Zulässigkeit eines Arzneimittelherstellerrabattes bei der Abgabe von Blutzubereitungen an Patienten, Ärzte und Krankenhäuser
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten im Kern darüber, ob die Abgabe des Arzneimittels "Berinert P" an Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung
(GKV) dem Arzneimittelherstellerabschlag des §
130a SGB V unterliegt.
Das apotheken- und verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel Berinert P (Hersteller: , M.), das zur intravenösen Behandlung
erblicher Angioödeme bestimmt ist, wird aus menschlichem Blutplasma gewonnen. Von Januar bis August 2004 gab der klagende,
in Frankfurt am Main ansässige Apotheker das Mittel auf vertragsärztliche Verordnungen hin an Versicherte der beklagten Ersatzkasse
ab, ohne dafür seine Rechnungen für die Beklagte jeweils um den Herstellerabschlag zu vermindern. Die Beklagte war der Auffassung,
dass für verschreibungspflichtige Arzneimittel außerhalb der Festbetragsregelung, deren Preisgestaltung sich nach der Arzneimittelpreisverordnung
(AMPreisV) richte, generell 16% Herstellerrabatt nach §
130a SGB V anfielen. Sie verrechnete daraufhin die nach ihrer Ansicht zuviel gezahlten Beträge im Rahmen von Retaxierungen mit unstreitigen
Forderungen des Klägers. Dieser vertrat dagegen die Ansicht, das Mittel sei als Blutplasmaprodukt ohne einheitlichen Herstellerabgabepreis
vom Herstellerrabatt ausgenommen.
Die nach vergeblicher Mahnung des Klägers mit dem Antrag erhobene Klage, die Beklagte zur Zahlung von 30.217,60 Euro nebst
5% Zinsen über dem Basiszinssatz zu verurteilen, ist beim Sozialgericht (SG) ohne Erfolg geblieben (Gerichtsbescheid vom 5.6.2007). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen:
Er habe den Herstellerabschlag von seinen Abrechnungen gegenüber der Beklagten absetzen müssen, sodass der Beklagten ein aufrechnungsfähiger
Restzahlungsanspruch zugestanden habe. Berinert P gehöre zu den rabattierungspflichtigen Arzneimitteln. Der für Patienten
maßgebliche Arzneimittelabgabepreis, an den §
130a Abs
1 SGB V anknüpfe, bestimme sich nach der AMPreisV iVm § 78 Arzneimittelgesetz (AMG). Das Beitragssicherungsgesetz (BSSichG) habe den Krankenkassen (KKn) diesen Rabatt zu ihrer finanziellen Entlastung gegenüber
den pharmazeutischen Unternehmen eingeräumt. Die dem zugrunde liegenden Regelungen seien verfassungsgemäß. Der als Ausgangspunkt
für die Rabatte für apothekenpflichtige Fertigarzneimittel maßgebliche Herstellerabgabepreis bestimme sich nach der sog Lauer-Taxe.
§ 1 Abs 3 AMPreisV, der in bestimmten Fällen ausnahmsweise die Nichtanwendbarkeit der Preisbestimmungsvorgaben vorsehe, greife
nicht ein. Apothekenpflichtige Fertigarzneimittel unterlägen nur dann nicht dem Preisrecht, wenn sie an die in § 47 Abs 1 Nr 2a AMG "genannten Personen und Einrichtungen" und "unter den dort bezeichneten Bedingungen" abgegeben würden. Das sei bei bestimmten
Blutprodukten - wie Berinert P - nur bei der Abgabe an Krankenhäuser und Ärzte der Fall. Hier habe dagegen eine Abgabe durch
die Apotheke des Klägers an krankenversicherte Patienten auf der Grundlage vertragsärztlicher Verordnungen stattgefunden und
nicht im Rahmen eines Direktvertriebs. Die Gewährung von Herstellerrabatt hänge nicht davon ab, dass für alle zulässigen Abgabeformen
ein einheitlicher Herstellerabgabepreis existiere. Die vom Kläger vertretene gegenteilige Auslegung des § 1 Abs 3 AMPreisV
überschreite die Grenzen zulässiger Norminterpretation und laufe der gesetzgeberischen Intention zuwider, durch Rabattierungen
auf die defizitäre Ausgabenentwicklung in der GKV einzuwirken. Ministerielle Stellungnahmen seien ungeeignet, eindeutige normative
Bestimmungen umzudeuten. Die zutreffende Auslegung verletze keine Grundrechte des Klägers (Urteil vom 29.1.2009).
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von §
130a SGB V. Zu Unrecht habe das LSG für das Eingreifen des Herstellerrabatts auf die konkrete Abgabe im Einzelfall abgestellt anstelle
darauf, dass bei der Abgabe von Blutzubereitungen wie Berinert P an Patienten, Ärzte wie Krankenhäuser keine einheitliche
Preisbindung bestehe. Nach § 78 Abs 2 Satz 2 AMG sei nur für apothekenpflichtige Arzneimittel ein einheitlicher Apothekenabgabepreis für Endverbraucher zu gewährleisten,
um auf dieser Ebene einen Preiswettbewerb auszuschließen. In diesem Sinne müssten auch §
130a Abs
1 Satz 5
SGB V und die AMPreisV gelesen werden. Seit 1.5.2006 regele §
130a Abs
1 Satz 5
SGB V - die bereits zuvor geltenden Rechtslage klarstellend -, dass der Herstellerrabatt nur für Fertigarzneimittel zu entrichten
sei, für die auch die Arzneimittelpreisvorschriften Anwendung fänden. Das sei bei Blutplasmaprodukten nicht der Fall, weil
sie nach § 47 Abs 1 Nr 2a iVm § 43 Abs 3 AMG von der Apothekenpflicht ausgenommen seien und somit vom Hersteller direkt an Krankenhäuser und Ärzte abgegeben werden dürften.
Die AMPreisV stelle nicht auf die konkrete Abgabe im Einzelfall ab, sondern auf die grundsätzliche Möglichkeit verschiedener
Abgabenwege; sie sei immer dann unanwendbar, wenn nach § 47 Abs 1 Nr 2a AMG - wie hier - allgemein auch eine Abgabe vom Arzneimittelhersteller an Ärzte und Krankenhäuser zugelassen sei. Diese Auslegung
sei seit dem Jahr 2003 wiederholt in Schreiben und Stellungnahmen des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziales vertreten
worden und werde auch von den meisten KKn - nicht aber von der Beklagten - geteilt. Die Auslegung sei authentisch, da der
Gesetzentwurf, mit dem der Herstellerrabatt eingeführt worden sei, in maßgeblichen Teilen aus dem Ministerium stamme. Die
gleiche Rechtsposition werde auch in Kommentierungen und Veröffentlichungen vertreten. Das Zusammenspiel von §§ 78, 47, 43 AMG sowie § 1 Abs 1 AMPreisV begründe für sämtliche der in § 47 genannten Produkte eine Ausnahme von der Apothekenpflicht des § 43 AMG mit der Folge, dass diese Produkte keinen einheitlichen Herstellerabgabepreis hätten. § 1 Abs 3 AMPreisV stehe dem nicht entgegen, weil er nicht den Anwendungsbereich der AMPreisV begrenze, sondern nur der Klarstellung
innerhalb des gesetzlichen Rahmens diene. Die Interpretation des LSG widerspreche dagegen Wortlaut und Intention des §
130a Abs
1 Satz 1
SGB V und verletze die Grundrechte betroffener Apotheker aus Art
12 Abs
2 und Art
3 Abs
1 GG; die Auslegung bewirke, dass pharmazeutische Unternehmer ein Interesse daran hätten, zur Vermeidung des Herstellerrabatts
nur noch direkte Lieferungen an Ärzte und Krankenhäuser vorzunehmen, nicht aber an Apotheken zur Weitergabe an krankenversicherte
Patienten.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Hessischen Landessozialgerichts vom 29. Januar 2009 sowie des Gerichtsbescheides
des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 5. Juni 2007 zu verurteilen, ihm (dem Kläger) 30.217,60 Euro nebst 5% Zinsen über
dem Basiszinssatz seit 3. August 2005 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend.
II
Die zulässige Revision des klagenden Apothekers ist unbegründet.
Der zwischen den Beteiligten nicht umstrittene, zulässig mittels einer allgemeinen Leistungsklage geltend gemachte Anspruch
des Klägers auf Zahlung von 30.217,60 Euro ist durch Aufrechnung erloschen. Gegen diesen Zahlungsanspruch des Klägers (vgl
allgemein BSGE 97, 23 = SozR 4-2500 § 129 Nr 3, jeweils RdNr 10) durfte die beklagte Ersatzkasse mit den ihr in der Zeit von Januar bis August
2004 zustehenden Ansprüchen auf Erstattung überzahlter Arzneimittelrabatte für das Fertigarzneimittel Berinert P aufrechnen.
Die Beklagte hat die Verfahrensregelungen des hier einschlägigen Arzneilieferungsvertrages für Rechnungskorrekturen eingehalten,
wie es das LSG bejaht und der Kläger nicht anzweifelt. Es ist auch sonst nichts ersichtlich, was der Wirksamkeit der Aufrechnung
der Beklagten entgegensteht. Die Beklagte hat sich zu Recht darauf gestützt, dass die in der Apotheke des Klägers erfolgte
Abgabe von Berinert P an ihre Versicherten jeweils dem Arzneimittelherstellerrabatt des §
130a SGB V unterlag. Sie hat deshalb dem Kläger hierfür in Höhe der vorgenommenen Retaxierung ohne Rechtsgrund 30.217,60 Euro zuviel
gezahlt, deren Erstattung sie aufgrund des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs verlangen konnte.
1. Nach §
130a Abs
1 Satz 1
SGB V (für das hier streitige Jahr 2004 noch anzuwenden idF des Gesetzes zur Sicherung der Beitragssätze - BSSichG, vom 23.12.2002,
BGBl I 4637) erhalten die KKn von Apotheken für ab dem 1.1.2003 zu ihren Lasten (zB an ihre Versicherten) abgegebene Arzneimittel
einen prozentualen Abschlag vom "Herstellerabgabepreis". Den KKn wird dieser Abschlag zuteil, indem sie die Apotheken-Rechnungen
nur in eingeschränktem, um den Rabatt gekürztem Umfang bezahlen oder - wie hier - Überzahlungen retaxieren. Die Apotheker
tragen die Kosten der Rabatte aber letztlich nicht selbst. Vielmehr sind die pharmazeutischen Unternehmer verpflichtet, den
Abschlag den Apotheken innerhalb von zehn Tagen nach Geltendmachung des Anspruches zu erstatten (vgl §
130a Abs
1 Satz 2 und 4
SGB V; zum Verfahren vgl bereits BSG, Beschluss vom 22.4.2008, B 1 SF 1/08 R, SozR 4-1500 § 51 Nr 4 RdNr 2 ff). Im Jahr 2004 betrug der Abschlag für verschreibungspflichtige Arzneimittel 16 vH (§
130a Abs
1a SGB V, eingeführt durch Art 1 Nr 1 GKV-Modernisierungsgesetz [GMG] vom 14.11.2003, BGBl I 2190).
§
130a SGB V unterwirft nur solche Fertigarzneimittel dem Herstellerrabatt, deren Apothekenabgabepreise aufgrund der Preisvorschriften
nach dem AMG oder aufgrund des §
129a SGB V bestimmt sind (BSG, Urteil vom 28.7.2008 - B 1 KR 4/08 R - BSGE 101, 161 = SozR 4-2500 § 130a Nr 3 RdNr 15 ff mwN). Dieses regelt mit Wirkung vom 1.5.2006 ausdrücklich §
130a Abs
1 Satz 5
SGB V (eingefügt durch Art 1 Nr
7a Gesetz zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der Arzneimittelversorgung - AVWG - vom 26.4.2006, BGBl I 984), galt aber
auch bereits zuvor. Der erkennende 1. Senat des Bundessozialgerichts (BSG; vgl ebenda) hat dies allen seit 2003 geltenden
Fassungen der gesetzlichen Regelungen und insbesondere den Gesetzesmaterialien zum AVWG entnommen, die insoweit nur von einer
"Klarstellung" der schon zuvor geltenden Rechtslage ausgehen.
2. Zu Recht hat das LSG angenommen, dass die Preisvorschriften nach dem AMG für die Abgabe des apotheken- und verschreibungspflichtigen Fertigarzneimittels Berinert P durch die Apotheke des Klägers
an bei der Beklagten versicherte Endverbraucher in den Monaten Januar bis August 2004 eingriffen.
a) Nach dem Preisrecht des AMG wird der Arzneimittelabgabepreis an Endverbraucher ausgehend von dem vom Hersteller festgelegten Preis unter Hinzurechnung
der Handelsspannen für Großhandel und Apotheken bestimmt. Seit dem Inkrafttreten des Vierten Gesetzes zur Änderung des AMG war gemäß § 78 Abs 2 Satz 2 AMG ein - für den Endverbraucher maßgeblicher - einheitlicher Apothekenabgabepreis für solche Arzneimittel zu gewährleisten,
die vom Verkehr außerhalb der Apotheken ausgeschlossen, also apothekenpflichtig sind (Regelung eingefügt durch Art 1 Nr 44 Viertes Gesetz zur Änderung des AMG vom 11.4.1990, BGBl I 717, mWv 20.4.1990). Damit sollte die flächendeckende und gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit
Arzneimitteln durch Apotheken sichergestellt werden. Einzelheiten regelt auf der Grundlage des § 78 Abs 1 AMG die AMPreisV (idF durch Art 2 § 12 Gesetz vom 20.7.2000, BGBl I 1045; hier anzuwenden idF von Art 24 Nr 1 GMG mWv 1.1.2004). Sie legt zwingend (vgl § 1 Abs
1 Nr 1 und 2 AMPreisV) ua für Fertigarzneimittel, deren Abgabe nach § 43 Abs 1 AMG den Apotheken vorbehalten ist, die Preisspannen des Großhandels bei der Abgabe im Wiederverkauf an Apotheken (vgl § 2 AMPreisV)
sowie die Preisspannen der Apotheken bei der Abgabe im Wiederverkauf fest (§ 3 AMPreisV; vgl zum Ganzen BSGE 101, 161 = SozR 4-2500 § 130a Nr 3, jeweils RdNr 18 ff; BSG SozR 4-1500 § 51 Nr 4 RdNr 3).
§ 78 Abs 3 AMG (idF durch Art 30 Nr 5 GKV-WSG) stellt insoweit die Rechtslage zusammenfassend klar (vgl Bericht des Ausschusses für Gesundheit/14. Ausschuss zum Gesetzentwurf
eines GKV-WSG ua der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, BT-Drucks 16/4247 S 65 f zu Art 30 Nr 5). Danach ist ein einheitlicher Abgabepreis
des pharmazeutischen Unternehmers für alle Arzneimittel zu gewährleisten, soweit für diese verbindliche Preise und Preisspannen
durch die AMPreisV bestimmt sind. Erst hierdurch ergibt sich in Verbindung mit den Handelszuschlägen, die die AMPreisV festlegt,
ein einheitlicher, bei der Abgabe an den Endverbraucher verbindlicher Apothekenabgabepreis.
Durch diese Regelungen soll gewährleistet werden, dass bei Arzneimitteln ein Preiswettbewerb auf nationaler Ebene auf den
Handelsstufen ausscheidet, soweit die Preisvorschriften nach dem AMG greifen, der Hersteller das Arzneimittel in Deutschland vertreibt und dieses über den Großhandel und die Apotheke an die
Patienten gelangt. Ferner liegt dabei die Vorstellung des Gesetzgebers zugrunde, dass die indirekte Festsetzung einheitlicher
Apothekenverkaufspreise geboten ist, um der Schlüssel- und Beratungsfunktion des Apothekers bei der Abgabe von Arzneimitteln
an Endverbraucher gerecht zu werden (zum Ganzen vgl bereits: BSGE 101, 161 =, SozR 4-2500 § 130a Nr 3, jeweils RdNr 18 ff; BSG SozR 4-1500 § 51 Nr 4 RdNr 3 f).
b) Berinert P erfüllt die Voraussetzungen des § 1 Abs 1 Nr 2 AMPreisV, da es ein apotheken- und verschreibungspflichtiges
Fertigarzneimittel ist. Nach § 1 Abs 1 Nr 2 AMPreisV werden ua für Arzneimittel, die im voraus hergestellt und in einer zur
Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht werden (Fertigarzneimittel) und deren Abgabe nach § 43 AMG den Apotheken vorbehalten ist, die Preisspannen des Großhandels bei der Abgabe im Wiederverkauf an Apotheken sowie die Preisspannen
der Apotheken bei der Abgabe im Wiederverkauf festgelegt. Nach § 43 Abs 1 AMG dürfen Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs 1 oder Abs 2 Nr 1 AMG, die nicht durch die Vorschriften des § 44 AMG oder der nach § 45 Abs 1 AMG erlassenen Rechtsverordnung für den Verkehr außerhalb der Apotheken freigegeben sind, außer in den Fällen des § 47 AMG berufs- oder gewerbsmäßig für den Endverbrauch nur in Apotheken und ohne behördliche Erlaubnis nicht im Wege des Versandes
in den Verkehr gebracht werden; das Nähere regelt das Apothekengesetz. Berinert P ist ein Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs 1 Nr 1 AMG. Es ist nicht durch die Vorschriften des § 44 AMG oder der nach § 45 Abs 1 AMG erlassenen Rechtsverordnung für den Verkehr außerhalb der Apotheken freigegeben. Unschädlich ist, dass es in den Fällen des
§ 47 AMG berufs- oder gewerbsmäßig für den Endverbrauch nicht in Apotheken und ohne behördliche Erlaubnis nicht im Wege des Versandes
in den Verkehr gebracht werden darf.
Entgegen der Ansicht des Klägers sieht § 47 AMG keine Ausnahme von der Apothekenpflicht des § 43 AMG vor. Vielmehr knüpft § 47 an die in § 43 AMG geregelte Apothekenpflicht ausweislich seines Einleitungssatzes ("Arzneimittel, deren Abgabe den Apotheken vorbehalten ist
...") an und umreißt die Befugnis, die (apothekenpflichtigen) Arzneimittel dennoch an näher umschriebene Personen und Institutionen
außerhalb des Apothekenbereichs abzugeben.
Auch aus den Gesetzesmaterialien kann der Kläger nichts für sich herleiten. Soweit dort die Auffassung anklingt, dass Blutprodukte
zu den Arzneimitteln gehören, für die keine Preisbindungen aufgrund von Vorschriften des AMG gelten, sodass für diese kein Herstellerrabatt anfalle (so Ausschuss für Gesundheit [14. Ausschuss] des Deutschen Bundestages,
Beschlussempfehlung und Bericht zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD - Drucks 16/194 - Entwurf eines Gesetzes
zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der Arzneimittelversorgung, BT-Drucks 16/691, S 17 zu Buchst g [Nr 7 - § 130a] zu
Buchst a [§ 130a Abs 1] am Ende und zu Buchst b [§ 130a Abs 3a und 3b] vorletzter Absatz), können durchaus Blutprodukte gemeint
sein, die zB keine Fertigarzneimittel sind. Eine weiter gehende Aussage hat jedenfalls im gesetzlichen und untergesetzlichen
Normtext keinen positiven Niederschlag gefunden. Sie könnte deshalb nicht zur Grundlage einer vermeintlich authentischen Gesetzesinterpretation
gemacht werden (vgl zuletzt - in anderem Zusammenhang - BSG, Urteil vom 30.6.2009 - B 1 KR 17/08 R, RdNr 20, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).
c) Ein Ausnahmefall, bei dem insbesondere wegen des Vertriebswegs das Arzneimittelpreisrecht nicht eingreift, liegt nicht
vor. § 1 Abs 3 Nr 3 AMPreisV nimmt "die Preisspannen und Preise der Apotheken" aus, "wenn es sich um eine Abgabe handelt ...
an die in § 47 Abs 1 Nr 2 bis 7 des Arzneimittelgesetzes genannten Personen und Einrichtungen unter den dort bezeichneten
Voraussetzungen." Um eine derartige, die Preisbindung und die Abführung des Herstellerrabatts ausschließende Abgabeform ging
es bei der Abgabe von Berinert P durch die Apotheke des Klägers an die Versicherten der Beklagten nicht. Nach § 47 Abs 1 Nr 2 Buchst a AMG dürfen "pharmazeutische Unternehmer und Großhändler ... Arzneimittel, deren Abgabe den Apotheken vorbehalten ist, außer an
Apotheken nur abgeben an ... Krankenhäuser und Ärzte, soweit es sich handelt um aus menschlichem Blut gewonnene Blutzubereitungen
oder gentechnologisch hergestellte Blutbestandteile, die, soweit es sich um Gerinnungsfaktorenzubereitungen handelt von dem
hämostaseologisch qualifizierten Arzt im Rahmen der ärztlich kontrollierten Selbstbehandlung von Blutern an seine Patienten
abgegeben werden dürfen". Diese Voraussetzungen waren hier indessen nicht erfüllt.
Berinert P ist zwar eine Blutzubereitung im Sinne der vorgenannten Regelung, jedoch erfolgte die Abgabe durch den Kläger gerade
nicht an Krankenhäuser und Ärzte, sondern an bei der Beklagten krankenversicherte Patienten auf der Grundlage vertragsärztlicher
Verordnungen. Lag mithin eine Abgabe vor, für die das Preisbildungssystem des § 1 Abs 1 AMPreisV maßgeblich ist, musste dem
in der Weise Rechnung getragen werden, dass bei der Abrechnung mit der Beklagten der vom Arzneimittelhersteller bekannt gemachte
und in der sog "Lauer-Taxe" ausgewiesene Herstellerabgabepreis zu Grunde zu legen war, über dessen Höhe zwischen den Beteiligten
kein Streit besteht (zum Begriff vgl BGH, Urteil vom 22.2.1984 - I ZR 13/82 = NJW 1986, 1544 [zu § 3 Abs 2 AMPreisV vom 14.11.1980]; zur Bedeutung der Lauer-Taxe vgl zB LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 8.4.2009
- L 21 KR 27/09 SFB, juris RdNr 40 ff).
d) Abweichend von der Auffassung des Klägers kommt es nach § 1 Abs 3 Nr 3 AMPreisV auf die "tatsächlich" erfolgte Abgabe an
und reicht es nicht schon aus, dass die Arzneimittel auch vom Hersteller an Krankenhäuser und Ärzte in rechtlich zulässiger
Weise abgegeben werden "dürfen". Diese Auslegung ergibt sich aus Wortlaut, systematischen Zusammenhang sowie Sinn und Zweck
der einschlägigen Regelungen (aA Kraft, Deutsche Apotheker Zeitung 2007, 826 f).
aa) Schon aus dem Wortlaut des § 1 Abs 3 AMPreisV wird deutlich, dass bei den dort genannten Sachverhalten keine generelle
Freistellung von den Arzneimittelpreisspannenvorgaben vorgenommen wird. Denn anders als für nicht verschreibungspflichtige
Arzneimittel in § 1 Abs 4 AMPreisV geregelt, werden verschreibungs- und apothekenpflichtige Fertigarzneimittel weder generell
noch die hier betroffenen Blutplasmaprodukte im besonderen nicht von vornherein in einer allgemein umschriebenen Weise dem
Anwendungsbereich des § 1 Abs 1 AMPreisV entzogen. Eine Regelung dazu, dass das Arzneimittelpreisrecht bereits immer dann
nicht zur Anwendung kommt, wenn ein Hersteller - unabhängig von der konkret erfolgten Abgabeform - berechtigt ist, bestimmte
Mittel direkt an Krankenhäuser und Ärzte abzugeben, enthält die AMPreisV demgegenüber nicht.
bb) Auch nach der Regelungssystematik des § 1 AMPreisV ist auf die jeweils erfolgte konkrete Abgabeform und nicht bereichsübergreifend
darauf abzustellen, ob ein Hersteller ein Fertigarzneimittel unter Umgehung von Apotheken direkt an Krankenhäuser und Ärzte
abgegeben darf. § 1 AMPreisV, der den "Anwendungsbereich der Verordnung" regelt, beruht in Abs 1 bis 3 auf dem Gestaltungsprinzip
eines Regel-Ausnahmeverhältnisses: Während sein Abs 1 Fertigarzneimittel, deren Abgabe nach § 43 Abs 1 AMG den Apotheken vorbehalten ist, der Festlegung von Preisspannen beim Apothekenabgabepreis unterwirft, sieht § 1 Abs 4 AMPReisV eine gänzliche, generelle Freistellung von dem Preisrecht der AMPreisV für apothekenpflichtige, aber nicht
verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel vor. Demgegenüber knüpft § 1 Abs 3 AMPreisV die Nichtanwendbarkeit der Preisbestimmungsvorgaben
für apothekenpflichtige Fertigarzneimittel an im einzelnen geregelte Voraussetzungen, nämlich daran, dass es sich um eine
Abgabe handelt, deren Modalität in Nr 1 bis 6 näher umschrieben wird. Nr 1 (Abgabe durch Krankenhausapotheken) stellt dabei
auf besonders privilegierte Abgabestellen ab, während Nr 2 (Abgabe an Krankenhäuser, gleichgestellte Einrichtungen, Justizvollzugsanstalten
und Jugendarrestanstalten), Nr 3 (Fälle des § 47 Abs 1 Nr 2 bis 7 AMG), Nr 3a (Abgabe von Impfstoffen an Krankenhäuser, Gesundheitsämter und Ärzte) und Nr 5 (Gesundheitsämter) die Privilegierung auf
Abgabevorgänge an bestimmte Empfänger und zusätzlich bestimmte Verwendungszwecke bezieht; dagegen kommt es nur nach Nr 4 (Grippevorsorgemaßnahmen)
und nach Nr 6 (Bluterkrankheit, Dialyse Nierenkranker) nicht darauf an, an wen die Fertigarzneimittel ausgeliefert werden.
In diese Systematik reiht sich zwanglos § 1 Abs 3 Nr 3 AMPreisV mit seiner Verweisung auf wiederum nur bestimmte - und nicht
generell sämtliche - Fallkonstellationen innerhalb des § 47 Abs 1 AMG ein, ua auf den hier einschlägigen, unter 2 b) näher umschriebenen § 47 Abs 1 Nr 2a AMG.
cc) Schließlich sprechen auch Sinn und Zweck der Regelungen zur Preisbildung bei Fertigarzneimitteln und zum daran anknüpfenden
Arzneimittelrabatt dafür, auf den konkreten Vertriebsvorgang abzustellen und nicht darauf, ob es dem Hersteller allgemein
möglich ist, das gleiche Mittel auch ohne Preisbindung direkt an Krankenhäuser und Ärzte abzugeben.
Wie unter 2 a) dargestellt, ist es Aufgabe des Arzneimittelpreisrechts zu gewährleisten, dass bei Arzneimitteln zum Schutz
der Endverbraucher und Patienten kein Preiswettbewerb unter den Apotheken stattfindet und so eine flächendeckende und gleichmäßige
Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sichergestellt wird. Dann aber kann bei der Auslegung Gesichtspunkten keine ausschlaggebende
Bedeutung zukommen, die außerhalb dieser Zielrichtung stehen. Demzufolge verbietet es sich, entscheidendes Gewicht darauf
zu legen, dass im hier betroffenen Bereich neben der Abgabe durch Apotheken auch noch ein Direktvertrieb des Herstellers an
Ärzte und Krankenhäuser rechtlich zulässig ist. Einen Schutz der Apotheken vor diesen anderen möglichen Vertriebsformen bezwecken
die Preisvorgaben jedenfalls nicht. Das wird auch an den sonstigen Ausnahmen von der Geltung des Preisrechts deutlich, die
sämtlich nicht den "typischen" Erwerb von Arzneimitteln durch Endverbraucher zum Gegenstand haben, sondern öffentliche Einrichtungen
begünstigen oder sonst Gründe des Allgemeinwohls in den Blick nehmen.
Eine abweichende Auslegung würde - wie bereits das LSG zutreffend dargelegt hat - zudem den Zielen des Gesetzgebers zuwiderlaufen,
die er mit der Einführung der Rabattierungsregelung in §
130a Abs
1 SGB V und der dabei erfolgten Anknüpfung an das Arzneimittelpreisrecht verfolgte. Durch diese Regelung sollte nämlich zu Gunsten
der KKn Einfluss auf Ausgabenentwicklung und finanzielle Situation der GKV genommen und insoweit auch den pharmazeutischen
Unternehmen zur Stabilisierung der Arzneimittelkosten ein angemessener Beitrag abverlangt werden (vgl Gesetzentwurf der Fraktionen
SPD und Bündnis 90/Die Grünen zum Entwurf des BSSichG, BT-Drucks 15/28, S 1, 11, 12 [unter II. 1a], 16 [zu Nr 8, § 130a des
Entwurfs]). Eine Ausklammerung von typischen Erwerbsvorgängen, wie sie die Arzneimittelabgabe an Versicherte in einer Apotheke
auf vertragsärztliche Verordnung hin darstellt, aus der generell angeordneten Geltung der arzneimittelrechtlichen Preisregelungen
ohne explizite Ausnahmeregelung und ohne erkennbare Gründe für eine solche Ausnahme ist hiermit unvereinbar.
3. Die vom Kläger geltend gemachten Grundrechtsverletzungen durch die hier vorgenommene Anwendung des §
130a SGB V iVm § 78 AMG und § 1 Abs 3 AMPreisV liegen nicht vor.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat das BSSichG einschließlich des mit ihm eingeführten §
130a SGB V als mit dem
GG vereinbar angesehen (BVerfGE 108, 45 = SozR 4-2500 § 130a Nr 1; BVerfGE 114, 196 = SozR 4-2500 § 266 Nr 9). Dem Kläger kann auch nicht darin gefolgt werden, dass die vorgenommene Auslegung des §
130a Abs
1 SGB V unzulässig in seine Berufsausübungsfreiheit (Art
12 Abs
1 GG) eingreife und zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung iS von Art
3 Abs
1 GG führe. Die Annahme, dass pharmazeutische Unternehmen dadurch einen Anreiz erhielten, Apotheken von der Abgabe von Blutzubereitungen
auszunehmen und stattdessen - ohne Rabattierungen ausgesetzt zu sein - den direkten Vertriebsweg an Ärzte und Krankenhäuser
wählten, ist weder in den Tatsacheninstanzen noch im Revisionsverfahren mit Fakten untermauert worden. Darüber hinaus fällt
ins Gewicht, dass Apotheken nicht einmal in einem direkten Wettbewerbsverhältnis zu den anderen genannten Leistungserbringern
stehen, sodass von grundrechtsrelevanten Wettbewerbsverfälschungen mit objektiv berufsregelnder Tendenz (vgl dazu zB BVerfGE
105, 252, 273; BVerfGE 105, 279, 303) nicht ausgegangen werden kann. Der Gesetzgeber verfügt im Bereich der sozialen Sicherungssysteme zudem über einen weiten,
nur ausnahmsweise eingeschränkten Gestaltungsspielraum, wobei gerade im Gesundheitswesen dem Kostenaspekt ein erhebliches
Gewicht zukommt (vgl zB BSG, Urteil vom 6.11.2008 - B 1 KR 6/08 R - SozR 4-2500 § 34 Nr 4 RdNr 18 mwN, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; BVerfGE 103, 172, 184 = SozR 3-5520 § 25 Nr 4). Bloße Erwerbschancen ohne nennenswerte Beeinträchtigungen - hier ohnehin nur bezogen auf eine
Produktgruppe von Fertigarzneimitteln - werden durch Art
12 Abs
1 GG nicht geschützt (vgl zB BVerfGE 24, 236, 251; 81, 108, 122; 110, 370, 394 105, 252, 265; 106, 275, 299; 110, 274, 288; 116, 135, 152).
5. Die Festsetzung des Streitwertes ergibt sich aus § 52 Abs 3 Gerichtskostengesetz.