Anspruch auf Zahlung von höherem Krankengeld
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
Das LSG Baden-Württemberg hat - übereinstimmend mit der Beklagten und dem SG - mit Beschluss vom 25.5.2020 den Anspruch auf Zahlung von höherem Krankengeld (Krg) für die Zeit vom 13.6. bis 27.10.2017
(1893,97 Euro) verneint. Der bei der Beklagten als Selbstständiger freiwillig krankenversicherte Kläger könne die Berechnung
des Krg nicht nach seinem tatsächlich erzielten Arbeitseinkommen aus selbstständiger Tätigkeit des Jahres 2016 verlangen.
Vielmehr sei das Arbeitseinkommen nach seinen Einkünften auf der Grundlage des Einkommensteuerbescheids von 2015 zu berechnen
gewesen. Dies sei auch zutreffend erfolgt. Die Verknüpfung des Regelentgelts in §
47 Abs
4 Satz 2
SGB V mit dem Begriff des Arbeitseinkommens nach §
15 Abs
1 Satz 1
SGB IV und den Grundsätzen der Beitragsbemessung nach §
240 Abs
4 Satz 2 und
3 SGB V führe dazu, dass die tatsächlich erzielten Einnahmen bei der Bemessung des Krg nur zeitversetzt berücksichtigt würden. Zutreffend
sei es, nach §
47 Abs
4 Satz 2
SGB V für das Regelentgelt auf die zuletzt vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit maßgebliche Bemessungsgrundlage und damit auf aktuelle,
einfach festzustellende Tatsachen abzustellen. Bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit am 2.5.2017 und zum Zeitpunkt des Beginns
des Anspruchs auf Krg habe das Arbeitseinkommen des Klägers allein dem Einkommensteuerbescheid 2015 entnommen werden können.
Andere aussagekräftige Unterlagen habe der Kläger nicht vorgelegt. Weitere Einkommensteuerbescheide beträfen hier nicht streitbefangene
Zeiträume.
Hiergegen hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG).
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil ihre Begründung nicht den Anforderungen an die Darlegung des
geltend gemachten Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache entspricht (vgl §
160a Abs
2 Satz 3
SGG). Die Beschwerde ist danach ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§
160a Abs
4 Satz 1 iVm §
169 SGG).
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache iS des §
160 Abs
2 Nr
1 SGG nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung
des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren
Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese
noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts
erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine solche Klärung erwarten lässt (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59, 65).
Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit,
ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von
ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Der Kläger hält folgende Frage für grundsätzlich bedeutsam,
"ob das Krankengeld eines hauptberuflich Selbständigen der freiwillig versichert ist, immer nach dem zuletzt festgestellten
Jahressteuerbescheid festzulegen ist, auch wenn ein aktuellerer Jahressteuerbescheid ein Vielfaches des Einkommens ausweist?"
Hierzu führt der Kläger aus, dass er zwar nicht verkenne, dass das BSG grundsätzlich auf den zuletzt erlassenen Einkommensteuerbescheid abstelle. Er stelle jedoch die Frage, wann von diesem Grundsatz
aus Billigkeitsgesichtspunkten abzuweichen sei. Das erfolgte Abstellen auf den Einkommensteuerbescheid diskriminiere insbesondere
Existenzgründer, aber auch Kleinunternehmer und Soloselbstständige. Daher habe die aufgeworfene Frage über den Einzelfall
des Klägers hinaus grundsätzliche Bedeutung. Auch liege eine Ungleichbehandlung zwischen der Berechnung des Beitrages und
der Höhe des Krg bei Geringverdienern vor.
Vorliegend fehlt es bereits an hinreichender Darlegung der Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Frage. Denn der Kläger
legt lediglich seine eigene Rechtsansicht zur Frage der Berechnung des Krg und zum maßgeblichen Zeitpunkt der Berücksichtigung
von Arbeitseinkommen bei freiwillig versicherten Selbstständigen zugrunde. Er versäumt es aber, sich mit der im angefochtenen
Beschluss des LSG umfangreich dargestellten Rechtsprechung des BSG zur Frage der Berechnung des Krg bei freiwillig versicherten Selbstständigen argumentativ auseinanderzusetzen (vgl dazu allgemein insbesondere BSG SozR 4-2500 §
47 Nr 10). Für hauptberuflich selbstständig Versicherte gilt nach §
47 Abs
4 Satz 2
SGB V als Regelentgelt der kalendertägliche Betrag, der zuletzt vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit für die Beitragsbemessung aus
Arbeitseinkommen maßgebend war. Liegen aber konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass das Einkommen erkennbar nicht der tatsächlichen
wirtschaftlichen Situation des Versicherten vor Eintritt der AU entspricht, so ist das konkrete Arbeitseinkommen zu ermitteln
(vgl BSGE 98, 43 = SozR 4-2500 § 47 Nr 7, RdNr 9 mwN). Dies führt grundsätzlich dazu, dass für die Berechnung des Krg die Einkünfte zugrunde zu legen sind, die nach dem Inhalt
des letzten erlassenen Einkommensteuerbescheids tatsächlich erzielt wurden (vgl BSG SozR 4-2500 § 47 Nr 10 RdNr 12 ff). Liegt der Beitragsbemessung ein von dem Finanzamt erlassener Einkommensteuerbescheid zugrunde, ist die konkrete Höhe des
Arbeitseinkommens grundsätzlich diesem Bescheid zu entnehmen (aaO RdNr 16).
Wenn der Kläger sinngemäß die Frage aufwirft, ob in seinem Fall andere Möglichkeiten der Berücksichtigung der Einkommenssituation
zur Berechnung des Krg angezeigt gewesen wären, so hätte es in seiner Hand gelegen, entsprechende Beweisanträge und Beweismittel
zur weiteren Sachverhaltsermittlung zu bezeichnen. Das BSG hat bereits entschieden, dass ein höheres Arbeitseinkommen vor Eintritt der AU ggf nicht notwendig durch einen Steuerbescheid,
aber etwa durch hinreichend aussagekräftige Unternehmensunterlagen nachgewiesen werden kann (vgl BSG SozR 4-2500 § 47 Nr 10 RdNr 22; BSGE 98, 43 = SozR 4-2500 § 47 Nr 7, RdNr 15). Zwar hat der Kläger vorgetragen, dass das LSG den Einkommensteuerbescheid aus dem Jahre 2016 habe zugrunde legen müssen.
Der Kläger hat aber keine Verfahrensrüge wegen unterbliebener Sachverhaltsermittlung (§
103 SGG) erhoben, die zur Berücksichtigung solchen Vortrags hier erforderlich gewesen wäre (s §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG). Der Senat hat daher von einem bindend festgestellten Sachverhalt (vgl §
163 SGG) auszugehen.
Soweit der Kläger eine Diskriminierung insbesondere von Existenzgründern bei der Berechnung des Krg in der Anfangszeit der
Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit rügt, fehlt es ebenfalls an hinreichender Auseinandersetzung mit vorhandener Rechtsprechung
des BSG. Bei selbstständig Versicherten kann es trotz Beitragszahlung sogar dazu kommen, dass ein Anspruch auf Krg gänzlich ausscheidet;
selbst hierin hat das BSG keinen Verfassungsverstoß gesehen (vgl ua BSG Beschluss vom 19.10.2017 - B 3 KR 4/17 B - juris RdNr 12; dazu Nichtannahmebeschluss des BVerfG vom 27.2.2018 - 1 BvR 17/18).
Neue rechtliche Aspekte oder Stimmen aus der Literatur, die der Rechtsprechung des BSG erheblich widersprechen oder die Anlass zu erneuter Klärung der Rechtsprechung des BSG geben, sind nicht vorgetragen worden.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von §
193 SGG.