Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Herabsetzung des Grades der Schädigung von 50 auf 30.
Die 1949 geborene Klägerin wurde am 13.07.1999 Opfer einer Vergewaltigung. Der ihr nicht bekannte Täter lockte sie in eine
Gaststätte unter dem Vorwand, sie könne dort telefonieren, schloss die Tür ab, schlug sie ohne Vorwarnung ins Gesicht, sodass
sie zu Boden fiel, und drückte ihr den rechten Oberarm gegen den Hals, so dass sie in Atemnot geriet. Sie erlitt zahlreiche
Hämatome am Gesäß, an Armen und Beinen, eine Rippenfraktur sowie ein Schleimhauthämatom am Kehlkopf. In der Hauptverhandlung
vor dem Amtsgericht Baden-Baden behauptete der Täter, die Klägerin habe Kontakt zu ihm gesucht und in seiner Wohnung freiwillig
Geschlechtsverkehr mit ihm gehabt. Außerdem unterstellte er ihr häufige Kontaktsuche zu anderen Männern und sexuelle Kontakte
zu mehreren namentlich benannten Zeugen. Der Täter wurde zunächst zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 8 Monaten verurteilt.
Auf die Berufung des Täters, die er auf das Strafmaß beschränkte, setzte das Landgericht Baden-Baden die Freiheitsstrafe auf
2 Jahre herab, setzte sie zur Bewährung aus und hob den Haftbefehl in der Hauptverhandlung am 04.08.2000 auf, so dass der
Täter in sein Heimatland Indien ausreisen konnte.
Die Klägerin beantragte am 06.07.2000 Beschädigtenversorgung. Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Sch. bescheinigte eine
seit der Vergewaltigung bestehende ausgeprägte posttraumatische Belastungsstörung mit Schlafstörung, psychomotorischer Unruhe,
Angstzuständen, erheblichen depressiven Verstimmungen mit Weinanfällen, zahlreichen Ängsten und Phobien sowie Konzentrationsstörungen
(undatiert, Bl. 8, 35
OEG-Akte). Sie führte von Juli 1999 bis Februar 2000 eine Psychotherapie bei Dipl.-Psych. K. im Krisen- und Beratungszentrum
für vergewaltigte Frauen, Verein gegen sexuelle Gewalt an Frauen e. V. L., durch.
Die Klägerin machte nach der Mittleren Reife eine Ausbildung zur Kaufmannsgehilfin, besuchte anschließend das Abendgymnasium
und arbeitete tagsüber beim Südwestfunk. Nach dem Abitur studierte sie in H., F. und ab 1978 in F., schloss das Studium 1985
mit dem Magister in neueren Philologien ab. Anschließend arbeitete sie bis August 1988 als redaktionelle Mitarbeiterin beim
Südwestfunk. Danach war sie bis Januar 1991 arbeitslos, anschließend von Februar 1991 bis Februar 1993 als wissenschaftliche
Mitarbeiterin beim W.-Museum in B. tätig. Von März 1993 bis zum schädigenden Ereignis im Juli 1999 war sie arbeitslos und
machte gelegentlich Hörfunkbeiträge. Sie erwartete die Bewilligung einer Fortbildungsmaßnahme. Von Januar 2000 bis Januar
2001 bezog sie Krankengeld. Anschließend war sie arbeitslos bzw. arbeitsunfähig. Inzwischen bezieht sie Altersrente für schwerbehinderte
Menschen.
Aus einer Reha in der I. H. wurde sie im Oktober 2001 arbeitsunfähig entlassen. Die Ärzte hielten sie nach Überwinden ihres
Traumas in ihrem Beruf als Journalistin im Tagesdienst für vollschichtig arbeitsfähig, wegen der Angststörung hingegen nicht
in Spät- und Nachtschicht. Sie leide seit der Vergewaltigung unter Angstzuständen mit Atemnot, Herzdruck und Herzrasen. Während
des Strafprozesses hätten die Symptome wieder zugenommen. Seit Sommer 2000 bestehe auch ein Tinnitus. Klaustrophobie bestehe
schon seit mehreren Jahren unabhängig von dem Überfall. Sie habe Angst, U-Bahn und Fahrstuhl zu benutzen und vermeide dies,
insbesondere, wenn sei allein unterwegs sei (Bl. 47
OEG-Akte).
Im Auftrag des Beklagten erstattete die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. am 14.05.2003 ein nervenärztlich- psychotherapeutisches
Gutachten. Die Klägerin habe angegeben, der Tinnitus sei innerhalb weniger Tage nach dem Überfall aufgetreten, ein hoher Ton
mittlerer Lautstärke auf dem rechten Ohr, der sich bei Stress verstärke und dann auch auf dem linken Ohr auftrete. Beim Einschlafen
störe er erheblich. Seit der Tat könne sie enge Räume nicht ertragen, nicht Fahrstuhl fahren, durch Tunnel fahren oder überfüllte
öffentliche Verkehrsmittel benutzen. Sie meide Gedränge und Menschenmengen, sitze im Kino außen. Einkäufe erledige ihr Partner.
Sie sei viel nervöser, ziehe sich zurück. Sie habe ziemlich häufig Weinanfälle, totale Schlafstörungen, könne manchmal die
ganze Nacht nicht schlafen, werde nachts immer wieder wach. Sie könne abends einfach nicht abschalten, die Gedanken kreisten.
Eine Zeitlang habe sie ganz schreckliche Alpträume gehabt, im Schlaf geschrien und um sich geschlagen. Das komme jetzt in
größeren Abständen vor als früher. Seit dem Überfall habe sie Angst im Dunkeln, gehe nachts nicht alleine raus, brauche immer
eine Begleitung. Tagsüber fühle sie sich schon sicher. Sie bekomme aber Angst, wenn sie jemandem begegne, der dem Täter ähnele.
Dann komme alles wieder hoch und sie bekomme Panikgefühle. Sie habe Angst in Treppenhäusern, könne in fremden Wohnungen nicht
allein sein, in Lokalen gehe sie nicht ohne Begleitung zur Toilette. Sie sitze immer mit dem Rücken zur Wand, müsse ihre Umgebung
kontrollieren. In ihrer Wohnung lasse sie abends die Jalousien runter, könne nicht mit offenem Fenster schlafen, verschließe
auch am Tage die Wohnungstür und lasse den Schlüssel stecken. Ihr Verhältnis zu Männern habe sich grundlegend geändert. Sie
ekle sich, wenn sie angemacht werde, halte Abstand zu Männern. Nur ihrem Freund könne sie vertrauen. Sie könne seit dem Überfall
keinen sexuellen Kontakt mehr haben, Zärtlichkeiten könne sie mittlerweile wieder zulassen. Sie habe sich sozial sehr zurückgezogen,
baue keine Kontakte mehr auf, habe aber noch einige Freundinnen. Erinnerungen an die Tat kämen in unterschiedlicher Häufigkeit,
mal jeden Tag, dann sei wieder eine Weile Ruhe. Sie meide die Nähe des Tatortes. Die Erinnerungen dauerten manchmal kurz,
dann wieder länger. Sie erlebe bestimmte Körpersensationen wieder. Sie habe Angst vor allem, was die Erinnerung mobilisieren
könne. Sie sei übertrieben schreckhaft, fühle sich schwach, nicht belastbar, habe Konzentrationsstörungen, könne sich nicht
gut auf ein Buch konzentrieren, finde beim Sprechen nicht die richtigen Worte. Sie habe Erinnerungslücken an Teile des Geschehens.
Seit dem Überfall leide sie an Depressionen. Sie wache morgens auf und sei depressiv. Sie brauche dann eine Weile, bis sie
sich gefangen habe. Gegen Abend komme das wieder, oft verbunden mit Suizidgedanken. Sie schiebe häufig Dinge hinaus, weil
sie sich zu nichts aufraffen könne. Sie versuche, früh aufzustehen. Nach dem Frühstück gehe sie meist raus in die Natur spazieren.
Sie gehe in eine Bibliothek und suche nach Arbeitsstellen, traue sich dann nicht, sich zu bewerben. Das Kochen übernehme ihr
Partner. Wenn er nicht da sei, esse sie nicht regelmäßig. Ihr Tag habe keine richtige Struktur. Mit ihrem Lebensgefährten
sei sie seit 1984 zusammen.
Die Gutachterin führte aus, die Klägerin habe nach unauffälliger Entwicklung in Kindheit und Jugend eine gute Lebensbewältigung
gezeigt, ohne Anhalt für vorbestehende psychische Störungen von Krankheitswert. Durch das schädigende Ereignis sei sie in
ihrem Sicherheitsgefühl tief erschüttert worden. Eine erhebliche Retraumatisierung habe durch den Prozess gegen den Täter
stattgefunden. Die beschriebene Symptomatik mit sich aufdrängenden Erinnerungen, phobischen Ängsten, Panikattacken, depressiven
Verstimmungszuständen und psychosomatischen Symptomen sei ursächlich auf das schädigende Ereignis zurückzuführen. Es habe
sich kein Anhalt für eine wesentliche Mitverursachung durch schädigungsfremde Faktoren gezeigt. Schädigungsfolge sei eine
psychoreaktive Störung. Im Zeitraum vom 13.07.1999 bis Ende Oktober 2001 (Abschluss der Reha in der I.) habe die Ausprägung
einer schweren seelischen Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten entsprochen, entsprechend einer MdE
von 60 als Durchschnittswert bei schwankender Ausprägung. Die Behandlung in der I. habe zu einer ganz erheblichen Stabilisierung
geführt, die in diesem Maße aber nicht anhaltend gewesen sei. Sie habe dann mit Mühe eine berufliche Weiterbildungsmaßnahme
absolviert. Ab November 2001 sei die schädigungsbedingte Symptomatik im unteren Bereich einer schweren Störung mit einer MdE
von 50 v.H. zu bewerten. Eine Nachuntersuchung in zwei Jahren werde empfohlen.
Mit Erstanerkennungsbescheid vom 23.07.2003 erkannte der Beklagte eine psychoreaktive Störung als Folge einer Schädigung an
sowie eine MdE von 60 v.H. ab 01.07.2000 und von 50 v.H. ab 01.11.2001. Mit Ergänzungsbescheid vom 24.07.2003 wurde die Grundrente
aus der MdE von 60 v.H. ab 01.07.2000 auf 510,00 DM, ab 01.07.2001 auf 520,00 DM, ab 01.11.2001 auf 412,00 DM, und aus einer
MdE von 50 v.H. ab 01.07.2003 auf 218,00 Euro festgesetzt. Mit Bescheid vom 18.06.2007 wurden die Versorgungsbezüge aufgrund
der Vierzehnten Verordnung zur Anpassung des Bemessungsbetrages und von Geldleistungen und nach dem Bundesversorgungsgesetz (14. KOV-AnpV 2007 2007) auf 219,00 Euro erhöht und eine Ausgleichsrente von 50,00 Euro festgesetzt. Weitere Anpassungen
erfolgten mit Bescheid vom 06.11.2008 ab 01.7.2000 auf 221,00 Euro (Bl. 375
OEG-Akte) und 22.06.2009 ab 01.07.2009 auf 226,00 Euro (Bl. 382
OEG-Akte). Die Höherbewertung der MdE wegen besonderer beruflicher Betroffenheit und die Gewährung eines Berufsschadensausgleichs
wurden abgelehnt (Bescheid vom 29.11.2006, Bl. 236
OEG-Akte), weil die Klägerin vor der Tat langjährig arbeitslos gewesen sei, so dass nicht angenommen werden könne, dass sie ohne
die Schädigung ihren Beruf als freie Journalistin weiterhin ausgeübt hätte.
Im Zuge des vom Beklagten eingeleiteten Überprüfungsverfahrens wurden Atteste beigezogen. Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie
Dr. H. gab an, die Behandlung einer Trigeminusneuralgie habe zuletzt im Vordergrund gestanden. Hinsichtlich der psychischen
Probleme habe er zu einer Gesprächstherapie geraten. Dr. B. erstattete ein weiteres Gutachten vom 26.11.2005 (Bl. 201
OEG-Akte). Zur aktuellen Situation berichtete die Klägerin, sie sei nach K. gezogen. Ihr Partner sei von B. nach B.-B. gezogen,
man habe noch keine gemeinsame Wohnung, sie wohne zur Untermiete. Sie habe nicht mehr gearbeitet, sei längere Zeit krank gewesen.
Im Jahr 2003 habe sie nach einem Sturz auf das Gesicht eine Jochbeinfraktur erlitten. Inzwischen habe sie chronische Bronchitis
und Asthma, sie erkranke häufig an Angina. Sie habe keinen Psychotherapieplatz für eine Traumatherapie bekommen, habe daher
selbständig Entspannungstechniken erlernt. Sie könne nicht einschlafen, habe Alpträume, fühle sich morgens depressiv, habe
immer Ohrgeräusche, könne sich schlecht konzentrieren. Sie ertrage enge Räume nicht, gehe lieber Treppen als allein Fahrstuhl
zu fahren. Sie vermeide es, nachts raus zu gehen und öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, gehe nicht in volle Kaufhäuser.
Sie könne keinen sexuellen Verkehr haben, weine oft grundlos, sei schreckhaft, habe Zustände mit Herzklopfen, Schweißausbruch,
Angst. Sie habe oft Suizidgedanken.
Die Gutachterin kam zu dem Ergebnis, es bestehe nach wie vor die Symptomatik einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS)
mit Intrusionen, Flashbacks, Vermeidungsverhalten, vermindertem Interesse, Schlafstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten,
Schreckhaftigkeit. Als komorbide Störung bestehe eine depressive Episode derzeit mittelschwerer Ausprägung sowie ein agoraphobisches
Angstsyndrom mit Panikstörung. Eine wesentliche Änderung gegenüber dem Gutachten von 2003 lasse sich nicht feststellen. Es
bestehe eine chronifizierte komplexe psychische Symptomatik. Es sei in der Zwischenzeit nicht ansatzweise zu einer Verarbeitung
des traumatischen Erlebnisses gekommen. Es finde sich kein Anhalt für schädigungsunabhängige Faktoren oder eine Verschiebung
der Wesensgrundlage. Es werde empfohlen, Leidensbezeichnung und MdE unverändert beizubehalten. Eine konsequente psychotherapeutische
Behandlung sei dringend angezeigt, eine Nachprüfung nicht vor drei Jahren empfohlen.
Im Zuge der erneuten Überprüfung von Amts wegen erstattete Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. St.
ihr nervenärztliches Gutachten vom 10.11.2010. Dr. Sch. berichtete im Befundbericht vom 15.05.2010, die Klägerin habe angegeben,
durch einen Lüfter in ihrer Wohnung krank zu werden. Sie leide unter Magenbeschwerden, Konzentrationsstörungen, Tinnitus und
nach einer Busvollbremsung vor 10 Tagen an einer Knieverletzung. Sie fühle sich durch diese Belastungen depressiv verstimmt,
überlege aber, sich selbständig zu machen. Die Stimmung sei nur gering zum depressiven Pol ausgelenkt. Sie sei schwingungsfähig,
aufmunterbar und ablenkbar. Die Grübelneigung sei wesentlich gebessert. Von den Traumata 1999 und 2007 sei sie ausreichend
distanziert. Weiter bestünden Schlafstörungen sowie positive Triggerpunkte im Trigeminusbereich. Dr. Sch. empfahl eine psychotherapeutische
Behandlung. Nach einem Befundbericht von Dr. Sch. vom 22.12.2009 wurde die PTBS durch einen Pkw-Unfall 2007 verschlimmert.
Sie könne seitdem nicht mehr als Beifahrerin im Auto fahren. Nach einem Telefonvermerk vom 25.06.2010 (Bl. 91 Schwb-Akte)
sah sich die Klägerin unter Druck, weil sie aus ihrer Wohnung ausziehen müsse (Mobbing durch die Hausbewohner etc.).
Im Entlassungsbericht der Reha-Klinik N. von Juni 2009 wurde berichtet, die Klägerin gebe an, hinsichtlich der PTBS und depressiven
Symptomatik nach einer Gewalttat 1999 aktuell beschwerdefrei zu sein. In der Rehabilitationsbehandlung habe sie Fahrstühle
benutzen können. Weiterhin bestünden Schlafstörungen, Alpträume und Schweißausbrüche. Sie stehe einer ambulanten Psychotherapie
ängstlich gegenüber.
Die Gutachterin berichtete, die Untersuchung gestalte sich schwierig und langwierig, die Klägerin reagiere auf Nachfragen
ungehalten, unterstelle "Polizeiverhörmethoden". Sie habe 2007 als Beifahrerin einen Autounfall erlitten, sich wieder ausgeliefert
gefühlt und Todesängste verspürt, so dass sich ihre Depression wieder verschlechtert habe. Danach habe sie sich wieder berappelt
und 2009 sei es ihr deutlich besser gegangen. Dann habe sie Ende 2009/Anfang 2010 ihre Wohnung in B.-B. räumen müssen, nachdem
sie eine Mietminderung wegen Pilzbefall geltend gemacht und in erster Instanz auch gewonnen habe. Im Vorfeld habe es mehrere
Kündigungen und Beschwerden wegen "Hausfriedensstörung" gegeben. Diese seien fingiert gewesen. Der Richter habe Rechtsbeugung
begangen, man habe sie praktisch zum zweiten Mal vergewaltigt. Sie müsse nun in einer viel zu kleinen, lauten Wohnung an schlechter
Stelle leben. Diese sei gesundheitsgefährdend. Sie fühle sich ängstlich, komme nicht zurecht. Ihr Partner sei noch ihr Freund
und sie habe auch sonst gute Freunde. Sie habe mehrere Unfälle erlitten, die ihre PTBS verschlimmert hätten. 2003 sei sie
auf das Gesicht gestürzt, später habe sie eine Humerusfraktur erlitten, 2007 einen Autounfall, aus dem zunehmende Wirbelsäulenprobleme
folgten. 2010 sei sie gestürzt als ein Bus plötzlich gebremst habe. Seitdem habe sie Probleme an den Knien. Später sei sie
einmal in eine Bustür eingeklemmt worden. All dies habe zur Verschlimmerung ihrer Symptome geführt. Sie sei mit öffentlichen
Verkehrsmitteln zur Untersuchung gekommen. Sie beschreibe unter Tränen eine deutlich depressive Verstimmung und Antriebsminderung,
Grübelneigung, Schlafstörung, beginnend vor allem nach dem Autounfall 2007 und nach zwischenzeitlicher Besserung nach dem
Gerichtsverfahren 2010. Daneben gebe die Klägerin eine Vermeidung von sozialen Aktivitäten im Dunkeln, eine Abneigung und
ein unheimliches Gefühl angesichts dunkelhäutiger, indisch aussehender Männer sowie gelegentlich auftretende Alpträume mit
Verfolgungsinhalten an.
Hinsichtlich der PTBS sah die Gutachterin eine Besserung eingetreten. Die im Gutachten von 2005 beschriebenen Angstsymptome
und das Vermeidungsverhalten lägen nicht mehr im damals beschriebenen Ausmaß vor. Die depressiven Symptome hätten sich nach
Angaben der Klägerin kontinuierlich gebessert, so dass sie 2007 eine Berufstätigkeit in Betracht gezogen habe. Durch den Unfall
seien dann wieder depressive Symptome aufgetreten, die sich im Verlauf erneut gebessert hätten. Eine erneute depressive Symptomatik
sei dann 2010 nach verlorenem Gerichtsprozess aufgetreten und bestehe aktuell anhaltend.
Die Symptome der PTBS bestünden in deutlich abgeschwächter Form fort. Die zwischenzeitlich aufgetretenen depressiven Symptome
nach dem Autounfall 2007 und dem verlorenen Gerichtsprozess 2020 seien schädigungsunabhängig. Aus gutachterlicher Sicht wäre
es möglich gewesen, die depressive Störung ohne die bestehende Vorschädigung der PTBS zu entwickeln. Diese Einschätzung würde
vom behandelnden Psychiater Dr. Sch. geteilt, der angegeben habe, die Klägerin sei von den Traumata 1999 und 2007 (Autounfall)
hinreichend distanziert. Somit sei es zu einer Verschiebung der Wesensgrundlage gekommen.
Aktuell sei der GdS mit 30 im Sinne einer stärker behindernden Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit
unter Berücksichtigung der eingetretenen Verbesserung mit 30 zu bewerten.
Auf die Anhörung der Beklagten hin machte die Klägerin eine Verschlechterung ihres Zustands geltend und bat um erneute Begutachtung,
da Dr. St. nur auf ihre Verunsicherung aus gewesen sei. Sie habe sich gefühlt wie auf dem Polizeirevier. Die Angaben würden
nicht stimmen. Sie habe durch den Autounfall und den verlorenen Gerichtsprozess keine zweite und dritte Vergewaltigung erlebt.
Ihre neue Wohnung sei nicht klein und laut, sondern 25 m2 größer, hell und sehr schön. Den Autounfall habe sie bis auf Wirbelsäulenbeschwerden gut überstanden. Auch das Einklemmen
in die Bustür sei nicht schlimm gewesen. Einiges sei von der Gutachterin frei erfunden bzw. glatt gelogen.
Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 14.01.2011 (Bl. 431
OEG-Akte) stellte der Beklagte unter teilweise Aufhebung der bisherigen Entscheidung den Anspruch auf Versorgung neu fest. Der
GdS betrage 30 ab 01.02.2011. Die Grundrente wurde ab 01.02.2011 in Höhe von 123,00 Euro festgestellt.
Die Klägerin erhob Widerspruch und legte einen Arztbrief von Dr. Sch. vom 03.06.2007 vor, wonach sie vom Trauma von 1999 noch
nicht ausreichend distanziert sei sowie einen Arztbrief der Ambulanz der Uni-Klinik H., Zentrum für Psychosoziale Medizin
vom 20.01.2011 über eine einmalige Vorstellung.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 08.06.2011 zurückgewiesen. Hiergegen hat die Klägerin am 01.07.2011 Klage
beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben (S 3 VG 2810/11). Ihr zuvor angebrachter Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ist mit Beschluss vom 22.02.2011
abgelehnt worden (S 3 VG 580/11 ER). Der Hausarzt Dr. P. hat auf gerichtliche Anfrage Arztbriefe vorgelegt, unter anderem von Dr. Sch. vom 05.12.2010, 18.03.2011
und 08.09.2011, wonach die Klägerin "vom Trauma 1999 und 2007 nicht ausreichend distanziert" sei. Das Denken und Handeln der
Klägerin sei wesentlich durch Kränkungserleben bestimmt.
Im Auftrag des SG hat der Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Sch. nach mehrfachen Terminverschiebungen seitens der Klägerin sein Gutachten
vom 16.10.2012 nach zweimaliger Exploration erstattet. Die Klägerin gebe an, an einer PTBS zu leiden. Die Kriterien seien
exploriert worden. Zur Wiedererinnerung habe sie angegeben, etwa zwei- bis dreimal pro Woche Alpträume zu haben, über Bruchstücke
der Tat, ein Fallen in die Tiefe oder einen ganz ekligen Frosch, eingesperrt in einem Glas berichtet. Nach Erinnerungsbildern
tagsüber befragt, gebe sie an, sie habe Schamgefühle und Panik, wenn sie etwas an die Tat erinnere, etwa ein indisch aussehender
Mensch. Sie habe ein wiederkehrendes Gefühl von Ekel, Scham und Angst, wenn sie eine Situation nicht steuern könne, bis zu
dreimal am Tag, dann wieder wochenlang nicht. Zum Vermeidungsverhalten habe sie angegeben, Ängste vor Dunkelheit, unbekannten
Personen, Konfrontation mit unbekannten Personen in der Dunkelheit zu haben. Sie sei nie wieder in die Straße gegangen, in
der das Lokal liege. Sie meide Aufzüge, fahre ungern alleine Auto oder Zug. Sie habe Ein- und Durchschlafstörungen, werde
wach, weil sie immer aufs Klo müsse, sei sehr nervös. Sie habe alle ihre Freunde verloren, sei meistens zu Hause, müsse jeden
Tag heulen.
Die Klägerin sei seit September 2011 in Psychotherapie bei Dipl.-Psych. H.. Sie lebe allein in einer 63 m2 großen Wohnung, stehe morgens auf, nehme ein kleines Frühstück zu sich und verlasse dann meist das Haus, gehe dreimal in
der Woche zur Krankengymnastik, einmal pro Woche zur Psychotherapie, und zum Einkaufen. Weniger häufig bleibe sie den ganzen
Tag zu Hause. Nachmittags besuche sie literarische Vorträge auf Vernissagen. Sie sei auch gern in Parks und nehme dorthin
ein Buch mit. Sie sei nicht gern allein in ihrer Wohnung. Sie achte darauf, dass sie bei Beginn der Dunkelheit zurück sei,
es sei denn, sie sei in Begleitung. Zum Abendessen mache sie sich eine Kleinigkeit. Am Abend würde sie gern lesen, fernsehen
oder schreiben. Zu Bett begebe sie sich zwischen 22.00 Uhr und 23.00 Uhr. Sie lese relativ viel, etwa zwei Stunden am Tag.
Sie schreibe am Computer, manchmal drei Stunden am Stück. Sie könne etwa zwei bis drei Stunden im Spaziertempo gehen. Auto
fahren würde sie seit 1980 nicht mehr. Sie könne öffentliche Verkehrsmittel gut benutzen. Sie habe einige gute Bekannte, auch
zwei echte Freunde. Mit ihrem Freund oder allein gehe sie gern zu kulturellen Veranstaltungen.
Der Sachverständige hat berichtet, es bestünden Diskrepanzen zwischen den Schilderungen der Klägerin über Tatfolgen und aktenkundigen
Befunden sowohl in Bezug auf die Klaustrophobie als auch hinsichtlich des Tinnitus. Die Klaustrophobie habe nach dem Reha-Bericht
von 2001 bereits seit 1984 bestanden. Der Tinnitus sei nach dem Reha-Bericht vom Oktober 2001 im Sommer 2000 aufgetreten und
bestehe rechts, nur bei Stress, während die Klägerin nunmehr angebe, er sei bereits unmittelbar nach der Tat aufgetreten,
beidseitig und ständig vorhanden. Nach der Selbstauskunft der Klägerin im Schwerbehindertenverfahren bestehe der Tinnitus
seit 2003. Diskrepanzen bestünden auch hinsichtlich der Folgen eines Autounfalls 2007.
Weitere Diskrepanzen lägen zwischen den geklagten Beschwerden und den beobachtbaren Befunden vor. Sie habe ein multilokuläres
Schmerzsyndrom bei mittlerer bis hoher Schmerzintensität angegeben, verbunden mit erheblichen Beeinträchtigungen. In den mehrere
Stunden dauernden Untersuchungssitzungen habe sie aber keinerlei schmerztypische Verhaltensweisen gezeigt. Die testpsychologischen
Beschwerdevalidierungsverfahren hätten Verdeutlichungstendenzen in Bezug auf neurologische, affektive und amnestische Symptome
gezeigt. Sie habe z. B. angegeben, ihr Gedächtnis sei so schlecht geworden, dass es ganze Tage gebe, an die sie sich nicht
erinnere, wofür es keine pathophysiologischen Erklärungen gebe. In einem weiteren Test habe sie eine äußerst schlechte verbale
Gedächtnisleitung in einem Untertest erzielt, der nur der Messung der Anstrengungsbereitschaft diene und von dementen oder
mittelgradig bis schwer hirnverletzten Probanden nicht erfolgreich bestanden würde. Die dort gezeigte massive Gedächtnisstörung
spreche klar für eine instruktionswidrige Anstrengungsminderleistung und sicher nicht für eine tatsächliche kognitive Dysfunktion
im mnestischen Bereich.
Jenseits dieser negativen Antwortverzerrungen und instruktionswidrigen Anstrengungsminderleistung ergäben sich Hinweise auf
klare krankheitswerte Befunde. Alle Kriterien der PTBS seien erfüllt. Diese bestehe mit abgeschwächter Stärke der Symptomausprägung
und Funktionsdefizite bis heute im Kernbereich fort. Zu diskutieren sei eine eigenständige affektive Störung. Depressionstypische
Befunde hätten in der Untersuchung nicht vorgelegen, so dass vor dem Hintergrund der negativen Antwortverzerrung und der nachgewiesenen
Verdeutlichungstendenzen die Befundlage für eine eigenständige, etwa depressive Störung nicht ausreiche. Die nachvollziehbare
affektive Beeinträchtigung füge sich zwanglos in das Spektrum von Begleitsymptomen der PTBS ein. Zu diskutieren sei eine spezifische
Angststörung. In der Untersuchung hätten sich Hinweise auf Vermeidungsverhalten ergeben, das einerseits der PTBS zuzuordnen
sei. Andererseits bestehe eine spezifische Phobie des situativen Typs (Klaustrophobie), die nach den Aktenbefunden seit 1984
bestanden habe.
Hinsichtlich der Kausalitätsbeurteilung sei zu berücksichtigen, dass Vergewaltigungen zu den Traumatisierungen mit der höchsten
Wahrscheinlichkeit der Entwicklung einer PTBS zählten, nach großen epidemiologischen Studien mit einer Häufigkeit von mehr
als 50 %. Typisch sei ein decrescendo-Verlauf mit initial starker Pathologie, die sich mit und ohne Behandlung im Laufe der
Zeit abmildere. Gleichzeitig seien dauerhafte residuale Beeinträchtigungen und chronische Verläufe bekannt. Bei der Klägerin
bestehe die Gesundheitsstörung langjährig. Die posttraumatische Kernsymptomatik, unwillkürliche und belastende Wiedererinnerungen,
Vermeidungsverhaltensweisen, psychovegetative Übererregbarkeit, ließen sich weiter aufzeigen würden, jedoch deutlich geringer
als in der Zeit nach dem schädigenden Ereignis beschrieben.
Nach dem Schädigungsereignis sei die Klägerin multiplen weiteren körperlichen und psychosozialen Belastungsmomenten ausgesetzt
gewesen: Tinnitus frühestens ab Sommer 2000, psychische Belastungen durch den Prozess gegen den Täter Anfang und Mitte 2000,
Sturz mit Gesichtsverletzung, Jochbeinbruch und Orbitabodenfraktur 2003, zweiter Sturz mit Oberarmfraktur 2003, Gesichtsschmerz
2004, Pfeiffer'sches Drüsenfieber mit mehrmonatiger Erschöpfung 2004, Pkw-Unfall 2007, Schädeltrauma 2007, 2009/2010 Streit
mit Nachbarn/Vermieter, verlorene Räumungsklage, notwendiger Wohnungswechsel, 2010 Sturz im Bus mit Knieverletzung. Diese
Belastungsmomente hätten jedoch nicht auf den psychopathologischen Prozess, der zur Symptomatik der PTBS geführt habe, eingewirkt.
Es sei nicht zu einer Verschiebung der Wesensgrundlage gekommen.
Eine wesentliche Änderung gegenüber den Vergleichsbefunden im Gutachten von 2003 sei eingetreten. Vergleiche man das damals
gegenüber Dr. B. vorgetragene Beschwerdeprofil mit den aktuell nachvollziehbaren Beschwerden, ergebe sich eine substanzielle
Verbesserung des Zustandsbildes. Aktuell seien weder ausgeprägte Alpträume noch krankheitswerte depressive Verstimmungszustände,
Antriebsstörungen, Panikattacken oder Konzentrationsstörungen zu eruieren. Gegenüber Dr. B. habe die Klägerin angegeben, sie
habe ihre früheren Interessen verloren, sei nur mit Mühe in der Lage, ihren Tag zu strukturieren und neige zu sozialem Rückzug.
Aktuell habe die Klägerin ihre Tagesstruktur mit mehrstündigem Verlassen ihrer Wohnung und Aufenthalten im öffentlichen Raum
beschrieben. Auch sei die Ausprägung der einzelnen Symptomgruppen der PTBS vergleichsweise gering. Dies betreffe sowohl die
nur gelegentlich in Alpträumen auftretenden Erinnerungen an Bruchstücke der Tat und das hochspezifische Vermeidungsverhalten
(indisch aussehende Männer, Konfrontation mit Unbekannten in der Dunkelheit, interpersonelle Nähe und Sexualität). Die Hypersensitivitätsmerkmale
seien ebenfalls gering ausgeprägt. Sie berichte Schlafstörungen, Schreckhaftigkeit, wobei letzteres nur sehr dezent wahrnehmbar
gewesen sei. Konzentrationsdefizite seien definitiv nicht zu eruieren gewesen. Insgesamt sei das jetzt festzustellende Bild
einer PTBS substanziell in symptomatischer Prägnanz und Funktionsauswirkung als geringer einzuschätzen als das von Dr. B.
2003 dargestellte.
Die Veränderung sei ab 01.02.2011 feststellbar, ausgehend vom Arztbrief der Uni-Klinik H. von Januar 2011 und von Dr. Sch.
von März 2011, wobei beide schädigungsunabhängige Komponenten enthielten, die Klaustrophobie und den Autounfall 2007 als Trauma
und die hieraus folgenden Schwierigkeiten, als Beifahrerin Auto zu fahren.
Vor dem Hintergrund der konkreten funktionellen Auswirkungen liege eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung
der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit vor, die mit einem GdS von 30 einzuschätzen sei. Eine höhere Einschätzung komme nicht
in Frage, weil die Funktionsbeeinträchtigung keineswegs der einer ausgeprägten depressiven Störung entspreche.
Das SG hat die Klage nach Anhörung der Beteiligten und Ausbleiben einer angekündigten Stellungnahme mit Gerichtsbescheid vom 09.04.2013
abgewiesen und sich hierbei auf das Gutachten von Dr. Sch. gestützt.
Gegen den am 23.04.2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 21.05.2013 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg
eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, sie sei mit der Entscheidung durch Gerichtsbescheid nicht einverstanden gewesen.
Ihr Bevollmächtigter habe nachlässig gehandelt. Das Gutachten von Dr. Sch. sei ein Fehlgutachten. Ihre Vertrauensperson habe
an der Untersuchung nicht teilnehmen dürfen. Sie habe nicht bereits vor der Tat an Klaustrophobie glitten, da sie 1984/1985
in F. Veranstaltungen im Uni-Turm besucht habe, 1986 bis 1988 bei ihrer Arbeit für den Südwestfunk in B.-B. den Aufzug habe
benutzen müssen und 1991 bis 1993 in Berlin mit der U-Bahn gefahren sei. Dies alles wäre mit Klaustrophobie nicht möglich
gewesen. Sie habe die psychotherapeutische Behandlung mangels Erfolges abgebrochen. Sie lebe zurückgezogen, habe nur Kontakte
zur Familie und einer weiteren Person, nehme Sertralin autrobindo, beziehe Altersrente für schwerbehinderte Menschen. Sie
habe keinen festen Tagesablauf, schlafe schlecht. Sie versuche mit den Symptomen zu leben. Bei Dunkelheit gehe sie nur in
Begleitung auf die Straße. Tagsüber gehe sie gern in Parks spazieren.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 9. April 2013 und den Bescheid vom 14. Januar 2011 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 8. Juni 2011 aufzuheben,
hilfsweise sie erneut von Amts wegen zu begutachten,
höchsthilfsweise Dr. Sch. ergänzend dazu zu hören, ob er bei seinem Begutachtungsergebnis auch dann bleibt, wenn die Klaustrophobie
schädigungsbedingt ist,
F. V., W.-Str. 33, 76530 B.-B., W. H., E.-Weg 20, 17268 T. und K. W., M.-Gasse 4, 76530 B.-B. zur Frage der Klaustrophobie
und wann diese aufgetreten ist als Zeugen zu hören,
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angegriffene Entscheidung und die Beurteilung in den Gutachten des Dr. Sch. und der Dr. St. für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Prozessakten beider Instanzen, die SG-Akte S 3 VG 580/11 ER, den Verwaltungsvorgang des Beklagten (3 Bände), Beiheft und Ermittlungsakte sowie die Schwerbehindertenakte verwiesen.
Der angegriffene Bescheid des Beklagten, mit dem der GdS aus der anerkannten Schädigungsfolge von 50 auf 30 herabgesetzt wurde,
ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Rechtsgrundlage für die Neufeststellung des GdS ist § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung - hier der Bescheid vom 23.07.2003 - für die Zukunft aufzuheben, soweit
in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt.
Dabei liegt eine wesentliche Änderung vor, soweit der Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen
Verhältnissen nicht mehr so erlassen werden dürfte, wie er ergangen ist. Die Änderung muss sich mithin nach dem zugrunde liegenden
materiellen Recht auf den Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes auswirken. Das ist bei einer tatsächlichen Änderung nur dann
der Fall, wenn diese so erheblich ist, dass sie rechtlich zu einer anderen Bewertung führt. Wesentlich ist eine Änderung im
Hinblick auf die Feststellung des GdS dann, wenn sich der GdS um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen
Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (BSG SozR 1300 § 48 Nr. 29). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Änderung ist bei der vorliegenden Anfechtungsklage die letzte mündliche Verhandlung,
da sich die Klägerin gegen einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung wendet (BSGE 61, 203, 204; 109, 265, 268).
Der GdS ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten
körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen (§ 30 Abs. 1 Satz 1 BVG). Der GdS ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu 5 Grad geringerer GdS wird vom höheren Zehnergrad
mit umfasst (§ 30 Abs. 1 Satz 2 BVG). Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten
(§ 30 Abs. 1 Satz 3 BVG).
Bei der Klägerin ist mit Bescheid vom 23.07.2003 als Schädigungsfolge eine psychoreaktive Störung anerkannt und ein GdS von
60 ab 01.07.2000 und von 50 ab 01.11.2001 festgestellt worden. Der Vergleich der damaligen Befunde mit den Ergebnissen der
im vorliegenden Verfahren durchgeführten medizinischen Ermittlungen ergibt eine Besserung des Gesundheitszustandes der Klägerin
hinsichtlich der Schädigungsfolgen, die eine Bewertung mit einem GdS von 30 tragen.
Nach Nr. 3.7 VG ist für Neurosen, Persönlichkeitsstörungen, Folgen psychischer Traumen im Falle leichterer psychovegetativer
oder psychischer Störungen der GdS 0-20. Bei stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und
Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen
mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) 30-40. Bei schweren Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen
sozialen Anpassungsschwierigkeiten beträgt der GdS 50-70, mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten 80-100.
Zum Zeitpunkt des Erstanerkennungsbescheides bestanden Schädigungsfolgen bei der Klägerin im Umfang einer schweren Störung
mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten. Die Klägerin hatte schwere Schlafstörungen, konnte manchmal die ganze
Nacht nicht schlafen, wurde nachts immer wach, hatte noch im Wochenabstand ganz schreckliche Alpträume, schlug im Schlaf um
sich und schrie um Hilfe. Auch litt sie unter erheblichen Ängsten. Sie hatte Angst in Treppenhäusern, in fremdem Wohnungen,
saß in Lokalen immer mit dem Rücken zur Wand, um die Kontrolle zu haben. Sie hielt Abstand zu Männern und ekelte sich vor
ihnen. Sie hatte Erinnerungen an die Tat, verbunden mit bestimmten Körpersensationen wie beim Überfall, Angst vor allem, was
diese Erinnerungen mobilisieren konnte. Sie hatte häufig Herzrasen, Schweißausbrüche, Atemnot und bekam dann Angst. Sie konnte
sich nicht gut konzentrieren, z.B. auf ein Buch, fand beim Sprechen nicht die richtigen Worte. Außerdem litt sie unter erheblichen
depressiven Verstimmungen. Morgens wachte sie mit Depressionen auf. Abends kehrten diese wieder, häufig mit Suizidgedanken.
Nur der Gedanke an ihren Partner und ihre Mutter hielten sei zurück, sich etwas anzutun. Sie litt unter Antriebsschwäche,
konnte sich zu nichts aufraffen, nicht einmal zu Telefonaten. Alles lag wie ein Berg auf ihr. Dies entnimmt der Senat dem
Gutachten von Dr. B.. Es fehlte die Tagesstruktur. Der Tagesablauf der Klägerin zum Zeitpunkt der Begutachtung 2003 sah so
aus, dass sie meist total depressiv aufwachte, frühstückte und in die Natur ging. Am liebsten lief sie durch die Natur. Manchmal
ging sie um 23 Uhr zu Bett, manchmal erst um 3 oder 4 Uhr, manchmal blieb sie die ganze Nacht wach. Sie zog sich zurück, ging
nicht unter Leute, interessierte sich für nichts, las kaum noch, weil sie sich nicht konzentrieren konnte. Ihre Fähigkeit
zur Selbstversorgung war herabgemindert. Sie aß nur, wenn ihr Partner etwas kochte. Sie litt somit unter aufdrängenden Erinnerungen,
phobischen Ängsten, Panikattacken, depressiven Verstimmungszuständen und psychosomatischen Störungen im unteren Bereich einer
schweren Störung, zu bewerten mit einem GdS von 50. Dieser Befund bestand bei der Nachprüfung 2005 weitgehend unverändert.
Dies steht zur Überzeugung des Senats aufgrund der beiden Gutachten von Dr. B., die im Wege des Urkundsbeweises verwertet
worden sind, fest.
Zum Zeitpunkt des Nachprüfungsverfahrens, das zu dem hier streitgegenständlichen Bescheid geführt hat, war der psychische
Befund auch nach eigener Anschauung der Klägerin gebessert, was diese auch für den Senat nachvollziehbar damit begründet hat,
dass sie zwischenzeitlich sogar die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit in 2007 erwogen hatte. Zu der Begutachtung durch
Dr. St., deren Gutachten im Verwaltungsverfahren der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwertet konnte die Klägerin mit öffentlichen
Verkehrsmitteln anreisen, gab Alpträume und Erinnerungen an den Tathergang erst auf Nachfrage an und berichtete nicht über
Flashbacks und unangenehme körperliche Gefühle im Zusammenhang mit auftretenden Erinnerungen. Sie berichtete von einem Autounfall
2007 und einem Mietprozess 2010, die sie stark beeinträchtigt hatten, nachdem zwischenzeitlich Besserungen eingetreten waren,
zuletzt 2009, insbesondere nach einer Reha, bei der sie sich als "beschwerdefrei" im Hinblick auf die Schädigungsfolgen bezeichnet
hatte. Bei der Begutachtung durch Dr. Sch. im Klageverfahren gab die Klägerin erhebliche psychische Beschwerden an, dass sie
täglich weinen müsse, sich gar nicht konzentrieren könne, meistens zu Hause sei, zwei- bis dreimal wöchentlich Alpträume habe,
wiederkehrend Gefühle von Angst, Ekel und Scham habe. Dies vereinbarte sich aber nicht in diesem Ausmaß mit der von ihr geschilderten
Tagesgestaltung, wonach sie morgens früh, jedoch immer vor 11 Uhr aufstehe, nach dem Frühstück das Haus verlasse, zu Physio-
oder Psychotherapie oder einkaufen gehe, nachmittags Vorträge auf Vernissagen besuche oder mit einem Buch in den Park gehe,
weniger oft den ganzen Tag zu Hause verbringe, erst nach vielen Stunden draußen nach Hause zurückkehre, eine Kleinigkeit esse,
lese, fernsehe oder schreibe. Sie kann danach ihren Haushalt bis auf körperlich schwere Arbeiten selbst versorgen, auch selbst
einkaufen. Sie liest zwei Stunden pro Tag Bücher. Sie hat somit offensichtlich keine Schlafstörungen in dem Ausmaß, dass durch
Tagesmüdigkeit die Tagesaktivitäten gestört sind, hat keine Antriebsstörung, kein Morgentief und keine Suizidgedanken. Ihr
Vermeidungsverhalten ist sehr spezifisch und damit nicht in besonderem Maße im Alltag beeinträchtigend.
Danach liegen zur Überzeugung des Senats psychische Störungen nur noch in einem Umfang vor, der einer stärker behindernden
Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit und damit einem GdS von 30 entspricht. Ein höherer
GdS ist danach nicht begründet. Dies gilt unabhängig davon, ob eine Klaustrophobie bereits vor der Tat bestand, wie im Reha-Bericht
von 2001 wiedergegeben, oder ob diese überhaupt fortbesteht, wie dies nach dem Gutachten von Dr. St. ausgeschlossen erscheint,
weil die Klägerin dort berichtete, wieder Fahrstühle und öffentlich Verkehrsmittel ohne Probleme benützen zu können. Der Senat
hat daher den darauf gerichteten Hilfsbeweisantrag der Klägerin auf erneute Anhörung des Sachverständigen Dr. Sch. und der
Zeugenvernehmung ihrer Bekannten abgelehnt. Denn entscheidend ist allein, dass die Beeinträchtigung der Alltagsaktivitäten
angesichts des geringen Ausmaßes nicht erheblich ist. Die Klägerin ist offensichtlich nicht daran gehindert, öffentliche Verkehrsmittel
zu benutzen. Die 2003 geklagte Agoraphobie besteht nicht mehr, da die Klägerin selbst einkaufen kann und Vernissagen besucht.
Diese Bewertung wird durch weitere Befunde bestätigt. So bezeichnete die Klägerin sich selbst in der Reha 2009 als bezüglich
der PTBS nach der 1999 erlittenen Gewalttat als beschwerdefrei und konnte Fahrstühle benutzen. Auch ihr langjährig behandelnder
Facharzt Dr. Sch. sah ihren Zustand hinsichtlich der Schädigungsfolgen im Mai 2010 gebessert, vom Trauma ausreichend distanziert.
Die vorhandene depressive Verstimmung gründete sich auf andere Ursachen, einen Lüfter in der Wohnung, eine Knieverletzung
nach einer Busvollbremsung. Sie konnte nicht als Beifahrerin im Auto fahren wegen des 2007 erlittenen Verkehrsunfalls. Der
Bericht der Uni-Klinik H., Zentrum für psychosoziale Medizin, über eine einmalige Vorstellung in der Ambulanz fünf Tage nach
Erlass des Herabsetzungsbescheides führt zu keinem anderen Ergebnis. Der dort geschilderte Befund beruht ersichtlich allein
auf den Schilderungen der Klägerin, so hinsichtlich der agoraphobischen Ängste, die in der Alltagsgestaltung nicht zu objektivieren
sind. Eine weitere Behandlung wurde dort nicht durchgeführt.
Soweit die Klägerin selbst im Berufungsverfahren eine stärkere Beeinträchtigung vorgetragen und beide Gutachten als Fehlgutachten
bezeichnet hat, vermag dies den Senat nicht zu überzeugen. Dies ist vielmehr im Rahmen der vom Sachverständigen Dr. Sch. aus
Testvalidierungsverfahren gefolgerten Verdeutlichungstendenz zu sehen, da die Klägerin im hiesigen Verfahren erkennbar bemüht
ist, dem Eindruck einer Besserung ihrer Beschwerden entgegenzuwirken. Schließlich hat sie im Berufungsverfahrens die im September
2011 begonnene Psychotherapie nicht mehr weitergeführt, was gegen einen starken Leidensdruck spricht.
Die vorliegenden Gutachten haben dem Senat die ausreichende Entscheidungsbasis vermittelt, einer weiteren Begutachtung von
Amts wegen bedarf es daher nicht. Eine Verpflichtung zur Einholung eines sogenannten Obergutachtens besteht auch bei einander
widersprechenden Gutachtensergebnissen im Allgemeinen nicht; vielmehr hat sich das Gericht im Rahmen der Beweiswürdigung mit
den einander entgegenstehenden Ergebnissen auseinanderzusetzen. Hält das Gericht eines von mehreren Gutachten für überzeugend,
darf es sich diesem anschließen, ohne ein weiteres Gutachten einzuholen. Bei einer derartigen Fallgestaltung ist für eine
weitere Beweiserhebung regelmäßig kein Raum (ständige Rspr., vgl. zuletzt BSG, Beschluss vom 12.05.2015 - B 9 SB 93/14 B - zit. nach [...]).
Die Berufung war daher zurückzuweisen.