Versorgung mit Hilfsmitteln durch ein bestimmtes Sanitätshaus
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Vertragspartner der Krankenkassen
Gründe:
I
Die bei der Beklagten versicherte Klägerin ist mit ihrem Begehren, mit den ihr ärztlich verordneten orthopädischen Schuheinlagen
und orthopädischen Hausschuhen nach Maß durch ein bestimmtes Sanitätshaus versorgt zu werden, bei dem sie bereits seit 40
Jahren Kundin sei, im Berufungsverfahren ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch
auf Versorgung mit den orthopädischen Hilfsmitteln durch die von ihr gewünschte Firma, da diese nicht Vertragspartner der
Beklagten sei. Die Beklagte habe mit der Landesinnung Bayern für Orthopädie-Schuhtechnik ab dem 1.5.2013 einen Vertrag iS
von §
127 Abs
2 SGB V geschlossen. Die Klägerin könne daher nach §
33 Abs
6 S 1
SGB V iVm §
127 SGB V alle Leistungserbringer in Anspruch nehmen, die Vertragspartner ihrer Krankenkasse seien. Der Ausnahmefall nach §
33 Abs
6 S 3
SGB V mit dem dort vorgesehenen Wahlrecht erfasse nur den Fall, in dem die Krankenkasse einen Vertrag nach §
127 Abs
1 SGB V im Wege einer Ausschreibung geschlossen habe und die Versorgung grundsätzlich durch einen Vertragspartner erfolge, der den
Versicherten von der Krankenkasse benannt werde (Urteil vom 26.4.2018).
Mit der Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem vorgenannten Urteil und macht eine
grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) sowie einen Verfahrensfehler (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG) geltend.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die Klägerin die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht ordnungsgemäß
dargetan hat (§
160a Abs
2 S 3
SGG). Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß §
160a Abs
4 S 1 Halbs 2 iVm §
169 S 2 und 3
SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus
- aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist.
Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung
aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen
der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine solche Klärung
erwarten lässt (vgl zB BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59, 65).
Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit,
ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von
ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Die Klägerin hält für klärungsbedürftig,
"ob ein Versicherter aufgrund der §§ 30 VI, 126, 127
SGB V, insbesondere des § 30 VI 3
SGB V, das Recht hat, einen Leistungserbringer, der die Versorgung mit Hilfsmittel gewährleistet, die im Einzelfall erforderlich
sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen,
auch dann wählen kann, wenn der von dem Versicherten ausgewählte Leistungserbringer nicht Vertragspartner der Krankenkasse
im Sinne des §
127 II
SGB V oder des §
127 I
SGB V ist".
Es stelle sich insbesondere die Frage,
"wie zu verfahren sei, wenn ein berechtigtes Interesse des Versicherten im Sinne des § 30 VI 3
SGB V nachgewiesen werden kann, ob diesem über die Auffassung des Bayerischen Landessozialgerichts hinaus, das lediglich ein Wahlrecht
für Fälle des §
127 I
SGB V einräumt, ein solches Recht auch für die Auswahl eines NichtVertragspartner-gewordenen Leistungserbringer in anderen Fällen
begründen kann".
Die Klägerin hat allerdings insbesondere die abstrakte Klärungsbedürftigkeit dieser Fragen nicht hinreichend dargelegt. Eine
Rechtsfrage ist ua dann nicht klärungsbedürftig, wenn sich ihre Antwort ohne Weiteres aus den Rechtsvorschriften ergibt und
von vornherein praktisch außer Zweifel steht (vgl zB BSG SozR 4-4200 § 25 Nr 1; BSG Beschluss vom 16.4.2012 B 1 KR 25/11 B, NZS 2012, 557; sowie Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 12. Aufl, 2017, §
160 RdNr 8a mwN). Deshalb muss die Begründung substantiierte Ausführungen dazu enthalten, dass die aufgeworfene Rechtsfrage nicht
geklärt ist; die Darstellung einer bestimmten Gesetzesauslegung ist dafür grundsätzlich nicht ausreichend (vgl Leitherer in
Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, aaO, § 160a RdNr 14c und d mwN). Der Beschwerdebegründung lässt sich demgegenüber
nicht substantiiert entnehmen, weshalb eine Klärung der aufgeworfenen Fragen erforderlich sein könnte, obwohl Anlass dazu
bestanden hätte.
Das LSG zitiert in den Entscheidungsgründen nämlich den Wortlaut von §
33 Abs
6 S 3
SGB V. Diese Vorschrift enthält die ausdrückliche Formulierung "abweichend von Satz 2". §
33 Abs
6 S 2 knüpft an Verträge an, die gemäß §
127 Abs
1 SGB V im Wege einer Ausschreibung geschlossen werden. In diesem Fall erfolgt die Versorgung durch einen Vertragspartner, der den
Versicherten von der Krankenkasse zu benennen ist. Abweichend hiervon können Versicherte ausnahmsweise einen anderen Leistungserbringer
wählen, wenn ein berechtigtes Interesse besteht und sie die Mehrkosten tragen (§
33 Abs
6 S 3
SGB V). In §
33 Abs
6 S 1
SGB V ist demgegenüber grundsätzlich geregelt, dass die Versicherten alle Leistungserbringer in Anspruch nehmen können, die Vertragspartner
ihrer Krankenkassen sind.
Das LSG hält diesen Wortlaut für eindeutig. Mit den Fragen, ob der Klägerin ein berechtigtes Interesse zustehen könnte oder
ob und ggf welche Mehrkosten durch ihre Wahlentscheidung entstehen und von ihr selbst zu tragen sind, hat es sich daher gar
nicht mehr beschäftigt. Vor diesem Hintergrund hätte es zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit substantiierter Ausführungen
dazu bedurft, aus welchem Grund der Wortlaut der Vorschriften nicht eindeutig zu verstehen sein könnte. Es reicht nicht aus,
eine andere Gesetzesauslegung - wie die Klägerin meint - als "Rechtsfolgenverweis" in Betracht zu ziehen, bei dessen restriktiver
Handhabung eine Ausuferung des freien Wahlrechts nicht zu befürchten sei. Darin liegt weder eine substantiierte Befassung
mit dem Wortlaut selbst noch mit anderen Auslegungsmethoden. Die Beschwerdebegründung befasst sich nicht mit den Gesetzesmaterialien
oder dem Sinn und Zweck der Regelung oder der Gesetzessystematik und führt für ihre Auffassung auch weder Mitstreiter aus
der Fachliteratur noch aus der Rechtsprechung an.
Demgegenüber hat sich das LSG für seine Auffassung nicht nur auf den Wortlaut, sondern auch darauf berufen, dass es kein Bedürfnis
für eine Ausweitung der Ausnahmevorschrift mit weiteren Wahlmöglichkeiten gebe, wenn der Versicherte schon eine umfassende
Wahlfreiheit unter den vertraglich erfassten Leistungserbringern habe. Es hat für diese Auffassung auch eine Entscheidung
des LSG Hamburg vom 18.6.2014 angeführt. Auch mit dieser Argumentation liegt keine vertiefte Auseinandersetzung vor und die
Klägerin legt ihrerseits keine Gründe für ein rechtliches Bedürfnis der Ausweitung der Ausnahmevorschrift dar.
2. Auch ein Verfahrensmangel iS von §
160 Abs
2 Nr
3 SGG, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könnte, ist nicht hinreichend dargelegt (§
160a Abs
2 S 3
SGG). Dafür müssen die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus
ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht -
auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§
109 und
128 Abs
1 S 1
SGG und auf eine Verletzung des §
103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist.
Die Klägerin ist sinngemäß der Auffassung, das LSG habe seine Amtsermittlungspflichten (§
103 SGG) verletzt, weil es nicht hinreichend aufgeklärt habe, ob der Leistungserbringer, den die Klägerin in Anspruch nehmen möchte,
tatsächlich kein Vertragspartner der Beklagten sei. Nach §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel auf eine Verletzung des §
103 SGG allerdings nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht
gefolgt ist. Es fehlen aber jegliche Darlegungen zu einem Beweisantrag. Es wird nicht einmal deutlich, dass sich das Berufungsgericht
diesbezüglich zu weiteren Ermittlungen überhaupt hätte gedrängt sehen müssen. Wenn die Beklagte - wie vom LSG festgestellt
- mit der Landesinnung Bayern für Orthopädie-Schuhtechnik in München mit Wirkung ab 1.5.2013 einen Vertrag geschlossen hat,
der den bis dahin geltenden Rahmenvertrag ablöste, kommt eine Weitergeltung des vorher geltenden Rahmenvertrages für einzelne
Leistungserbringer nicht in Betracht. Sollte der von der Klägerin gewünschte Leistungserbringer zwar dem früheren, nicht aber
dem aktuellen Rahmenvertrag beigetreten sein, ist er ab 1.5.2013 nicht mehr Vertragspartner der Beklagten. Die Klägerin legt
keine Anhaltspunkte dafür dar, dass der von ihr gewünschte Leistungserbringer einen Einzelvertrag mit der Beklagten geschlossen
haben könnte, der neben dem auf kollektiver Ebene geschlossenen Rahmenvertrag über den 1.5.2013 hinaus gelten könnte. Anhaltspunkte
für die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen seitens des LSG sind damit auch nicht dargelegt.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von §
193 Abs
1 SGG.