Kostenübernahme für den Besuch eines Fitnessstudios als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung
Tatbestand:
Der Kläger begehrt als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung die dauerhafte Nutzung eines Fitnessstudios.
Der 1966 geborene und bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Kläger beantragte unter Bezugnahme auf ein Attest des
Dr. L. vom 05.05.2008 die Bewilligung eines muskelaufbauenden Trainings. Der Kläger leide unter chronischen Rückenschmerzen
bei ausgeprägtem leptosomen Körperbau und Kachexie, sodass ein muskelaufbauendes Training wie "Kiesertraining" Fehlverhaltungen
und Schmerzen in Zukunft vermeiden könnte. Mit Bescheid vom 09.05.2008 lehnte die Beklagte dieses Begehren ab, weil sportliche
Betätigungen oder Kiesertraining dem Eigenverantwortungsbereich der Versicherten zugewiesen seien.
Im anschließenden Widerspruchsverfahren bot die Beklagte unter dem 13.05.2008 dem Kläger an, Leistungen zur Primärprävention
zu gewähren. Allerdings seien Angebot, Qualität und Betreuung der auf dem Markt befindlichen Fitnessstudios sehr unterschiedlich
und erfüllten die Qualitätsanforderungen der gesetzlichen Krankenversicherung häufig nicht. Für konkret benannte Studios bestünde
für den Kläger die Möglichkeit, einen 10 %igen Rabatt auf den Mitgliedsbeitrag zu erhalten. Zudem könne sich die Beklagte
bei konkreten Anbietern mit 80 % des Rechnungsbetrages, maximal 75,00 EUR pro Kurs jährlich an entsprechenden Leistungen beteiligen.
Dies lehnte der Kläger ab, weil er sich das entsprechende Angebot selber aussuchen wolle und nur intensives tägliches Training
ihm etwas helfen könne. Mit einem Zuschuss in der genannten Höhe könne er als Einkommensloser keinen Nutzen erhalten. Mit
Widerspruchsbescheid vom 03.07.2008 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück, weil die gesetzlichen Voraussetzungen
eines Anspruchs auf Präventionsleistungen nicht erfüllt seien. Maßgeblich seien nicht nur die Vermittlung von Sport und Bewegung,
sondern der gezielte Aufbau von Handlungs- und Effektwissen einschließlich Unterstützung zur Weiterführung nach Ende des Kurses
mit dem Ziel der Verhaltensänderung. Reine kontinuierliche körperliche Betätigungen könnten nicht geleistet werden. Insbesondere
handele es sich beim Kiesertraining ebenso wie beim Training in einem Fitnessstudio um ein geräteunterstütztes Krafttraining,
welche aber nicht die Ziele der gesetzlichen Präventionsmaßnahmen erfüllten.
Die dagegen zum Sozialgericht München erhobene Klage ist erfolglos geblieben (Gerichtsbescheid vom 25.05.2009).
Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt und sich zur Begründung auf sein bisheriges Vorbringen bezogen. Im Termin zur mündlichen
Verhandlung hat der Kläger erklärt, er nehme nur 351 Kalorien pro Tag zu sich, weil er sich als Hartz-IV-Empfänger mehr nicht
leisten könne. Zudem sei sein Begehren nicht nur auf das Kiesertraining begrenzt, sondern er begehre generell die Leistungen
eines Fitnessstudios, um gegen seine Rückenerkrankungen vorgehen zu können.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 25.05.2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 09.05.2008 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 03.07.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Besuch eines Fitnessstudios zur
Behandlung seiner Rückenerkrankungen als Sachleistung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Verwaltungsakten der Beklagten. Darauf sowie auf die Gerichtsakten
beider Rechtszüge und die Akten des Verfahrens auf einstweiligen Rechtsschutz wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§
143,
151 Sozialgerichtsgesetz -
SGG), aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung des dauerhaften Besuches eines Fitnessstudios nach seiner
Wahl als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung. Dies hat die Beklagte im angefochtenen Bescheid vom 09.05.2008/Widerspruchsbescheid
vom 03.07.2008 zutreffend entschieden. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 25.05.2009 ist damit im Ergebnis
zu Recht ergangen.
Gesetzlich Krankenversicherte habe gemäß §
2 Abs.
1, §
12 Abs.
1 SGB V Anspruch auf Verhütung von Krankheiten sowie Behandlung einer Krankheit (§
12 Abs.
1 Nrn. 2 und 4
SGB V i.V.m. §§
20 bis
24 b SGB V sowie §§
27 bis
52 SGB V).
Wie aus der ärztlichen Dokumentation ersichtlich leidet der Kläger an Kachexie, d. h. einer krankhaften extremen Abmagerung.
Bei ihm wird nicht nur das Speicherfett, sondern auch die Muskulatur einschließlich des Herzmuskels abgebaut. Das Knochenmark
verwandelt sich in Gallertmasse, die Organe verkümmern und es kommt zu Funktionsausfällen, bis schließlich die terminale Kachexie,
das Endstadium der Krankheit zum Tode führt. Dies ist beim Kläger darauf zurückzuführen, dass er nach seinen glaubhaften Angaben
täglich maximal 351 Kalorien als Nahrung zu sich nimmt. Infolge hiervon ist auch die Rückenmuskulatur verkümmert.
Der Kläger hat somit Anspruch auf Leistungen der Beklagten zur Behandlung der Kachexie. Der dauerhafte Besuch eines Fitnessstudios
zählt allerdings nicht zu den Leistungen zur Behandlung einer Krankheit gemäß §§
27 bis
52 SGB V.
Auch im Rahmen des Anspruches auf Präventionsleistungen gemäß §
20 SGB V besteht kein Anspruch auf Dauerbesuch eines Fitnessstudios. Wie die Beklagte zutreffend in der angefochtenen Entscheidung
ausgeführt hat, fehlt es bei dem Besuch eines Fitnessstudios an der krankheitsbezogenen Ausrichtung der dort angebotenen Körperbestätigung,
an den Motivationsansätzen und insbesondere an den Ansätzen zur Verhaltensänderung nach der Inanspruchnahme der Fitnessleistungen.
Im Übrigen bieten Fitnessstudios mit ihrem breit gefächerten Leistungsspektrum nichts an, was einer auf eine konkrete Krankheit
bezogene Prävention i. S. des §
20 SGB V entspricht.
Entscheidend ist zudem, dass der Kläger an Kachexie leidet, also ein abmagerungsbedingter Abbau der Rückenmuskulatur eingetreten
ist mit einer Veränderung des Knochenmarks der Wirbelsäule hin zu einer Gallertmasse. Der Kläger nimmt so wenig Nahrung zu
sich, dass die Krankheit weiter fortschreitet und der Körper weiter verfällt. In dieser Situation gezielt körperliche Leistungen
in einem Fitnessstudio zu erbringen hätte zweierlei zur Folge. Zum einen würde die mit Nahrung zugeführte Energie bewegungsbedingt
binnen Kurzem verbraucht und es käme zu einem weiteren Abmagern mit verstärktem Abbau der Körpersubstanz. Zum anderen bedürfte
es während der Betätigungen an Gerätschaften eines Fitnessstudios der ärztlichen Überprüfung, ob dieses nicht eher zu Schädigungen
der Gelenken, der Rückenmuskulatur und der Wirbelsäule einschließlich Bandscheiben führt. Diese kontinuierliche ärztliche
Betreuung ist aber in Fitnessstudios, wie vom Kläger begehrt, nicht gegeben. Auf die Frage des Leistungsausschlusses wegen
Eigenverschuldens nach §
52 Abs
1 SGB V kommt es daher nicht mehr an.
Soweit die Beklagte dem Kläger Leistungen der Prävention nach §
20 SGB V angeboten hat, wurden diese vom Kläger abgelehnt; sie werden im vorliegenden Verfahren vom Kläger auch nicht beantragt.
Der Kläger hat damit unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt Anspruch auf die Bewilligung eines Fitnessstudios als Sachleistung.
Die Berufung beleibt in vollem Umfange ohne Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe zur Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§
160 Abs.
2 SGG).