
zu führen, sofern eine Veranlagung zur Einkommensteuer bereits erfolgt ist (Satz 2 Nr 1).
Diesen Regelungen liegen die Erwägungen aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung zugrunde, dass die genannten Einkünfte
im Jahresverlauf erheblichen Schwankungen unterliegen können und daher eine jahresweise Betrachtung angezeigt ist. Außerdem
sprechen Gründe der Verwaltungsvereinfachung für die grundsätzliche Parallelität von sozialversicherungs- und steuerrechtlicher
Einkommensermittlung. Dadurch wird auch vermieden, dass Gestaltungsmöglichkeiten unterschiedlich ausgenutzt werden könnten.
Diese Überlegungen (vgl hierzu BSG Urteil vom 30.10.2013 - B 12 KR 21/11 R - SozR 4-2500 § 240 Nr 19 RdNr 21 ff; BSG Urteil vom 28.5.2015 - B 12 KR 12/13 R - SozR 4-2500 § 240 Nr 26 RdNr 19 ff) sprechen grundsätzlich auch hier dafür, die in den EStB 2014 und 2015 konkret ausgewiesenen
Werbungskosten als nachgewiesen anzusehen. Die Beklagte kann zwar wegen der Höhe der Unterhaltsleistungen gegebenenfalls auch
andere Unterlagen heranziehen. Legt sie aber - wie hier - den Einkommensteuerbescheid für die Höhe der Unterhaltsleistungen
(vgl oben I.2.) zugrunde, so muss sie sich auch hinsichtlich der Höhe der darin ausgewiesenen Werbungskosten daran festhalten
lassen.
Dass mit den EStB 2014 und 2015 die jeweiligen Änderungen erst ab Beginn des auf die Ausfertigung der Bescheide folgenden
Monats und damit zeitversetzt berücksichtigt werden konnten, ist hier - auch insoweit vergleichbar zu Einnahmen aus Vermietung
und Verpachtung (§ 6 Abs 6 iVm § 7 Abs 7 BeitrVerfGrsSz; vgl BSG Urteil vom 30.10.2013 - B 12 KR 21/11 R - SozR 4-2500 § 240 Nr 19 RdNr 21; BSG Urteil vom 2.9.2009 - B 12 KR 21/08 R - BSGE 104, 153 = SozR 4-2500 § 240 Nr 12, RdNr 16) - aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung hinzunehmen. Die für Arbeitseinkommen sowie
Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung geregelte vorläufige Beitragsfestsetzung nach §
240 Abs
4a SGB V ist erst durch das Gesetz zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung vom 4.4.2017 (BGBl I 778) mit Wirkung ab 1.1.2018
eingeführt worden und spielt daher für den vorliegenden Streitzeitraum noch keine Rolle.
V. Unter Berücksichtigung der im EStB 2014 ausgewiesenen Einkünfte und Werbungskosten waren für Juni 2016 bis Januar 2017
der Beitragsbemessung beitragspflichtige Einnahmen iHv 799,17 Euro monatlich (13 805 Euro Unterhalt - 5836 Euro Werbungskosten
+ 409 Euro Arbeitseinkommen + 1212 Euro Mieteinkünfte = 9590 Euro jährlich : 12) zugrunde zu legen und damit "Mindestbeiträge"
nach dem neunzigsten Teil der monatlichen Bezugsgröße je Kalendertag (§
240 Abs
4 Satz 1
SGB V; monatlich 968,33 Euro [2016] und 991,67 Euro [2017]) festzusetzen. Ab Februar 2017 waren bei der Beitragsbemessung beitragspflichtige
Einnahmen iHv 1048,50 Euro monatlich (12 000 Euro Unterhalt - 724 Euro Werbungskosten + 42 Euro Arbeitseinkommen + 1264 Euro
Mieteinkünfte = 12 582 Euro jährlich : 12) heranzuziehen.
VI. Die Kostenentscheidung nach §
193 SGG berücksichtigt, dass die Klägerin für 8 Monate voll und für 11 Monate nur etwa zur Hälfte und damit insgesamt zu ca drei
Vierteln obsiegt hat.