Anerkennung der Berufskrankheit Nr. 2108 - Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule - in der gesetzlichen Unfallversicherung
Anforderungen an die Beurteilung der Ursachen durch berufliche Belastungen unter Heranziehung des Mainz-Dortmunder-Dosismodells
Tatbestand
Der 1959 geborene Kläger stellte am 18.10.2017 bei der Beklagten einen Antrag auf Anerkennung von Berufskrankheiten und legte
ein Attest der Gemeinschaftspraxis S/N vom 01.09.2017 vor, wonach er u.a. unter Osteochondrose der Lendenwirbelsäule (LWS)
sowie Spinalkanalstenose bei Zustand nach Bandscheibenvorfall LWS 2/3 sowie Discopathie und Zustand nach Lendenwirbelsäulenoperation
LWS 4/5 leide. Daneben bestünden Gonarthrose beidseits und Knieendoprothesen beidseits, Coxarthrose rechts und Hüftendoprothese
rechts, Handgelenksarthrose links sowie eine Rotatorenmanschettenruptur links. Aufgrund der Vielzahl der orthopädischen Erkrankungen
sei auf einen beruflichen Zusammenhang (starke körperliche Belastung) zu schließen. Die Beklagte leitete BK-Feststellungsverfahren
hinsichtlich des Wirbelsäulen- und des Knieleidens ein.
Hinsichtlich seiner beruflichen Tätigkeiten gab der Kläger auf einem entsprechenden Fragebogen der Beklagten für den Zeitraum
01.09.1974 bis 31.08.1977 eine Schreinerlehre (Lehrlingsarbeiten, letztes Lehrjahr Fenster- und Türmontage), für den Zeitraum
01.09.1977 bis 25.11.1977 Tätigkeiten als Schreinergeselle (Lackiererei, Fensterfertigung, Hebearbeiten und Kniearbeiten),
für den Zeitraum Dezember 1977 bis Januar 1978 und Mai 1978 bis Oktober 1979 Tätigkeiten als Maschinenarbeiter (Kurbelwellen
von der Palette auf den Schleifbock gehoben, poliert und wieder zurück auf die Palette gehoben, teils mit der Hand, teils
mit Kran, pro Welle ca. 50 kg), für den Zeitraum Februar 1978 bis April 1978 Tätigkeiten als Schreiner im Küchenaufbau (Küchenblöcke
und Elektrogeräte in LKW geladen und bei Kunden wieder ausgeladen und aufgebaut, Schreinerarbeiten in der Werkstatt) an. Von
November 1979 bis September 2009 war der Kläger selbstständiger Inhaber eines Montagebetriebs für Garagentore und Servicearbeiten.
Nach Übernahme der Firma durch seinen Sohn war der Kläger noch von Oktober 2009 bis Februar 2012 mit Tätigkeiten ohne Tragen
schwerer Lasten (Kundendienstserviceaufträge, Arbeitsvorbereitung) beschäftigt. Seit Dezember 2012 bezieht er Rente wegen
teilweiser Erwerbsminderung. Nach seinen Angaben im Erhebungsbogen der Beklagten hatte der Kläger seit ca. 1978/1979 ständig
Schmerzen in der Lendenwirbelsäule, die er auf seine schweren Arbeiten zurückführte.
Nach der im April 1974 durchgeführten Erstuntersuchung nach § 45 Abs. 1 des Jugendarbeitsschutzgesetzes war der Kläger zu Beginn seiner Ausbildung körperlich und geistig vollkommen gesund (vgl. ärztliche Mitteilung des K vom
11.04.1974). Laut von der Beklagten eingeholten Arztbriefen beim MVZ Wirbelsäulenzentrum am S1 bestand am 02.02.2016 ein Zustand
nach mikrochirurgischer Dekompression LWK 2 bis 4 (26.11.2015), Osteochondrose der Wirbelsäule im Lumbalbereich, lumbale Bandscheibenprotrusion
LWK 2/3, Foramenstenose LWS, Facettengelenksarthrose der LWS. Eine im Oktober 2015 durchgeführte kernspintomographische Untersuchung
der LWS ergab eine geringe Pseudospondylolisthesis LWK 5/SWK 1, Zustand nach alter Fraktur des BWK 11, erosive Osteochondrosen
LWK 2 bis SWK 1, im Segment LWK 2/3 erosive Osteochondrose Typ Modic 1, Spondylarthrose mit Punktum maximum L 5/S 1, breitbasiger
Prolaps bis foraminal im Segment LWK 2/3, hier absolute spinale Enge, spinale Enge im Segment LWK 3/4 bei sehr diskreter Protrusion
und sehr kräftigem epiduralem Fettgewebe, rechtsbetonte Neuroforamenenge, spinale Enge im Segment LWK 4/5 bei geringer Protrusion
und sehr kräftigem epiduralem Fettgewebe, knöchern bedingte Neuroforamenenge links, geringe Protrusion L5/S1 bis foraminal,
linksbetonte Neuroforamenenge, breitbasiger kleiner bis foramenal reichender Prolaps Th10/11 (vgl. Befundbericht des B vom
30.10.2015). Im November 2015 wurde eine knöcherne Dekompression mit Undercutting LWK 2/3 rechts und LWK 3/4 rechts durchgeführt
(Entlassungsbericht der H-Klinik M-P vom 30.11.2015). Eine im Januar 2016 durchgeführte CT der LWS ergab eine regelrechte
postoperative CT-Kontrolle bei Zustand nach Dekompression einer Spinalkanalstenose in den Etagen LWK 2/3 und 3/4 von rechts
(Bericht des G vom 19.01.2016).
Die Beklagte zog darüber hinaus von der AOK U B ein Mitglieds- und Vorerkrankungsverzeichnis bei und holte bei G1 eine beratungsärztliche
Stellungnahme ein. Mit Stellungnahme vom 21.02.2018 hielt G1 unter Berücksichtigung der beim Kläger vorliegenden Gesundheitsbeeinträchtigungen
an der LWS (großer Bandscheibenvorfall L 2/3, kleinerer Bandscheibenvorfall L 3/4, Bandscheibenvorwölbung L 5/S1 sowie massive
degenerative Veränderungen LWK 2/3 bis LWK 5/SWK 1) ein belastungskonformes Schadensbild im Sinne der medizinischen Beurteilungskriterien
zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der LWS für nicht gegeben.
Mit Bescheid vom 22.03.2018 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Lendenwirbelsäulenerkrankung des Klägers als BK nach Nr.
2108 ab. Es liege keine bandscheibenbedingte Erkrankung der Wirbelsäule im Sinne einer BK Nr. 2108 vor, weil es unter Berücksichtigung
der vorliegenden Befunde und nach Auswertung der eingeholten radiologischen Aufnahmen an einem belastungskonformen Schadensbild
an der LWS fehle. Charakteristisch für diese Berufskrankheit sei u.a. eine Betonung der Bandscheibenschäden - z.B. in Form
einer Höhenminderung der Bandscheibe (Chondrose) - in den unteren drei Abschnitten der LWS, also den Segmenten zwischen dem
fünften Lendenwirbelkörper (LWK) und dem ersten Wirbelkörper des Kreuzbeins (L 5/S 1), dem vierten und fünften LWK (L 4/L
5) und dem dritten und vierten LWK (L 3/L 4). Hierbei müsse die Verteilung von oben nach unten zunehmend sein. Eine derartige
Schadensverteilung sei beim Kläger nicht gegeben. Bei ihm seien degenerative Veränderungen in den Segmenten L 2/3, L 3/4,
L 4/5 und L 5/S 1 mit fortschreitenden Osteochondrosen festgestellt worden. Weiterhin bestehe ausschließlich in den oberen
Segmenten der Lendenwirbelsäule bei L 2/3 und L 3/4 jeweils ein Bandscheibenvorfall. Im untersten Segment L 5/S 1 liege nur
eine Bandscheibenvorwölbung vor, dies gelte ebenso auch für das Segment L 4/5. Da die beiden unteren Segmente keine bandscheibenbedingte
Erkrankung aufwiesen und kein von oben nach unten zunehmendes Erkrankungsbild vorliege, spreche dies bereits gegen ein belastungskonformes
Schadensbild. Hinzu komme, dass sich nach den Angaben des Klägers erste Wirbelsäulenbeschwerden bereits im jungen Erwachsenenalter
ca. 1978/1979 bemerkbar gemacht hätten. Dies deute auf eine überragende Schadensanlage zur Entwicklung einer verschleißbedingten
Erkrankung an der Wirbelsäule hin. Weiterhin seien neben der Wirbelsäule u.a. auch die Hüftgelenke und Kniegelenke von einer
Arthrose betroffen. Dies spreche für einen allgemeinen Gelenkverschleiß ohne beruflichen Bezug. Ein Krankheitsbild im Sinne
der BK Nr. 2108 sei somit auszuschließen.
Zur Begründung des hiergegen am 06.04.2018 erhobenen Widerspruchs trug der Kläger vor, dass nach seiner Ansicht eine persönliche
orthopädische Begutachtung erfolgen müsse, um die Entscheidung zu rechtfertigen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 25.07.2018 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Nachdem die beratungsärztliche Stellungnahme
unter Berücksichtigung der sogenannten Konsensempfehlungen und der vorliegenden Befunde, insbesondere der bildtechnischen
Befunde vorgenommen worden sei, sei eine orthopädische Begutachtung nicht erforderlich. Denn ein sogenanntes belastungskonformes
Schadensbild liege beim Kläger nicht vor.
Hiergegen hat der Kläger am 24.08.2018 Klage zum Sozialgericht (SG) Ulm erhoben und zur Begründung geltend gemacht, er habe über viele Jahre hinweg wirbelsäulenbelastende Tätigkeiten ausgeführt.
Nach der Schreinerlehre (davon das letzte Jahr in der Fenster- und Türenmontage) habe er von 1977 bis Januar 1978 als Maschinenarbeiter
gearbeitet und habe dabei pro Tag 35 Kugelwellen (Gewicht 50 kg) von der Palette auf den Schleifbock heben, polieren und sie
wieder zurück auf die Palette heben müssen. Diese Arbeit sei teils mit der Hand, teils mit einem Kran durchgeführt worden.
Als Angestellter im Küchenaufbau (Februar 1978 bis April 1978) habe er Küchenblöcke und Elektrogeräte in einen LKW geladen,
beim Kunden wieder ausgeladen und aufgebaut. Hierbei hätten die Küchenmöbel und Geräte auch in die Wohnungen der Kunden getragen
werden müssen. Im Zeitraum November 1979 bis September 2009 (Tätigkeit als selbstständiger Garagentormonteur) habe er mit
Mitarbeitern Garagentore auf die Laderampe seines LKW laden und wieder abladen, diese zur Garage tragen und einbauen müssen.
Vorher habe das alte Tor ausgebaut werden müssen. Täglich hätten drei bis fünf Garagentore ein- und ausgebaut werden müssen.
Im ärztlichen Attest der W vom 01.09.2017 sei eine Osteochondrose der LWS diagnostiziert worden. Eine derartige Osteochondrose
sei geeignet zur Anerkennung einer BK Nr. 2108. Die Zunahme des Schadensbildes von oben nach unten sei zwar ein wichtiges
Indiz, aber kein Ausschlusskriterium. Mit dem SG Aachen (Urteil vom 27.01.2005 - S 9 U 88/03 -) sei er der Auffassung, dass bei im Übrigen dichter Indizienkette zugunsten eines Kausalzusammenhanges, insbesondere auch
fehlender Betroffenheit der oberen Wirbelsäulenabschnitte und fehlenden Anhaltspunkten für eine alternative Verursachung der
Zusammenhang dennoch als wahrscheinlich anzusehen sei.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Ihr Beratungsarzt, der die medizinischen Kriterien für die Anerkennung einer
BK 2108 durchaus kenne, habe gerade in Kenntnis der beim Kläger vorliegenden Osteochondrose das bestehende Krankheitsbild
nicht als belastungskonform beurteilt. Das Vorliegen einer Osteochondrose allein sei also noch nicht hinreichend für die Anerkennung
einer BK Nr. 2108. Darüber hinaus sprächen außer der Verteilung der Veränderungen auch das frühe Auftreten der Wirbelsäulenbeschwerden
schon in jungen Jahren sowie die mannigfaltigen degenerativen Veränderungen der anderen Gelenke gegen einen rechtlich wesentlichen
Zusammenhang.
Das SG hat bei H ein fachorthopädisches Gutachten eingeholt. In seinem Gutachten vom 19.05.2019 hat H ausgeführt, dass sich beim
Kläger zum Zeitpunkt des operativen Eingriffs kernspintomographisch ausgeprägte Bandscheibenschäden in den unteren vier lumbalen
Etagen gefunden hätten, darüber hinaus knöcherne Begleitreaktionen in Form von teils ausgeprägten Spondylosen in diesen Segmenten.
Darüber hinaus habe sich aber auch eine hochgradige Einengung des zentralen Wirbelkanals in Segment L 2/L 3 durch anlagebedingte
Faktoren, die nichts mit einer Bandscheibenerkrankung zu tun hätten, gezeigt. Es habe also aus gutachterlicher Sicht eine
konkurrierende Ursache für die damaligen massiven Beschwerden gegeben. Der Kläger habe auch selbst ausgeführt, dass er vor
der Operation vor allen Dingen schmerzhafte Krämpfe in der Oberschenkelmuskulatur verspürt habe; diese seien eher nicht auf
einen Bandscheibenschaden zurückzuführen. Nachdem im Rahmen des operativen Eingriffs knöcherne Dekompressionen durchgeführt,
d.h. die Wirbelbögen L 2 und L 3 auf der rechten Seite abgetragen worden seien, was aus Sicht des Klägers zu einer weitgehenden
Beschwerdefreiheit geführt habe, seien seine Beschwerden offenbar primär durch die knöchernen Einengungen hervorgerufen worden
und nicht durch eine bandscheibenbedingte Erkrankung. Aus gutachterlicher Sicht lasse sich also eine bandscheibenbedingte
Erkrankung nicht mit letzter Sicherheit ausschließen, seiner Auffassung nach seien die Beschwerden aber eher auf primär anlagebedingte
Faktoren zurückzuführen. Darüber hinaus ergebe sich aus gutachterlicher Sicht auch ein Zweifel, ob der Kläger zum Zeitpunkt
des Beschwerdebeginns schon langjährig entsprechenden beruflichen Belastungen unterworfen gewesen sei. Der Kläger selbst habe
ausgeführt, dass er seit Mitte der achtziger Jahre immer wieder ambulant wegen Rückenschmerzen behandelt worden sei. Darüber
hinaus entspreche das radiologisch diffuse Schadensbild in den Etagen L 2/L 3 bis L 5/S 1 nicht dem theoretisch zu fordernden
Muster (mit einem von oben nach unten zunehmenden Schadensbild). Es fehle auch an den von den Konsensempfehlungen geforderten
Begleitspondylosen.
Auf Antrag des Klägers nach §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) hat das SG ein weiteres fachorthopädisches Gutachten bei F eingeholt. In seinem Gutachten vom 24.10.2019 hat F die Auffassung vertreten,
dass die von ihm diagnostizierten Gesundheitsstörungen (chronisch rezidivierendes LWS-Syndrom, sensibles Nervenwurzelreizsyndrom
L 5 links, Bandscheibenschaden in der LWS) die Merkmale einer bandscheibenbedingten Erkrankung erfüllten. Daneben liege in
der BWS ein Morbus Forestier vor. Eine Stellungnahme zur Arbeitsplatzexposition solle auf jeden Fall noch eingeholt werden.
Auf ergänzende Nachfrage durch das SG hat F mit ergänzender Stellungnahme vom 25.05.2020 mitgeteilt, dass seiner Auffassung nach entsprechend den Konsensempfehlungen
die Konstellation B 2 angesetzt werden könne. In den Röntgenaufnahmen vom 23.10.2019 werde in den Segmenten L 2 bis S 1 eine
Chondrose Grad III festgehalten, ebenso werde in der MRT-Untersuchung vom 30.10.2015 ein Bandscheibenschaden in den Segmenten
LWK 4/5 und LWK 5/SWK 1 nachgewiesen.
Die Beklagte hat unter Berücksichtigung der Tätigkeitsbeschreibungen durch den Kläger Stellungnahmen zur Arbeitsplatzexposition
vorgelegt (BG Bau vom 07.04.2020, BGHM vom 24.07.2020), auf deren Inhalt Bezug genommen wird. Da unter Berücksichtigung der
beim Kläger im Rahmen eines Telefongesprächs erhobenen Angaben zu Arbeitsplätzen, Tätigkeiten und Expositionen die Richtwerte
des Verfahrens (Druckkraft 3,2 kN bzw. Mindesttagesdosis) nicht erreicht worden seien, errechne sich nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell
(MDD) eine berufliche Gesamtbelastungsdosis für den Zeitraum 01.09.1974 bis 30.09.2009 in Höhe von 0 x 106 Nh. Das dritte Zusatzkriterium der B 2-Konstellation "Erreichen der Hälfte des MDD-Tagesdosis-Richtwertes durch hohe Belastungsspitzen"
könne beim Kläger als erfüllt angesehen werden; die als selbstständiger Garagenmonteur erreichte MDD-Tagesdosis erreiche 1,7
kN und 2,8 kN und liege somit bei einem Wert über der geforderten hohen Belastungsspitze. Mit weiterer beratungsärztlicher
Stellungnahme vom 03.08.2020 hat G1 daran festgehalten, dass sich bei den vorliegenden multisegmentalen degenerativen Veränderungen
der Wirbelsäule kein Hinweis auf ein belastungskonformes Schadensbild ergebe. Der Hauptbefund finde sich im Segment L 2/3
mit entsprechenden degenerativen Veränderungen. Dies sei einer Konstellation der Konsensempfehlungen nicht zuzuordnen.
Mit Urteil vom 28.01.2021 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger zwar - entgegen den Ausführungen in der Stellungnahme
des Präventionsdienstes der Beklagten - die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die geltend gemachte BK Nr. 2108 erfülle.
Dies ergebe sich aus den Berechnungen des Präventionsdienstes der Beklagten und der BG Bau unter Zugrundelegung des MDD. An
diesem Berechnungsmodell sei trotz diverser Schwächen des MDD als Grundlage für die Konkretisierung der im Text der BK Nr.
2108 zur Kennzeichnung der beruflichen Einwirkungen verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe festzuhalten, weil aktuell kein
den wissenschaftlichen Erkenntnisstand besser abbildendes Alternativmodell zur Verfügung stehe (mit Hinweis auf BSG, Urteil vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R -). Allerdings sei die dem MDD zugrundeliegende Mindestdruckkraft pro Arbeitsvorgang bei Männern mit dem Wert von 2.700 N
pro Arbeitsvorgang anzusetzen, und es könne das Erreichen einer bestimmten Mindesttagesdosis, wie nach dem MDD gefordert,
nach den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht mehr verlangt werden, sodass bei der Berechnung auch die Tage mit
Tagesdosen, die unterhalb der Mindesttagesdosis lägen, zu berücksichtigen seien. Im Hinblick auf die bestehenden Unsicherheiten
seien die Richtwerte des MDD für die Gesamtbelastungsdosis zu halbieren, sodass von einem langjährigen Heben und Tragen schwerer
Lasten bzw. einer langjährigen Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung auszugehen sei, wenn mindestens die Hälfte des nach
dem MDD ermittelten Wertes für die Gesamtbelastungsdosis erreicht oder überschritten würde. Zwar gehe der Präventionsdienst
der Beklagten im Ergebnis davon aus, dass die Gesamtdosis von 12,5 MNh unterschritten sei. Dieser Einschätzung liege jedoch
die fehlerhafte Annahme zugrunde, dass im Rahmen der MDD-Berechnung eine Mindestdruckkraft pro Arbeitsvorgang bei Männern
mit dem Wert 3,2 kN pro Arbeitsvorgang anzusetzen und das Erreichen einer bestimmten Mindesttagesdosis zu verlangen sei. Wie
dargelegt entspreche dies nicht mehr der Rechtsprechung des BSG. Unter Beachtung der dargelegten aktuell geltenden Vorgaben errechne sich - unter Berücksichtigung der vom Präventionsdienst
der Beklagten unter Anwendung einer Mindestdruckkraft pro Arbeitsvorgang bei Männern mit 3,2 kN pro Arbeitsvorgang ermittelten
Tagesdosiswerte (Firma J GmbH & Co. Holzbauwerke: 3,1 x 103 Nh, Firma D AG: 2,3 x 103 Nh, Firma M: 1,3 x 103 Nh, Firma D AG: 3,2 x 103 Nh, Firma G: 2,4 x 103 Nh, Firma G: 3,2 x 103 Nh) eine Gesamtbelastungsdosis von 15,5 x 103 MNh, womit der hälftige Orientierungswert von 12,5 MNh überschritten sei. Zwischen der beruflichen Belastung und dem beim
Kläger festgestellten Wirbelsäulenschaden bestehe jedoch kein kausaler Zusammenhang. Der beim Kläger bestehende Lendenwirbelsäulenschaden
sei nicht mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit auf seine berufliche Tätigkeit zurückzuführen. Zwar liege
beim Kläger eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS in Form von Bandscheibenvorfällen in den Segmenten L 2/3 und L 3/4
sowie Bandscheibenvorwölbungen in den Segmenten L 4/5 und L 5/S 1 vor, was sich für die Kammer aus dem Gutachten des H ergebe.
Die bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS sei jedoch nicht mit Wahrscheinlichkeit durch berufliche Einwirkungen verursacht.
Das beim Kläger vorliegende Verteilungsmuster der Erkrankung an der Wirbelsäule entspreche nach Art, Ausprägung und Lokalisation
des Krankheitsbildes nicht der spezifischen Einwirkung in Form von Heben und Tragen schwerer Lasten. Beim Kläger liege im
Bereich der LWS ein breitbasiger Prolaps bis foraminal im Segment LWK 2/3 vor. Der Sachverständige H habe zutreffend darauf
hingewiesen, dass bei dem Kläger ein diffuses Schadensbild in den Etagen L 2/3 bis L 5/S 1 bestehe. In Übereinstimmung dazu
habe auch G1 multisegmentale degenerative Veränderungen der Wirbelsäule beschrieben und zu Recht darauf hingewiesen, dass
sich der Hauptbefund im Segment L 2/3 mit entsprechenden degenerativen Veränderungen finde und damit nicht dem zu fordernden
und bereits dargelegten belastungskonformen Schadensbild einer BK Nr. 2108 entspreche. Die Einschätzung des Sachverständigen
F, wonach eine Konstellation B 2 vorliege, überzeuge hingegen nicht. Zwar komme eine Konstellation B 2 grundsätzlich in Betracht,
nachdem beim Kläger eine bandscheibenbedingte Erkrankung in den Segmenten L 4/5 und L 5/S 1, aber keine Begleitspondylose
vorliege. Es liege zudem ein besonderes Gefährdungspotential durch hohe Belastungsspitzen vor (Befundkonstellation B 2, dritter
Spiegelstrich - drittes Zusatzkriterium). Dennoch seien die für einen wesentlichen Zusammenhang sprechenden medizinischen
Gründe unter Berücksichtigung der einschlägigen Konstellationen der Konsensempfehlungen mangels belastungskonformen Schadensbild
nicht deutlich überwiegend, sodass ein wesentlich beruflicher Entstehungszusammenhang der bandscheibenbedingten LWS-Erkrankung
des Klägers nicht mit Wahrscheinlichkeit festzustellen sei.
Gegen das ihm am 04.02.2021 zugestellte Urteil hat der Kläger am 10.02.2021 Berufung eingelegt. Mit der Entscheidung durch
das SG bestehe kein Einverständnis. Das Gutachten des F sei weitaus umfassender und überzeugender als das Gutachten des H. F habe
angemerkt, dass die Begründung des H sehr oberflächlich sei bzw. dieser nicht ausreichend begründet habe, weshalb kein berufsbedingter
Zusammenhang der Bandscheibenschäden vorliege. F habe demgegenüber überzeugend begründet, weshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit
von einem berufsbedingten Zusammenhang auszugehen sei. Daher halte er auch mit Blick auf die Ergebnisse der Arbeitsplatzexposition
das Gutachten des F für überzeugend, zumal ebenfalls H einen berufsbedingten Zusammenhang nicht ausgeschlossen habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 28. Januar 2021 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22. März 2018 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, seine Wirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit
gemäß Nr. 2108 der Anlage 1 zur
Berufskrankheitenverordnung anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf den Inhalt der Akte und das ihrer Auffassung nach zutreffende erstinstanzliche Urteil.
Auf Veranlassung durch den Senat hat die Beklagte eine ergänzende Stellungnahme ihres Präventionsdienstes vom 04.11.2021 vorgelegt,
gemäß der die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine BK Nr. 2108 vorliegen. Danach habe eine Korrektur und Neuberechnung
mit Hilfe der IFA-Anamnese-Software eine berufliche Gesamtdosis des Versicherten für den Zeitraum 01.09.1974 bis 30.09.2009
in Höhe von 22,00 MNh ergeben. Dies entspreche einem prozentualen Anteil von 88 Prozent des Orientierungswertes von 25 MNh
für Männer. Damit sei der mindestens geforderte hälftige Orientierungswert von 12,5 MNh gemäß der BSG-Rechtsprechung erreicht.
Der Senat hat weiter Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens bei C, H1. C hat in seinem Gutachten
vom 04.02.2022 beim Kläger
- mittelgradige degenerative Veränderungen in den Halswirbelsäulenbewegungssegmenten C 5/C 6 und C 6/C 7 in Form einer Verschmälerung
der Bandscheibenfächer sowie nach vorne weisender knöcherner Randwülste an den zugehörigen Grund- und Deckplatten, mit mittelgradigen
Verspannungen der kräftig entwickelten Schulternackenmuskulatur, Klopfschmerzangabe über den Dornfortsätzen der unteren Halswirbelsäule
sowie mittelgradiger Einschränkung der Beweglichkeit,
- im Bereich der Brustwirbelsäule röntgenologisch zwischen Th 7 und Th 10 insbesondere nach rechtsseitig ausladende knöcherne
Randwülste an den zugehörigen Grund- und Deckplatten, die die Zwischenwirbelräume spangenartig überbrücken mit altersentsprechend
unauffälligem klinischem Befund und
- im Bereich der Lendenwirbelsäule röntgenologisch eine geringe linkskonvexe Seitauslenkung mit einem hieraus resultierenden
Winkel von acht Grad, zwischen L 2 und L 5 insbesondere auf der rechten Seite nach seitlich ausladende knöcherne Randwülste,
die die Zwischenwirbelräume zum Teil spangenartig überbrücken sowie eine Chondrose Grad III in den Bewegungssegmenten L 2/L
3 bis L 5/S 1 mit reizloser Narbe nach Spinalkanalerweiterung in den Segmenten L 2/L 3 und L 3/L 4 rechts 11/2015, mittelgradigen
Verspannungen der kräftig entwickelten paravertebralen Muskulatur, Klopfschmerzangabe über den Dornfortsätzen der mittleren
Lendenwirbelsäule sowie endgradiger Einschränkung der Beweglichkeit
festgestellt. Nach eigenen überschlägigen Berechnungen sei der hälftige Orientierungswert von 12,5 x 106 Nh gemäß BSG-Urteil etwa Ende 1995 erreicht gewesen. Prinzipiell seien zwar die arbeitstechnischen Voraussetzungen zur Anerkennung einer
BK Nr. 2108 als erfüllt anzusehen, allerdings lasse sich eine plausible zeitliche Korrelation zwischen beruflicher Belastung
einerseits und Entwicklung einer bandscheibenbedingten Erkrankung andererseits nicht wahrscheinlich machen. Vom Kläger sei
im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung ein Arztbrief des K vom 11.09.1979 vorgelegt worden, in dem dieser angegeben habe,
dass der Kläger "seit zwei Jahren an rezidivierenden Lumbalgien im LWS-Bereich" leide. Dies bedeute, dass die entsprechenden
Beschwerden im Bereich der LWS 1977 begonnen hätten. Am 25.11.1977 habe die berufliche Belastungsdosis bei 0,9 x 106 Nh gelegen; im September 1979 bei etwa 1,9 x 106 Nh. Wenn man diese von K beschriebenen rezidivierenden Lumbalgien als erste Hinweise auf eine bandscheibenbedingte Erkrankung
im Bereich der LWS interpretiere, dann lasse sich hieraus eine plausible zeitliche Korrelation zwischen der beruflichen Belastung
einerseits und der Entwicklung einer bandscheibenbedingten Erkrankung andererseits nicht ableiten. Dass es sich bei den Angaben
von "rezidivierenden Lumbalgien" tatsächlich um klinische Hinweise auf eine bandscheibenbedingte Erkrankung gehandelt habe,
werde durch den von K beschriebenen röntgenologischen Befund bestätigt. Er beschreibe nämlich eine beginnende Osteochondrose
in den Segmenten L 4/L 5 und L 5/S 1. Zwar datiere die nächste auswertbare Röntgenaufnahme erst vom 29.03.2007. Diese zeige
jedoch eindeutig eine vorangeschrittene Chondrose in den Bewegungssegmenten L 3/L 4, L 4/L 5 und L 5/S 1, sodass es plausibel
erscheine, dass eine 1979 beginnende Chondrose der unteren beiden Segmente in den Folgejahren zugenommen und schließlich auch
das darüber liegende Segment L 3/L 4 erfasst habe. Unter medizinischen Gesichtspunkten bestünden keine vernünftigen Zweifel
daran, dass der Kläger unter einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule leide. Die seinerzeit (2015) operierte
Spinalkanalstenose müsse mit Wahrscheinlichkeit als sekundäre Folge der stattgehabten Chondroseentwicklung angesehen werden,
insoweit könne der beratungsärztlichen Stellungnahme des G1 vom 21.02.2018 nicht zugestimmt werden. Auch wenn damit die röntgenologischen
Veränderungen prinzipiell als belastungskonform anzusehen seien, so ließen sie sich jedoch aufgrund ihrer zeitlichen Entwicklung
der beruflichen Belastung nicht kausal zuordnen. In diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, dass sich entsprechende Veränderungen
ja auch in einer beruflich nicht exponierten Normalpopulation fänden. Die besondere Betroffenheit der unteren Segmente der
Lendenwirbelsäule entspreche insoweit der normalen Verteilung solcher Osteochondrosen, da die Belastung der Bandscheibenfächer
auch unter Normalbedingungen nach unten hin zunehme. Insofern sei davon auszugehen, dass die Erkrankung des Klägers schicksalsmäßig
und aus innerer Ursache heraus entstanden sei. An seiner Einschätzung hat C auch nach Vorlage weiterer ärztlicher Unterlagen
durch den Kläger Arztbrief (Chirurgie L vom 17.01.1978, Arztbrief der S1 und N1 vom 29.12.1994, Bescheid des Versorgungsamtes
Ulm vom 27.08.1996, gutachterliche Stellungnahme vom 07.06.1997 im Rahmen eines Neufeststellungsantrags nach dem Schwerbehindertengesetz) mit ergänzender gutachterlicher Stellungnahme vom 09.05.2022 festgehalten. Auch nach Vorlage dieser Arztbriefe spreche weiterhin
alles dafür, dass die bandscheibenbedingte Erkrankung des Klägers vor dem Beginn einer beruflich adäquaten Belastung angefangen
habe und dann, ihrer Natur entsprechend, vorangeschritten sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf die beigezogenen Akten der
Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die fristgerecht erhobene und auch ansonsten zulässige Berufung (§§
141,
142,
151 SGG ist unbegründet.
Das SG hat die Klage gegen die verfahrensgegenständlichen Bescheide der Beklagten, die der Kläger zulässigerweise mit der kombinierten
Anfechtungs- und Verpflichtungsklage angegriffen hat, zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 22.03.2018 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.07.2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen
Anspruch auf die begehrte Anerkennung einer BK Nr. 2108. Beim Kläger besteht keine als Berufskrankheit anzuerkennende bandscheibenbedingte
Erkrankung der Lendenwirbelsäule.
Rechtsgrundlage für die Anerkennung der begehrten BK ist §
9 Abs.
1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VII) i.V.m. Nr.
2108 der Anlage 1 zur
BKV. BKen sind gem. §
9 Abs.
1 SGB VII nur diejenigen Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet
(Listen-BK) und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§
2,
3 oder 6
SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Nach §
9 Abs.1 Satz 1
SGB VII sind von dem Verordnungsgeber in der
BKV solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere
Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade
als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. In der Anlage 1 zur
BKV in der Fassung vom 12. Juni 2020 ist unter Nr. 2108 die Berufskrankheit wie folgt gefasst worden: Bandscheibenbedingte Erkrankungen
der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer
Rumpfbeugehaltung, die zu chronischen oder chronisch-rezidivierenden Beschwerden und Funktionseinschränkungen geführt haben.
Die bis zum 31.12.2020 im Tatbestand der BK Nr. 2108 enthaltene Voraussetzung des sog. "Unterlassungszwangs" ("Bandscheibenbedingte
Erkrankungen der Lendenwirbelsäule ..., die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die
Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können") ist mit Wirkung zum 01.01.2021 entfallen.
Diese Änderung der Rechtslage zum 01.01.2021 hat indes auf den vorliegenden Fall keine Auswirkungen. Denn nach dem Ergebnis
der Beweisaufnahme besteht beim Kläger bereits keine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule, die mit hinreichender
Wahrscheinlichkeit durch das durch die versicherte Tätigkeit veranlasste Heben und Tragen schwerer Lasten verursacht worden
ist.
Die Anerkennung setzt zunächst voraus, dass der Versicherte auf Grund von Verrichtungen bei einer versicherten Tätigkeit -
hier als Beschäftigter nach §
2 Abs.
1 Nr.
1 SGB VII bzw. in Zeiten der Selbstständigkeit als freiwillig versicherter Unternehmer nach §
6 Abs.
1 Nr.
1 SGB VII - langjährig schwer gehoben und getragen bzw. in extremer Rumpfbeugehaltung gearbeitet hat und hierdurch eine bandscheibenbedingte
Erkrankung der Lendenwirbelsäule entstanden ist und noch besteht. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist ein Ursachenzusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und den Verrichtungen (sachlicher Zusammenhang), diesen
Verrichtungen und den schädigenden Einwirkungen (Einwirkungskausalität) und den Einwirkungen und der Erkrankung (haftungsbegründende
Kausalität) erforderlich. Dass die berufsbedingte Erkrankung ggf. den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende
Kausalität), ist hingegen keine Voraussetzung für die Anerkennung der BK, sondern lediglich für einen etwaigen, auf dieser
BK beruhenden Leistungsanspruch (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 04.07.2013 - B 2 U 11/12 R -, juris).
In beweisrechtlicher Hinsicht müssen die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit"
im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Hingegen genügt für die nach der
Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings
die bloße Möglichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 23.04.2015 - B 2 U 06/13 R -, juris m.w.N.). Um eine hinreichende Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges zu bejahen, muss sich unter Würdigung
des Beweisergebnisses ein solcher Grad von Wahrscheinlichkeit ergeben, dass ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Möglichkeit
ausscheiden und nach der geltenden ärztlichen wissenschaftlichen Lehrmeinung deutlich mehr für als gegen einen ursächlichen
Zusammenhang spricht (vgl. BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R -, juris m.w.N.).
Die Beurteilung des Ursachenzusammenhangs zwischen beruflichen Belastungen und Bandscheibenerkrankung hat auf der Grundlage
des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes zu erfolgen; daher sind neben der Begründung des Verordnungsgebers auch
die Merkblätter des zuständigen Bundesministeriums, die wissenschaftliche Begründung des ärztlichen Sachverständigenbeirates
sowie die sogenannten Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung der auf Anregung des Hauptverbandes der Berufsgenossenschaften
(HVBG) eingerichteten interdisziplinären Arbeitsgruppe ("Medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten
der Lendenwirbelsäule", Bolm-Audorff, et al., Trauma und Berufskrankheit 2005, S. 211 ff.) zu beachten. In seinen Urteilen
vom 23.04.2015 hat das BSG bestätigt, dass diese Konsensempfehlungen weiterhin den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand abbilden (vgl. hierzu
ausführlich, auch zu den zwischenzeitlich erfolgten Meinungsäußerungen in der medizinischen Wissenschaft, etwa zur Deutschen
Wirbelsäulenstudie, BSG, Urteile vom 23.04.2015 - B 2 U 06/13 R -, - B 2 U 10/14 R - und - B 2 U 20/14 R -, vgl. auch Urteil vom 06.09.2018 - B 2 U 13/17 R -, alle juris). Weder die mit dem vorliegenden Fall befassten medizinischen Gutachter noch die Beteiligten haben einen neueren
von den Konsensempfehlungen abweichenden Stand der wissenschaftlichen Diskussion zu den bandscheibenbedingten Erkrankungen
der LWS aufgezeigt. Diese stellen nach wie vor den aktuellen Stand der nationalen und internationalen Diskussion zur Verursachung
von Bandscheibenerkrankungen der LWS durch körperliche berufliche Belastungen dar (BSG, Urteil vom 23.04.2015 - B 2 U 20/14 R -, juris Rn. 32 ff.; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 535 ff.)
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liegen die Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK Nr. 2108 nicht vor.
Der Kläger hat im Rahmen seiner versicherten Tätigkeiten langjährig, nämlich im Zeitraum 1974 bis 2009, schwere Lasten, nämlich
Fenster, Türen und Glasscheiben (als Schreinerlehrling und Geselle), Kurbelwellen für LKW (als Maschinenbediener), Küchenblöcke,
Arbeitsplatten und Elektrogeräte (als Schreiner in der Küchenmontage) sowie kleine und große Garagentore und Nebeneingangstüren
(als Garagentormonteur) teilweise allein, häufig mit zwei bis drei Mann, gehoben und getragen. Er hat dabei nach seinen Angaben,
die der Präventionsdienst seinen Feststellungen und Berechnungen vollständig zugrunde gelegt hat, Tätigkeiten ausgeführt,
die mit typischen Hebe- und Tragebelastungen verbunden waren.
Zur Bestimmung der für eine Krankheitsverursachung erforderlichen Belastungsdosis zieht der Senat in Übereinstimmung mit der
Rechtsprechung des BSG das Mainz-Dortmunder-Dosismodell (MDD) heran, welches seit 2003 (vgl. BSG, Urteil vom 18.03.2003 - B 2 U 13/02 R - und Urteile vom 23.04.2015, a.a.O.) eine geeignete Grundlage zur Konkretisierung der im Text der BK Nr. 2108 mit den unbestimmten
Rechtsbegriffen "langjähriges" Heben und Tragen "schwerer Lasten" oder "langjährige" Tätigkeit in "extremer Rumpfbeugehaltung"
nur ungenau und allenfalls nur richtungsweisend umschriebenen Einwirkungen ist. Die aufgrund einer retrospektiven Belastungsermittlung
für risikobehaftete Tätigkeitsfelder ermittelten Werte, insbesondere die Richtwerte für die Gesamtbelastungsdosis des MDD,
sind nicht als Grenzwerte, sondern als Orientierungswerte oder -vorschläge zu verstehen (BSG, Urteil vom 18.11.2008 - B 2 U 14/07 R -, juris). Für Männer legt das MDD als Gesamtbelastungsdosis den Wert von 25 x 106 Nh fest. Das MDD bedarf jedoch im Hinblick auf die an seinen wissenschaftlichen Grundlagen und seinem Berechnungsmodus geäußerte
Kritik der weiteren Überprüfung. Neuere wissenschaftliche Erkenntnisse deuten nämlich darauf hin, dass auch unterhalb der
Orientierungswerte nach dem MDD liegende Werte ein erhöhtes Risiko für Bandscheibenerkrankungen auslösen können. Auf eine
Mindesttagesdosis ist daher entsprechend dem Ergebnis der Deutschen Wirbelsäulenstudie zu verzichten. Der untere Grenzwert,
bei dessen Unterschreitung nach gegenwärtigem Wissensstand ein Kausalzusammenhang zwischen beruflichen Einwirkungen und bandscheibenbedingter
Erkrankung der Lendenwirbelsäule ausgeschlossen und deshalb auf einzelfallbezogene medizinische Ermittlungen verzichtet werden
kann, ist auf die Hälfte des im MDD vorgeschlagenen Orientierungswertes die Gesamtbelastungsdosis von 25 x 106 Nh bei Männern herabzusetzen (vgl. BSG, Urteil vom 23.04.2015 - B 2 U 10/14 R -, juris, Rn. 14).
Bei der Beurteilung der Dauer, Häufigkeit und Stärke der Einwirkungen stützt sich der Senat auf die Ermittlungen und Berechnungen
des Präventionsdienstes der Beklagten, der hierbei nach Hinweisen durch den Senat zuletzt die durch die dargelegte Rechtsprechung
des BSG modifizierten Werte des MDD zugrunde gelegt hat. Der Senat hat keine Zweifel, dass die Berechnungen des Präventionsdienstes
zutreffend sind, weshalb er sie seiner Entscheidung zugrunde legt. Vom Kläger wurden diese Berechnungen auch nicht in Zweifel
gezogen. Der Präventionsdienst der Beklagten hat unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des BSG in seiner Stellungnahme vom 04.11.2021 die berufliche Belastung des Klägers ermittelt und ausgehend von den mit der Ausübung
der unterschiedlichen Tätigkeiten des Klägers verbundenen Wirbelsäulenbelastungen im Zeitraum von 1974 bis 2009 eine Belastungsdosis
von insgesamt 22 x 106 Nh errechnet (88 Prozent des Orientierungswertes nach dem MDD von 25 x 106 Nh). Die nach der Rechtsprechung des BSG erforderliche Mindestbelastungsdosis von 12,5 x 106 Nh wurde somit vom Kläger überschritten. Auch die erforderliche Langjährigkeit und Regelmäßigkeit der wirbelsäulenbelastenden
Tätigkeiten waren gegeben.
Ausgehend hiervon stellt der Senat zunächst fest, dass er in Übereinstimmung mit C davon ausgeht, dass der hälftige Orientierungswert
von 12,5 x 106 Nh etwa Ende 1995 erreicht worden ist. In den Jahren 1974 bis 1989 hat der Kläger im Rahmen seiner unterschiedlichen Tätigkeiten
wirbelsäulenbelastende Tätigkeiten in einer Dosis von 8,2 x 106 Nh durchgeführt. Geht man davon aus, dass bezogen auf den Berechnungszeitraum 1979 bis 1989 (Garagentormonteur) zeitlich
unterschiedliche Belastungen nicht ersichtlich sind und der Präventionsdienst für diesen Zeitraum 6,3 x 106 Nh errechnet hat, ist davon auszugehen, dass etwa 0,7 x 106 Nh pro Jahr zu berücksichtigen waren. Der Orientierungswert von 12,5 x 106 Nh wäre damit hiervon ausgehend etwa nach weiteren sechs Jahren Tätigkeit, somit gegen Ende 1995 erreicht worden. Der Senat
folgt auch im Übrigen der Berechnung des Präventionsdienstes und hat keinen Zweifel, dass diese den tatsächlichen Belastungen
des Klägers gerecht wird. Gegenteiliges wurde auch vom Kläger weder im Rahmen des Klageverfahrens noch des Berufungsverfahrens
geltend gemacht.
Der Senat geht ferner davon aus, dass beim Kläger eine chronische oder chronisch-rezidivierende bandscheibenbedingte Erkrankung
der Lendenwirbelsäule vorliegt. Maßstab für die medizinische Beurteilung sowohl des Krankheitsbildes als auch des Kausalzusammenhangs
zwischen beruflich bedingten Einwirkungen und den bestehenden Erkrankungen sind für den Senat die bereits erwähnten Konsensempfehlungen.
Grundvoraussetzungen für die Anerkennung eines Ursachenzusammenhanges sind danach eine nachgewiesene bandscheibenbedingte
Erkrankung, wobei der bildgebend darstellbare Bandscheibenschaden seiner Ausprägung nach altersuntypisch sein muss und eine
ausreichende berufliche Belastung, wobei diese eine plausible zeitliche Korrelation zur Entwicklung der bandscheibenbedingten
Erkrankung aufweisen muss (z.B. ausreichende Exposition muss der Erkrankung vorausgehen; Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs
nimmt mit der Länge des Zeitraums zwischen Ende der Exposition und erstmaliger Diagnose der Erkrankung ab, vgl. Konsensempfehlungen
a.a.O. S. 216). Eine solche setzt neben einem objektivierten Bandscheibenschaden auch ein korrespondierendes klinisches Beschwerdebild
mit Funktionseinschränkungen voraus. Zwar ist der Senat mit C der Überzeugung, dass keine vernünftigen Zweifel daran bestehen,
dass der Kläger unter einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS leidet. Aus den von C selbst angefertigten und ausgewerteten
bildgebenden Untersuchungen ergibt sich eine Chondrose Grad III in den Bewegungssegmenten L 2/L 3 bis L 5/ S 1; zwischen L
2 und L 5 insbesondere auf der rechten Seite nach seitlich ausladende knöcherne Randwülste, die die Zwischenwirbelräume zum
Teil spangenartig überbrücken mit mittelgradigen Verspannungen der paravertebralen Muskulatur, Klopfschmerzen über den Dornfortsätzen
der mittleren LWS und endgradiger Einschränkung der Beweglichkeit in allen Bewegungssegmenten der LWS. Dies steht in weitgehender
Übereinstimmung mit den Befunden der Vorgutachter H (Druck- und Klopfempfindlichkeit der unteren Hälfte der Wirbelsäule, endgradig
schmerzhaft eingeschränkte Beweglichkeit; die Auswertung der vorgelegten Bildgebung zeige vor dem operativen Eingriff einen
ausgeprägten Verschleiß in den unteren vier lumbalen Etagen mit Abflachungen der Bandscheiben und Dehydrierung sowie ausladenden
spondylophytären Anbauten, kleiner rechtsseitiger Bandscheibenvorfall L 2/3) und F (erhöhter Druckschmerz im unteren LWS-Bereich,
Reklination schmerzbedingt aufgehoben; in Auswertung eigener Röntgenaufnahmen vom 23.10.2019 keine Chondrose im Segment L
1/2, in den übrigen Segmenten Chondrose Grad III, vermehrte Sklerosierung der angrenzenden Grund- und Deckplatten).
Auch wenn deswegen zunächst von einer dem Versicherungsschutz unterliegenden Erkrankung und einer geeigneten Einwirkung auszugehen
ist, kommt eine Anerkennung der BK Nr. 2108 nicht in Betracht, weil sich die haftungsbegründende Kausalität, also eine Verursachung
der Erkrankung durch die beruflichen Einwirkungen, nicht hinreichend wahrscheinlich machen lässt. Denn auch bei Annahme erfüllter
Tatbestandsvoraussetzungen "schädigende Einwirkung" und "Erkrankungsbild" ergibt sich nicht ohne Weiteres die Wertung einer
hinreichend wahrscheinlichen Verursachung. Aus dem Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen kann angesichts der multifaktoriellen
Entstehung von bandscheibenbedingten Erkrankungen der Lendenwirbelsäule nicht automatisch auf das Bestehen der Anspruchsvoraussetzungen
der BK Nr. 2108 geschlossen werden; vielmehr müssen medizinische Kriterien hinzukommen (st. Rspr. des BSG, vgl. Urteile vom 23.04.2015, a.a.O. und m.w.N.). In den Konsensempfehlungen wird unter 1.4 hinsichtlich der allgemeinen
Kriterien zur Zusammenhangsbeurteilung u.a. ausgeführt, dass eine Betonung der Bandscheibenschäden an den unteren drei Segmenten
eher für einen Ursachenzusammenhang mit der beruflichen Belastung spricht. Dass beim Kläger ausweislich der bildgebenden Untersuchungen
(insbesondere MRT vom 30.10.2015) der "Hauptbefund" mit einem breitbasigen Prolaps im Segment LWK 2/3 liegt, während in den
Segmenten L 3/4 und L 5 /S 1 lediglich "sehr diskrete" bzw. "diskrete" Protrusionen diagnostiziert wurden, spricht in Anwendung
dieses Kriteriums eher gegen einen Zusammenhang. Hierauf haben sowohl der Beratungsarzt der Beklagten G1 (zuletzt mit Stellungnahme
vom 03.08.2020) als auch der Sachverständige H hingewiesen ("radiologisch diffuses Schadensbild" in den Etagen L 2/L 3 bis
L 5/ S 1, das eher nicht dem theoretisch zu fordernden Muster eines von oben nach unten zunehmenden Schadensbildes entspricht).
Soweit C dem entgegen unter Hinweis auf die von oben nach unten abnehmenden Höhen der Bandscheibenfächer schon in Auswertung
der Röntgenbefunde vom 29.03.2007 (L 1/2: 10 mm, L 2/3 13 mm, L 3/4: 6 mm, L 4/5: 5 mm, L 5 /S 1: 5 mm), aber auch derjenigen
vom 31.01.2022 mit weiterer Verschmälerung der Bandscheibenfächer L 2/3 und L 3/4 eine nach unten zunehmende Ausprägung der
degenerativen Veränderungen und damit ein belastungskonformes Schadensbild ausdrücklich bejaht, führt dies nicht zu einem
anderen Ergebnis. Zwar kommt vorliegend unter Berücksichtigung des nach den Gutachten von C, aber auch von H und F festgestellten
Befundes grundsätzlich eine nach den Konsensempfehlungen mit dem Buchstaben "B" beginnende Konstellation (Lokalisation: Die
bandscheibenbedingte Erkrankung betrifft L 5/S 1 und/oder L 4/L 5, Ausprägung des Bandscheibenschadens: Chondrose Grad II
oder höher und/oder Vorfall) in Betracht, da hier eine gesicherte bandscheibenbedingte Erkrankung vorliegt, insbesondere auch
die beiden unteren Lendenwirbelsäule-Segmente mit einer Chondrose Grad III betroffen sind. Die mit dem Buchstaben B beginnenden
Konstellationen sind aber vorliegend schon deshalb nicht einschlägig, weil diese neben einer bandscheibenbedingten Erkrankung
in einem altersuntypischen Ausmaß und dem Nachweis einer ausreichenden beruflichen Belastung wie bereits dargelegt zusätzlich
voraussetzen, dass die bandscheibenbedingte Erkrankung und die ausreichende berufliche Belastung eine plausible zeitliche
Korrelation aufweisen. Der Erkrankung muss daher insbesondere eine ausreichende Exposition vorausgehen. Dies hat insbesondere
F in seinem Gutachten vom 24.10.2019 nicht hinreichend berücksichtigt, indem er allein aus dem Vorliegen einer bandscheibenbedingten
Erkrankung und aus dem Fehlen konkurrierender Ursachen auf das Vorliegen einer beruflich bedingten Erkrankung geschlossen
hat.
Die genannten Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Das folgt zur Überzeugung des Senats aus dem Gutachten von C vom 04.02.2022
nebst der ergänzenden Stellungnahme vom 09.05.2022 (nach Vorlage weiterer ärztlicher Unterlagen durch den Kläger). Die Einschätzung
von C steht insoweit in Einklang mit den Ausführungen im Gutachten des H, der aus gutachterlicher Sicht (und unabhängig davon,
dass er anders als C auch ein belastungskonformes Schadensbild verneint hat) ebenfalls Zweifel geäußert hat, ob der Kläger
zum Zeitpunkt des Beschwerdebeginns schon langjährig entsprechenden beruflichen Belastungen unterworfen war. Denn eine einen
Bandscheibenschaden (u.a.) kennzeichnende Osteochondrose in den Segmenten L 4/5 und L 5/S 1 wurde bereits in einem Arztbrief
des K vom 11.09.1979 beschrieben. Auch in dem zuletzt noch vom Kläger vorgelegten Arztbrief der chirurgischen Abteilung des
Kreiskrankenhauses L vom 17.01.1978 wurden ein Lumbalsyndrom sowie Verdacht auf Bandscheiben-Osteochondrose L 4/L 5 diagnostiziert.
Dies steht in Übereinstimmung mit den Angaben des Klägers selbst, der sowohl in den Fragebögen der Beklagten als auch gegenüber
den Sachverständigen angegeben hat, bereits seit etwa 1978/1979 unter LWS-Beschwerden zu leiden. Ausweislich des vom Kläger
weiter vorgelegten Arztbriefs des Neurologen N1 vom 29.12.1994 (damit immer noch vor Erreichen des hälftigen Orientierungswertes)
war "erneut" Lumbago mit Ausstrahlung in beide Beine, in letzter Zeit linksbetont aufgetreten, im CT der LWS fand sich eine
"kräftige Bandscheibenprotrusion mediolateral linksbetont an der Grenze zum Bandscheibenvorfall" des LWK 4/5. C hat für den
Senat überzeugend darauf hingewiesen, dass es sich bei den von K beschriebenen "seit zwei Jahren" bestehenden rezidivierenden
Lumbalgien im LWS-Bereich in der Zusammenschau mit dem röntgenologischen Befund einer beginnenden Osteochondrose in den Segmenten
L 4/5 und L 5/ S 1 um klare Anzeichen für eine bandscheibenbedingte Erkrankung handelt. Zu diesem Zeitpunkt stand der Kläger
noch am Anfang seines Berufslebens und war vom Erreichen des Orientierungswertes noch weit entfernt: Ende 1977 lag die berufliche
Belastungsdosis bei 0,9 x 106 Nh; 1979 waren etwa 1,9 x 106 Nh erreicht. Damit ist ausreichend belegt, dass bereits vor Erreichen des hälftigen Orientierungswerts eine Beschwerden verursachende
Erkrankung der LWS bestand. Für den Senat nachvollziehbar hat C als hierfür sprechende Indizien auch dokumentierte Zeiten
der Arbeitsunfähigkeit in den Jahren 1989 und 1993, also ebenfalls jeweils vor Erreichen des hälftigen Orientierungswerts
herangezogen.
Haben nach alledem bereits deutlich vor Erreichen des Orientierungswertes erhebliche Veränderungen an den unteren beiden Bandscheibenfächern
bestanden, die zur Begründung einer bandscheibenbedingten Erkrankung ausgereicht hätten, ist die erforderliche plausible zeitliche
Korrelation zwischen ausreichender beruflicher Belastung und Auftreten der bandscheibenbedingten Erkrankung zu verneinen.
Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung die Auffassung vertreten hat, dass sich sein Bandscheibenleiden durch das
langjährige Heben und Tragen schwerer Lasten jedenfalls richtungsweisend verschlimmert habe, vermag sich der Senat dem nicht
anzuschließen. Zum einen wird in der arbeitsmedizinischen Literatur darauf hingewiesen, dass der Nachweis eines belastungsbedingten
zusätzlichen Bandscheibenschadens aus medizinischer Sicht kaum möglich ist (vgl. Kentner u.a., Kommentar zur DWS II-Studie,
www.asu-arbeitsmedizin.com). Zum anderen hat C in seinem Gutachten ausgeführt, dass die bandscheibenbedingte Erkrankung des
Klägers, die wie dargelegt vor dem Erreichen einer ausreichenden Belastungsdosis begonnen hat, in der Folgezeit "ihrer Natur
entsprechend" fortgeschritten ist (mit vorangeschrittener Chondrose in den Segmenten L 3/4, L 4/5 und L 5/S 1 entsprechend
den Röntgenaufnahmen vom 29.03.2007 und weiterer Ausdehnung auch auf das Segment L 2/3 entsprechend den im Rahmen der gutachterlichen
Untersuchung angefertigten Röntgenaufnahmen). Ein der Natur entsprechendes Fortschreiten schließt eine durch die beruflichen
Belastungen bedingte richtungsweisende Verschlimmerung aus.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und berücksichtigt das Unterliegen des Klägers auch in der Berufungsinstanz.
Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (§
160 Abs.
2 SGG) nicht vorliegen.