Anspruch auf Arbeitslosengeld
Anforderungen an die Berücksichtigung von Entgelten aus einer zuvor als Grenzgängerin in der Schweiz besser entlohnten Tätigkeit
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Arbeitslosengeldes ab dem 01.06.2019.
Die Klägerin übte vom 01.06.2013 bis zum 30.06.2018 eine Beschäftigung bei der N AG in W in der Schweiz aus. Danach war sie
vom 01.07.2018 bis zum 31.05.2019 bei der W GmbH in G in Deutschland beschäftigt.
Die Klägerin meldete sich am 27.02.2019 bei der Beklagten arbeitssuchend und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld
ab 01.06.2019. Die Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons A meldete mit dem PD U1 (portable document) den Zeitraum vom
01.06.2013 bis zum 30.06.2018 als versicherte Beschäftigungszeit und teilte das erzielte Einkommen mit.
Mit Bescheid vom 22.05.2019 bewilligte die Beklagte der Klägerin Arbeitslosengeld ab 01.06.2019 bis zum 30.05.2021 in Höhe
von täglich 38,68 Euro und legte als Bemessungszeitraum den Zeitraum vom 01.06.2018 bis zum 31.05.2019 zugrunde.
Dagegen legte die Klägerin am 29.05.2019 Widerspruch ein und führte an, dass die Regelbemessung eine unbillige Härte nach
§
150 Abs.
3 SGB III darstelle. Das Gehalt bei der Beschäftigung bei der W GmbH sei erheblich niedriger gewesen als bei der vorherigen Beschäftigung
als Grenzgängerin bei der N. Die Beschäftigung bei der W GmbH habe sie nach Vermittlung durch die Beklagte trotz erheblicher
Gehaltseinbußen angenommen, um eine Arbeitslosigkeit zu vermeiden. Sie verlange eine Bemessung unter Beachtung eines zweijährigen
Bemessungsrahmens und unter Einbeziehung des in der Schweiz erzielten höheren Arbeitsentgelts.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17.06.2019 zurück. Sie begründete ihre Entscheidung damit,
dass der Bemessungsrahmen die Zeit vom 01.06.2018 bis zum 31.05.2019 umfasse. Im Bemessungszeitraum sei in 335 Tagen ein beitragspflichtiges
Arbeitsentgelt von insgesamt 33.000 € erzielt worden. Hieraus ergebe sich ein durchschnittliches tägliches Entgelt von 98,51
€. Bei der Berechnung der Abzüge seien Freibeträge und Pauschalen, die nicht jeder Arbeitnehmerin oder jedem Arbeitnehmer
zustehen, nicht zu berücksichtigen. Die individuellen Freibeträge bzw. Pauschalen der Klägerin müssten deshalb bei der Berechnung
des Arbeitslosengeldes außer Betracht bleiben. Maßgeblich sei die Lohnsteuerklasse eins, damit ergebe sich unter Berücksichtigung
der gesetzlichen Abzüge ein Leistungsentgelt i.H.v. 64,47 €. Die Klägerin habe Anspruch auf Arbeitslosengeld nach dem allgemeinen
Leistungssatz von 60 % des Leistungsentgelts; damit belaufe sich das Arbeitslosengeld auf täglich 38,68 €. Bei Arbeitslosen,
die zuletzt vor der Arbeitslosmeldung nach deutschem Recht beschäftigt waren, sei bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes
nach Art. 62 Abs. 1 und Abs. 2 VO (EG) 883/2004 ausschließlich das deutsche Arbeitsentgelt zugrunde zu legen. Ausländische
Versicherungs- und Beschäftigungszeiten müssten bei der Bildung des Bemessungszeitraumes außer Betracht bleiben. Die Einbeziehung
des in der Schweiz erzielten Arbeitsentgelts in die Prüfung einer unbilligen Härte nach §
150 Abs.
3 SGB III sei daher nicht möglich.
Die Klägerin hat am 28.06.2019 über ihren Bevollmächtigten Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben.
Sie hat vorgetragen, dass von einer unbilligen Härte nach §
150 Abs.
3 SGB III auszugehen sei. Das Gehalt bei ihrer zuletzt in Deutschland ausgeübten Beschäftigung sei deutlich niedriger als das zuvor
erzielte in der Schweiz. Auch habe sie ohne hierzu leistungsrechtlich verpflichtet zu sein, im Nachgang zum Grenzgängerbeschäftigungsverhältnis
ein Arbeitsverhältnis mit der deutschen Firma trotz erheblichster Gehaltseinbußen abgeschlossen, um eine Arbeitslosigkeit
zu vermeiden. Sie habe sich hierdurch unter höchster Mitwirkung schonend gegenüber den Beitragszahlern verhalten, da sie trotz
fehlender objektiver Verpflichtung das Arbeitsverhältnis in Deutschland mit Gehaltseinbußen eingegangen sei, anstatt Arbeitslosengeld
im Anschluss an die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses in der Schweiz mit sicherlich unstreitig höherem Bemessungsentgelt
zu beziehen. Auch Art. 62 Abs. 1 und Abs. 2 der VO (EG) 883/2004 stehe dem nicht entgegen. Vorgängige Auslandsbeschäftigungen
sollten weder dem Grunde nach, noch der Höhe nach zu Leistungsbezugsnachteilen führen. Diese würde ansonsten zu einer mittelbaren
Diskriminierung derer führen, welche von der europarechtlich gewollten Reise- und Erwerbsfreizügigkeit nach Art. 1 lit. t)
und lit. u) VO (EG) 883/2004 Gebrauch machten.
Mit zwei weiteren Bescheiden vom 25.09.2019 hat die Beklagte der Klägerin Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung ab
dem 01.10.2019 sowie für die Zeit nach Abschluss der Weiterbildung ab 26.03.2020 bewilligt. Die diesbezüglich geführten Widerspruchsverfahren
bei der Beklagten habe die Beteiligten im Hinblick auf das hiesige Gerichtsverfahren zum Ruhen gebracht.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 21.03.2020 nach vorheriger Anhörung der Beteiligten abgewiesen. Die Beklagte habe
zutreffend den Bemessungsrahmen für die Zeit vom 01.06.2016 bis zum 31.05.2019 nach §
150 Abs.
1 SGB III festgesetzt. Eine unbillige Härte nach §
150 Abs.
3 S. 3
SGB III liege nicht vor. Die Beklagte habe Art. 62 Abs. 1 und Abs. 2 der VO (EG) 883/2004 zu beachten. Die Klägerin sei dadurch nicht benachteiligt, sondern deutschen Arbeitnehmern
gleichgestellt.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat gegen den ihm am 31.03.2020 zugestellten Gerichtsbescheid am 06.04.2020 Berufung
beim Landessozialgericht Baden - Württemberg (LSG) eingelegt. Er hat zur Berufungsbegründung im Wesentlichen das Vorbringen
aus dem Widerspruchs- und Klageverfahren wiederholt und vertieft. Aus Art. 1 lit. t) und lit u) VO (EG) 883/2004 gehe hervor,
dass vorgängige Auslandsbeschäftigungen weder dem Grunde, noch der Höhe nach zu Leistungsbezugsnachteilen führen sollten.
Ansonsten liege eine mittelbare Diskriminierung derer vor, welche von der europarechtlich gewollten Reise- und Erwerbsfreizügigkeit
Gebrauch machten. Diese Umstände seien bei der Anwendung des §150 Abs. 3 Satz 3
SGB III und der Prüfung des Vorliegens einer unbilligen Härte zu beachten.
Die Klägerin beantragt, teils sinngemäß,
den Bescheid vom 22.05.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.06.2019 sowie die Bescheide vom 25.09.2019 unter
Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Freiburg vom 21.03.2020 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, der
Klägerin das von ihr beantragte Arbeitslosengeld in derjenigen Höhe zu gewähren, wie sich dieses im Wege der Bemessung nach
einem Bemessungszeitraum für die Zeit vom 01.06.2017 bis 31.05.2019 unter Beachtung der gleichlautenden Entgeltabrechnungszeiträume
ergibt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hat zur Berufungserwiderung auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid und auf den erstinstanzlichen Gerichtsbescheid
verwiesen.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach §
124 Abs.
2 SGG erteilt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Verfahrens sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der
Beklagten sowie die Gerichtsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten gemäß §§
153 Abs.
1,
124 Abs.
2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist gemäß §§
143,
144 SGG zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 22.05.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.06.2019
ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Klägerin steht der begehrte Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld
nicht zu. Das gilt auch für die nach §
96 SGG in das Verfahren einbezogenen Bescheide vom 25.09.2019. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden.
Die Beklagte hat das der Klägerin zustehende Arbeitslosengeld zutreffend unter Heranziehung des Zeitraumes vom 01.06.2018
bis zum 31.05.2019 als Bemessungszeitraum berechnet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Berücksichtigung des in der Schweiz
erzielten Einkommens aus der Beschäftigung bei der N AG.
Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit hat, wer 1. arbeitslos ist, 2. sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos
gemeldet und 3. die Anwartschaftszeit erfüllt hat (§
137 Abs.
1 SGB III). Die Anwartschaftszeit hat erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis
gestanden hat (§
142 Abs.
1 Satz 1
SGB III). Die Rahmenfrist beträgt zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch
auf Arbeitslosengeld (§
143 Abs.
1 SGB III). In einem Versicherungspflichtverhältnis stehen Personen, die als Beschäftigte oder aus sonstigen Gründen versicherungspflichtig
sind (§
24 Abs.
1 SGB III). Versicherungspflichtig sind Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind (§
25 Abs.
1 Satz 1
SGB III). Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§
7 Abs.
1 Satz 1
SGB IV). Die Vorschriften über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung gelten, soweit sie eine Beschäftigung
oder eine selbständige Tätigkeit voraussetzen, für alle Personen, die im Geltungsbereich des SGB beschäftigt oder selbständig
tätig sind (§
3 Abs.
1 SGB IV). Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts bleiben unberührt (§
6 SGB IV). Insoweit ist die VO (EG) 883/2004 zu berücksichtigen.
Nach §
150 Abs.
1 Satz 1
SGB III umfasst der Bemessungszeitraum die beim Ausscheiden aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume
der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. Der Bemessungsrahmen umfasst nach §
150 Abs.
1 Satz 2
SGB III ein Jahr; er endet mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs. Die
Klägerin hat sich zum 01.06.2019 arbeitslos gemeldet. Die Beklagte hat entsprechend der Regelung des §
150 Abs.
1 Satz 1
SGB III als Bemessungszeit die Zeit vom 01.06.2018 bis zum 31.05.2019 zugrunde gelegt.
Entgegen der Auffassung der Klägerin kann der Bemessungszeitraum im vorliegenden Fall nicht auf die Zeit vom 01.06.2017 bis
zum 31.05.2019 erweitert und das in der Schweiz erzielte Entgelt bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes berücksichtigt
werden. Der Ausnahmefall einer unbilligen Härte nach §
150 Abs.
3 Satz 1 Nr.
3 SGB III liegt zur Überzeugung des Senats nicht vor.
Nach §
150 Abs.
3 Satz 1
SGB III wird der Bemessungsrahmen auf zwei Jahre erweitert, wenn
1. der Bemessungszeitraum weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthält,
2. in den Fällen des § 142 Absatz 2 der Bemessungszeitraum weniger als 90 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthält oder
3. es mit Rücksicht auf das Bemessungsentgelt im erweiterten Bemessungsrahmen unbillig hart wäre, von dem Bemessungsentgelt
im Bemessungszeitraum auszugehen.
Die Ausnahmeregelung nach §
150 Abs.
3 Satz 1 Nr.
3 SGB III kommt infolge der vorrangig anzuwenden Vorschrift des Art. 62 Abs. 1 und Abs. 2 VO (EG) 883/2004 nicht zur Anwendung (vgl. BSG, Urteil vom 17.03.2015, B 11 AL 12/14 R, juris, Rdnr. 22).
Der Zweck der Härtefallregelung des §
150 Abs.
3 Satz 1 Nr.
SGB III ist es lediglich, Abweichungen des Bemessungsentgelts um mehr als 10 v.H. bei inländischen Beschäftigungsverhältnissen auszugleichen
(vgl. Brackelmann in: Schlegel/Voelzke, jurisPKSGB III, 2. Aufl., §
150 SGB III (Stand: 02.06.2020), Rdnr. 44ff). Eine Ausweitung des Ausleichs von zwischenstaatlichen Lohnunterschieden ist dagegen bei
der Bemessung von inländischen Sozialleistungen nicht geboten und kommt auch infolge der eindeutigen und vorrangigen Regelung
des Art. 62 Abs. 1 und Abs. 2 VO (EG) 883/2004 nicht in Betracht.
Zwar handelt es sich bei der Schweiz nicht um einen Mitgliedstaat der Europäischen Union, jedoch werden über das Abkommen
zwischen der Schweizer Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaften und ihrer Mitgliedstaaten andererseits
über die Freizügigkeit vom 21.06.1999 (in Kraft seit 01.06.2002) - Freizügigkeitsabkommen Schweiz (FZA) -auch Sachverhalte
mit Bezug zur Schweiz erfasst. Die VO (EG) 883/2004 wird ab dem 01.04.2012 angewandt (vgl. hierzu LSG Baden-Württemberg, Urteil
vom 24.10.2014, L 12 AL 3721/13, juris, Rdnr. 36).
Nach Art. 62 Abs. 1 VO (EG) 883/2004 berücksichtigt der zuständige Träger eines Mitgliedstaats, nach dessen Rechtsvorschriften
bei der Berechnung der Leistungen die Höhe des früheren Entgelts oder Erwerbseinkommens zugrunde zu legen ist, ausschließlich
das Entgelt oder Erwerbseinkommen, das die betreffende Person während ihrer letzten Beschäftigung oder selbstständigen Erwerbstätigkeit
nach diesen Rechtsvorschriften erhalten hat. Nach Art. 62 Abs. 2 VO (EG) 883/2004 findet Absatz 1 auch Anwendung, wenn nach
den für den zuständigen Träger geltenden Rechtsvorschriften ein bestimmter Bezugszeitraum für die Ermittlung des als Berechnungsgrundlage
für die Leistungen heranzuziehenden Entgelts vorgesehen ist und die betreffende Person während dieses Zeitraums oder eines
Teils davon den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats unterlag.
Die Berechnungsgrundlage nach Art. 62 Abs. 2 VO (EG) 883/2004 orientiert sich strikt am Letzteinkommen, so dass nach den anzuwenden
gesetzlichen Regelungen lediglich das Einkommen aus der Beschäftigung in Deutschland heranzuziehen ist (vgl. auch LSG Baden-Württemberg,
Urteil vom 16.03.2017, L 13 AL 485/16, juris). Dies kann zu Nachteilen bei einem Wechsel von einer Beschäftigung in einem Land mit hohem Lohnniveau in ein Land
mit niedrigerem Lohnniveau führen (vgl. Dern in Schreiber/Wunder/Dern, Kommentar VO (EG) 883/2004, Art. 62 Rdnr. 5). Diesen
Grundsatz hat auch der EuGH in seiner Entscheidung vom 23.01.2020 (vgl. Rechtssache C-29/19 -, juris) zu Art. 62 VO (EG) 883/2004 bestätigt, in der er ausführt, dass nach Art. 62 Abs. 2 VO (EG) 883/2004 das Erfordernis,
ausschließlich das Entgelt für die letzte Beschäftigung nach den Rechtsvorschriften des genannten Mitgliedstaats zugrunde
zu legen, auch dann Anwendung findet, wenn in diesen Rechtsvorschriften ein bestimmter Bezugszeitraum für die Ermittlung des
als Berechnungsgrundlage für die Leistungen heranzuziehenden Entgelts vorgesehen ist und die betreffende Person während dieses
Zeitraums oder eines Teils davon den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats unterlag. Der EuGH hat in dieser Entscheidung
die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Berechnung der Leistungen bei Arbeitslosigkeit betont und die Entscheidung,
bei dieser Berechnung nur die Höhe des im zuständigen Mitgliedstaat erzielten letzten Arbeitsentgelts zugrunde zu legen, ausdrücklich
gebilligt (vgl. EuGH, a.a.O, Rdnr. 29, 32f, 40). So führt der EuGH aus, dass der Umstand, dass ausschließlich das letzte Entgelt,
das die betreffende Person nach diesen Rechtsvorschriften erhalten hat, bei der Berechnung des ihr aufgrund dessen zustehenden
Arbeitslosengeldes berücksichtigt wird, die wirksame Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit sicherstellen solle (vgl. EuGH,
a.a.O., Rdnr. 36). Aus diesem Grund hat der EuGH auch die in der dortigen Fallkonstellation streitige fiktive Bemessung des
Arbeitslosengeldes mangels ausreichender Dauer eines Entgeltsbezugs in Deutschland bemängelt und als nicht verordnungskonform
erachtet. Trotz der lediglich kurzen Entgeltbezugsdauer in Deutschland von 24 Tagen wurde der Arbeitslosengeldanspruch auf
dieser Basis berechnet. Hierbei wurde das zuvor in der Schweiz erzielte Entgelt bei der Höhe des Arbeitslosengeldes nicht
berücksichtigt (vgl. auch BSG, Urteil vom 17.09.2020, B 11 AL 1/20 R, juris, Rdnr. 22ff).
Sofern die Klägerin auf die Definitionen des Art. 1 Ziff. t) VO (EG) 883/2004 zum Begriff der Versicherungszeiten und Art.
1 Ziff. u) VO (EG) 883/2004 zum Begriff der Beschäftigungszeiten enthalten diese Vorschriften lediglich Legaldefinitionen
und entfalten darüber hinaus keine gesonderte Regelungswirkung (vgl. Dern, a.a.O, Art. 1 Rdrn. 1).
Die Klägerin kann sich auch nicht auf die Regelung des Art. 62 Abs. 3 VO (EG) 883/2004 berufen. Danach berücksichtigt der
Träger des Wohnortes abweichend von den Absätzen 1 und 2 im Falle von Grenzgängern, auf die Artikel 65 Absatz 5 Buchstabe
a anzuwenden ist, nach Maßgabe der Durchführungsverordnung das Entgelt oder Erwerbseinkommen, das die betreffende Person in
dem Mitgliedstaat erhalten hat, dessen Rechtsvorschriften für sie während ihrer letzten Beschäftigung oder selbstständigen
Erwerbstätigkeit galten. Die Klägerin war zuletzt vor der Arbeitslosmeldung zum 01.06.2019 in Deutschland beschäftigt, so
dass nicht mehr auf den Status als Grenzgängerin infolge der der Beschäftigung in Deutschlang zeitlich vorausgehenden Beschäftigung
in der Schweiz abgestellt werden kann.
Art. 62 Abs. 3 VO (EG) 883/2004 verdeutlicht die Intention der VO (EG) 883/2004, dass jeder Mitgliedstaat Leistungen nur nach
dem im Inland erzielten Entgelt berechnet und in einem anderen Mitgliedstaat erzieltes Entgelt nur im Ausnahmefall des Grenzgängers
nach Art. 65 Abs. 3 VO (EG) 883/2004 bei der Bemessung berücksichtigt wird (sogenanntes Prinzip der Alleinzuständigkeit, vgl.
Dern a.a.O; sowie auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26.11.2020, L 14 AL 20/20, juris, Rdnr. 77). Bei der VO (EG) 883/2004 handelt es nicht eine anspruchsangleichende oder eine anspruchserweiternde Regelung,
sondern um eine Regelung der Sozialrechtskoordinierung (vgl. hierzu Schreiber in Schreiber/Wunder/Dern, Kommentar VO (EG)
883/2004, Einleitung Rdnr. 11ff). Auch nach der Rechtsprechung des EuGH schränkt das Unionsrecht die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten
für die Organisation ihrer Systeme der sozialen Sicherheit nicht ein. Mangels Harmonisierung auf Unionsebene legt jeder Mitgliedstaat
die Voraussetzungen für die Gewährung von Sozialleistungen sowie die Höhe solcher Leistungen und den Zeitraum, für den sie
gewährt werden, selbst fest. Gleichwohl müssen die Mitgliedstaaten bei der Ausübung dieser Befugnis das Unionsrecht beachten
(vgl. EuGH, Urteil vom 25.11.2020, C-302/19, juris Rdnr. 23). Insofern ist jedoch die Bemessung des Arbeitslosengeldes allein an der Höhe des im zuständigen Mitgliedstaat
erzielten Entgelts nicht zu beanstanden (vgl. EuHG, Urteil vom 23.01.2020, C-29/19, juris; Rdnr. 40).
Die Anwendung des Art. 62 Abs. 1 und Abs. 2 VO (EG) 883/2004 verstößt nach Überzeugung des Senats nicht gegen höherrangiges
EU-Recht. Der Senat schließt sich insoweit den überzeugenden Ausführungen des BSG (Urteil vom 19.09.2020, B 11 AL 1/20 R, juris, Rdnr. 23ff) an, wonach die Anknüpfung der Berechnung des Arbeitslosengeldes nach Art 62 Abs. 1 VO (EG) 883/2004 ausschließlich
an das letzte Entgelt im zuständigen Wohnsitzmitgliedstaat sowie die Anwendbarkeit des Art 62 Abs. 3 VO (EG) 883/2004 ausschließlich
auf Grenzgänger auch mit höherrangigem EU-Recht vereinbar sind.
Nach der Rechtsprechung des BSG bestimmt Art. 48 Satz 1 Buchst a AEUV zur Sicherstellung der Ansprüche und Leistungen auf dem Gebiet der Sozialen Sicherheit, dass eine Zusammenrechnung aller
nach den verschiedenen innerstaatlichen Rechtsvorschriften berücksichtigten Zeiten für den Erwerb und die Aufrechterhaltung
des Leistungsanspruchs sowie für die Berechnung der Leistungen erfolgen soll. Eine "Zusammenrechnung" auch bei der Berechnung
der Arbeitslosenunterstützung findet dadurch statt, dass bei dem Berechnungsfaktor des "Bezugszeitraums" die entsprechenden
Tätigkeitszeiten im vormaligen Beschäftigungsstaat einfließen, also unterstellt wird, dass das in einem ggf. nur kurzen Beschäftigungsverhältnis
im letzten Mitgliedstaat erzielte Entgelt in entsprechender Höhe während des gesamten Bemessungszeitraums erreicht wurde.
Zwar kann die ausnahmslose Heranziehung des letzten Entgelts einer Beschäftigung im Wohnsitzmitgliedstaat in Fallgestaltungen
zu ungünstigen Ergebnissen führen, in denen der Betroffene zuvor in einem anderen EU-Land wesentlich mehr verdient hat als
im danach zuständigen Mitgliedstaat. Je nach Verdienstmöglichkeiten im Beschäftigungs- und Wohnsitzmitgliedstaat sind aber
auch gegenteilige Ergebnisse möglich (BSG, a.a.O., Rdnr. 24). Insofern bewegt sich die Regelung des Art 62 VO (EG) Nr. 883/2004 im weiten Ermessensspielraum des Unionsgesetzgebers
bei der Ausgestaltung des Freizügigkeitsrechts (vgl. allg. EuGH vom 31.5.2001, C-43/99 <Leclere und Deaconescu> Slg 2001, I 4265, juris, Rdnr. 29). Es ist ein legitimes Interesse der Mitgliedstaaten, die Höhe
der Leistungen bei Arbeitslosigkeit orientiert an den erzielten Entgelten im jeweiligen Mitgliedstaat festzusetzen. Zudem
kann sich die Regelung des Art 62 VO (EG) 883/2004 auf Gesichtspunkte der Praktikabilität stützen, weil der Verwaltungsaufwand
im Verhältnis zu einer dem Zweck nach begrenzten Dauer der Leistungen bei Arbeitslosigkeit geringgehalten werden soll (vgl.
BSG, a.a.O., Rdnr. 25). Der Senat schließt sich den Ausführungen des BSG insbesondere unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH (vgl. Urteil vom 23.01.2020, C-29/19, juris sowie Urteil vom 25.11.2020, C-302/19, juris, Rdnr. 23) an.
Ein Verstoß gegen durch das
Grundgesetz (
GG) verbürgte Rechte der Klägerin nach Art.
1 Abs.
1 Satz 1
GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip nach Art.
20 Abs.
3 GG, Art.
3 Abs.
1 GG, Art.
14 Abs.
1 Satz 1
GG liegt nach Überzeugung des Senats, welcher auch insofern der Rechtsprechung des BSG folgt, nicht vor. Die Beklagte hat die von der schweizerischen Arbeitslosenversicherung gemeldeten Beitragszeiten uneingeschränkt
berücksichtigt. Der Umstand, dass keine Arbeitslosenunterstützung nach den in der Schweiz zurückgelegten Zeiten erbracht werden
konnte, ist nach dem BSG unmittelbare Folge des nur eingeschränkt möglichen Leistungsexports im Koordinierungsrecht der Arbeitslosenunterstützung,
das aber Beitragszeiten zur Sozialversicherung in anderen Mitgliedstaaten einbezieht (BSG, a.a.O, Rndr. 26). Diesbezüglich betont das BSG, dass verbindliches Unionsrecht und damit auch der Inhalt des FZA in Ermangelung einer Harmonisierung auf Unionsebene nicht
garantieren kann, dass die Verlagerung einer beruflichen Tätigkeit in einen anderen Mitgliedstaat hinsichtlich der Sozialen
Sicherheit stets neutral ist (vgl. BSG, a.a.O, unter Verweis auf BSG, Urteil vom 12.12.2017, B 11 AL 21/16 R, juris).
Sofern die Klägerin daher anführt, dass sie anstatt sich nach dem Ende der Beschäftigung in der Schweiz arbeitslos zu melden
und Arbeitslosengeld auf der Basis des in der Schweiz erzielten Einkommens zu beziehen, auf Vermittlung der Beklagten ein
Beschäftigungsverhältnis in Deutschland mit erheblichen Lohneinbußen eingegangen sei, führt dies nicht zu einer anderweitigen
Bewertung des Sachverhalts. Grundsätzlich besteht kein besitzstandswahrender Anspruch darauf, die Vorteile eines ausländischen
Lohnniveaus auch im Inland zu behalten. Bei der Arbeitslosmeldung erfolgt zugleich die Bereitschaft zur Vermittlung in den
Arbeitsmarkt. Die Klägerin war daher ab der Arbeitslosmeldung verpflichtet, eine ihr zumutbare Beschäftigung aufzunehmen.
Allein die Tatsache, dass das Lohnniveau in Deutschland unter dem Schweizer Lohnniveau liegt, berechtigt noch nicht zur Ablehnung
von Vermittlungsvorschlägen und Ausschöpfung des vollen Bezugszeitraums auf der Basis der Ausnahmeregelung für Grenzgänger
nach Art. 62 Abs. 3 VO (EG) 883/2004.
Die Berufung der Klägerin war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.