Anspruch auf Arbeitslosengeld II; Zulässigkeit von Sanktionen auch bei fahrlässigen Meldeversäumnissen
1. Die wesentlichen Voraussetzungen von Sanktionen wegen Meldeversäumnissen sind in der Rechtsprechung des BSG bereits geklärt.
2. Als subjektive Vorwerfbarkeit genügt danach, dass der Betroffene der Meldeaufforderung ohne wichtigen Grund schuldhaft
nicht nachgekommen ist.
3. "Schuldhaftigkeit" ist grundsätzlich auch bei einfacher Fahrlässigkeit zu bejahen (vgl. §
276 Abs.
1 S. 1, Abs.
2 BGB), etwa wenn der Betroffene den Meldetermin schlicht vergessen hat.
4. Wenn die Schuldhaftigkeit ausnahmsweise erst ab der groben Fahrlässigkeit beginnen soll, dann ist dies im Gesetz ausdrücklich
so festgelegt (z.B. in § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 und 3 SGB X).
5. Das BSG hat im Urteil vom 14.07.2004 - B 11 AL 67/03 R - für den vergleichbaren Fall einer Sperrzeit wegen Arbeitsablehnung festgestellt, dass ein vorwerfbares, jedoch kein grob
fahrlässiges oder vorsätzliches Verhalten erforderlich ist.
Gründe
I.
Der Kläger und Beschwerdeführer begehrt die Zulassung der Berufung gegen ein Urteil, in dem das Sozialgericht eine Sanktion
wegen eines Meldeversäumnisses bestätigte.
Der 1967 geborene Kläger bezog Arbeitslosengeld II vom Beklagten. Mit Bescheid vom 23.05.2014 bzw. Änderungsbescheid vom 11.07.2014
wurde ihm für die Zeit von Juni bis Dezember 2014 Arbeitslosengeld II bewilligt.
Auf die mit zutreffender Rechtsfolgenbelehrung versehenen Meldeaufforderung zum Termin am 11.02.2014 erschien der Kläger nicht.
Bei der Anhörung zur Sanktion teilte er mit, dass er den Termin vergessen habe. Mit Bescheid vom 23.05.2014, bestätigt mit
Widerspruchsbescheid vom 29.09.2015, wurde das Arbeitslosengeld II wegen des Meldeversäumnisses gemäß § 32 SGB II für die Monate Juni, Juli und August 2014 um 10 % des Regelbedarfs (jeweils 39,10 Euro) gemindert.
Die dagegen rechtzeitig erhobene Klage wies das Sozialgericht München mit Urteil vom 01.10.2015 ab. Die Sanktion entspreche
dem Gesetz. Der Kläger sei trotz vorheriger schriftlicher Rechtsfolgenbelehrung nicht zu einem zulässigen Meldetermin erschienen.
Ein wichtiger Grund für dieses Meldeversäumnis sei nicht nachgewiesen worden. Den erst im Klageverfahren behaupteten Termin
im Krankenhaus habe der Kläger trotz gerichtlicher Aufforderung nicht nachgewiesen. Das fahrlässige Nichtwahrnehmen des Termins
sei für die subjektive Vorwerfbarkeit ausreichend. Die Sanktion sei auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Berufung
wurde ausdrücklich nicht zugelassen. Das Urteil wurde dem Kläger am 16.10.2015 zugestellt.
Am 02.11.2015 hat der Kläger Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung eingelegt. Eine Verkürzung des Existenzminimums
sei nicht mehr erlaubt.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß §
145 Abs.
1 und
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zulässig. Sie ist auch nach §
144 Abs.
1 SGG statthaft, weil der Beschwerdewert von 117,30 Euro (drei mal 39,10 Euro) den Grenzwert von 750,- Euro nicht überschreitet.
Die Beschwerde ist aber sachlich nicht begründet, weil es keinen Grund gibt, die Berufung zuzulassen.
Nach §
144 Abs.
2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), das Urteil von einer Entscheidung
des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts
abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel
geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.
Das Sozialgericht ist nicht von einer obergerichtlichen Entscheidung abgewichen.
Im Urteil vom 29.04.2015, B 14 AS 19/14 R, Rn. 26, wurden die wesentlichen Voraussetzungen von Sanktionen wegen Meldeversäumnissen dargelegt. Als subjektive Vorwerfbarkeit
genügt danach, dass der Betroffene der Meldeaufforderung ohne wichtigen Grund schuldhaft nicht nachgekommen ist. "Schuldhaftigkeit"
ist grundsätzlich auch bei einfacher Fahrlässigkeit zu bejahen (vgl. §
276 Abs.
1 S. 1, Abs.
2 BGB), etwa wenn der Betroffene - wie hier - den Meldetermin schlicht vergessen hat. Wenn die Schuldhaftigkeit ausnahmsweise erst
ab der groben Fahrlässigkeit beginnen soll, dann ist dies im Gesetz ausdrücklich so festgelegt, z.B. in § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 und 3 SGB X. Das BSG hat im Urteil vom 14.07.2004, B 11 AL 67/03 R, für den vergleichbaren Fall einer Sperrzeit wegen Arbeitsablehnung festgestellt, dass ein vorwerfbares, jedoch kein grob
fahrlässiges oder vorsätzliches Verhalten erforderlich ist.
Es ist auch keine obergerichtliche Entscheidung bekannt, wonach eine Sanktion in Höhe von 10 % des Regelbedarfs verfassungsrechtlich
bedenklich wäre. Im Gegenteil: Das BSG hat mit Urteil vom 29.04.2015, B 14 AS 19/14 R, Rn. 50, auch Sanktionen von 30 % des Regelbedarfs als nicht verfassungswidrig angesehen. Der Kläger liegt mit seinem Einwand,
Sanktionen seien grundsätzlich nicht mehr erlaubt, nicht richtig.
Ein Verfahrensmangel wurde nicht gerügt und ist auch nicht ersichtlich. Eine grundsätzliche Bedeutung ist nicht erkennbar.
Im Ergebnis ist die Beschwerde zurückzuweisen mit der Folge, dass das Urteil des Sozialgerichts gemäß §
145 Abs.
4 Satz 4
SGG rechtskräftig ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG. Der Kläger blieb mit seinem Begehren erfolglos.
Dieser Beschluss ist gemäß §
177 SGG unanfechtbar.