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LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 18.11.2015 - 3 KA 105/15
Zulässigkeit der Anordnung des Sofortvollzugs der Entziehung einer vertragsärztlichen Zulassung wegen Alkoholabhängigkeit im sozialgerichtlichen Verfahren
1. Zu den Voraussetzungen der Anordnung des Sofortvollzugs bei Entziehung der vertragsärztlichen Zulassung wegen Alkoholabhängigkeit.
2. Bei der Anordnung des Sofortvollzugs der Entziehung einer vertragsärztlichen Zulassung handelt es sich um einen schwerwiegenden Eingriff in die Berufsausübung eines Vertragsarztes, weshalb insoweit hohe Anforderungen zu stellen sind. Diese sind als erfüllt anzusehen, wenn ohne Anordnung des Sofortvollzugs das Patientenwohl durch ein festgestelltes Alkoholabhängigkeitssyndrom gefährdet ist.
1. Ein Arzt, der akut alkoholabhängig ist, kann bereits nach § 21 S. 1 Ärzte-ZV keine vertragsärztliche Zulassung erhalten, weil er aus gesundheitlichen Gründen auf Dauer unfähig ist, eine vertragsärztliche Tätigkeit ordnungsgemäß auszuüben.
2. Wegen S. 2 kann aber auch ein abstinenter ("trockener") Alkoholiker nicht Vertragsarzt werden, und zwar regelmäßig für die Dauer von fünf Jahren nach Ende der akuten Alkoholerkrankung; Grund hierfür ist die hohe Rückfallgefahr bei Suchterkrankungen. Das Bundessozialgericht hat unter Hinweis auf diese Gefahr mit überzeugender Begründung die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift bestätigt.
3. Dem Sofortvollzug der Zulassungsentziehung kommt angesichts des hohen Anteils der gesetzlich krankenversicherten Patienten einem vorläufigen Berufsverbot zumindest nahe und bedeutet deshalb einen schwerwiegenden Eingriff in das Grundrecht des Arztes aus Art. 12 Abs. 1 GG.
4. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung in Fällen dieser Art setzt deshalb voraus, dass überwiegende öffentliche Belange es auch mit Blick auf die Berufsfreiheit des Betroffenen rechtfertigen, seinen Rechtsschutzanspruch gegen die Grundverfügung einstweilen zurückzustellen, um unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse des allgemeinen Wohls rechtzeitig in die Wege zu leiten.
Fundstellen: NZS 2016, 39
Normenkette:
Ärzte-ZV § 21 S. 1-3
,
GG Art. 12 Abs. 1
,
GG Art. 2 Abs. 1 S. 1
,
GG Art. 2 Abs. 2 S. 1
,
SGB V § 95 Abs. 5 S. 1 1. Alt.
,
SGB V § 95 Abs. 6 S. 1-2
,
SGB V § 97 Abs. 4
,
SGG § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Vorinstanzen: SG Hannover 11.09.2015 S 24 KA 165/15 ER
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 11. September 2015 aufgehoben.
Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Beschluss des Antragsgegners vom 1. Juli 2015 wieder- herzustellen, wird abgelehnt.
Die Kosten beider Rechtszüge trägt der Antragsteller mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 47.561 Euro festgesetzt.

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