Rentenversicherung
Anerkennung von Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten
Verfassungskonformität des Anrechnungsausschlusses für Beamte
Keine Ungleichbehandlung
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung rentenrechtlicher Zeiten vom 17.03.1987 bis 16.07.1987 und 24.01.1989 bis 23.07.1989
streitig.
Die 1952 geborene Klägerin ist Mutter von sechs Söhnen, die am 1976, am 1979, am 1982, am 1984, am 1986 und am.1988 geboren
wurden. Die Klägerin ist Beamtin des Landes Baden-Württemberg. Vom 01.02.1977 bis 13.06.1978 stand sie im Rahmen des Vorbereitungsdienstes
in einem Beamtenverhältnis auf Widerruf. Vom 28.07.1978 bis zum 09.08.1978 war sie zunächst in einem privatrechtlichen Angestelltenverhältnis
im öffentlichen Dienst beschäftigt; seit dem 10.08.1978 ist sie zur Beamtin auf Lebenszeit ernannt. Für die fünf jüngsten
Söhne wird jeweils die Zeit von der Geburt bis zur Vollendung des sechsten Lebensmonats als voll ruhegehaltsfähige Dienstzeit
im Beamtenverhältnis berücksichtigt. Die Zeiten vom 17.03.1987 bis 16.07.1987 und vom 24.01.1989 bis 23.07.1989 sind beamtenrechtlich
keine ruhegehaltsfähigen Zeiten. Bei einer angenommenen Zurruhesetzung wegen Erreichens der gesetzlichen Altersgrenze mit
Ablauf des 31.07.2017 würde der Ruhegehaltssatz 64,42 v.H. betragen; die fiktive Höchstgrenze des Ruhegehaltssatzes beträgt
71,75 v.H.
Am 22.08.2015 stellte die Klägerin bei der Beklagten Anträge auf Klärung ihres Rentenversicherungskontos sowie auf Feststellung
von Kindererziehungszeiten/Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung. Sie gab an, die Kinder jeweils bis zur Vollendung
des 10. Lebensjahres erzogen zu haben. Der Ehemann der Klägerin bestätigte mit seiner Unterschrift, die Kinder nicht als anderer
Elternteil überwiegend erzogen zu haben.
Mit Bescheid vom 14.11.2014 stellte die Beklagte die Versicherungszeiten bis zum 31.12.2007 verbindlich fest. Berücksichtigt
wurden die Zeit von 29.05.1976 bis 31.07.1976 und vom 01.08.1976 bis 04.09.1976 wegen Schwangerschaft/Mutterschutz, die Zeit
vom 01.08.1976 bis 31.12.1976 und vom 01.01.1977 bis 31.01.1977 als Pflichtbeitragszeit für Kindererziehung und die Zeit vom
10.07.1976 bis 31.01.1977 als Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung. Die Zeiten vom 11.09.1979 bis 18.12.1979, vom 05.07.1982
bis 11.10.1982, vom 03.08.1984 bis 09.11.1984, vom 06.08.1986 bis 12.11.1986 und vom 12.06.1988 bis 18.09.1988 wurden nicht
als Anrechnungszeit vorgemerkt, weil während des Mutterschutzes ein beamtenrechtliches Dienstverhältnis bestanden habe. Die
Zeiten vom 01.02.1977 bis 31.07.1978, vom 01.11.1979 bis 31.10.1981, vom 01.09.1982 bis 31.08.1984, vom 01.10.1984 bis 30.09.1986,
vom 01.10.1986 bis 30.09.1988 und vom 01.08.1988 bis 31.07.1990 könnten nicht als Kindererziehungszeiten vorgemerkt werden,
da die Klägerin während dieser Zeit eine Versorgungsanwartschaft nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen erworben
habe. Die Zeiten vom 01.02.1977 bis 09.07.1986, vom 23.10.1979 bis 22.10.1989, vom 16.08.1982 bis 15.08.1992, vom 14.09.1984
bis 13.09.1994, vom 17.09.1986 bis 16.09.1996 und vom 24.07.1988 bis 23.07.1998 seien nicht als Berücksichtigungszeiten vorzumerken,
da die Voraussetzungen für die Anrechnung von Kindererziehungszeiten nicht erfüllt seien. Die Klägerin habe während dieser
Zeiten Versorgungsanwartschaften nach beamtenrechtlichen Vorschriften erworben.
Hiergegen legte die Klägerin am 12.12.2014 Widerspruch ein, zu dessen Begründung sie vortrug, Erziehungszeiten, in denen sie
keine Versorgungsanwartschaften erworben habe, seien nicht berücksichtigt. Hierzu legte sie eine Auskunft über die Versorgungsanwartschaft
nach dem Landesbeamtenversorgungsgesetz Baden-Württemberg (LBeamtVGBW) vom 12.08.2014 vor, wegen deren Inhalts auf Bl. 55
ff. der Verwaltungsakte Bezug genommen wird.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.02.2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Durch das Rentenversicherungs-Leistungsverbesserungsgesetz
sei seit dem 01.07.2014 die Vormerkung von Erziehungszeiten generell ausgeschlossen, wenn der Elternteil während der Kindererziehung
gleichwertige Anwartschaften auf Versorgung im Alter nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen erworben habe.
Ohne inhaltliche Prüfung der jeweiligen Versorgungsregelungen gelten nunmehr Anwartschaften auf eine Versorgung im Alter nach
beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen stets als gleichwertig.
Hiergegen hat die Klägerin am 11.03.2015 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben und zur Begründung vorgetragen, die seitens der Beklagten geschilderte Vorgehensweise könne zwar dem Grunde nach
nachvollzogen werden, nicht jedoch für die Zeiträume 14.06.1978 bis 27.07.1978, 17.03.1987 bis 16.07.1987 und 24.01.1989 bis
23.07.1989. Im Zeitraum 14.06.1978 bis 27.07 1978 habe kein Beamtenstatus der Klägerin vorgelegen, vielmehr handle es sich
dabei um eine Unterbrechung nach dem Referendariat bis zur erstmaligen Einstellung als Beamtin zur Probe. In den beiden weiteren
Zeiträumen seien keine ruhegehaltsfähigen Zeiten nach beamtenrechtlichen Vorschriften erworben worden. Diese Zeiten würden
nicht als ruhegehaltsfähige Zeiten tituliert.
Das SG hat mit Beschluss vom 08.10.2015 das Landesamt für Besoldung und Versorgung zu dem Verfahren beigeladen.
Mit Urteil vom 26.08.2016 hat das SG die Beklagte unter entsprechender teilweiser Aufhebung des Bescheids vom 14.11.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 12.02.2015 verurteilt, die Zeit vom 14.06.1978 bis zum 27.07.1978 als Kindererziehungszeit und Berücksichtigungszeit wegen
Kindererziehung im Versichertenkonto der Klägerin vorzumerken. Im Übrigen hat das SG die Klage abgewiesen und entschieden, dass die Beklagte der Klägerin 10 v.H. der außergerichtlichen Kosten zu erstatten hat.
Die - näher dargelegten - Voraussetzungen für die Berücksichtigung von Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten seien
lediglich für den Zeitraum vom 14.06.1978 bis zum 27.07.1978 erfüllt. In diesem Zeitraum sei die Klägerin nicht hinsichtlich
der Erziehung ihres ersten, am 10.07.1976 geborenen Kindes von der Anrechnung ausgeschlossen. Die Ausschlussvoraussetzungen
des §
56 Abs.
4 Nr.
3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) seien nicht erfüllt, da die Klägerin in der Erziehungszeit ihres ersten Kindes und für dieses keine Anwartschaften auf Versorgung
im Alter nach beamtenrechtlichen Vorschriften aufgrund der Erziehung erworben habe. Ausweislich der Auskunft der Beigeladenen
über die Versorgungsanwartschaften vom 12.08.2014 seien im Drei-Jahres-Zeitraum nach dem 19.07.1976 Zeiten des Vorbereitungsdienstes
im Beamtenverhältnis auf Widerruf, Dienstzeiten im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst und Dienstzeiten
im Beamten-/Richterverhältnis oder gleichgestellte Zeiten vermerkt. Keine dieser Zeiten stehe in einem kausalen Zusammenhang
mit der Erziehung des ersten Kindes, wie es der klare Wortlaut des §
56 Abs.
4 Nr.
3 SGB VI fordere (" aufgrund der Erziehung "); der bloße sonstige Erwerb von beamtenrechtlichen Anwartschaften in der Erziehungszeit
genüge nicht. Einer weitergehenden Auslegung der Vorschrift dahingehend, dass Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung
immer dann ausgeschlossen seien, wenn irgendwelche Anwartschaftszeiten nach beamtenrechtlichen Regelungen während der Erziehungszeit
erworben worden seien, stehe der eindeutige Wortlaut der Vorschrift, aber auch die Entstehungsgeschichte derselben entgegen.
In den Zeiten vom 17.03.1987 bis 16.07.1987 und vom 24.01.1989 bis 23.07.1989 sei die Klägerin dagegen von der Anrechnung
als Kindererziehungszeiten und als Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung ausgeschlossen, da sie während der dort maßgeblichen
Erziehungszeiten nach ihrem fünften und sechsten Kind Anwartschaften auf Versorgungsbezüge im Alter nach beamtenrechtlichen
Vorschriften erworben habe, namentlich in der Zeit vom 17.09.1986 bis 16.03.1987 und vom 24.07.1988 bis 23.01.1989. Für den
Ausschluss sei nicht erforderlich, dass die beamtenrechtlichen Anwartschaften zeitlich deckungsgleich mit der Kindererziehungszeit
nach dem
SGB VI seien. Nach §
54 Abs.
4 Nr.
3 SGB VI reiche vielmehr der bloße Erwerb von erziehungsbezogenen Anwartschaften an sich innerhalb der Erziehungszeit aus, solange
diese systembezogen zu einer annährend gleichwertigen Berücksichtigung führten. Ein zeitlicher Gleichlauf der Zeitenbewertung
werde dabei mithin gerade nicht gefordert, die systembezogene, also insbesondere sich aus einer Gesamtbetrachtung ergebende
annähernde Gleichwertigkeit genüge den Anforderungen. Für die beamtenrechtlichen Versorgungsregelungen ergebe sich die erforderliche
annähernde Gleichwertigkeit bereits aus der Fiktion des §
56 Abs.
4 Nr.
3 letzter Halbsatz
SGB VI.
Mit Bescheid vom 05.10.2016 hat die Beklagte das Urteil vom 26.08.2016 ausgeführt und die Zeit vom 01.06.1978 bis 31.07.1978
als Kindererziehungszeit und als Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung vorgemerkt.
Gegen das ihr am 05.09.2016 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 30.09.2016 Berufung eingelegt und ihr bisheriges Vorbringen
wiederholt und vertieft. Ergänzend wird ausgeführt, folge man der Auffassung des SG, so erwachsen aus den Zeiten vom 17.03.1987 bis 16.07.1987 und vom 24.01.1989 bis 23.07.1989 keinerlei Anwartschaften, weder
nach dem
SGB VI noch nach dem LBeamtVG. Eine doppelte Berücksichtigung, wie sie der Gesetzgeber durch die Neufassung des §
56 Abs.
4 Nr.
3 SGB VI habe vermeiden wollen, läge durch eine Anerkennung der Zeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung gerade nicht vor.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 26. August 2016 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom
14. November 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Februar 2015 zu verurteilen, in ihrem Versicherungskonto
für die Zeiträume vom 17. März 1987 bis 16. Juli 1987 und vom 24. Januar 1989 bis 23. Juli 1989 Kindererziehungszeiten bzw.
Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung vorzumerken.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Die Klägerin und die Beklagte haben sich im Rahmen eines Termins zur Erörterung des Sachverhalts am 13.12.2016 mit einer Entscheidung
ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt; die Beigeladene hat ihr Einverständnis mit Schriftsatz vom 20.12.2016 erteilt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen
Verwaltungsakte der Beklagten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung nach §
124 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) entschieden hat, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach §
144 Abs.
1 SGG liegen nicht vor. Die Berufung ist jedoch unbegründet.
Das angefochtene Urteil des SG vom 26.08.2016 sowie der Bescheid vom 14.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.02.2015 sind nicht zu beanstanden.
Nicht nach §
96 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 05.10.2016 geworden, da er den angefochtenen Bescheid weder abändert
noch ersetzt, indem er für die streitgegenständlichen Zeiträume eine Regelung trifft, sondern allein in Ausführung der erstinstanzlichen
Entscheidung ergangen ist. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die im Berufungsverfahren noch allein streitige Anerkennung
von Kindererziehungszeiten oder Berücksichtigungszeiten für die Erziehung der am 1986 und am 1988 geborenen Söhne in den Zeiträumen
17.03.1987 bis 16.07.1987 und 24.01.1989 bis 23.07.1989.
Die Beklagte ist nach §
149 Abs.
5 Satz 1
SGB VI verpflichtet, nach Klärung des Versicherungsverlaufs die dort enthaltenen und nicht bereits festgestellten Daten, die länger
als sechs Jahre zurückliegen, durch Bescheid festzustellen. Hierzu gehört auch die Feststellung von Kindererziehungszeiten
und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung. Kindererziehungszeiten sind Zeiten der Erziehung eines Kindes in dessen
ersten drei Lebensjahren (§
56 Abs.
1 Satz 1
SGB VI). Nach §
249 Abs.
1 SGB VI endet die Kindererziehungszeit für ein vor dem 01.01.1992 geborenes Kind 24 Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt.
Für einen Elternteil wird gemäß §
56 Abs.
1 Satz 2
SGB VI eine Kindererziehungszeit angerechnet, wenn die Erziehungszeit diesem Elternteil zuzuordnen ist, die Erziehung im Gebiet
der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist und der Elternteil nicht von der Anrechnung ausgeschlossen ist. Die Zeit der Erziehung
eines Kindes bis zu dessen vollendetem 10. Lebensjahr ist bei einem Elternteil eine Berücksichtigungszeit, soweit die Voraussetzungen
für die Anrechnung einer Kindererziehungszeit auch in dieser Zeit vorliegen (§
57 Satz 1
SGB VI).
Die Voraussetzungen für die Anerkennung von Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten nach §
56 Abs.
1 Satz 2 Ziff. 1 und 2, 57
SGB VI liegen vor, da die Erziehung der Kinder der Klägerin im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist und ihr die Erziehungszeiten
zuzuordnen sind. Die Klägerin hat nach ihren Angaben die Kinder überwiegend erzogen, was auch ihr Ehemann als anderer Elternteil
mit seiner Unterschrift vom 19.08.2014 auf dem Antragsformular zur Feststellung von Kindererziehungszeiten/Berücksichtigungszeiten
bestätigt hat.
Die Klägerin ist aber hinsichtlich der - hier allein streitigen - Erziehungszeiten für ihre beiden jüngsten Söhne, die am
1986 und am 1988 geboren wurden, von der Anrechnung als Kindererziehungs- oder Berücksichtigungszeiten in der gesetzlichen
Rentenversicherung ausgeschlossen.
Gemäß §
56 Abs.
4 Ziff. 3
SGB VI sind Elternteile von der Anrechnung ausgeschlossen, wenn sie während der Erziehungszeit Anwartschaften auf Versorgung im
Alter aufgrund der Erziehung erworben haben, wenn diese nach den für sie geltenden besonderen Versorgungsregelungen systembezogen
annähernd gleichwertig berücksichtigt wird wie die Kindererziehung nach diesem Buch; als im diesem Sinne systembezogen annähernd
gleichwertig gilt eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen
Regelungen.
Gemäß der Auskunft des Beigeladenen über die Versorgungsanwartschaften nach dem LBeamtVGBW vom 12.08.2014 wird für den am
1986 geborenen Sohn die Zeit vom 17.09.1986 bis 16.03.1987 und für den am 1988 geborenen Sohn die Zeit vom 24.07.1988 bis
23.01.1989 als voll ruhegehaltsfähige Dienstzeit im Beamten-/Richterverhältnis oder gleichgestellte Zeit berücksichtigt. Dies
entspricht § 106 Abs. 1 LBeamtVGBW (in der ab dem 09.11.2010 gültigen Fassung). Danach ist für ein vor dem 01.01.1992 geborenes
Kind die Zeit eines Erziehungsurlaubs bis zu dem Tag ruhegehaltfähig, an dem das Kind sechs Monate alt wird, wenn während
der Kinderziehung vor dem 01.01.1992 bereits ein Beamtenverhältnis bestand. Die Berücksichtigung ist daher nicht in dem von
§
56 i.V.m. §
249 Abs.
1 SGB VI für Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung vorgesehenen Zeitraum von 24 Monaten und nicht in dem für
Berücksichtigungszeiten nach §
57 Satz 1
SGB VI möglichen Zeitraum bis zur Vollendung des zehnten Lebensjahres erfolgt. Es handelt sich dennoch bei der Berücksichtigung
der Kindererziehungszeiten bei der Festsetzung des Ruhegehalts um eine gleichwertige Versorgung im Sinne des §
56 Abs.
4 Ziff. 3
SGB VI in der ab dem 01.07.2014 gültigen Fassung. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Regelung gilt eine Versorgung nach beamtenrechtlichen
Vorschriften oder Grundsätzen als systembezogen annähernd gleichwertig. Das Merkmal der systembezogen annähernd gleichwertigen
Berücksichtigung wird somit legal definiert (Gesetzesfiktion) als jede Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder
Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen (so auch SG Reutlingen, Urteil vom 14.07.2016, S 3 R 43/16, [...]). Wird - wie im Falle der Klägerin - in der beamtenrechtlichen Versorgung für ein Kind eine Erziehungszeit berücksichtigt,
ist für dieses Kind eine Kindererziehungs- oder Berücksichtigungszeit in der gesetzlichen Rentenversicherung ausgeschlossen.
Ein zeitlicher Gleichlauf der Versorgungen ist, wie das SG zutreffend dargelegt hat, nicht erforderlich, um eine annähernd systembezogene Gleichwertigkeit anzunehmen.
Diese Auslegung entspricht dem Wortlaut der Vorschrift und dem Willen des Gesetzgebers. Grund der Neufassung des §
56 Abs.
4 Ziff. 3
SGB VI durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz zum 01.07.2014 war, dass die mit Wirkung vom 22.07.2009 gültige Vorfassung zu Unsicherheit
darüber geführt hatte, was in der Beamtenversorgung (und den weiteren betroffenen Versorgungssystemen) als "systembezogen
gleichwertig" anzusehen war (vgl. Schuler-Harms in Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB VI, Stand 24.02.2015, §
56 Rdnr. 6.1 unter Hinweis auf den Gesetzesentwurf, BT-Drs. 18/909, S. 21). Gemäß §
56 Abs.
4 Ziff. 3
SGB VI in der ab dem 22.07.2009 durch das Gesetz zur Änderung des
Vierten Buches Sozialgesetzbuch, zur Errichtung einer Versorgungsausgleichskasse und anderer Gesetze vom 15.07.2009 (BGBl. I S. 1939, 2010 I S. 340) eingeführten Fassung waren Elternteile von der Anrechnung als Kindererziehungszeit ausgeschlossen, wenn sie während
der Erziehungszeit Anwartschaften auf Versorgung im Alter nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen oder entsprechenden
kirchenrechtlichen Regelungen oder nach den Regelungen einer berufsständischen Versorgungseinrichtung aufgrund der Erziehung
erworben haben, die systembezogen gleichwertig berücksichtigt wird wie die Kindererziehung nach diesem Buch. Die "auch nur
annähernde" systembezogene Gleichwertigkeit war durch die Rechtsprechung (vgl. SG Dortmund, Urteil vom 22.03.2013, S 34 R 1594/10, [...] Rdnr. 18) im Falle der Anrechnung von sechs Monaten Kindererziehungszeit in der Beamtenversorgung für vor dem 01.01.1992
geborene Kinder gegenüber einer zwölfmonatigen, additiv zu sonstigen Beitragszeiten anrechenbaren Kindererziehungszeit in
der gesetzlichen Rentenversicherung mit der Rechtsfolge verneint worden, dass Kindererziehungszeiten in der Rentenversicherung
und der Beamtenversorgung angerechnet wurden. Der Gesetzgeber nahm diese Rechtsprechung zum Anlass, §
56 Abs.
4 SGB VI zu überarbeiten, um u.a. im Hinblick auf die Beamtenversorgung den Rechtszustand vor der Änderung des §
56 Abs.
4 SGB VI mit Wirkung vom 22.07.2009 wiederherzustellen (BT-Drs. 18/909, S. 21; Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für
Arbeit und Soziales BT-Drs. 18/1489, S. 26). §
56 Abs.
4 Ziff. 2
SGB VI in der bis zum 21.07.2009 gültigen Fassung schloss aber gerade Elternteile von der Anrechnung aus, die während der Erziehungszeit
zu den in §
5 Abs.
1 und Abs.
4 SGB VI genannten Personen gehörten, d.h. u.a. Beamte und Richter auf Lebenszeit, auf Zeit oder auf Probe. Mit der Neufassung wollte
der Gesetzgeber diesen Ausschluss wiederherstellen, wie in der Begründung des Gesetzesentwurfs ausdrücklich dargelegt wird:
"Um eine doppelte Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung und der Beamtenversorgung
in jedem Falle zu vermeiden, sollen Beamte wieder generell von der Anrechnung der Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen
Rentenversicherung ausgeschlossen werden, da die Beamtenversorgung systembezogen Leistungen für Kindererziehung erbringt"
(BT-Drs. 18/909, S. 21). Zwar hat der Gesetzgeber bei der Neufassung zum 01.07.2014 nicht, entsprechend der bis zum 21.07.2009
geltenden Fassung, allein auf ein bestehendes Beamtenverhältnis abgestellt, das auch bei einer Beurlaubung ohne Besoldung
weiter Bestand hat. Vielmehr hat er grundsätzlich an der Neuregelung der Bestimmung ab dem 22.07.2009 festgehalten, wonach
der Ausschluss der Anrechnung von Kindererziehungszeiten nur Elternteile betrifft, wenn sie während der Erziehungszeit Anwartschaften
auf Versorgung im Alter aufgrund der Erziehung erworben haben. Durch diesen Zusatz sollte aber verhindert werden, dass bestimmte
Personenkreise, namentlich Mitglieder geistlicher Genossenschaften, Diakonissen und Angehörige ähnlicher Gemeinschaften nach
§
5 Abs.
1 Satz 1 Nr.
3 Hs. 2
SGB VI, generell von der Anrechnung von Kindererziehungszeiten auch dann ausgeschlossen werden, wenn sie keine Leistungen für Kindererziehung
erhalten, die denen der gesetzlichen Rentenversicherung systembezogen annähernd gleichwertig sind (Beschlussempfehlung und
Bericht BT,-Drs. 18/1489, S. 26). Die Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen gilt hingegen als systembezogen
annähernd gleichwertig nach §
56 Abs.
4 Ziff. 3
SGB VI. Insoweit findet eine Prüfung der Gleichwertigkeit nicht mehr statt; eine doppelte Berücksichtigung in mehreren Versorgungssystemen
wird dadurch vermieden (Gürtner in Kasseler Kommentar, Stand September 2016, § 56 Rdnr. 83). Die Vermeidung von Doppelanrechnungen
war ausdrücklich Ziel des Gesetzgebers (Beschlussempfehlung und Bericht BT-Drs. 18/1489, S. 26). Eine Berücksichtigung sowohl
in der Beamtenversorgung als auch in der gesetzlichen Rentenversicherung ist gesetzgeberisch nicht gewollt; es gilt die Systemsubsidiarität
der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl. dazu BSG, Urteil vom 18.10.2005, B 4 RA 6/05 R, [...] Rdnr. 21).
Der Senat verkennt nicht, dass die streitgegenständlichen Zeiträume vom 17.03.1987 bis 16.07.1987 und vom 24.01.1989 bis 23.07.1989
nach dieser Auslegung weder in der gesetzlichen Rentenversicherung noch in der Beamtenversorgung berücksichtigt werden. Die
nach den beamtenrechtlichen Vorschriften entstandene Lücke in den Versorgungsanwartschaften ist in dem System der beamtenrechtlichen
Versorgung allerdings aufgrund der systembezogen differenzierten Anrechnung der Zeiten der Kindererziehung hinzunehmen. Ausgehend
von der gesetzgeberischen Vermutung des §
56 Abs.
4 Ziff. 3 zweiter Halbsatz
SGB VI gilt eine beamtenrechtliche Versorgung dennoch als annähernd gleichwertig.
Der Senat hat auch keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des §
56 Abs.
4 Ziff. 3
SGB VI. Der darin geregelte Ausschluss der Anrechnung von Kindererziehungszeiten ist im Hinblick auf die damit verbundene Ungleichbehandlung
von Personengruppen (Art.
3 Abs.
1 Grundgesetz (
GG)) zu prüfen, wobei bei einer Differenzierung zum Nachteil der Familie der besondere Schutz zu beachten ist, den der Staat
nach Art.
6 Abs.
1 GG der Familie schuldet (BSG, Urteil vom 18.10.2005, a.a.O., m.w.N.). Nach Auffassung des Senats liegt aber bereits kein Ungleichbehandlung vor, da verbeamtete
Elternteile und von der Versicherungspflicht befreite Elternteile bereits aufgrund der Sonderstellung von Beamten nicht vergleichbar
sind. Darüber hinaus wäre eine Ungleichbehandlung auch sachlich gerechtfertigt, da ein prinzipiell gleichwertiger Schutz für
den Erziehenden durch die beamtenrechtliche Versorgung und die dortige Berücksichtigung der Erziehungsleistung gewährleistet
ist.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG. Der Senat hat im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens berücksichtigt, dass die Berufung der Klägerin ohne Erfolg geblieben
ist, sie aber im erstinstanzlichen Verfahren teilweise obsiegt hat.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG). Die Frage, ob nach §
56 Abs.
4 Ziff. 3
SGB VI in der Fassung des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes Beamte auch für die Zeiträume von der Anrechnung als Kindererziehungszeiten
ausgeschlossen sind, die nicht ruhegehaltsfähig sind, wenn eine Berücksichtigung der Kindererziehung nach beamtenrechtlichen
Regelungen grundsätzlich erfolgt ist, ist höchstrichterlich noch nicht geklärt, aber über den Einzelfall hinaus klärungsbedürftig.