Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II
Leistungen für Unterkunft und Heizung
Anforderungen an ein wirksames und ernsthaftes Zahlungsverlangen zu den Kosten der Unterkunft bei einem Mietverhältnis zwischen
Familienangehörigen
Tatbestand
Streitig ist die Gewährung von Kosten der Unterkunft in Höhe von 100 € pro Monat für die Zeit vom 1.1.2017 bis zum 31.12.2017.
Der im Haus seiner Eltern wohnende Kläger bezieht - mit geringfügigen Unterbrechungen - seit dem 1.1.2005 von der Beklagten
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Die Eltern sind an dem Grundstück, auf dem sich das Haus befindet, erbbauberechtigt. Jedenfalls bis zum Jahr 2011 bewilligte
die Beklagte dem Kläger Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II in wechselnder Höhe von ca. 100 bis 130 €. Im weiteren Verlauf forderte die Beklagte vom Kläger mehrfach die Vorlage der
Belege über die tatsächlich an seine Eltern zu zahlenden Neben- und Wärmekosten an. Der Kläger hatte vorgetragen, er trage
die Heiz- und Nebenkosten des Hauses seiner Eltern zu einem Drittel.
Für die Zeit ab dem 1.1.2017 beantragte der Kläger am 8.12.2016 die Weitergewährung der Leistungen nach dem SGB II. In seinem Antrag gab er an, dass ihm monatliche Aufwendungen für die Kosten der Unterkunft in Form von Nebenkosten in Höhe
von ca. 60 € und Heizkosten in Höhe von ca. 40 € entstehen würden. Ergänzend dazu verwies der Kläger mit Schreiben vom 8.12.2016
auf die eingereichten Belege zu den Wohnungskosten zum Antrag vom 30.6.2013. Da die Nachweise für die Zeit vom 1.1.2016 bis
zum 31.12.2016 erst im Jahr 2018 vorgelegt werden könnten und auf dieser Grundlage sowieso immer eine Neuberechnung wegen
der schwankenden Verbräuche und der steigenden Energiekosten erfolgen müsse, könnten auch ältere Nachweise, z.B. aus dem Jahr
2010/2011 zum Ansatz gebracht werden. Das Jobcenter habe dies bereits in der Vergangenheit so praktiziert und - trotz der
vorliegenden aktuellen Belege - die veralteten Belege von vor zwei Jahren zugrunde gelegt. Zudem könnten die Kosten der Unterkunft
mittels einer vorläufigen Zahlung (Überweisung) eines angemessenen Pauschalbetrages von 100 € erfolgen. Die etwaig zu viel
gezahlten Leistungen könnten ohne Weiteres zurückgefordert werden.
Mit Bescheid vom 30.12.2016 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Form des Regelbedarfs, d.h. in Höhe von damals 409 € pro Monat. In Bezug auf die Kosten der Unterkunft erfolgte keine
Leistungsbewilligung. Hierzu bat die Beklagte um Beachtung des Schreibens vom 29.12.2016, in dem die Beklagte einerseits um
eine Erklärung der Eltern des Klägers über frühere Zahlungen oder Stundungen sowie um die Übermittlung von Belegen über die
entstandenen Kosten im Bereich der Unterkunft und Heizung sowie den Nachweis über eine ernsthafte Zahlungsverpflichtung bat.
Hierzu übermittelte der Kläger am 18.1.2017 eine Bestätigung seiner Eltern, wonach zwischen ihnen und dem Kläger eine Vereinbarung
nach §
550 BGB bestehe. Diese habe den Inhalt, dass der Kläger sich zu einem Drittel an den entstehenden Heiz- und Nebenkosten zu beteiligen
habe. Es werde darüber hinaus bestätigt, dass diese anteiligen Kosten des Klägers ab dem 1.1.2017 gestundet würden, da die
Beklagte diese nicht mit Bescheid vom 30.12.2016 bewilligt habe. Als Mitglieder der Gemeinschaft würden sie somit ab dem 1.1.2017
genötigt, den Anteil des Klägers mitzutragen und dementsprechend in Sippenhaft genommen. Der Kläger erhalte seit dem Jahr
2005 Leistungen nach dem SGB II. Von den Eltern seien mehrere Rentabilitätsberechnungen eingereicht und zuletzt durch die Beklagte mit Bescheid vom 25.4.2012
Leistungen i.H.v. 135,12 € endgültig bewilligt worden. Die von dem Kläger benannte Abschlagszahlung von 100 € könnte daher
ohne weiteres erfolgen. Nach Erhalt der Zahlungen würden die erst im Jahr 2018 zugehenden Nachweise über die tatsächlichen
Kosten noch vorgelegt.
Der Kläger erhob am 27.1.2017 gegen den Bescheid vom 30.12.2016 Widerspruch unter Bezugnahme auf die eingereichte Bestätigung
seiner Eltern vom 18.1.2017. Die Sachverhalte seien der Beklagten bekannt.
Die Beklagte forderte den Kläger daraufhin am 7.2.2017 auf, bis zum 21.2.2017 eine Rentabilitätsberechnung, ausgefüllt und
unterschrieben durch die Eltern, vorzulegen. Sollten sich die Eltern weigern, dem Kläger die benötigten Unterlagen zu geben,
könnte der Kläger der Beklagten auch eine Zustimmung nach §
60 SGB I erteilen, wonach die Unterlagen direkt bei den Eltern angefordert werden könnten. Rechtlich sei die vorgetragenen Einkommens-
und Vermögenssituation vom Kläger nachzuweisen. Auf die gesetzlichen Regelungen in §§
60- 62, 65
SGB I werde Bezug genommen. Sollte sich der Kläger bis zum Ablauf der Frist nicht melden und die geforderten Unterlagen nicht einreichen,
müsse nach Aktenlage entschieden werden bzw. könne dem Widerspruch nicht abgeholfen werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.4.2017 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Kläger wohne im Eigenheim seiner Eltern.
Er habe bislang keinen Mietvertrag vorgelegt und mache auch keine Mietzahlungen geltend. Vielmehr müsse sich der Kläger offenbar
lediglich an den anteiligen Kosten für Nebenkosten und Heizkosten beteiligen. Der Kläger habe mit dem Schreiben seiner Eltern
vom 18.1.2017 zwar eine Zahlungsverpflichtung gegenüber seinen Eltern nachgewiesen. Jedoch sei weiterhin ein Nachweis über
die Höhe der Abschlagszahlungen erforderlich. Eine pauschale Gewährung von Kosten der Unterkunft komme nicht in Betracht,
da die Beklagte nur zur Berücksichtigung der tatsächlich nachgewiesenen Kosten der Unterkunft verpflichtet sei. Vor diesem
Hintergrund komme der Kläger also nicht umhin, eine Vereinbarung mit den Eltern vorzulegen, die die monatlichen Zahlungen
regele, und künftig die tatsächlich angefallenen Kosten des Hauses jährlich nachzuweisen.
Hiergegen hat der Kläger am 9.5.2017 Klage vor dem Sozialgericht Münster erhoben.
Der Kläger hat vorgetragen, dass der Leistungsbezug hinreichend sicher gewesen und die Höhe der Bedarf für Unterkunft und
Heizung von 100 € nachvollziehbar sei. Hierzu nahm der Kläger erneut Bezug auf die Bestätigung seiner Eltern vom 18.1.2017
sowie sein Schreiben "Hinweise zum SGB II" zum Antrag vom 8.12.2016. Diese Unterlagen seien von der Beklagten nicht hinreichend berücksichtigt worden.
Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 30.12.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.4.2017 zu verurteilen,
ihm Kosten der Unterkunft und Heizung für das Jahr 2017 in Höhe von monatlich 100 € zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat die Beklagte auf die Ausführungen im Ausgangs- und Widerspruchsbescheid Bezug genommen.
Mit Schriftsatz vom 9.3.2018 hat der Kläger beantragt, die Vorsitzende der für das Verfahren zuständigen 11. Kammer wegen
der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Mit Beschluss vom 12.3.2018 (S 2 SF 11/18) ist der Antrag abgelehnt worden. Die Stellung der Anträge in verschiedenen Verfahren sei rechtsmissbräuchlich, da mit der
Antragstellung ausschließlich eine Verfahrensverzögerung bezweckt werde.
Das SG Münster hat die Klage mit Urteil vom 12.3.2018 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung von Bedarfen
für Unterkunft und Heizung. Zur Begründung werde auf die zutreffenden Ausführungen des Kreises C im Widerspruchsbescheid vom
10.4.2017 verwiesen, die sich die Kammer nach §
136 Abs.
3 SGG zu Eigen mache. Auch die Kammer könne - unter Bezugnahme auf das Urteil vom 12.3.2018 (S 11 AS 792/16) - keinen Bedarf an Kosten für Unterkunft und Heizung erkennen. Solange sich der Kläger weigere, der Beklagten und dem Gericht
belastbare und nachvollziehbare Unterlagen und Belege über die angeblich von seinen Eltern getätigten Aufwendungen vorzulegen,
sei von einer anderweitigen Bedarfsdeckung auszugehen.
Gegen das Urteil vom 12.3.2018, dem Kläger zugestellt am 11.5.2018, hat der Kläger am 11.6.2018 Berufung eingelegt.
Der Kläger verweist zur Begründung der Berufung auf die Bestätigung seiner Eltern vom 18.1.2017 sowie auf die schon in der
Vergangenheit vorgelegten Schreiben. Die Wohnverhältnisse des Klägers seien der Beklagten in vollem Umfang bekannt. Die Beklagte
ziehe sich hier an der vom Kläger, der Legastheniker sei, nicht zutreffend gewählten Bezeichnung "Pauschale" hoch. Tatsächlich
sie die Zahlung einer Abschlagszahlung begehrt worden. Im Übrigen würde sich eine Minderung der Kosten der Unterkunft bei
nur einem Mitglied auf die Gemeinschaft bzw. die Dritten (hier der Eltern) unzulässig belastend auswirken.
Der Kläger beantragt nunmehr mit Schriftsatz vom 26.3.2021 sinngemäß
1.
den dem Verfahren zugrunde liegende Bescheid vom 30.12.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.4.2017 aufzuheben
und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die beantragten und von den Vermietern geforderten Abschlagszahlungen in Höhe
von monatlich 100,00 € für Unterkunft und Heizung (KDU) zu zahlen,
2.
festzustellen, dass die Beklagte die von den Vermietern geforderten Abschlagszahlungen von monatlich 100,00 € für Unterkunft
und Heizung (KDU) zu zahlen hatte und die damit verbundenen Weigerungen der Beklagten rechtswidrig waren,
3.
festzustellen, dass die Beklagte die außergerichtlichen Kosten des Klägers für alle eingelegten Rechtmittel und Rechtsbehelfe
(Widersprüche, Klagen usw.) trägt,
4.
sämtliche Zahlungen an den Kläger bzw. an den Vermieter mit 5% über den Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu verzinsen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verweist zur Begründung auf den bisherigen Vortrag.
Mit Beschluss vom 12.9.2019 sind die Gesuche des Klägers auf Ablehnung der erkennenden Richter des 21. Senats als unzulässig
verworfen bzw. zurückgewiesen worden. Die hiergegen erhobene Anhörungsrüge ist mit Beschluss vom 8.11.2019 zurückgewiesen
worden.
Nach erfolgter Ladung der Eltern des Klägers als Zeugen zur mündlichen Verhandlung am 16.4.2021 haben die Eltern mit Schreiben
vom 6.4.2021 auf die bereits erfolgen schriftlichen Bestätigungen vom 18.1.2017, 6.12.2017 und 28.11.2017 verwiesen. Hieraus
gehe die bestehende Vereinbarung mit ihrem Sohn hervor. Er habe sich zu einem Drittel an den entstehenden Heiz- und Nebenkosten
zu beteiligen. Die anteilig zu zahlenden Kosten würden gestundet. Der zu zahlende Abschlag betrage 100,00 €. Weiterer Einlassung
bedürfe es daher nicht mehr. Im Übrigen werde in vollem Umfang auf die Ausführungen des Sohnes bzw. des Klägers verwiesen,
an deren Richtigkeit und Wahrheitsgehalt sie keinen Zweifel hätten. Auch in Hinblick auf ihr Alter und wegen bestehender Vorerkrankungen
werde aufgrund der derzeitigen Corona-Pandemie darum gebeten, von ihrer Ladung abzusehen. Sollte dennoch auf das Erscheinen
der Eltern als Zeugen bestanden werden, würden sie als Eltern in dem Termin von ihrem Recht auf Verweigerung des Zeugnisses
gem. §
383 Abs.
1 Nr.
3 und §
384 ZPO Gebrauch machen. Daraufhin hat der Senat die Ladung der Eltern zum Termin am 16.4.2021 als Zeugen aufgehoben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakten
der Beklagten Bezug genommen; diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht Münster hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger ist durch
den Bescheid vom 30.12.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.4.2017 nicht im Sinne von §
54 Abs.
2 Satz 1
SGG beschwert. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die geltend gemachte Zahlung eines Abschlags von 100,00 € für Heiz- und Nebenkosten.
I. Die Klage des Klägers ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§
54 Abs.
1 S. 1 1. Fall, §
54 Abs.
4, §
56 SGG) statthaft. Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit müssen nach §
123 SGG über den (wirklich) erhobenen Anspruch entscheiden, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein.
1. Der Senat geht nach dem Vortrag des Klägers und Berücksichtigung des Meistbegünstigungsgrundsatzes davon aus, dass der Kläger
bereits im erstinstanzlichen Verfahren zumindest sinngemäß nicht nur die Aufhebung der streitgegenständlichen Bescheide, sondern
auch die Zahlung der von ihm geltend gemachten 100 € als Kosten der Unterkunft und Heizung im Wege der kombinierten Anfechtungs-
und Leistungsklage geltend gemacht hat. Daran ändert nichts, dass der Kläger in der Klageschrift vom 11.5.2017 den Antrag
zunächst nur auf die Aufhebung der streitgegenständlichen Bescheide beschränkt hatte. Der Kläger hat in seiner Klage weiter
ausgeführt, dass "die begehrte Höhe der Leistung von 100 €" nachvollziehbar sei. Der damit einhergehende Leistungsantrag war
damit hinreichend konkretisiert, so dass die erhobene Klage als zulässige Anfechtungs- und Leistungsklage zu verstehen und
statthaft ist.
2. Die sodann im Berufungsverfahren gestellten Anträge des Klägers waren dabei weiterhin im Wege der Auslegung als statthafte
Anfechtungs- und Leistungsklage zu verstehen.
Soweit der Kläger mit seinem Antrag zu 2. zudem die "Feststellung" begehrt, dass die "Berechnungen der Kosten der Unterkunft
und Heizung nicht nach den gesetzlichen Vorgaben erfolgt und damit rechtswidrig" gewesen seien, ist darin kein über den Antrag
zu 1) hinausgehendes Begehren erkennbar. Der Senat musste daher hierüber - auch in Hinblick auf eine etwaige Feststellungsklage
- nicht gesondert entscheiden. Vielmehr geht mit der Prüfung des zu Ziff. 1 gestellten Leistungsantrags auf Gewährung höherer
Leistungen zwangsläufig die Prüfung einher, ob die Leistungsfestsetzung der Beklagten den gesetzlichen Vorgaben entsprach.
Somit ist die vom Kläger im Antrag zu 2. gesondert aufgeführten "Feststellung" zur Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben bzw.
zur Rechtswidrigkeit der Bescheide schon in der Prüfung des Antrags zu 1. enthalten bzw. Teil der Prüfung des Antrags zu Ziff.
1. Eine gesonderte "Feststellung" einer etwaigen Rechtswidrigkeit bedurfte es daher nicht mehr, so dass die gestellten Anträge
bei verständiger Würdigung insgesamt als (zulässige) Anfechtungs- und Leistungsklage auszulegen waren.
II. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht Münster hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger ist durch den
Bescheid vom 30.12.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.4.2017 nicht im Sinne von §
54 Abs.
2 Satz 1
SGG beschwert. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die geltend gemachte Zahlung eines Abschlags von 100,00 € für Heiz- und Nebenkosten
im Jahr 2017.
Leistungsberechtigte Personen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II - wie der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum - erhalten gemäß § 22 Abs. 1 SGB II auch Bedarf für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen, soweit diese angemessen sind. Bedarfe für
Unterkunft und Heizung bestehen, wenn die leistungsberechtigte Person einem rechtlich wirksamen und ernsthaften Zahlungsverlangen
des Vermieters ausgesetzt ist. Grundsätzlich ohne Bedeutung ist die Person des Vermieters. Auch unter engen Verwandten können
rechtlich wirksam Mietverträge geschlossen und damit vertragliche Verpflichtungen, wie beispielsweise die Mietzahlungspflicht,
begründet werden. Die mietvertraglichen Vereinbarungen müssen auch nicht in jeder Hinsicht einem sogenannten "Fremdvergleich"
standhalten, d.h. den zwischen Fremden üblichen mietvertraglichen Vereinbarungen entsprechen. Eine wegen verwandtschaftlicher
Verbundenheit beispielsweise verbilligte Wohnraumüberlassung an Angehörige hindert deshalb nicht das Entstehen von Bedarfen
für Unterkunft und Heizung. Entscheidend ist aber, dass trotz verwandtschaftlicher Verbundenheit der Mieter einer ernsthaften
und nicht dauerhaft gestundeten Mietzinsforderung des Vermieters ausgesetzt ist (BSG, Urteil vom 3.3.2009, Az. B 4 AS 37/08 R).
Der Kläger ist jedoch zur Überzeugung des Senats gegenüber seinen Eltern in dem hier streitigen Zeitraum nicht einem wirksamen
und ernsthaften Zahlungsverlangen in Bezug auf die geltend gemachten Nebenkosten ausgesetzt gewesen. Dies ließ sich jedenfalls
nicht nachweisen.
Für den hier streitigen, nunmehr schon mehrere Jahre zurückliegenden Zeitraum fehlen - ebenso wie in den Parallelverfahren
L 21 AS 1206/19 und L 21 AS 1021/18 - hinreichende Belege oder Nachweise für die tatsächliche Entstehung dieser Kosten im Sinne einer ernsthaften und nicht dauerhaft
gestundeten Zahlungsverpflichtung des Klägers gegenüber seinen Eltern.
Neben der Frage, ob und in welcher Höhe die Kosten überhaupt entstanden sind, erfolgte nach den Angaben der Eltern des Klägers
im Schreiben vom 18.1.2017 eine Stundung der anteiligen Kosten, "weil" die Beklagte diese Kosten mit Bescheid vom 30.12.2016
nicht bewilligt habe. Ein solches Entgegenkommen - mittlerweile über einen Zeitraum von vielen Jahren - ist als unüblich anzusehen,
selbst wenn man hierbei die gelockerten Maßstäbe ansetzt, die nicht in jeder Hinsicht einem sogenannten "Fremdvergleich" mit
nicht verbundenen Dritten entsprechen müssen. Insbesondere wird auf diese Weise eine direkte Verknüpfung zwischen einem privatrechtlichen
Anspruch auf Zahlung der Nebenkosten und dem Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II hergestellt, obwohl der etwaige Anspruch auf Zahlungen privatrechtlich in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit den Leistungen
des Jobcenters steht. Zudem bleibt unklar, unter welchen weiteren, konkreten Bedingungen eine Stundung vereinbart oder gewährt
worden sein soll, z.B. ob hierzu weitere Kosten in Ansatz gebracht werden oder über welche Dauer eine solche Stundung, ggf.
einseitig oder durch eine zweiseitige Abrede, vereinbart worden ist. Die weiteren Angaben der Eltern im Schreiben vom 6.4.2021,
wonach "die anteilig zu zahlenden Kosten gestundet werden", sind jedoch so zu verstehen, dass eine Stundung weiterhin und
damit nach wie vor ohne zeitliche Befristung gewährt worden ist. Ausgehend von diesen Angaben hat sich der Senat nicht gedrängt
gesehen, die Eltern des Klägers noch als Zeugen zu hören. Vielmehr konnte der Senat diesen schriftsätzlichen Vortrag der Eltern
zum Sachverhalt als wahr unterstellen, zumal auch der Kläger das Bestehen einer Stundungsabrede nicht in Abrede gestellt hat.
Im Gegensatz dazu ist nach der Rechtsprechung des BSG (BSG, Urteil vom 3.3.2009, Az. B 4 AS 37/08 R) aber gerade entscheidend, dass der Mieter trotz verwandtschaftlicher Verbundenheit einer ernsthaften und nicht dauerhaft
gestundeten Mietzinsforderung ausgesetzt ist. Die Eltern des Klägers dürften aber aufgrund der aktuell fortbestehenden Stundung
rechtlich gegenüber dem Kläger auf unabsehbare Zeit kaum in der Lage sein, diese Forderung gegenüber dem Kläger einzufordern.
Darüber hinaus wäre im Sinne eines Fremdvergleich im o.g. Sinne zumindest zu erwarten gewesen, dass eine gewisse Aktivität
zur Beitreibung oder jedenfalls Sicherung oder Dokumentation der über Jahre aufgelaufenen Forderungen entfaltet worden wäre,
wie z.B. die Vereinbarung einer Ratenzahlungsvereinbarung oder der Vereinbarung zur Zahlung eines gewissen Anzahlungsbetrages.
In der Gesamtschau genügen daher die zwischen dem Kläger und seinen Eltern getroffenen Vereinbarungen nicht den Anforderungen
an eine ernsthafte Zahlungsverpflichtung im o.g. Sinne. Vor diesem Hintergrund war die Beklagte auch nicht zu der Gewährung
der geltend gemachten Kosten für Unterkunft und Heizung im Jahr 2017 verpflichtet.
III. Das Begehren des Klägers zu Ziff. 4 seines Antrags, die Beklagte zu einer Verzinsung etwaiger rückständiger Leistungen zu
verpflichten, ist bereits - unabhängig von dem nicht bestehenden Zahlungsanspruch - unstatthaft. Eine Verpflichtung der Beklagten
zur Verzinsung eines Nachzahlungsbetrages kann sich allenfalls aus §
44 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB I) ergeben, da in Verfahren betreffend Sozialleistungsansprüche vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit keine Prozesszinsen
entsprechend §
291 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB) anfallen (vgl. BSG Urteil vom 13.7.2010, B 8 SO 10/10 R). Eine Entscheidung der Beklagten über einen Zinsanspruch des Klägers nach §
44 SGB I ist bislang nicht ergangen. Damit ist die Klage als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach §
54 Abs.
2 und
4 SGG wegen des Fehlens eines Verwaltungsaktes unzulässig. Der Kläger kann sein Begehren auch nicht in Form einer reinen Leistungsklage
nach §
54 Abs.
5 SGG verfolgen, da zwischen ihm und der Beklagten hinsichtlich des Zinsanspruchs aus §
44 SGB I kein Gleichordnungsverhältnis besteht (vgl. LSG NRW, Urteil vom 12.1.2012 - L 19 AS 1473/11).
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
V. Gründe, die Revision zuzulassen (§
160 Abs.
2 SGG), liegen nicht vor.