Anforderungen an eine Kostenprivilegierung als Sonderrechtsnachfolger im sozialgerichtlichen Verfahren
Gründe:
I
Die Klägerin begehrt die Anerkennung einer Lungenkrebserkrankung ihres verstorbenen Ehemannes (im Folgenden: Versicherter)
als Berufskrankheit (BK) Nr 1302 (Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe) sowie der BK Nr 1310 (Erkrankungen durch halogenierte
Alkyl-, Aryl- oder Alkylaryloxide) der Anlage 1 der
Berufskrankheitenverordnung.
Der Versicherte zeigte 2001 seine Lungenkrebserkrankung bei der Beklagten an und führte diese auf seine Beschäftigung bei
der Firma B in H zurück. Die Beklagte lehnte die Anerkennung der BKen 1302 und 1310 sowie der BK 4104 ab (Bescheide vom 7.8.2003
und 9.1.2003; Widerspruchsbescheid vom 25.2.2004). Der Versicherte hat hiergegen Klage zum SG erhoben. Nach dem Tod des Versicherten am 29.11.2004 hat das SG das Verfahren ausgesetzt. Die Witwe des Versicherten (Klägerin) hat das Verfahren am 29.7.2008 aufgenommen. Die Klage blieb
vor dem SG und LSG erfolglos (Urteil des SG vom 27.4.2010 und des LSG vom 14.5.2014). Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hat das BSG das Urteil des LSG aufgehoben und die Sache gemäß §
160a Abs
5 SGG wegen Verfahrensmängeln an das LSG zurückverwiesen (Beschluss vom 4.11.2014 - B 2 U 144/14 B).
Das LSG hat nunmehr durch Urteil vom 9.12.2015 die Berufung zurückgewiesen. Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem
Urteil wendet sich die Klägerin mit der vorliegenden Nichtzulassungsbeschwerde. Sie macht geltend, das Urteil des LSG beruhe
auf Verfahrensmängeln iS des §
160 Abs
2 Nr
3 SGG, insbesondere sei das LSG den zahlreichen in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Beweisanträgen ohne hinreichende Begründung
nicht nachgekommen.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen LSG ist
als unzulässig zu verwerfen (§
160a Abs
4 Satz 1 Halbs 2 iVm §
169 SGG). Die Klägerin hat den geltend gemachten Zulassungsgrund des Verfahrensmangels, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen
kann (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG), nicht in hinreichender Weise bezeichnet (vgl §
160a Abs
2 Satz 3
SGG). Die Beschwerde ist daher ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss zu verwerfen (§
160a Abs
4 Satz 1 iVm §
169 SGG). Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbs 2
SGG; zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer solchen Verfahrensweise vgl BVerfG vom 8.12.2010 - 1 BvR 1382/10 - NJW 2011, 1497).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
154 Abs
2 Verwaltungsgerichtsordnung. Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in §
183 SGG genannten Personen, werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) erhoben. Dies ist hier der Fall. Die Klägerin (und auch die Beklagte) ist nicht gemäß §
183 SGG privilegiert. Nach §
183 Satz 1
SGG ist das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger,
behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach §
56 des Ersten Buchs Sozialgesetzbuch (
SGB I) kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Die Klägerin ist nicht
in ihrer Eigenschaft als Leistungsempfängerin am Rechtsstreit beteiligt. Die Klägerin macht in dem Rechtsstreit nämlich keinen
Anspruch als Leistungsempfängerin oder Hinterbliebenenleistungsempfängerin, sondern als Rechtsnachfolgerin des potentiellen
Leistungsempfängers (des Versicherten) geltend, ohne dass ein Fall der Sonderrechtsnachfolge (§
56 SGB I) vorliegt.
Eine Kostenprivilegierung als Sonderrechtsnachfolger gemäß §
183 Satz 1
SGG setzt nach dem Wortlaut des ausdrücklich in Bezug genommenen §
56 Abs
1 Satz 1
SGB I voraus, dass Streitgegenstand fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen sind. Dem genügt das zuletzt von der Klägerin
geltend gemachte Begehren auf "Verpflichtung zur Anerkennung einer Lungenkrebserkrankung als gesundheitliche Folge einer Berufskrankheit"
ohne weitergehende Verpflichtungs- oder Leistungsklage selbst dann nicht, wenn damit die eigenen Ansprüche als Hinterbliebene
vorbereitet würden. Denn die Vorbereitung möglicher Ansprüche durch mögliche Sonderrechtsnachfolger kann nicht der tatsächlichen
Leistung auf der Grundlage eines fälligen Anspruchs gleichgesetzt werden. Die Sonderrechtsnachfolge beschränkt sich auf die
Rechtsnachfolge in spezielle Einzelansprüche (vgl Reichel, Zur Sonderrechtsnachfolge von Todes wegen in den §§ 56 ff Sozialgesetzbuch
- Allgemeiner Teil, 1987, S 68). Das Rechtsinstitut soll im Sinne einer Gewährleistung der mittelbaren unterhaltsrechtlichen
Funktion des Sozialleistungsanspruchs die Lebensverhältnisse sicherstellen, die bestanden hätten, wenn die entsprechende Leistung
rechtzeitig erbracht worden wäre. Mithin fehlt es an einer Rechtfertigung für eine kostenrechtliche Privilegierung, wenn -
wie hier - lediglich die Feststellung eines Versicherungsfalls begehrt wird (Berchtold/Trésoret, NZS 2014, 241, 244). Auch die Entstehungsgeschichte des §
183 Satz 1
SGG zeigt, dass der vollständige Verweis auf §
56 SGB I, der in jener Norm zitiert wird, dem Willen des Gesetzgebers entsprach (Berchtold/Trésoret, NZS 2014, 241, 243 f; vgl BT-Drucks 14/5943 S 28; siehe auch bereits BSG vom 17.11.2015 - B 2 U 119/15 B). Soweit aus dem Ergebnis der Entscheidung des Senats vom 12.1.2010 (B 2 U 21/08 R - SozR 4-2700 § 63 Nr 6) andere Schlüsse gezogen werden könnten (vgl auch LSG Niedersachsen-Bremen vom 25.8.2011 - L 14 U 199/08), wird hieran ausdrücklich nicht mehr festgehalten.
Schließlich liegt auch kein Fall des §
183 Satz 2
SGG vor. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger, wie hier die Klägerin, das Verfahren auf, bleibt das Verfahren (nur) in dem Rechtszug
kostenfrei. Der Versicherte verstarb bereits 2004 während des erstinstanzlichen Verfahrens, sodass eine Privilegierung der
Klägerin für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde auch insofern ausscheidet.
Die Festsetzung des Streitwerts auf 5000 Euro beruht auf §
197a Abs
1 SGG iVm §
47 Abs
1 Satz 1, Abs 3, § 52 Abs 1 und 2 iVm § 63 Abs 2 Satz 1 GKG. Nach § 52 Abs 1 GKG ist in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der
sich aus dem Antrag der Klägerin für sie ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Streitgegenstand ist die
Anerkennung einer Lungenkrebserkrankung des verstorbenen Ehemanns der Klägerin als BK. Bei Anerkennung sind verschiedene Leistungen
an die Klägerin denkbar, deren Höhe derzeit nicht bezifferbar ist. Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des
Streitwerts - wie hier - keine genügenden Anhaltspunkte, ist daher der Auffangstreitwert iHv 5000 Euro gemäß § 52 Abs 2 GKG maßgebend (BSG vom 8.9.2009 - B 2 U 113/09 B - Juris RdNr 3; vgl bereits BSG vom 23.7.2015 - B 2 U 78/15 B - SozR 4-1920 § 52 Nr 16 RdNr 13 mwN).