Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt im Rahmen des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes die Zahlung von Kindergeld für sich selbst.
Die am xxxxx 1998 geborene Antragstellerin lebte bis zum 31. Juli 2017 im Haushalt ihrer Pflegemutter, an die auch das Kindergeld
ausgezahlt wurde. Die Zahlung endete zum 1. August 2017, da die Antragstellerin in eine Wohngemeinschaft zog. Die Antragstellerin
bezieht eine monatliche Ausbildungsvergütung in Höhe von 629 Euro, eine Ausbildungsbeihilfe in Höhe von monatlich 93 Euro
sowie nach eigenen Angaben ein monatliches Darlehen ihres früheren Pflegevaters in Höhe von 257 Euro.
Am 11. August 2018 beantragte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin die Auszahlung des anteiligen Kindergeldes an sich
selbst. Mit Bescheid vom 21. August 2017 lehnte die Antragsgegnerin einen Antrag der Antragstellerin vom 18. August 2018 auf
"Abzweigung des Kindergeldes" ab, da eine Abzweigung des Kindergeldes aus dem Anspruch der Pflegeeltern heraus nicht möglich
sei, da die Pflegeeltern nicht unterhaltspflichtig seien. Der dagegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos, da die Antragsgegnerin
die Voraussetzungen des §
74 Abs.
1 Einkommensteuergesetz (
EStG) nicht als erfüllt ansah.
Gegen diese am 25. September 2017 zur Post gegebene Entscheidung hat die Antragstellerin am 30. Oktober 2017 Klage bei dem
Sozialgericht Hamburg erhoben und zugleich im Wege einer einstweiligen Anordnung beantragt, ihr für die Dauer des Klageverfahrens
vorläufig Kindergeld zu bezahlen. Sie hat vorgetragen, dass die Antragsgegnerin ihren Antrag missverstanden habe, da sie keine
Abzweigung des erloschenen Kindergeldanspruchs ihrer Pflegeeltern, sondern Kindergeld für sich selbst habe beantragen wollen.
Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2
Bundeskindergeldgesetz (
BKGG) lägen vor, da sie ihren Wohnsitz in Deutschland habe, den Aufenthaltsort ihrer leiblichen Eltern nicht kenne und sie bei
keiner anderen Person als Kind zu berücksichtigen sei.
Das Sozialgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 2. Januar 2018 abgelehnt, da die Antragstellerin einen Anordnungsgrund
nicht glaubhaft gemacht habe. Angesichts ihrer Einkommensverhältnisse sei eine finanzielle Notlage der Antragstellerin nicht
erkennbar, zumal die angeforderten Kontounterlagen nicht vorgelegt worden seien.
Gegen diese ihrem Prozessbevollmächtigten am 5. Januar 2018 zugestellte Entscheidung hat die Antragstellerin am 8. Januar
2018 Beschwerde eingelegt und beanstandet, dass das Sozialgericht den Sachverhalt nicht genügend aufgeklärt habe. Auch müssten
die Erfolgsaussichten in der Hauptsache berücksichtigt werden.
Die Antragsgegnerin ist der Ansicht, dass auch kein Anordnungsanspruch bestehe. Nach ihren Recherchen lebe zumindest der Vater
der Antragstellerin in Deutschland, bei dem diese als Kind zu berücksichtigen sei, sodass die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3
BKGG nicht vorlägen. Mit Bescheid vom 17. Januar 2018 hat die Antragsgegnerin den Antrag auf Kindergeld der Antragstellerin an
sie selbst abgelehnt, da ihr - der Antragsgegnerin - der Aufenthaltsort des Vaters der Antragstellerin bekannt sei.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§
172,
173 Sozialgerichtsgesetz (
SGG)) und begründet. Das Sozialgericht hat den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Unrecht abgelehnt. Da die Voraussetzungen
eines Anspruchs der Antragstellerin auf Kindergeld an sie selbst (§ 1 Abs. 2 BKKG) offensichtlich erfüllt sind, ist ein Erfolg
in der Hauptsache sehr wahrscheinlich, sodass an den Anordnungsgrund geringere Anforderungen zu stellen sind.
1. Das Begehren der Antragstellerin kann in der Hauptsache grundsätzlich mit einer Anfechtungs- und Leistungsklage geltend
gemacht werden, so dass hier §
86b Abs.
2 Satz 2
SGG die maßgebliche Rechtsgrundlage für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes darstellt. Danach ist eine Regelung zulässig,
wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist etwa dann der Fall, wenn der Antragstellerin ohne eine
solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung
in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG, Beschluss vom 25. Oktober 1998 - 2 BvR 745/88, BVerfGE 79, 69 (74); Beschluss vom 19. Oktober 1977 - 2 BvR 42/76, BVerfGE 46, 166 (179); Beschluss vom 22. November 2002 - 2 BvR 745/88, NJW 2003, 1236).
Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und das Vorliegen
eines Anordnungsanspruches - das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den der Antragsteller sein Begehren stützt - voraus.
Die Angaben hierzu hat die Antragstellerin glaubhaft zu machen (§
86b Abs.
2 Satz 2 und
4 SGG iVm §
920 Abs.
2, §
294 Zivilprozessordnung; Keller in Meyer-Ladewig/Kel- ler/Leitherer/Schmidt,
SGG, 12. Aufl. 2017, §
86b Rn 41).
Zu Recht weist die Antragstellerin darauf hin, dass zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch eine Wechselbeziehung
bestehe. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der
Sach- und Rechtslage in dem vom BVerfG vorgegebenen Umfang (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05, Breith 2005, 803) das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich
unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
Sind hierbei die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu.
2. Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3
BKGG erhält Kindergeld für sich selbst, wer in Deutschland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, Vollwaise ist
oder den Aufenthalt seiner Eltern nicht kennt und nicht bei einer anderen Person als Kind zu berücksichtigen ist.
a) Die in Deutschland lebende Antragstellerin erfüllt auch die Voraussetzungen von § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
BKGG, da sie den Aufenthalt ihrer Eltern nicht kennt. Dass die Antragsgegnerin den Aufenthaltsort des Vaters der Antragstellerin
zu kennen behauptet, ist insoweit unbeachtlich, zumal sie den Aufenthaltsort auch im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens nicht
mitgeteilt hat. Es kommt für den hier geltend gemachten Anspruch nicht auf einen objektiven Maßstab an in dem Sinne, dass
der Aufenthalt unbekannt ist, also von niemandem, weder der Antragstellerin noch der Behörde, zu ermitteln ist. § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
BKGG ist vielmehr erkennbar subjektiv ausgerichtet und stellt auf die Nichtkenntnis des das Kindergeld beanspruchenden Kindes
ab (vgl. BSG, Urteil vom 5. Mai 2015 - B 10 KG 1/14 R, BSGE 119, 33 unter Verweis auf BSG, Urteil vom 8. April 1992 - 10 RKg 12/91, SozR 3-5870 § 1 Nr. 1). Da auch die Antragsgegnerin nicht vorträgt, der Antragstellerin den Aufenthaltsort ihres Vaters
mitgeteilt zu haben, ist davon auszugehen, dass ihr der Aufenthaltsort nach wie vor unbekannt ist.
b) Schließlich liegt - bei der hier gebotenen vorläufigen Bewertung - auch kein Leistungsausschluss nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3
BKGG vor, weil die Antragstellerin bei ihrem leiblichen Vater als einer "anderen Person" als Kind zu berücksichtigen wäre. Nicht
entscheidend ist hingegen, ob sie tatsächlich auch berücksichtigt wird (Seewald/Felix, Kindergeldrecht, Kommentar,
BKGG §
1, Rn. 127). Als andere Person kommt jeder nach §
62 EStG oder § 1 Abs. 1 und 3
BKGG Berechtigte in Betracht.
Aus gesetzessystematischen Gründen dürfte damit aber nicht die Person der Eltern gemeint sein, von denen die Antragstellerin
zum Vorliegen des Anspruchs auf eigenes Kindergeld den Aufenthalt ja nicht kennen darf. Gemeint sein dürften nur andere mögliche
Leistungsberechtigte wie Stiefeltern, Großeltern oder Pflegeeltern (vgl. Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 23.
Juni 2016 - L 5 KG 1/15, juris; Durchführungsanweisung 101.74 zum
BKGG der Familienkasse Direktion, Stand Dezember 2011). Würde aber als "andere Person" auch der Vater oder die Mutter unbekannten
Aufenthalts gelten, könnte ein eigener Kindergeldanspruch nur dann entstehen, wenn diese sich nicht in der Bundesrepublik
Deutschland aufhielten. Dies ließe sich - bei unbekanntem Aufenthalt - tatsächlich kaum aufklären.
3. Der Anspruch der Antragstellerin auf Leistung von Kindergeld an sich selbst nach § 1 Abs. 2 Satz 1
BKGG ist somit offensichtlich begründet. Unter diesen Umständen ist bei der gebotenen Interessenabwägung darauf abzustellen, dass
die Antragstellerin angesichts der geringen ihr zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel schutzbedürftig ist und ihr nicht
weiter zugemutet werden kann, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Ihr sind deshalb die beantragten Kindergeldzahlungen
vorläufig ab Eingang des Eilantrages bei Gericht (vgl. dazu Keller in Meyer-Ladewig, Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 12. Aufl. 2017, §
86b Rn 35a) zu gewähren.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG analog. Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§
177 SGG).