Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II
Leistungen für Unterkunft und Heizung
Anforderungen an ein wirksames und ernsthaftes Zahlungsverlangen zu den Kosten der Unterkunft bei einem Mietverhältnis zwischen
Familienangehörigen
Tatbestand
Streitig ist die Gewährung von höheren Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1.10.2006 bis zum 31.8.2009.
Der im Haus seiner Eltern wohnende Kläger bezieht - mit geringfügigen Unterbrechungen - seit dem 1.1.2005 von der Beklagten
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Die Eltern sind an dem Grundstück, auf dem sich das Haus befindet, erbbauberechtigt.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheiden vom 24.10.2006, 17.7.2007 und 19.2.2008 für die Zeit vom 1.10.2006 bis zum
31.3.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Form des Regelbedarfs, d.h. in Höhe von damals 345 €, sowie Kosten der Unterkunft vom 1.10.2006 bis 31.12.2006 i.H.v.
107,22 € (78,83 € für Unterkunft und 28,39 € für Heizung) für Januar 2007 bis März 2007 i.H.v. 110,68 € (Erhöhung der Heizkosten
auf 31,85 €) und für den Februar 2007 weitere (einmalige) Heizkosten i.H.v. 48,46 €.
Für den Zeitraum vom 1.4.2007 bis 30.9.2007 bewilligte die Beklagte mit Bescheiden vom 27.3.2007, 17.7.2007 und 19.2.2008
und für den Zeitraum vom 1.10.2007 bis 29.2.2008 mit Bescheiden vom 17.9.2007, 26.11.2007 und 19.2.2008 Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Form des Regelbedarfs, d.h. in Höhe von damals monatlich 345 € (April bis Juni 2007) bzw. 347 € (Juli 2007 bis Februar
2008), sowie Kosten der Unterkunft i.H.v. jeweils 110,68 € (78,83 € Kosten der Unterkunft und 31,85 € Heizung)
In den darauffolgenden Bewilligungszeiträumen bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 19.2.2008 für die Zeit vom 1.3.2008
bis 31.8.2008 und mit Bescheid vom 10.9.2008 für die Zeit vom 1.9.2008 bis zum 28.2.2009 die Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts nach dem SGB II in Form des Regelbedarfs, d.h. in Höhe von damals 347 € (März bis Juli 2008) bzw. 351 € (Juli bis Februar 2008), sowie weiterhin
Kosten der Unterkunft i.H.v. 110,68 € (78,83 € Kosten der Unterkunft und 31,85 € Heizung)
Mit Bescheiden vom 2.3.2009 und vom 21.4.2009 bewilligte die Beklagte für die Zeit vom 1.3.2009 bis zum 31.8.2009 Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Form des Regelbedarfs, d.h. in Höhe von damals 351 €, sowie Kosten der Unterkunft i.H.v. 117,69 € (Unterkunftskosten i.H.v.
78,83 € und Heizkosten i.H.v. 36,86 €).
Die Berechnung der Kosten der Unterkunft und Heizung nahm die Beklagte dabei anhand der vom Kläger vorgelegten Unterlagen
vor, aus denen sich Aufwendungen seiner Eltern für Darlehensraten (Darlehen der Sparkasse und Darlehenskasse S, Bauspardarlehen
T, Arbeitgeberdarlehen U AG), Erbpachtzinsen und sonstigen Kosten (Grundsteuer, Kanalbenutzungsgebühren, Abfallbeseitigungsgebühren,
Straßenreinigungsgebühren, Gewässergebühren, Schornsteinfegerrechnungen, Gebäudeversicherungen, Brauchwasser) sowie der Heizkosten
(Wärmekostenabrechnungen) ergaben. Sämtliche Belege waren an den Vater bzw. an die Eltern des Klägers adressiert. In den Wärmekostenabrechnungen
für die verschiedenen Zeiträume wurden die Verbrauchskosten für Heizung und Warmwasser separat ausgewiesen. Die Wärmekostenabrechnungen
der Jahre 2005 bis 2008 wiesen die nachfolgenden Beträge aus:
2005
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Heizkosten = 917,03 €
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Verbrauchskosten Warmwasser = 329,21 €
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2006
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Heizkosten = 984,59 €
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Verbrauchskosten Warmwasser = 407,02 €
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2007
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Heizkosten = 1.146,49 €
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Verbrauchskosten Warmwasser = 387,37 €
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2008
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Heizkosten = 1.326,84 €
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Verbrauchskosten Warmwasser = 352,66 €
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Für das Jahr 2009 gab der Kläger die Heizkosten mit einem Betrag von 995,65 € und die Verbrauchskosten Warmwasser mit einem
Betrag von 415,47 € an.
Der Kläger erhob zu jedem Leistungszeitraum gegen den ersten Bewilligungsbescheid fristgerecht Widerspruch, mit dem er die
Höhe der Regelleistungen und der Leistungen für Unterkunft und Heizung bemängelte. Zu den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
nach dem SGB II in Form des Regelbedarfs führte er aus, dass diese ihm keine Mindestabsicherung mehr böten. Die Höhe sei zu niedrig und verfassungswidrig.
Seit dem 1.1.2007 entstehe ihm ein monatlicher Gesamtfehlbetrag von knapp 30 €. Zudem habe die Beklagte die Kosten der Unterkunft
zu niedrig angesetzt. Insbesondere würden ihm Kosten für die Warmwasseraufbereitung und die Stromkosten vorbehalten. Es würden
mindestens 12,80 € Stromkosten monatlich und 4,54 € Warmwasserkosten fehlen. Allein für die Zeit vom 1.7.2005 bis zum 31.8.2008
seien ihm nach seinen Berechnungen 563,18 € für Strom und Warmwasseraufbereitung nachzuzahlen.
Gegen die Widerspruchsbescheide vom 7.3.2007, 16.10.2007, 21.5.2008, 8.10.2008 und 29.04.2009, mit denen die Widersprüche
des Klägers jeweils zurückgewiesen wurden, hat der Kläger jeweils am Sozialgericht Münster Klage erhoben (Verfahren S 15 AS 51/07 (S 15 AS 130/08) zum Widerspruchsbescheid vom 7.3.2007; Verfahren S 15 AS 45/07 (S 15 AS 158/08) zum Widerspruchsbescheid vom 16.10.2007; Verfahren S 15 AS 129/08 zum Widerspruchsbescheid vom 21.5.2008; Verfahren S 15 AS 220/18 zum Widerspruchsbescheid vom 8.10.2008; Verfahren S 15 AS 105/09 zum Widerspruchsbescheid vom 29.4.2009). Das Sozialgericht hat die ursprünglichen fünf Klageverfahren durch Beschluss vom
28.5.2009 miteinander zum Aktenzeichen S 15 AS 129/08 verbunden.
Der Kläger hat im Wesentlichen jeweils vorgetragen, dass mit der Höhe der monatlichen Regelleistungen eine Mindestsicherung
nicht mehr gegeben sei. Insofern rüge er die Verfassungswidrigkeit der Bemessung der hier angesetzten Regelsätze. Darüber
hinaus habe die Beklagte zu Unrecht nur die reinen Heizkosten bewilligt. Die Kosten zur Warmwasserbereitung würden ebenso
wenig berücksichtigt wie die realen Stromkosten. Da die Beklagte somit nicht die tatsächliche Höhe der ihm in der Wohngemeinschaft
zu erbringenden anteiligen Strom- und Wärmekosten bewilligt habe, sei ein monatlicher Fehlbetrag entstanden.
Im Rahmen eines Erörterungstermins am 28.5.2009 vor dem Sozialgericht Münster hat der Kläger die Klage für die hier streitigen
Zeiträume nach dem hierzu vorliegenden Protokoll zunächst auf die Gewährung der ihm tatsächlich entstandenen Kosten für die
Warmwasserbereitung sowie tatsächlich entstandene Stromkosten beschränkt. Im Anschluss daran hat der Kläger ausgeführt, dass
er diese Erklärung direkt nach seiner Zustimmung wieder zurückgezogen habe. Die entsprechende Erklärung sei im Erörterungstermin
auf dem Diktiergerät jedoch nicht wieder abgeändert worden.
Der Kläger hat sodann schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 24.10.2006, 17.7.2007, 19.2.2008, 27.3.2007, 17.7.2007, 19.2.2008, 17.9.2007,
26.11.2007, 19.2.2008, 19.2.2008, 10.9.2008, 2.3.2009 und 21.4.2009 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 7.3.2007,
16.10.2007, 21.5.2008, 8.10.2008 und 29.4.2009 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1.10.2006 bis zum 31.08.2009 höhere Leistungen
nach dem SGB II in Gestalt des Arbeitslosengeldes II nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat die Beklagte auf die Ausführungen in den Ausgangs- und Widerspruchsbescheiden verwiesen.
Mit Beschluss vom 7.7.2014 hat das Sozialgericht Münster den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe vom
28.3.2014 unter Beiordnung von Rechtsanwalt A, Potsdam, unter Bezugnahme auf die Ausführungen in den Widerspruchsbescheiden
der Beklagten abgelehnt.
Die hiergegen erhobene Beschwerde hat das LSG NRW mit Beschluss vom 28.9.2017 (L 7 AS 1627/14 B) zurückgewiesen. Die Klage habe keine Aussicht auf Erfolg und der Kläger habe keinen Anspruch auf höhere Leistungen. Der
Kläger habe im streitigen Zeitraum den jeweils gültigen Höchstsatz der Regelleistungen erhalten. Sein Vorbringen, die Höhe
der Regelleistungen sei verfassungswidrig (gewesen), führe nicht zu einem Anspruch auf höhere Leistungen. Zwar habe das Bundesverfassungsgericht
die bis zum Zeitpunkt der Entscheidung am 9.2.2010 geltenden Vorschriften über die Höhe der Regelleistungen nach § 20 Abs.
2 1. HS und Abs. 3 S. 1 und § 20 Absatz S. 3 Nr. 1 a.F. SGB II mit dem
Grundgesetz für unvereinbar erklärt, aber zugleich ausgeführt, es könne nicht festgestellt werden, dass die gesetzlichen Regelleistungsbeträge
evident unzureichend sein. Die verfassungswidrigen Normen würden daher bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber für
weiterhin gültig erklärt, der Gesetzgeber werde nicht zu einer rückwirkenden Änderung verpflichtet (vergleiche BVerfG, Urteil
vom 9.2.2010, 1 BvL 1/09). Der Senat sei nach § 31 Abs. 1 BVerfGG an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gebunden. Da auch der Gesetzgeber die Regelleistungen nicht rückwirkend
geändert habe, könne der Kläger keine höheren Regelleistungen als die ihm bereits bewilligten erhalten.
Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf höhere Kosten der Unterkunft. Voraussetzung für einen Anspruch auf weitere Kosten
der Unterkunft sei, dass dem Kläger tatsächlich Aufwendungen im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II entstanden seien. Tatsächliche Aufwendungen lägen dann vor, wenn der Hilfebedürftige im jeweiligen Leistungszeitraum einer
wirksamen, ernsthaften und nicht dauerhaft gestundeten Mietzinsforderung ausgesetzt gewesen sei, ohne dass es dabei auf die
Maßstäbe des Fremdvergleichs ankomme (BSG Urteil vom 3.3.2009, B 4 AS 37/08 R). Der Senat könne offenlassen, ob es auch ausreichend sei, wenn die durch die Nutzung der Wohnung entstehenden Kosten faktisch
mitgetragen werden, ohne dass es einer entsprechenden rechtlichen Verpflichtung bedürfe (BSG, Urteil vom 17.12.2005, B 8 SO 10/14 R). Der Kläger habe bislang nicht schlüssig dargelegt, dass ihm überhaupt tatsächliche
Aufwendungen entstanden seien, jedenfalls aber keine höheren als die bislang bewilligten. Er habe weder eine zivilrechtliche
Verpflichtung noch eine tatsächliche Beteiligung an den Kosten der Unterkunft schlüssig behauptet. Sämtliche Rechnungen, die
er eingereicht habe, seien an seine Eltern adressiert und damit allein ein Beleg für deren Aufwendungen. Dass sich der Kläger
im Innenverhältnis zu seinen Eltern in irgendeiner Form an diesen Aufwendungen beteiligt habe, habe dieser trotz mehrfacher
Aufforderung durch das Sozialgericht und den Senat (auch in zahlreichen Parallelverfahren) nicht vorgetragen. Auch aus den
Akten ergebe sich hierzu kein Hinweis. Soweit sich in den Akten überhaupt Anhaltspunkte für eine etwaige Zahlungsverpflichtung
entnehmen ließen, seien diese unschlüssig und widersprüchlich. So habe der Kläger in dem von ihm erstellten und der Beklagten
vorgelegten Unterlagen zur Existenzgründung ("Kleiner Geschäftsplan zur Existenzgründung vom 24.6.2009") zu seinen notwendigen
Privatentnahmen ausgeführt, er habe monatlich Ausgaben für Miete inklusive Nebenkosten in Höhe von 50 € aufzubringen. Die
Kosten seien so gering, weil er in der Wohngemeinschaft mit seinen Eltern im Eigenheim lebe. Der Kläger habe diese Ausgaben
während des hier streitigen Zeitraums gehabt, während er zeitgleich Kosten der Unterkunft von mehr als 100 € geltend mache.
Habe der Kläger aber gar keine tatsächlichen Aufwendungen schlüssig vorgetragen, komme es auf die Frage, ob die Kosten der
Unterkunft nach dem Kopfteilprinzip aufzuteilen seien, nicht an.
Die hiergegen erhobene Beschwerde hat das Bundessozialgericht mit Beschluss vom 13.11.2017 als unzulässig verworfen.
Die gegen den Beschluss des LSG NRW vom 28.9.2014 erhobene Anhörungsrüge vom 12.10.2017 hat das LSG NRW mit Beschluss vom
12.12.2017 (L 7 AS 1998/17 B RG) als unzulässig verworfen.
Mit Schriftsatz vom 9.3.2018 hat der Kläger beantragt, die Vorsitzende der für das Verfahren zuständigen 11. Kammer des SG
Münster wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Mit Beschluss vom 12.3.2018 (S 2 SF 11/18) ist der Antrag abgelehnt worden.
Mit Urteil vom 12.3.2008 hat das Sozialgericht Münster die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Sozialgerichts auf die
Ausführungen des LSG NRW in den Beschlüssen vom 28.9.2007 (L 7 AS 1627/14 B), vom 26.6.2015 zum Aktenzeichen L 7 AS 1180/14 und vom 2.3.2018 zum Aktenzeichen L 7 AS 253/17 verwiesen.
Gegen das Urteil vom 12.3.2018, dem Kläger zugestellt am 22.5.2018, hat der Kläger am 20.6.2018 Berufung eingelegt.
Der Kläger trägt vor, dass die Berechnungen in den Bescheiden der Beklagten nicht nach dem geltenden Recht erfolgt seien.
So habe die Beklagte in ihren Berechnungen die separat auf den Wärmekostenabrechnungen hervorgehenden "Verbrauchskosten Warmwasser"
außen vor gelassen bzw. nicht berücksichtigt. Es sei insofern unzutreffend, wenn die Beklagte hierzu darauf verweise, dass
die gesondert ausgewiesenen Kosten für die Warmwasseraufbereitung bereits mit dem Regelsatz abgegolten seien.
Der Kläger beantragt nunmehr mit Schriftsatz vom 26.3.2021,
1.
die gegenständlichen zugrundeliegenden Bescheide in der Gestalt der gegenständlichen zugrundeliegenden Widerspruchsbescheide
in den gegenständlichen 6 Bewilligungszeiträumen aufzuheben und dem Kläger höhere Leistungen (KDU) nach den gesetzlichen Vorgaben
zu bewilligen,
2.
festzustellen, dass die Berechnungen der Kosten der Unterkunft und Heizung (KDU) nicht nach den gesetzlichen Vorgaben erfolgten
und damit rechtswidrig waren,
3.
festzustellen, dass die Beklagte in allen 6 gegenständlichen Bewilligungszeiträumen die außergerichtlichen Kosten des Klägers
für alle gegenständlichen eingelegten Rechtsmittel und Rechtsbehelfe (Widersprüche, Klage usw.) trägt,
4.
sämtliche an den Kläger erfolgten und noch folgenden Zahlungen werden mit 5% über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit
zu verzinsen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist die Beklagte auf die Ausführungen in den Ausgangs- und Widerspruchsbescheiden und auf die Entscheidungsgründe
der erstinstanzlichen Entscheidung.
Nach erfolgter Ladung der Eltern des Klägers als Zeugen zur mündlichen Verhandlung am 16.4.2021 haben die Eltern mit Schreiben
vom 6.4.2021 in Bezug auf das Verfahren L 21 AS 1012/18 ausgeführt, dass dieses Verfahren nach Auskunft des Klägers den Zeitraum 2006 bis 2009 betreffe. Jedoch könnten sich die
Eltern an Sachverhalte, die 12 Jahre und mehr zurückliegen würden, nicht mehr erinnern. Es dürfte hinsichtlich dieser Zeiträume
aber auch nicht auf eine Aussage der Eltern ankommen, da nach Aussage ihres Sohnes bzw. des Klägers in diesen Zeiträumen bereits
SGB II Leistungen vollumfänglich bewilligt worden seien, nur die Berechnungen der Kosten für Unterkunft und Heizung nicht nach den
gesetzlichen Vorgaben erfolgt sei. Im Übrigen werde in vollem Umfang auf die Ausführungen des Sohnes bzw. des Klägers verwiesen,
an deren Richtigkeit und Wahrheitsgehalt sie keinen Zweifel hätten. Auch in Hinblick auf ihr Alter und wegen bestehender Vorerkrankungen
werde aufgrund der derzeitigen Corona-Pandemie darum gebeten, von ihrer Ladung abzusehen. Sollte dennoch auf das Erscheinen
der Eltern als Zeugen bestanden werden, würden sie als Eltern in dem Termin von ihrem Recht auf Verweigerung des Zeugnisses
gem. §
383 Abs.
1 Nr.
3 und §
384 ZPO Gebrauch machen. Daraufhin hat der Senat die Ladung der Eltern zum Termin am 16.4.2021 als Zeugen aufgehoben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakten
der Beklagten Bezug genommen; diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht Münster hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger ist durch
die Bescheide vom 24.10.2006, 17.7.2007, 19.2.2008, 27.3.2007, 17.7.2007, 19.2.2008, 17.9.2007, 26.11.2007, 19.2.2008, 19.2.2008,
10.9.2008, 2.3.2009 und 21.4.2009 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 7.3.2007, 16.10.2007, 21.5.2008, 8.10.2008
und 29.4.2009 nicht im Sinne von §
54 Abs.
2 Satz 1
SGG beschwert. Der Kläger hat keinen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und auf höhere Kosten
der Unterkunft.
I. Die Klage des Klägers ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§
54 Abs.
1 S. 1 1. Fall, §
54 Abs.
4, §
56 SGG) statthaft. Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit müssen nach §
123 SGG über den (wirklich) erhobenen Anspruch entscheiden, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein.
1. Der Senat geht nach dem Vortrag des Klägers und Berücksichtigung des Meistbegünstigungsgrundsatzes davon aus, dass der Kläger
bereits im erstinstanzlichen Verfahren zumindest sinngemäß nicht nur die Aufhebung der streitgegenständlichen Bescheide, sondern
sowohl die Zahlung der von ihm geltend gemachten höheren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Form des Regelbedarfs als auch höhere Kosten der Unterkunft und Heizung im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage
geltend gemacht hat. Daran ändert nichts, dass der Kläger in den Klageschriften allein "Klage" gegen die streitgegenständlichen
Bescheide "erhoben" hatte. Der Kläger hat in seinen Klageschriftsätzen weiter ausgeführt, dass die monatliche Regelleistung
ihm keine Mindestabsicherung mehr biete und die Wohnungskosten zu gering bemessen worden seien. Der damit einhergehende Leistungsantrag
war damit hinreichend konkretisiert, so dass die erhobene Klage als zulässige Anfechtungs- und Leistungsklage zu verstehen
und statthaft ist.
2. Die sodann im Berufungsverfahren gestellten Anträge des Klägers waren dabei weiterhin im Wege der Auslegung als statthafte
Anfechtungs- und Leistungsklage zu verstehen.
Soweit der Kläger mit seinem Antrag zu 2. zudem die "Feststellung" begehrt, dass die "Berechnungen der Kosten der Unterkunft
und Heizung nicht nach den gesetzlichen Vorgaben erfolgt und damit rechtswidrig" gewesen seien, ist darin kein über den Antrag
zu 1) hinausgehendes Begehren erkennbar. Der Senat musste daher hierüber - auch in Hinblick auf eine etwaige Feststellungsklage
- nicht gesondert entscheiden. Vielmehr geht mit der Prüfung des zu Ziff. 1 gestellten Leistungsantrags auf Gewährung höherer
Leistungen zwangsläufig die Prüfung einher, ob die Leistungsfestsetzung der Beklagten den gesetzlichen Vorgaben entsprach.
Somit ist die vom Kläger im Antrag zu 2. gesondert aufgeführten "Feststellung" zur Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben bzw.
zur Rechtswidrigkeit der Bescheide schon in der Prüfung des Antrags zu 1. enthalten bzw. Teil der Prüfung des Antrags zu Ziff.
1.. Eine gesonderte "Feststellung" einer etwaigen Rechtswidrigkeit bedurfte es daher nicht mehr, so dass die gestellten Anträge
bei verständiger Würdigung insgesamt als (zulässige) Anfechtungs- und Leistungsklage auszulegen waren.
II. Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Sozialgericht Münster hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger ist durch
die Bescheide vom 24.10.2006, 17.7.2007, 19.2.2008, 27.3.2007, 17.7.2007, 19.2.2008, 17.9.2007, 26.11.2007, 19.2.2008, 19.2.2008,
10.9.2008, 2.3.2009 und 21.4.2009 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 7.3.2007, 16.10.2007, 21.5.2008, 8.10.2008
und 29.4.2009 nicht im Sinne von §
54 Abs.
2 Satz 1
SGG beschwert. Der Kläger hat keinen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und auf höhere Kosten
der Unterkunft.
Unstreitig war der Kläger im maßgeblichen Zeitraum vom 1.8.2006 bis zum 31.8.2009 grundsätzlich leistungsberechtigt im Sinne
von § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II und hatte demnach gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 20 Abs. 2 SGB II sowie Anspruch auf die angemessenen Kosten der Unterkunft im Sinne von § 22 SGB II in der Zeit vom 1.10.2006 bis zum 31.8.2009.
1. Der Kläger hat jedoch - sofern er diesen Anspruch nach seinen Anträgen von 26.3.2021 überhaupt noch weiter verfolgt - keinen
Anspruch auf die geltend gemachten höheren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Regelleistung) nach § 20 Abs. 2 SGB II.
So hat der Kläger in dem streitigen Zeitraum bereits den jeweils gültigen Höchstsatz der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
in Form der Regelleistungen erhalten. Das im Verfahren erfolgte Vorbringen des Klägers, die Höhe der Regelleistungen sei verfassungswidrig
(gewesen), führt nicht zu einem Anspruch auf höhere Leistungen. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht die bis zum Zeitpunkt
der Entscheidung geltenden Vorschriften über die Höhe der Regelleistungen nach § 20 Abs. 2 1. HS und Abs. 3 S. 1 und § 20 Absatz S. 3 Nr. 1 a.F. SGB II mit dem
Grundgesetz für unvereinbar erklärt, aber zugleich ausgeführt, es könne nicht festgestellt werden, dass die gesetzlichen Regelleistungsbeträge
evident unzureichend sein. Die verfassungswidrigen Normen würden daher bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber für
weiterhin gültig erklärt, der Gesetzgeber werde nicht zu einer rückwirkenden Änderung verpflichtet (vergleiche BVerfG, Urteil
vom 9.2.2010, 1 BvL 1/09). Der Senat ist nach § 31 Abs. 1 BVerfGG an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gebunden. Da auch der Gesetzgeber die Regelleistungen nicht rückwirkend
geändert hat, kann der Kläger keine höheren Regelleistungen als die ihm bereits bewilligten erhalten (so bereits auch LSG
NRW, Beschluss vom 28.9.2017, L 7 AS 1627/14 B).
2. Der Kläger hatte gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf die Gewährung von weiteren Kosten der Unterkunft gem. § 22 Abs. 1 SGB II.
Als grundsätzlich leistungsberechtigte Person hatte der Kläger gemäß § 22 Abs. 1 SGB II einen Anspruch auf den Bedarf für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen, soweit diese angemessen
sind. Bedarfe für Unterkunft und Heizung bestehen, wenn die leistungsberechtigte Person einem rechtlich wirksamen und ernsthaften
Zahlungsverlangen des Vermieters ausgesetzt ist. Grundsätzlich ohne Bedeutung ist die Person des Vermieters. Auch unter engen
Verwandten können rechtlich wirksam Mietverträge geschlossen und damit vertragliche Verpflichtungen, wie beispielsweise die
Mietzahlungspflicht, begründet werden. Die mietvertraglichen Vereinbarungen müssen auch nicht in jeder Hinsicht einem sogenannten
"Fremdvergleich" standhalten, d.h. den zwischen Fremden üblichen mietvertraglichen Vereinbarungen entsprechen. Eine wegen
verwandtschaftlicher Verbundenheit beispielsweise verbilligte Wohnraumüberlassung an Angehörige hindert deshalb nicht das
Entstehen von Bedarfen für Unterkunft und Heizung. Entscheidend ist aber, dass trotz verwandtschaftlicher Verbundenheit der
Mieter einer ernsthaften und nicht dauerhaft gestundeten Mietzinsforderung des Vermieters ausgesetzt ist (BSG, Urteil vom 3.3.2009 zum Az. B 4 AS 37/08 R).
Der Kläger ist jedoch zur Überzeugung des Senats gegenüber seinen Eltern in dem hier streitigen Zeitraum nicht nachweisbar
einem wirksamen und ernsthaften Zahlungsverlangen in Bezug auf die geltend gemachten Nebenkosten bzw. der weitergehenden Kosten
der Unterkunft in Form von Stromkosten bzw. höheren Warmwasserkosten ausgesetzt gewesen. Der Senat schließt sich insofern
den überzeugenden Ausführungen des LSG NRW im Beschluss vom 28.9.2017, Az: L 7 AS 1627/14 B an, wenn es darin heißt:
Tatsächliche Aufwendungen liegen dann vor, wenn der Hilfebedürftige im jeweiligen Leistungszeitraum einer wirksamen, ernsthaften
und nicht dauerhaft gestundeten Mietzinsforderung ausgesetzt gewesen ist, ohne dass es dabei auf die Maßstäbe des Fremdvergleichs
ankommt (BSG Urteil vom 3.3.2009, B 4AS 37/08 R). Der Senat kann offenlassen, ob es auch ausreichend ist, wenn die durch die Nutzung der
Wohnung entstehenden Kosten faktisch mitgetragen werden, ohne dass es einer entsprechenden rechtlichen Verpflichtung bedarf
(vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2005, B 8 SO 10/14 R). Der Kläger hat bislang nicht schlüssig dargelegt, dass ihm überhaupt tatsächliche
Aufwendungen entstanden sind, jedenfalls aber keine höheren als die bislang bewilligten. Er hat weder eine zivilrechtliche
Verpflichtung noch eine tatsächliche Beteiligung an den Kosten der Unterkunft schlüssig behauptet. Sämtliche Rechnungen, die
er eingereicht hat, sind an seine Eltern adressiert und damit allein ein Beleg für deren Aufwendungen. Dass sich der Kläger
im Innenverhältnis zu seinen Eltern in irgendeiner Form an diesen Aufwendungen beteiligt hat, hat dieser trotz mehrfacher
Aufforderung durch das Sozialgericht und den Senat (auch in zahlreichen Parallelverfahren) nicht vorgetragen. Auch aus den
Akten ergibt sich hierzu kein Hinweis. Soweit sich in den Akten überhaupt Anhaltspunkte für eine etwaige Zahlungsverpflichtung
entnehmen lassen, sind diese unschlüssig und widersprüchlich. So hat der Kläger in dem von ihm erstellten und der Beklagten
vorgelegten Unterlagen zur Existenzgründung ("Kleiner Geschäftsplan zur Existenzgründung vom 24.6.2009") zu seinen notwendigen
Privatentnahmen ausgeführt, er habe monatlich Ausgaben für Miete inklusive Nebenkosten in Höhe von 50 € aufzubringen. Die
Kosten seien so gering, weil er in der Wohngemeinschaft mit seinen Eltern im Eigenheim lebe. Der Kläger habe diese Ausgaben
während des hier streitigen Zeitraums gehabt, während er zeitgleich Kosten der Unterkunft von mehr als 100 € geltend macht.
Habe der Kläger aber gar keine tatsächlichen Aufwendungen schlüssig vorgetragen, komme es auf die Frage, ob die Kosten der
Unterkunft nach dem Kopfteilprinzip aufzuteilen seien, nicht an.
Letztlich fehlen für den hier streitigen, nunmehr schon mehrere Jahre zurückliegenden Zeitraum, weiterhin hinreichende Belege
oder Nachweise für die tatsächliche Entstehung der geltend gemachten Kosten im Sinne einer ernsthaften Zahlungsverpflichtung
des Klägers gegenüber seinen Eltern. Hierbei trägt aber derjenige, der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende beantragt,
die Folgen einer objektiven Beweislosigkeit, wenn sich nach Ausschöpfung der verfügbaren Beweismittel die Leistungsvoraussetzungen
nicht feststellen lassen (BSG, Urteil vom 19.2.2009, B 4 AS 10/08 R).
Aus den Angaben der Eltern im Schreiben vom 28.11.2018 folgt hierzu keine andere Beurteilung. Vielmehr haben die Eltern des
Klägers ausgeführt, dass sie sich an Sachverhalte, die 12 Jahre und mehr zurückliegen, nicht mehr erinnern können. Insofern
sei "nach Aussage des Klägers" nur streitig, ob die Kosten der Unterkunft und Heizung nach den gesetzlichen Vorgaben erfolgt
sei. Falls der Kläger aber tatsächlich gegenüber seinen Eltern einer ernsthaften Zahlungsverpflichtung im o.g. Sinne (noch)
ausgesetzt sein sollte, wäre aber vielmehr zu erwarten gewesen, dass eine solche Zahlungsverpflichtung aus den Jahren 2006
bis 2009 den Eltern des Klägers zumindest dem Grunde nach noch bekannt bzw. bewusst wäre. Im Gegensatz dazu haben die Eltern
nach eigenen Angaben aber schon keine Erinnerung mehr an etwaige Ansprüche aus diesem Zeitraum. Unabhängig von der Frage,
ob derartige nun mehr als 10 Jahre zurückliegende Erstattungsansprüche der Eltern gegenüber dem Kläger ggf. noch durchsetzbar
wären, fehlt es damit weiterhin an hinreichenden Anhaltspunkten, dass der Kläger für diesen streitgegenständlichen Zeitraum
überhaupt (noch) einem entsprechenden Zahlungsanspruch ausgesetzt ist, auf den sich eine Erstattung der Beklagten beziehen
könnte. Hierzu konnten auch keine weiteren zielführenden Ermittlungen von Amts wegen mehr erfolgen, da die Eltern des Klägers
als mögliche Zeugen sich nach eigenen Angaben an den nun mehr als 10 Jahre zurückliegenden Sachverhalt nicht erinnern konnten
und schon angekündigt hatten, sich im Fall einer Vernehmung auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht zu berufen. Ausgehend von diesen
Angaben hat sich der Senat nicht gedrängt gesehen, die Eltern des Klägers noch als Zeugen zu hören. Vielmehr konnte der Senat
diesen schriftsätzlichen Vortrag der Eltern zum Sachverhalt als wahr unterstellen. Die somit allein zugrunde zu legenden Angaben
genügen jedoch nicht dem Nachweis für eine ernsthafte Zahlungsverpflichtung im o.g. Sinne, so dass eine Zahlungsverpflichtung
des Klägers gegenüber seinen Eltern nicht als nachgewiesen angesehen werden kann. In der Folge war auch die Beklagte nicht
zu der Gewährung der hierzu geltend gemachten Kosten der Unterkunft verpflichtet.
III. Das Begehren des Klägers, die Beklagten zu einer Verzinsung etwaiger rückständiger Leistungen zu verpflichten, ist - unabhängig
von dem nicht bestehenden Zahlungsanspruch - bereits unstatthaft. Eine Verpflichtung der Beklagten zur Verzinsung eines Nachzahlungsbetrages
kann sich allenfalls aus §
44 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB I) ergeben, da in Verfahren betreffend Sozialleistungsansprüche vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit keine Prozesszinsen
entsprechend §
291 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB) anfallen (vgl. BSG Urteil vom 13.7.2010, B 8 SO 10/10 R). Eine Entscheidung der Beklagten über einen Zinsanspruch des Klägers nach §
44 SGB I ist bislang nicht ergangen. Damit ist die Klage als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach §
54 Abs.
2 und
4 SGG wegen des Fehlens eines Verwaltungsaktes unzulässig. Der Kläger kann sein Begehren auch nicht in Form einer reinen Leistungsklage
nach §
54 Abs.
5 SGG verfolgen, da zwischen ihm und der Beklagten hinsichtlich des Zinsanspruchs aus §
44 SGB I kein Gleichordnungsverhältnis besteht (LSG NRW, Urteil vom 12.1.2012 - L 19 AS 1473/11).
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
V. Gründe, die Revision zuzulassen (§
160 Abs.
2 SGG), liegen nicht vor.