Gewährung von Hinterbliebenenleistungen
Unfall auf dem Rückweg von einer Betriebsversammlung
Zurücklegen eines mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges von dem Ort der Tätigkeit
Handlungstendenz des Versicherten
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen.
Der 1959 geborene Ehemann der Klägerin (im Folgenden: Versicherter) war als Logistikmitarbeiter bei einem Hersteller von Anhängern
und Fahrzeugaufbauten in F., (G.) beschäftigt. Gemeinsam mit der Klägerin wohnte er im südlich von seiner Arbeitsstelle gelegenen
H ... Die kürzeste Wegstrecke zwischen Arbeitsstelle und Wohnung belief sich auf ca 13,7 km und führte über die I. in F.,
die jedoch zwischen September 2015 und März 2016 aufgrund von Baumaßnahmen teilweise gesperrt war.
Am 8. Dezember 2015 nahm der Versicherte an einer Betriebsversammlung teil. Im Anschluss verließ er den Betrieb und befuhr
mit seinem Motorroller SYM GTS 300i kurz darauf die Kreisstraße (K) J. in nordöstlicher Richtung von F. kommend in Richtung
K ... In Höhe der Kreuzung L. (M. N.) stieß er gegen 14:50 Uhr auf der Gegenfahrbahn mit einem ihm entgegenkommenden Pkw frontal
zusammen; infolge der dabei erlittenen Verletzungen verstarb er noch vor dem Eintreffen des Rettungsdienstes am Unfallort.
Der Arbeitgeber des Versicherten zeigte den Unfall der Beklagten an und gab dazu an, dass der Versicherte auf dem Weg von
der Betriebsversammlung von F. nach K. tödlich verunglückt sei (Unfallanzeige vom 9. Dezember 2015). Auf Nachfrage der Beklagten
erklärte die Mitarbeiterin, die auch die Unfallanzeige erstattet hatte, dass der Versicherte nach dem Ende der Betriebsversammlung
seinen Heimweg angetreten habe. Aufgrund einer Baustelle müssten alle in Richtung K. fahren (Gesprächsnotizen vom 17. Dezember
2015). Ergänzend kennzeichnete sie den Weg des Versicherten in einem Kartenausschnitt und wies auf die Sperrung an der Kreuzung
I. hin. Nach Aussage der Familie habe der Versicherte immer diesen Weg genutzt, da der direkte Weg eine Kopfsteinpflasterstraße
sei (E-Mail von O ... P. vom 5. Februar 2016).
Die Beklagte zog die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Q. bei. Der Fahrer des am Unfall beteiligten Pkw hatte unmittelbar
nach dem Unfall gegenüber der Polizei angegeben, dass der Versicherte in Höhe der Kreuzung plötzlich nach links "rübergezogen"
habe; für ihn habe es so ausgesehen, als ob der Versicherte nach links auf die KR. abbiegen wollte (Bericht PHK S. vom Unfalltag).
In einer späteren Zeugenvernehmung gab er an, dass der Versicherte nicht abgebogen, sondern geradeaus in sein Auto gefahren
sei (Vernehmungsprotokoll vom 28. Dezember 2015). Ein Mitarbeiter der Dekra äußerte gegenüber der Staatsanwaltschaft, dass
nicht nachvollzogen werden könne, dass der Unfall beim Abbiegen passiert sei; vielmehr lasse das Schadensbild darauf schließen,
dass das Kraftrad des Versicherten frontal in den Pkw gefahren sei (Vermerk Staatsanwalt T. vom 29. Dezember 2015).
Die Rechtsmediziner Prof. Dr. U. ua kamen zu dem Ergebnis, dass der Versicherte an schweren kombinierten Verletzungen auf
nicht natürliche Art verstorben sei. Der Verkehrsunfall sei kausal für den Todeseintritt; vorbestehende innere Erkrankungen
und Zustände, welche den Todeseintritt zum jetzigen Zeitpunkt hätten erklären können, hätten sich nicht gefunden (Gutachten
vom 12. Januar 2016).
Mit Bescheid vom 23. Februar 2016 lehnte die Beklagte gegenüber der Klägerin die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen aufgrund
des Unfalls des Versicherten vom 8. Dezember 2015 ab. Die Voraussetzungen für einen Arbeitsunfall seien nicht erfüllt, weil
der Versicherte zum Unfallzeitpunkt keiner versicherten Tätigkeit nachgegangen sei. Zwar sei auch das Zurücklegen des mit
der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit eine versicherte Tätigkeit.
Indem er auf die Landstraße R. in Richtung K. abgebogen sei, habe der Versicherte jedoch den direkten und unmittelbaren Weg
von seiner Arbeitsstätte nach Hause verlassen und sei in die Gegenrichtung gefahren, obwohl die Möglichkeit bestanden habe,
den direkten bzw einen kürzeren Weg zu nehmen. Dabei sei berücksichtigt worden, dass aufgrund einer Baustelle in der I. vom
kürzesten Weg verkehrsbedingt abgewichen werden musste, jedoch anschließend weitere Möglichkeiten bestanden hätten, auf den
unmittelbaren Weg zurückzukehren. Damit habe sich der Versicherte auf einem unversicherten Abweg befunden, der nicht notwendig
gewesen sei.
Mit ihrem dagegen erhobenen Widerspruch wandte die Klägerin ein, dass ihr Ehemann den befahrenen Weg regelmäßig genutzt habe,
weil die I. gesperrt gewesen sei. Bei der V. handele es sich um eine Kopfsteinpflasterstraße und eine Anliegerstraße. Der
vom Versicherten gewählte Weg sei auch angemessen, weil das Verhältnis zwischen dem zurückzulegenden Gesamtweg und dem von
der Beklagten angenommenen Umweg nicht unverhältnismäßig sei. Es handele sich lediglich um eine Strecke von 3,7 km; von einem
unverhältnismäßigen Umweg sei aber erst ab einer Strecke von ca 50 % der Gesamtstrecke auszugehen. Zur Ergänzung ihres Vorbringens
hat die Klägerin Lichtbilder von der W. und der V. vorgelegt.
Auf Nachfrage ergänzte die Klägerin, dass auch die I. eine Kopfsteinpflasterstraße gewesen sei, die der Versicherte aus Sicherheitsgründen
regelmäßig gemieden habe.
Im Widerspruchsverfahren holte die Beklagte eine Auskunft der Stadt F. zur Befahrbarkeit verschiedener Straßen in F. mit einem
Roller bzw Kleinkraftrad sowie zur Beschaffenheit dieser Straßen ein (E-Mail von X. vom 25. Juli 2016).
Mit Widerspruchsbescheid vom 6. September 2016 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Unfallstelle habe nicht auf dem
direkten Weg zwischen dem Ort der Tätigkeit und der Wohnung, sondern in entgegengesetzter Richtung gelegen. Zwar sei zum Unfallzeitpunkt
die I. gesperrt gewesen. Es wäre aber möglich gewesen, über die W. auf die Y. zu fahren; diese Straße sei nach Angaben des
Liegenschaftsamts der Stadt F. asphaltiert und daher auch für Krafträder geeignet. Ebenso wäre der Weg über die (gepflasterte)
V. möglich gewesen. Der Versicherte habe insofern nicht den deutlich weiteren Weg über die KJ. wählen müssen, um über die
KR. auf die Y. zu kommen. In der Gesamtschau sei auch zu berücksichtigen, dass nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft
erhebliche Zweifel bestünden, ob der Versicherte tatsächlich in die KR. einbiegen wollte; danach wäre es auch denkbar, dass
er weiter auf der KJ. fahren wollte.
Am 28. September 2016 hat die Klägerin bei dem Sozialgericht (SG) Lüneburg Klage erhoben und dort geltend gemacht, dass sich der Versicherte zum Unfallzeitpunkt auf seinem regelmäßigen Heimweg
befunden habe. Dabei sei die Wahl des Weges über die KJ. und die KR. dem Umstand geschuldet, dass sämtliche anderen Straßen
mit Kopfsteinpflaster versehen oder Anliegerstraßen gewesen seien. Der Versicherte sei auch nicht verpflichtet gewesen, den
kürzesten Weg zu nehmen. Anhaltspunkte für einen Abweg oder Umweg lägen nicht vor.
Die Klägerin hat ein Schreiben einer Kollegin des Versicherten vorgelegt, nach dessen Inhalt der Versicherte nach dem Ende
der Betriebsversammlung geäußert habe, dass er sich jetzt auf den Heimweg mache (Schreiben Z. vom 19. Dezember 2016).
Die Beklagte hat ergänzend zu den möglichen Wegstrecken zwischen der Arbeitsstelle und dem Wohnort des Versicherten vorgetragen
und dazu Kartenmaterial vorgelegt.
Mit Gerichtsbescheid vom 30. März 2017 hat das SG Lüneburg die Klage abgewiesen. Die Klage sei unbegründet, weil der Versicherte
zum Zeitpunkt des Unfalls keiner in den Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung einbezogenen Tätigkeit nachgegangen
sei. Vor allem sei er nicht in der Wegeunfallversicherung versichert gewesen, weil er sich nicht auf dem unmittelbaren Weg
von der Arbeitsstätte zu seiner Wohnung befunden habe. Den von der Beklagten vorgelegten Karten sei zu entnehmen, dass sich
der Ort des Unfallgeschehens deutlich außerhalb des bebauten Stadtgebiets nordöstlich von F. in Richtung K. befand, während
der Wohnort des Versicherten mehr als 10 km südlich der Arbeitsstätte - mithin in der Gegenrichtung - gelegen gewesen sei.
Zwar habe der Versicherte unter Berücksichtigung der damaligen Baustelle in der I. zunächst bis zur K J. die direkte Strecke
vom Betrieb nach Hause eingeschlagen. Diesen Weg habe er dann aber aus unbekannten Gründen unterbrochen, indem er nicht nach
links in die W. einbog, um durch die Innenstadt von F. in Richtung H. zu fahren, sondern sich in gegenteiliger Richtung von
seinem Wohnort weg in Richtung K. wandte. Mit dem Einbiegen in die KJ. in nordöstlicher Richtung habe er sich auf einen Abweg
begeben, der zum Zeitpunkt des tödlichen Verkehrsunfalls noch angedauert habe. Selbst bei Annahme des von der Klägerin behaupteten
Ziels des Versicherten habe dieser Abweg eine Länge von mehreren Kilometern gehabt, sodass er nicht mehr als nur geringfügige
Unterbrechung der direkten Fahrt zur Wohnung anzusehen sei. Bereits mit dem Abbiegen in entgegengesetzte Richtung werde der
innere Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit gelöst. Der Einordnung der gewählten Fahrstrecke als Abweg stehe auch nicht
die Oberflächenbeschaffenheit der direkten Verbindung entgegen. Nach Auskunft der Stadt F. hätten innerorts zwei deutlich
kürzere Möglichkeiten zur Umfahrung des Baustellenbereichs in der I. bestanden, nämlich zum einen der Weg durch die V. und
zum anderen der durch die W., von denen letztere einen Asphaltbelag aufgewiesen habe und von Fahrzeugen jeder Art gefahrlos
habe befahren werden können. Alternativ habe der Versicherte den Weg durch die gepflasterte V. wählen können. Ausweislich
der vorliegenden Lichtbilder sei die Pflasterung dort von einer ordentlichen Beschaffenheit und lasse keine gravierenden Mängel
erkennen, die einen vernünftigen Kradfahrer veranlassen würden, zur Vermeidung von Stürzen den nicht asphaltierten Straßenabschnitt
weiträumig zu umfahren.
Gegen den ihren Prozessbevollmächtigten am 4. April 2017 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 26. April 2017
Berufung bei dem Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen eingelegt. Sie hält an ihrem Vorbringen fest und hebt hervor,
dass sich auch auf dem Weg über die W. teilweise Pflastersteine befänden, welche für einen Kradfahrer einen ungünstigen Straßenbelag
darstellten.
Die Klägerin beantragt,
1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Lüneburg vom 30. März 2017 und den Bescheid der Beklagten vom 23. Februar 2016
in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. September 2016 aufzuheben,
2. die Beklagte zu verurteilen, ihr Hinterbliebenenleistungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat der Senat eine ergänzende Auskunft der Stadt F. zur Beschaffenheit verschiedener
Straßenabschnitte in F. nebst Fotoaufnahmen eingeholt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Schreibens der Stadt
F. vom 11. April 2019 mit Anlagen (zwei Kartenausschnitte und vier Fotoaufnahmen, Bl 78 - 84 der Prozessakte) verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozessakten
und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat ihre Klage zu Recht abgewiesen.
I. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß §§
54 Abs
1 und 4
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) statthaft und auch im Übrigen zulässig.
II. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 23. Februar 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 6. September 2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, weil die Beklagte es zutreffend abgelehnt
hat, der Klägerin aufgrund des tödlichen Unfalls ihres Ehegatten vom 8. Dezember 2015 Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen
Unfallversicherung zu gewähren.
1. Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist die Regelung in §
63 Abs
1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VII). Danach haben Hinterbliebene eines Versicherten Anspruch auf verschiedene (im Gesetz näher bezeichnete) Hinterbliebenenleistungen,
wenn der Tod des Versicherten infolge eines Versicherungsfalls eingetreten ist - also durch einen Arbeitsunfall oder eine
BK (vgl hierzu §
7 Abs
1 SGB VII).
2. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Bei dem Unfall des Versicherten vom 8. Dezember 2015 handelt es sich nicht
um einen hier nur als Versicherungsfall in Betracht kommenden Arbeitsunfall.
a) Gemäß §
8 Abs
1 S 1
SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§
2,
3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende
Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§
8 Abs
1 S 2
SGB VII). Ein Arbeitsunfall setzt danach im Regelfall voraus, dass die Verrichtung des Versicherten zum Zeitpunkt des Unfalls der
versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten von außen auf
den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheitsschaden
oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität) (vgl Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 20. Dezember 2016 - B 2 U 16/15 R, SozR 4-2700 § 8 Nr 60 mwN). Dabei müssen die Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung
zur Zeit des Unfalls", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitsschaden" erfüllen sollen, im Grad des Vollbeweises, also mit an
Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen; nur für den Nachweis der Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen
ist der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit ausreichend (vgl hierzu BSG, Urteil vom 31. Januar 2012 - B 2 U 2/11 R, SozR 4-2700 § 8 Nr 43 mwN).
b) Unter Zugrundelegung dieser Vorgaben hat der Versicherte zum Zeitpunkt des Unfallereignisses am 8. Dezember 2015 gegen
14:50 Uhr keine in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherte Tätigkeit ausgeübt.
aa) Der Versicherte war als Beschäftigter gemäß §
2 Abs
1 Nr
1 SGB VII kraft Gesetzes versichert. Mit der Teilnahme an der Betriebsversammlung bei seinem Arbeitgeber hat er auch noch den Tatbestand
der versicherten Beschäftigung erfüllt (vgl dazu BSG, Urteil vom 15. Mai 2012 - B 2 U 8/11 R, SozR 4-2700 § 2 Nr 20 mwN).
bb) Es kann jedoch nicht festgestellt werden, dass die Verrichtung des Klägers zum Unfallzeitpunkt noch in einem sachlichen
Zusammenhang mit der versicherten Beschäftigung gestanden hat. Als versicherte Tätigkeit kommt insoweit nur das Zurücklegen
eines mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges von dem Ort der Tätigkeit nach §
8 Abs
2 Nr
1 SGB VII in Betracht; ein solcher Fall liegt aber nicht vor.
(1) Um einen in der Wegeunfallversicherung versicherten unmittelbaren Weg handelt es sich nur, wenn ein innerer (sachlicher)
Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Zurücklegen des Weges besteht (vgl BSG, Urteil vom 9. Dezember 2003 - B 2 U 23/03 R, SozR 4-2700 § 8 Nr 3). Dieser innere Zusammenhang liegt vor, wenn die Zurücklegung des Weges wesentlich dazu bestimmt ist,
den Ort der Tätigkeit oder nach Beendigung der Tätigkeit die eigene Wohnung oder einen anderen Endpunkt von dem Ort der Tätigkeit
zu erreichen. Maßgebend ist hierbei die Handlungstendenz des Versicherten, so wie sie insbesondere durch die objektiven Umstände
des Einzelfalls bestätigt wird (vgl BSG, Urteil vom 12. April 2005 - B 2 U 11/04 R, SozR 3-2700 § 8 Nr 14 mwN).
Wie sich aus dem in §
8 Abs
2 Nr
1 SGB VII verwendeten Begriff "unmittelbar" ergibt, steht grundsätzlich nur das Zurücklegen des direkten Weges nach und von der versicherten
Tätigkeit unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Allerdings berühren geringfügige Unterbrechungen, die auf
einer Verrichtung beruhen, die bei natürlicher Betrachtung zeitlich und räumlich noch als Teil des Weges nach oder von dem
Ort der Tätigkeit in seiner Gesamtheit anzusehen ist, und gleichsam "im Vorbeigehen" oder "ganz nebenher" erledigt werden
kann, den Versicherungsschutz nicht (vgl BSG, Urteil vom 20. Dezember 2016 aaO). Außerdem ist auch ein vom Versicherten eingeschlagener Weg, der nicht nur unbedeutend
länger als der kürzeste Weg ist, als unmittelbarer Weg anzusehen, wenn die Wahl der weiteren Wegstrecke aus der durch objektive
Gegebenheiten erklärbaren Sicht des Versicherten dem Zurücklegen des Weges vom Ort der Tätigkeit nach Hause oder einem anderen,
sogenannten dritten Ort zuzurechnen wäre, etwa um eine verkehrstechnisch schlechte Wegstrecke zu umgehen oder eine weniger
verkehrsreiche oder schneller befahrbare Straße zu benutzen (vgl BSG, Urteil vom 11. September 2001 - B 2 U 34/00 R, SozR 3-2700 § 8 Nr 9 mwN). Ist demnach ein eingeschlagener Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit insbesondere weniger zeitaufwendig,
sicherer, übersichtlicher, besser ausgebaut oder kostengünstiger (bei Wahl eines bestimmten Verkehrsmittels) als der entfernungsmäßig
kürzeste Weg, steht auch dieser längere Weg unter Versicherungsschutz. Lässt sich allerdings nicht feststellen, ob der Umweg
im inneren Zusammenhang mit dem Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit stand oder nur geringfügig war, besteht kein Versicherungsschutz
(BSG aaO). Dasselbe gilt, wenn sich der Versicherte nicht auf direktem Weg in Richtung seiner Arbeitsstätte oder seiner Wohnung,
sondern in entgegengesetzter Richtung von diesem Ziel und damit auf einem sogenannten Abweg fortbewegt. Wird ein solcher Abweg
bei einer mehr als geringfügigen Unterbrechung des direkten Weges zurückgelegt, besteht, sobald der direkte Weg verlassen
und der Abweg begonnen wird, kein Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung. Erst wenn sich der Versicherte
wieder auf dem direkten Weg befindet und der Abweg beendet ist, besteht erneut Versicherungsschutz (vgl BSG, Urteil vom 20. Dezember 2016 aaO).
(2) Nach diesen Maßstäben ereignete sich der Unfall nicht auf dem direkten und damit versicherten Weg vom Ort der Tätigkeit
zur Wohnung des Versicherten, sondern auf einem Abweg.
Dabei teilt der Senat im Ergebnis nicht die von der Beklagten geäußerten Zweifel, ob sich der Versicherte zum Zeitpunkt des
Unfalls (noch) mit der Handlungstendenz fortbewegt hat, nach Hause zu fahren, denn ausreichende tatsächliche Anknüpfungspunkte
für einen davon abweichenden - und nicht mehr vom Versicherungsschutz umfassten - Fahrtzweck sind jedenfalls nicht ersichtlich.
Hatte der Versicherte danach aber die Absicht, ohne Unterbrechungen zur gemeinsamen Wohnung der Eheleute zu fahren, so befand
er sich ab dem Zeitpunkt, als er an der Einmündung der von ihm befahrenen Verbindungsstraße zwischen der AA. und der W. (KJ.)
nicht nach links in Richtung Ortsmitte F., sondern nach rechts in Richtung K. abbog, nicht mehr auf dem unmittelbaren Weg
von der Arbeitsstätte zu seiner Wohnung, sondern auf einem (unversicherten) Abweg. Denn von diesem Punkt aus bewegte er sich
nicht (mehr) in Richtung seiner Wohnung, sondern - in entgegengesetzter Fahrtrichtung - von dem genannten Ziel fort.
Unter Annahme der den Beteiligten im Verhandlungstermin mitgeteilten Daten von Google Maps ist die vom Versicherten gewählte
Fahrtstrecke (Gesamtstrecke: 19,1 km) ca 4 km länger als der (direkte) Weg über die W. und die V. (Gesamtstrecke: 15,1 km);
noch etwas kürzer wäre die alternative Strecke über den AB. gewesen. Die Unterbrechung des direkten Weges war auch eindeutig
mehr als geringfügig; dabei existiert der von der Klägerin geltend gemachte Rechtssatz, dass Versicherte sich bei Überschreitungen
des kürzesten Weges um bis zu 50 % stets auf dem versicherten Weg befinden, tatsächlich nicht. Der Versicherte befand sich
danach auch noch zum Unfallzeitpunkt auf einem Abweg.
(3) Es sind auch keine Umstände feststellbar, die ausnahmsweise den Versicherungsschutz der Wegeunfallversicherung auf diesem
Abweg begründen könnten.
(a) Nach der sozialgerichtlichen Rechtsprechung kann Versicherungsschutz ausnahmsweise auch auf einem Abweg bestehen, wenn
dieser im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht. Das ist der Fall, wenn der Versicherte irrtümlich vom
direkten Weg aus solchen Gründen abweicht, die ihrerseits mit dem Zurücklegen des versicherten Weges - insbesondere mit seiner
Beschaffenheit - in Zusammenhang stehen (vgl dazu näher BSG, Urteil vom 20. Dezember 2016 aaO). Einen Irrtum des Versicherten über die Wegstrecke macht die Klägerin allerdings selbst
nicht geltend; nach ihrem Vorbringen hat der Versicherte vielmehr die regelmäßig von ihm als Heimweg genutzte Strecke befahren.
(b) Es lässt sich auch nicht feststellen, dass die Wahl der weiteren Wegstrecke aus der durch objektive Gegebenheiten erklärbaren
Sicht des Versicherten dem Zurücklegen des Weges vom Ort der Tätigkeit nach Hause zuzurechnen wäre, um eine verkehrstechnisch
schlechte Wegstrecke zu umgehen. Vielmehr wäre dem Versicherten auch als Fahrer eines Motorrollers ein Befahren sowohl der
kürzeren Strecke über die Ulrichstraße als auch der noch kürzeren Strecke über den AB. möglich und zumutbar gewesen.
Bei der V. handelt es sich schon nach den von der Klägerin im Widerspruchsverfahren vorgelegten Lichtbildaufnahmen um eine
ordentlich gepflasterte Straße, bei der mehr als nur geringfügige Unebenheiten, Lücken oder Schäden an der Pflasterung - wie
sie etwa für Kopfsteinpflaster typisch sind - nicht festgestellt werden können. Dementsprechend nachvollziehbar sind auch
der Mitarbeiter des Sachbereichs Liegenschaften der Stadt F. und - seiner Auskunft folgend - die Beklagte zu dem Ergebnis
gelangt, dass eine Einfahrt in die Y. über die V. mit einem Roller bzw Kleinkraftrad problemlos möglich gewesen wäre. Dem
schließt sich der Senat aus eigener Überzeugung an, nachdem auch die von ihm im Berufungsverfahren durchgeführten Ermittlungen
zu keinem anderen Ergebnis geführt haben. Auch das von der Stadt F. vorgelegte Farbfoto zeigt keine für den Fahrer eines Motorrollers
relevanten Unebenheiten oder Schäden des Straßenbelags. Zudem war es zum Unfallzeitpunkt noch hell und es liegen keine Anhaltspunkte
dafür vor, dass die Pflasterung in der Ulrichstraße aufgrund von Niederschlag rutschig gewesen sein könnte; der Unfallgegner
hat im Rahmen seiner Zeugenvernehmung bei der Polizei ausgesagt, dass "normales Wetter" und die Straße trocken gewesen sei
(Vernehmungsprotokoll vom 28. Dezember 2015). Warum der Umstand, dass es sich bei der V. um eine "Anliegerstraße" handelt,
gegen eine Befahrung dieses Weges durch den Versicherten gesprochen haben könnte, ist weder von der Klägerin dargelegt worden
noch von Amts wegen ersichtlich.
Die noch kürzere Strecke über die W. und den AB. war bereits zum Unfallzeitpunkt überwiegend asphaltiert und deshalb erst
recht auch mit einem Motorroller befahrbar. Soweit lediglich das letzte Teilstück dieser Strecke (AB.) mit einer Länge von
ca 66 m mit Kopfsteinpflaster belegt ist, ergeben sich auch daraus keine objektiven Gründe, diesen Weg zu meiden und stattdessen
einen Umweg von über 4 km zu wählen. Dabei weist auch die Pflasterung des AC. nach den hierzu vorliegenden Lichtbildern keine
größeren Unebenheiten auf, die es unmöglich oder im Hinblick auf die eigene Sicherheit unzumutbar erscheinen lassen würden,
diese Strecke mit einem Motorroller ggf mit angepasster Geschwindigkeit zu befahren. Eine etwaige subjektive Unsicherheit
des Versicherten in Bezug auf den Straßenbelag ändert an diesen objektiven Gegebenheiten für sich genommen nichts; damit kommt
es nicht entscheidend darauf an, dass sich hierdurch auch nicht erklären ließe, warum der Versicherte den deutlich längeren
und zeitaufwendigeren Weg gewählt hat, anstatt auf der nur einen Bruchteil des Umwegs ausmachenden Streckenlänge von 66 m
abzusteigen und den Roller zu schieben.
Nach alledem liegen keine objektiven Gründe vor, die es rechtfertigen könnten, den um jedenfalls ca 4 km längeren Weg über
die KJ. und die KR. noch als unmittelbaren Weg anzusehen.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 Abs
1 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen (§
160 Abs
2 SGG), liegen nicht vor.