Anspruch auf Kostenübernahme für eine Schulbegleitung als Leistung der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt von der Antragsgegnerin die Gewährung einer Schulbegleitung und Freistellung von den hierfür anfallenden
Kosten.
Die am 11.10.2008 geborene Antragstellerin besucht die vierte Klasse der Grundschule an der E.-v.-T.-Schule. Sie leidet an
einer multiplen epiphysären Dysplasie sowie einer Genua vara mit relativer Unterschenkelverkürzung. Am 14.11.2018 wurde sie
zur beidseitigen Unterschenkelverlängerung operiert und mit externen Ringfixateuren versorgt.
Bereits vor der Operation hatte die Antragstellerin, vertreten durch ihre Eltern, mit Schreiben vom 28.10.2018, eingegangen
beim Landratsamt R.-N.-Kreis am 05.11.2018, die Kostenübernahme für eine Schulbegleitung beantragt. Beigefügt war eine Bescheinigung
des Facharztes für Kinder- und Jugendmedizin B. vom 18.10.2018, dass die Antragstellerin nach der geplanten Operation für
eine lange Zeit rollstuhlpflichtig sein werde und Treppen- und Toilettengänge nicht allein bewältigen könne. Verbandswechsel
und "ähnliches medizinisches" seien nicht notwendig. Das Landratsamt R.-N.-Kreis, Sozialamt, leitete den Antrag mit Schreiben
vom 07.11.2018 an die Antragsgegnerin gemäß §
14 Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch (
SGB IX) mit dem Hinweis weiter, für die Leistung nicht zuständig zu sein, da die Leistung nicht der Bewältigung von Anforderungen
des Schulalltags diene, sondern aufgrund der körperlichen Situation in medizinischer-pflegerischer Hinsicht erforderlich sei.
Die Antragsgegnerin holte eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) ein, der durch die ärztliche
Gutachterin Dr. M. am 20.11.2018 ausführte, nach den vorgelegten Unterlagen handele es sich um eine Unterstützung beim Toilettengang,
es sei keine ausgebildete Fachkraft erforderlich. Die Begleitung zur Toilette könne von "Laien" übernommen werden. Mit Bescheid
vom 21.11.2018 lehnte die Antragsgegnerin die Gewährung der Schulbegleitung mit der Begründung ab, dass Hilfe bei Toilettengängen,
beim Treppensteigen oder das Schieben des Rollstuhls keine Leistungen der Behandlungspflege im Rahmen der häuslichen Krankenpflege
darstellten und daher nicht übernommen werden könnten. Als zweitangegangener Leistungsträge habe die Antragsgegnerin zwar
auch über die Eingliederungshilfe zu entscheiden, das Landratsamt sehe hier jedoch keine Zuständigkeit im Rahmen der Eingliederungshilfe
nach §§ 53, 54 Sozialgesetzbuch - Zwölftes Buch (SGB XII).
Am 21.11.2018 leitete das Landratsamt noch eine Bescheinigung des Facharztes für Orthopädie, Unfallchirurgie und Kinderchirurgie
Dr. L. vom 21.06.2018 an die Antragsgegnerin weiter. Hierin wurde in Bezug auf die damals sich noch im Planungsstadium befindliche
Operation ausgeführt, dass aufgrund der Komplexität des Falls von einer Gesamtdauer der Behandlung von einem Jahr auszugehen
sei. Die Antragstellerin werde in dieser Zeit deutlich gehbehindert und auf einen Rollstuhl angewiesen sein. Prinzipiell seien
die Fixateure jedoch voll belastbar und es bestehe eine grundsätzliche Erlaubnis zum Gehen, Belasten und zu anderweitigen
Tätigkeiten (soweit möglich). Der Schulbesuch sollte langfristig durch entsprechend unterstützte Maßnahmen mit Integrationshilfe/Schulbegleitung
und ggf Schultransport stattfinden und ggf anfänglich auch im Rahmen eines häuslichen Einzelunterrichts. Die Mobilisierung
in der Schule, im Klassenzimmer und von Raum zu Raum könne voraussichtlich nicht selbst bewältigt werden, der Toilettengang
sei voraussichtlich für die Antragstellerin ebenfalls allein nicht möglich. Bei einer Schulbegleitung werde es einerseits
um ganz praktische Unterstützung in der Überwindung von Hindernissen gehen und andererseits um eine kontinuierliche psychosoziale
Begleitung und Zuspruch.
Mit Schreiben vom 02.12.2018 erhob die Antragstellerin gegen die Ablehnung der Schulbegleitung Widerspruch.
Am 04.12.2018 hat sie außerdem beim Sozialgericht Mannheim (SG) einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes mit dem Ziel gestellt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, eine
Schulbegleitung im Rahmen der §§ 53, 54 SGB XII zu gewähren, die nach Möglichkeit vom L. S. H. in H. gestellt werden solle. Zur Begründung hat sie auf Rollstuhlpflichtigkeit
hingewiesen. Ohne eine Schulbegleitung sei die Erfüllung der gesetzlichen Schulpflicht nicht möglich. Der Antrag sei zu Unrecht
vom Träger der Eingliederungshilfe an die Antragsgegnerin weitergeleitet worden. Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch - Fünftes
Buch (
SGB V) in Form der Behandlungspflege seien nicht beantragt worden.
Die Antragsgegnerin ist dem Antrag entgegentreten. Es sei nicht glaubhaft gemacht worden, dass sich der Zustand so wie im
Antrag beschrieben tatsächlich darstelle. Dies unterstellt, stelle sich der während des Schulbesuchs zu leistende Unterstützungsbedarf
als Erbringung von Grundpflege (Hilfe beim Treppensteigen und bei den Toilettengängen) dar. Für die Sicherstellung der ggf
erforderlichen Grundpflege bestehe die Leistungszuständigkeit der sozialen Pflegeversicherung. Die Antragstellerin werde von
der Mutter gepflegt und habe Pflegegeld beantragt. Wenn der MDK Pflegebedürftigkeit mindestens entsprechend des Pflegegrades
2 feststellen sollte, wäre die Mutter verpflichtet, die Pflege auch während des Schulbesuchs sicherzustellen. Sei diese dazu
nicht in der Lage oder reiche das Pflegegeld nicht aus, müsse die Antragstellerin ersatzweise Pflegesachleistungen in Anspruch
nehmen. Eine Kostenübernahme nach §
37 Abs
1 SGB V scheide aus, da eine Krankenhausbehandlung nicht geboten sei. Ein Anspruch nach §
37 Abs
1a SGB V scheide aus, da die Einschränkung in der Mobilität keine schwere Erkrankung darstelle. Es handele sich auch nicht um eine
Behandlungspflege iSv §
37 Abs
2 SGB V, eine Leistungserweiterung durch Satzung bestehe nicht. Ein Anspruch scheitere außerdem bereits an einer fehlenden Verordnung
des behandelnden Vertragsarztes. Ein Assistenzbedarf zur Bewältigung von schulischen Anforderungen sei nicht erkennbar, so
dass ein eingliederungsrechtlicher Bedarf in Form einer Integrationshilfe während des Schulbesuchs nicht vorliege und Leistungen
nach dem SGB XII ausschieden. Außerdem bestehe kein Anordnungsgrund, da schwere, nicht wieder gut zu machende Schäden für Leben und/oder Gesundheit
nicht drohten. Es sei nicht ersichtlich, warum die Mutter die Pflege nicht übernehmen könne oder wie der Schulbesuch derzeit
organisiert werde.
Das SG hat mit Schreiben vom 17.12.2018 darauf hingewiesen, dass der derzeitige status quo nicht hinreichend dargelegt worden sei
(Schulbesuch, örtliche Gegebenheiten, derzeitige Bewerkstelligung). Auch sei die besondere Eilbedürftigkeit nicht glaubhaft
gemacht worden, es sei nicht ersichtlich, dass die Eltern nicht vorläufig den Schulbesuch sicherstellen können bzw im Falle
des Erfordernisses einer externen Schulbegleitung diese vorfinanziert werden könne bis zur endgültigen Klärung in der Hauptsache.
Mit Schreiben vom 28.12.2018 teilte die Antragstellerin mit, dass die finanziellen Verhältnisse nicht offengelegt werden müssen,
da Eingliederungsleistungen einkommens- und vermögensunabhängig seien.
Mit Beschluss vom 02.01.2019 hat das SG den Antrag mit der Begründung abgelehnt, Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund seien nicht hinreichend glaubhaft gemacht
worden. Die Gewährung einer Schulbegleitung setze eine (medizinische) Notwendigkeit voraus. Aus den vorgelegten Unterlagen
ließen sich der aktuelle Gesundheitszustand und die Gegebenheiten der Schule als auch, ob ein Schulbesuch tatsächlich stattfinde,
nicht entnehmen. Auch wenn die beantragten Leistungen nach dem SGB XII einkommensunabhängig seien, müsse im Rahmen des Eilrechtsschutzes geprüft werden, ob der Schulbesuch nicht anderweitig sichergestellt
werden könne und ob die Eltern in Vorleistung treten können. Dies sei nicht dargelegt worden.
Mit Bescheid vom 08.01.2019 wurde der Antragstellerin auf ihren Antrag vom 30.11.2018 entsprechung der Empfehlung des MDK
in seinem Gutachten vom 28.12.2018, hinsichtlich dessen weiteren Einzelheiten auf die Bl 64 bis 78 der Verwaltungsakten der
Antragsgegnerin Bezug genommen wird, für die Zeit vom 22.11.2018 bis 01.05.2020 Pflegegeld aus Pflegegrad 2 iHv 316 EUR monatlich
bewilligt.
Gegen den ihrer Prozessbevollmächtigten am 03.01.2019 zugestellten Beschluss des SG hat die Antragstellerin am 02.02.2019 Beschwerde erhoben. Ergänzend hat die Antragstellerin ein Schreiben von Frau B.-F.
und Frau W. vom Schulleitungsteam der Grundschule an der E.-v.-T.-Schule in H. vom 21.01.2019 vorgelegt. Hieraus geht hervor,
dass die Antragstellerin die Schule seit dem 15.01.2019 wieder besucht. Es wird u.a. ausgeführt, dass es der Mutter der Antragstellerin
aus schulrechtlichen Gründen nicht gestattet sei, dass Eltern den Unterrichtsalltag verfolgen und miterleben dürfen. Der Einblick
in das Leistungsverhalten der anderen Schüler sei aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht möglich. Außerdem ist noch ein
Kostenvoranschlag der G. V. e.Kfr. vom 15.01.2019 für eine Schulbegleitung für die Antragstellerin für insgesamt 78 Stunden
pro Monat ausgehend von einer Einsatzstunde zu 42,50 EUR und 4 Stunden täglich, 20 Stunden wöchentlich zu insgesamt 3.315
EUR vorgelegt worden. Auch ist eine ärztliche Bescheinigung von Herrn B. vom 28.01.2019 beigefügt worden, dass der bisherige
Verlauf ohne Zwischenfälle gut sei, die Zeitdauer bis zu den Sommerferien eine normale Zeitdauer sei. Die Antragstellerin
sei rollstuhlpflichtig, da auch längere Strecken zu Fuß nicht möglich seien. Die eigene Fortbewegung sei sehr schwierig. Die
Antragstellerin benötige eine Begleitung in der Schule, zu Hause könnten die Eltern dies problemlos erledigen.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß.
den Beschluss vom 02.01.2019 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, der Antragstellerin vorläufig, bis zur Beendigung
des Hauptsachverfahrens, eine Schulbegleitung für 20h pro Woche (4h pro Tag) zu gewähren und von den hierfür anfallenden Kosten
bei der Einrichtung G. V. e. Kfr. freizustellen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verweist auf die Ausführungen in der Vorinstanz und auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses. Ergänzend trägt sie
vor, dass die Schulbegleitung ausschließlich zur Sicherstellung der Fortbewegung während des Schulbesuchs bestimmt sei. Es
handele sich um rein grundpflegerische Belange. Da die Antragstellerin Pflegegeld nach dem Pflegegrad 2 beziehe, habe die
Mutter als Pflegeperson die Hilfen zu erbringen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider
Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist statthaft und zulässig (§§
172 Abs
1,
173 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz -
SGG) und in der Sache auch (teilweise) begründet. Das SG hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zu Unrecht abgelehnt.
Nach §
86b Abs
2 Satz 1
SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand
treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des
Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen
Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile
nötig erscheint (Satz 2). Vorliegend begehrt die Antragstellerin die Übernahme der Kosten für eine Schulbegleitung. Damit
richtet sich die Gewährung des einstweiligen Rechtsschutzes auf den Erlass einer Regelungsanordnung nach §
86b Abs
2 Satz 2
SGG.
Dies verlangt grundsätzlich die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen
gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit
der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§
86 b Abs
2 Satz 4
SGG i.V.m. §
920 Abs
2 der
Zivilprozessordnung). Dabei begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn sich die Gerichte bei der Beurteilung der
Sach- und Rechtslage an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren (vgl BVerfG [Kammer], 02.05.2005, 1 BvR 569/05, BVerfGK 5, 237, 242). Ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich,
so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (vgl BVerfG [Kammer], 02.05.2005, 1 BvR 569/05, BVerfGK 5, 237, 242 mwN); die grundrechtlichen Belange des Antragstellers sind umfassend in die Abwägung einzustellen. Die
Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl BVerfG [Kammer], 22.11.2002, aaO,
S 1237; 29.11.2007, 1 BvR 2496/07, NZS 2008, 365).
Der Senat geht zu Gunsten der Antragstellerin davon aus, dass die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderliche
Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) vorliegt, obwohl das SG zu Recht bemängelt, dass die Antragstellerin nicht dargelegt hat, ob der Schulbesuch nicht anderweitig sichergestellt werden
könne und ob die Eltern in Vorleistung treten können. Der Antragstellerin ist es mit Rücksicht auf die allgemeine Schulpflicht
nicht zuzumuten, die Entscheidung der Hauptsache abzuwarten. Etwaiges Einkommen und Vermögen stehen einem Anspruch auf Eingliederungshilfe
in Form der Schulbegleitung nicht entgegen. Nach § 19 Abs 3 SGB XII wird Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nur geleistet, soweit den Leistungsberechtigten, ihren nicht getrennt lebenden
Ehegatten oder Lebenspartnern und, wenn sie minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren Eltern oder einem Elternteil die
Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels nicht zuzumuten ist. Wenn
es sich jedoch um Leistungen zur angemessenen Schulbildung handelt, ist die Aufbringung der Mittel nach § 92 Abs 2 Satz 1 Nr 2, Satz 2 SGB XII nur für die Kosten des Lebensunterhalts zuzumuten, die vorliegend jedoch nicht betroffen sind. Auch werden die Leistungen
unabhängig vom Vermögen erbracht.
Auch ein Anordnungsanspruch wird vom Senat bejaht. Da dem Senat eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren
nicht möglich ist, entscheidet er anhand einer Folgenabwägung. Die Nachteile, die sich für die Antragstellerin ergeben, wenn
dem Antrag nicht stattgegeben wird, sie aber in der Hauptsache obsiegt, überwiegen die Nachteile, die der Antragsgegnerin
drohen, wenn dem Antrag stattgegeben wird und die Antragsgegnerin im Hauptsacheverfahren obsiegt.
Die Hauptsache hat allerdings im Hinblick auf Leistungen nach den Regelungen über die häusliche Krankenpflege gemäß §
37 SGB V keine Aussicht auf Erfolg. Dem steht zwar nicht entgegen, dass die Hilfestellung in der Schule erbracht werden soll. Auch
umfasst die häusliche Krankenpflege den Bereich der Grundpflege (vgl §
37 Abs
1 Satz 3
SGB V). Unter Grundpflege ist im Wesentlichen die Hilfe bei der Befriedigung von körperlichen, seelischen oder geistigen Grundbedürfnissen
zu sehen (BSG 30.09.1993, 4 RK 1/92, BSGE 73, 146-159 = SozR 3-2500 § 53 Nr 4 = juris Rn 28), zu denen auch Toilettengänge gehören. Die Voraussetzungen der sich aus §
37 SGB V ergebenden Anspruchsgrundlagen sind jedoch vorliegend nicht erfüllt.
Durch die Schulbegleitung wird ein Krankenhausaufenthalt nicht vermieden oder verkürzt (§
37 Abs
1 Satz 1
SGB V), so dass eine Leistung in Form der Krankenhausvermeidungspflege ausscheidet.
Auch ist die Begleitung nicht zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung (sog Behandlungssicherungspflege) erforderlich,
so dass ein Anspruch nach §
37 Abs
2 SGB V ebenfalls nicht in Betracht kommt. Den Begriff der Behandlungspflege definiert das Gesetz nicht. Nach der Rechtsprechung
des Bundessozialgerichts gehören zur Behandlungspflege alle Pflegemaßnahmen, die durch bestimmte Erkrankungen erforderlich
werden, speziell auf den Krankheitszustand des Versicherten ausgerichtet sind und dazu beitragen, die Krankheit zu heilen,
ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu verhindern oder zu lindern, wobei diese Maßnahmen typischerweise
nicht von einem Arzt, sondern von Vertretern medizinischer Hilfsberufe oder auch von Laien erbracht werden (BSG 13.06.2006, B 8 KN 4/04 KR R, juris Rn 17 mwN). Dazu gehören zB die Verabreichung von Medikamenten (vgl BSG 25.02.2015, B 3 KR 11/14 R juris Rn 9ff) oder Injektionen (BSG 03.08.2006, B 3 KR 24/05 R, juris Rn 17; BSG 22.04.2015, B 3 KR 16/14 R, juris Rn 41) einschließlich der Kontrolle von deren Wirkung, das Anlegen von Verbänden (BSG 25.02.2015, B 3 KR 10/14 R, juris Rn 30; BSG 25.02.2015, B 3 KR 11/14 R, juris Rn 31) die Katheterisierung, Versorgung suprapubischer Katheter (LSG Niedersachsen 22.12.2010, L 1 KR 81/10, juris Rn 35), Einläufe, Spülungen, Dekubitusversorgung, Krisenintervention insbesondere bei psychiatrischer Krankenpflege,
Sicherung ärztlicher Besuche und Feststellung des jeweiligen Krankenstandes. Die begehrte Schulbegleitung steht jedoch nicht
mit der Versorgung der Erkrankung als solche in einem spezifischen Zusammenhang. Es handelt sich vielmehr nur um eine Hilfestellung,
um die Folgen, die sich aus der Behandlung mittels Ringfixateuren an beiden Beinen ergeben, zu kompensieren. Der Therapieerfolg
wird durch die Schulbegleitung nicht berührt.
Ein Anspruch nach §
37 Abs
1a Satz 1
SGB V in Fällen einer schweren Krankheit oder akuten Verschlimmerung (sog Unterstützungspflege) oder als Satzungsleistung nach
§
37 Abs
2 Satz 4
SGB V ist bereits ausgeschlossen, da bei der Antragstellerin zwischenzeitlich Pflegegrad 2 festgestellt worden ist.
Eine Erfolgsaussicht in Bezug auf die Hauptsache ergibt sich jedoch aus dem Leistungsrecht des Sozialhilfeträgers, zu dessen
Prüfung die Antragsgegnerin als zweitangegangene Reha-Trägerin nach §
14 SGB IX in der ab 01.01.2018 geltenden Fassung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) vom 23.12.2016 (BGBl I S 3234) verpflichtet ist.
Dies folgt zunächst aus §
14 Abs
2 Satz 4
SGB IX. Nach §
14 Abs
1 Satz 1
SGB IX stellt der erstangegangene Rehabilitationsträger, bei dem Leistungen zur Teilhabe beantragt sind, innerhalb von zwei Wochen
nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist; bei
den Krankenkassen umfasst die Prüfung auch die Leistungspflicht nach §
40 Absatz
4 des
Fünften Buches. Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger nach §
14 Abs
2 Satz 1
SGB IX den Rehabilitationsbedarf anhand der Instrumente zur Bedarfsermittlung nach §
13 SGB IX unverzüglich und umfassend fest und erbringt die Leistungen (leistender Rehabilitationsträger). Muss für diese Feststellung
kein Gutachten eingeholt werden, entscheidet der leistende Rehabilitationsträger innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang
(§
14 Abs
2 Satz 2
SGB IX). Ist für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs ein Gutachten erforderlich, wird die Entscheidung innerhalb von zwei
Wochen nach Vorliegen des Gutachtens getroffen (§
14 Abs
2 Satz 3
SGB IX). Wird der Antrag weitergeleitet, gelten die Sätze 1 bis 3 für den Rehabilitationsträger, an den der Antrag weitergeleitet
worden ist, entsprechend; die Frist beginnt mit dem Antragseingang bei diesem Rehabilitationsträger (§
14 Abs
2 Satz 4
SGB IX).
Die von der Antragstellerin beim Landratsamt R.-N.-Kreis beantragte Leistung einer Schulbegleitung ist eine Leistung zur Teilhabe
im Sinne des §
14 SGB IX. Dieser Antrag wurde innerhalb von zwei Wochen ab Eingang an die Antragsgegnerin weitergeleitet. Damit hat sie über den Anspruch
auf Schulbegleitung umfassend zu entscheiden. Es kann vorliegend dahin gestellt bleiben, ob es sich bei der begehrten Leistung
auch nach dem Leistungsrecht des
SGB V um eine Rehabilitationsleistung handelt; denn §
14 SGB IX gilt seiner Intention nach auch in den Fällen, in denen eine Leistung beantragt wird, die von einem anderen in §
6 SGB IX genannten Träger als Rehabilitationsleistung zu erbringen wäre, wenn wie hier der erstangegangene Leistungsträger jedenfalls
Rehabilitationsträger iSd §
6 SGB IX ist (BSG 29.09.2009, B 8 SO 19/08 R, SozR 4-3500 § 54 Nr 6 = juris Rn 12).
Nach § 54 Abs 1 Nr 1 SGB XII umfassen die Leistungen der Eingliederungshilfe die Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der
allgemeinen Schulpflicht. Hierzu gehören nach § 12 Nr 1 der Eingliederungshilfe-Verordnung heilpädagogische sowie sonstige Maßnahmen zugunsten körperlich und geistig behinderter Kinder und Jugendlicher, wenn die
Maßnahmen erforderlich und geeignet sind, dem behinderten Menschen den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht
zu ermöglichen oder zu erleichtern. Die Schulbegleitung, die erforderlich ist, um der Antragstellerin Toilettengänge während
des Schulbesuchs und damit den Schulbesuch überhaupt zu ermöglichen, stellt damit eine Eingliederungsleistung dar. Eine wesentliche
Beeinträchtigung der Teilhabefähigkeit besteht darin, dass die Antragstellerin ohne die Hilfe insbesondere bei Toilettengängen
nicht am Unterricht teilnehmen und die Schulpflicht nicht erfüllen kann (vgl § 72 Schulgesetz für Baden-Württemberg). Dies
ergibt sich daraus, dass sie allein nicht den Rollstuhl verlassen kann. Allerdings ist noch offen, ob die Antragstellerin
die benötigte Hilfe nicht von Angehörigen, zB ihrer Mutter, erhält (§ 2 Abs 1 SGB XII). Dies bedarf der Aufklärung im Hauptsacheverfahren. Das SG hat insoweit in seinem Schreiben vom 17.12.2018 zutreffend darauf hingewiesen, dass der derzeitige status quo nicht hinreichend
dargelegt worden ist. Schulrechtliche Gesichtspunkte dürften der Hilfe durch Angehörige kaum entgegenstehen, da die Assistenz
nicht während, sondern nur außerhalb des Unterrichts erforderlich ist.
Die Antragstellerin gehört nach dem im Rahmen des Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes möglichen Prüfungsumfang auch zum
leistungsberechtigten Personenkreis nach § 53 SGB XII i.V.m. §
2 Abs
1 Satz 1
SGB IX. Anspruchsberechtigt für Leistungen der Eingliederungshilfe sind nach § 53 Abs 1 Satz 1 SGB XII Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von §
2 Abs
1 Satz 1
SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung
bedroht sind. Menschen sind nach §
2 Abs
1 Satz 1
SGB IX behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger
als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft
beeinträchtigt ist.
Aufgrund der Folgen der Operation ist die Antragstellerin körperlich in einem für das Lebensalter typischen Zustand abweichend
eingeschränkt und bedarf der Unterstützung. Den vorliegenden Unterlagen lässt sich erforderliche Prognose von sechs Monaten
nicht abschließend entnehmen, da die medizinischen Atteste keine konkreten Datumsangaben enthalten. Der ärztlichen Bescheinigung
vom 21.06.2018 ist eine Gesamtdauer der Behandlung von einem Jahr zu entnehmen. Das Schreiben von Herrn B. aus Oktober 2018
hat von einer Rollstuhlpflicht für "lange Zeit" berichtet. Beide Atteste enthalten keine Angaben, die eine abschließende Beurteilung
über die Dauer der Notwendigkeit der Rollstuhlbenutzung erlauben. Zu berücksichtigen ist auch, dass beide Atteste vor der
Operation angefertigt wurden und wie vom SG zu Recht moniert, keine Beurteilung des status quo beinhalten. Die im Beschwerdeverfahren vorgelegte Bescheinigung des Herrn
B. vom 28.01.2019 bestätigt zwar, dass der bisherige Verlauf ohne Zwischenfälle sei und die Zeitdauer bis zu den Sommerferien
2019 eine normale Zeitdauer sei. Sie enthält aber ebenfalls keine konkreten Angaben zu Dauer und Umfang der Beeinträchtigung.
Gleichwohl lässt sich hieraus aber schließen, dass die Beeinträchtigungen und damit die Behinderung mehr als sechs Monate
andauern wird. Die Schwere des Eingriffs als auch die Gesamtschau der ärztlichen Bescheinigungen sowie das Gutachten des MDK
zur Pflegebedürftigkeit und der Umstand, dass seit der Operation bereits mehr als drei Monate verstrichen sind, sprechen für
eine entsprechend lange Dauer der Beeinträchtigung. Eine Behinderung iSv §
2 Abs
1 Satz 1
SGB IX kann daher zumindest im Rahmen des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes, in dem die Voraussetzungen - insbesondere
auch im Hinblick auf die allgemeine Schulpflicht - nicht überspannt werden dürfen, angenommen werden.
Da von einem Grundschulkind nicht erwartet werden kann, den Toilettenbesuch auf konkrete, im Voraus bestimmte Zeitpunkte festzulegen,
erachtet es der Senat für die notwendig, die Begleitung für den gesamten Schulbesuch sicherzustellen, den die Antragstellerin
zuletzt mit vier Stunden täglich angegeben hat. Ob die Schulbegleitung bis zum Beginn der Sommerferien tatsächlich notwendig
ist, vermag der Senat anhand der vorgelegten Unterlagen nicht abschließend beurteilen. Wie bereits aufgezeigt, enthalten die
Bescheinigungen wenig konkrete Angaben. Im Rahmen der Folgenabwägung im Hinblick auf die Gewährleistung der allgemeinen Schulpflicht
und die Schwere des vorgenommenen operativen Eingriffs erachtet es der Senat gleichwohl für erforderlich, die Begleitung bis
zu den Sommerferien des laufenden Schuljahres sicherzustellen.
Die Klärung der endgültigen Tragung der Kosten, insbesondere im Hinblick auf die Frage der Behinderung und der zeitlichen
Notwendigkeit der Begleitung, bleiben dem Widerspruchs- und ggf anschließenden Hauptsacheverfahren vorbehalten, in dem die
Antragstellerin gehalten ist, insoweit aussagekräftige medizinische Unterlagen vorzulegen. Der Senat weist darauf hin, dass
Sozialleistungen, die ein Antragsteller aufgrund einer gerichtlichen Eilentscheidung erhalten hat, grundsätzlich unter dem
Vorbehalt der Rückforderung stehen für den Fall, dass sich im Hauptsacheverfahren herausstellt, dass ein entsprechender Anspruch
nicht bestanden hat. In diesem Fall wird der zusprechende Gerichtsbeschluss gegenstandslos und der Rechtsgrund für die vorläufige
Leistung entfällt, sodass ein öffentlich-rechtlicher, auf prozessrechtlichen Grundsätzen bestehender Erstattungsanspruch gegen
den Empfänger der Leistung besteht (LSG Hamburg 01.03.2012, L 1 KR 42/09, juris; Burkiczak in: jurisPK-
SGG, 1. Aufl 2017, §
86b Rn 471; Meßling in Hennig,
SGG, §
86b Rn 216).
Im Rahmen des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes hat der Senat im Hinblick auf die Eilbedürftigkeit von einer Beiladung
des Sozialhilfeträgers gemäß §
75 Abs
2 SGG abgesehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§
177 SGG).