Rentenversicherung
Maßgeblicher Zeitpunkt für die durch einen Versorgungsausgleich eingetretenen neuen Verhältnisse
Rechtskraft einer Entscheidung zum Versorgungsausgleich
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Ergebnis über die Frage, zu welchem Zeitpunkt der Klägerin aufgrund eines Versorgungsausgleichs
eine höhere Rente hätte gewährt werden müssen.
Die am 00.00.1958 geborene Klägerin heiratete am 00.00.1979. Nach der Trennung im Sommer 1999 wurde am 04.04.2002 der Scheidungsantrag
und am 23.04.2002 der Antrag auf Versorgungsausgleich bei dem Amtsgericht B eingereicht. Die Klägerin und ihr damaliger Ehemann
waren beide gesetzlich rentenversichert. Ab dem 01.11.2000 bezog die Klägerin eine zunächst bis zum 31.10.2006 befristete
Rente wegen Erwerbsminderung; mit Bescheid vom 24.08.2006 wurde diese unbefristet gewährt.
Das Scheidungsurteil des Amtsgerichts B vom 21.08.2008 enthielt - wörtlich - folgende Regelung:
"Von dem Versicherungskonto Nr. 000 des Antragstellers bei der deutschen Rentenversicherung Westfalen wird auf das Versicherungskonto
Nr. xxx der Antragsgegnerin bei der deutschen Rentenversicherung Bund eine monatliche Anwartschaft von 187,91 EUR ( ) bezogen
auf den 31.03.2002 übertragen. Es wird angeordnet, dass der Monatsbetrag der übertragenen Rentenanwartschaft in Entgeltpunkte
umzurechnen ist."
Die gegen das Urteil des Familiengerichts B am 01.10.2008 eingelegte Berufung der Klägerin nahm diese am 10.12.2008 zurück.
Die Beklagte stellte die der Klägerin gewährte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit mit Bescheid vom 08.04.2009 mit Wirkung vom
01.01.2009 unter Berücksichtigung von weiteren 7,4231 Entgeltpunkten aufgrund des durchgeführten Versorgungsausgleichs neu
fest. Die Klägerin bat die Beklagte daraufhin um Erläuterung, weshalb diese Rente nicht bereits ab dem 01.04.2002, ab Stellung
des Scheidungsantrags, rückwirkend angepasst worden sei. Darauf reagierte die Beklagte mit Schreiben vom 23.03.2010, in welchem
sie auf die Regelungen in § 1587p
Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB) und §
100 Abs.1 Sechtes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) hinwies. Auf erneutes Ersuchen der Klägerin, ihre Rente bereits mit Wirkung zum 01.04.2002 unter Berücksichtigung des durchgeführten
Versorgungsausgleichs anzupassen, stellte die Beklagte nach Überprüfung gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) mit Bescheid vom 13.04.2012 fest, dass eine frühere Übertragung von Rentenanwartschaften aus dem durchgeführten Versorgungsausgleich
zu Gunsten des Versicherungskonto der Klägerin nicht möglich sei. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 17.09.2012 Widerspruch
ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 11.04.2013 setzte sich die Beklagte inhaltlich mit dem Widerspruch der Klägerin auseinander
und wies diesen als unbegründet zurück.
Dagegen hat die Klägerin am 08.05.2013 Klage vor dem Sozialgericht Münster erhoben.
Sie ist der Ansicht, dass sich aus der Formulierung des familiengerichtlichen Urteils "bezogen auf den 31.03.2002" ergebe,
dass ab diesem Zeitpunkt die Rente habe erhöht werden müssen. Ihr stehe daher ein Nachzahlungsbetrag in Höhe von ca. 15.500
EUR zuzüglich Zinsen zu.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 13.04.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.04.2013 aufzuheben, die Beklagte zu
verpflichten, den Bescheid vom 08.04.2009 zurückzunehmen und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine höhere Rente wegen Erwerbsunfähigkeit
unter Berücksichtigung der durch den Versorgungsausgleich übertragenen Anwartschaften bereits am Ende der Ehezeit am 31.03.2002
zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nach vorausgegangenem Erörterungstermin am 06.02.2014 hat das Sozialgericht Münster nach Anhörung die Klage durch Gerichtsbescheid
vom 01.03.2016 abgewiesen.
Zur Begründung hat es ausgeführt, der von der Klägerin angegriffene Bescheid vom 13.04.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 11.04.2013 sei rechtmäßig. Die Voraussetzungen für eine Änderung des Bescheides vom 08.04.2009 aufgrund von § 44 SGB X lägen nicht vor. Die Beklagte habe zutreffend unter Anwendung von §
100 Abs.
1 Satz 1
SGB VI eine wesentliche Änderung bei einer laufenden Rentenzahlung mit Beginn des Monats angenommen, in welchem die Änderung erfolgt
sei. Eine Änderung zu Gunsten der Klägerin sei hier erst mit Rechtskraft des Scheidungsurteils im Dezember 2008 erfolgt, so
dass rechtmäßig eine Anpassung zum 01.01.2009 erfolgt sei. Eine Berücksichtigung des Versorgungsausgleichs zu einem früheren
Zeitpunkt sei aus Rechtsgründen nicht möglich.
Gegen das ihr am 02.03.2016 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 20.03.2016 Berufung eingelegt. Sie verweist weiterhin darauf,
dass in der familiengerichtlichen Entscheidung ein Anspruch auf Versorgungsausgleich ab März 2002 festgelegt worden sei; dies
hätte ihr das Familiengericht auf Nachfrage nochmals bestätigt.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Münster vom 01.03.2016 den Bescheid der Beklagten vom 13.04.2012
in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.04.2013 aufzuheben und diese zu verpflichten, unter Abänderung des Bescheides
vom 08.04.2009 eine höhere Rente wegen Erwerbsunfähigkeit unter Berücksichtigung der durch den Versorgungsausgleich übertragenen
Anwartschaften bereits ab dem 01.04.2002 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist die Beklagte auf ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakten
der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht Münster hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin ist durch den Bescheid der Beklagten vom 13.04.2012
in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.04.2013 nicht im Sinne von §&8239;54 Abs.&8239;2 Satz&8239;1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) beschwert, da dieser rechtmäßig ist. Weil die Beklagte sich inhaltlich auf den - grundsätzlich statthaften - Widerspruch
der Klägerin vom 17.09.2012 eingelassen hat, kommt es auf die Frage, ob der Widerspruch fristgerecht iSd. §&8239;84 Abs.&8239;1
Satz&8239;1
SGG erhoben worden ist, nicht an (siehe zu den Einzelheiten etwa Leitherer, in: Meyer-Ladewig&8239;/&8201;Keller&8239;/&8201;Leitherer
-Hrsg.-,
SGG, §&8239;84 Rn.&8239;7).
Nach §&8239;44 Abs.&8239;1 Satz&8239;1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem
Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht
oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für
die Vergangenheit zurückzunehmen.
Die Beklagte hat mit dem streitgegenständlichen Bescheid den Überprüfungsantrag der Klägerin zu Recht abgelehnt, weil diese
Voraussetzungen für eine Rücknahme nicht vorliegen. Der Ausgangsbescheid vom 08.04.2009 ist rechtmäßig.
Nach §
66 Abs.
1 Nr.
5 Sechtes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) sind bei der Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte Zu- oder Abschläge aus einem durchgeführten Versorgungsausgleich
zu berücksichtigen. Das Familiengericht B hat mit Urteil vom 21.08.2008 Rentenanwartschaften in Höhe von 187, 91 EUR bezogen
auf den 31.03.2002 auf das Versicherungskonto der Klägerin übertragen.
Maßgeblich für den Zeitpunkt der Erhöhung der Rente ist die Vorschrift des §&8239;100 Abs.&8239;1 Satz&8239;1SGB VI. Ändern
sich aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen die Voraussetzungen für die Höhe einer Rente nach ihrem Beginn, wird die Rente
in neuer Höhe von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Änderung wirksam ist. Wiksam wurde der mit familiengerichtlichem
Urteil ausgesprochene Versorgungsausgleich erst mit der Rechtskraft des Urteils am 10.12.2008 (dazu Bundessozialgericht, Urteil
vom 22.04.2008 - B 5a R 72/07 R -, juris Rn. 16 m.w.N.). Entscheidungen, die den Versorgungsausgleich betreffen, werden gemäß
§ 53g Abs. 1 Gesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit (FGG) erst mit ihrer Rechtskraft wirksam. Diese Vorschrift ist weiterhin anzuwenden, denn nach der Übergangsvorschrift des §&8239;48
Abs.&8239;1 Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG) ist in Verfahren über den Versorgungsausgleich, die vor dem 01.09.2009 eingeleitet worden sind, das bis dahin geltende materielle
Recht und Verfahrensrecht weiterhin anzuwenden. Die Ausnahmen des § 48 Abs. 2 und 3 VersAusglG liegen nicht vor.
Auf die Ausführungen des Sozialgerichts Münster in dem Gerichtsbescheid vom 01.03.2016, dort insbesondere Seiten 8 und 9,
kann diesbezüglich nach eigener Prüfung Bezug genommen werden. Die familiengerichtliche Entscheidung über den Versorgungsausgleich
wurde am 10.12.2008 rechtskräftig. In der Folge waren die Entgeltpunkte auf das Versicherungskonto der Klägerin zu übertragen.
Damit änderten sich aus tatsächlichen Gründen die Voraussetzungen für die Höhe der Rente und die Rente in neuer Höhe war ab
dem 01.01.2009 zu leisten.
Durch das Familiengericht B konnte andere Ausgestaltung nicht durchgeführt werden und ist auch nicht vorgenommen worden. Wie
sich aus dem Wortlaut der familiengerichtlichen Entscheidung ergibt, ist mit der Angabe des 31.03.2002 nicht der Beginn des
Versorgungsausgleichs, sondern der Bezugszeitpunkt für die Umrechnung des Betrages in Entgeltpunkte angegeben; dies ergibt
sich jedenfalls zweifelsfrei in Zusammenhang mit dem Satz: "Es wird angeordnet, dass der Monatsbetrag der übertragenen Rentenanwartschaften
in Entgeltpunkte umzurechnen ist." Die Angabe eines Bezugszeitpunktes durch das Familiengericht war erforderlich, da es einen
konkreten Euro-Betrag der übertragenen Anwartschaft angegeben hat. Dieser Betrag war, da es sich um einen internen Ausgleich
innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung handelt, von der Beklagten in Entgeltpunkte umzurechnen.
Ein anderes Verständnis ergibt sich auch nicht daraus, dass in den Gründen des familiengerichtlichen Urteils zum Versorgungsausgleich
von einem "Ende der Ehezeit" am 31.03.2002 die Rede ist. Dabei handelt es sich nämlich um das Ende der Ehezeit im Sinne des
Versorgungsausgleichs (siehe dazu § 3 Abs. 1 VersAusglG). Das familienrechtliche Ende der Ehezeit ist hingegen die Rechtskraft des Scheidungsurteils.
Auch die rechnerische Umwandlung der von dem Familiengericht ausgewiesenen Beträge in Entgeltpunkte und die Übertragung auf
das Versicherungskonto der Klägerin erfolgte richtig.
Soweit die Klägerin in dem Termin zur mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, der Versichertenälteste hätte ihr die Auskunft
gegeben, der Abzug der Entgeltpunkte von dem Versicherungskonto des geschiedenen Ehemanns sei bereits 2003 erfolgt, lässt
sich dies anhand der Akten nicht nachvollziehen. Selbst wenn dies so wäre, so wäre nicht die Klägerin, sondern ihr geschiedener
Ehemann in seinen Rechten verletzt, denn die Übertragung nach Rechtskraft des familiengerichtlichen Urteils entspricht - wie
oben ausgeführt - den gesetzlichen Vorgaben.
Bei Erlass des Bescheides vom 08.04.2009 ist das Recht richtig angewandt worden. Die Beklagte hat eine Änderung daher mit
dem streitgegenständlichen Bescheid rechtsfehlerfrei abgelehnt. Die Entschiedung des Sozialgerichts Münster ist rechtmäßig;
die Berufung war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe, im Sinne von §
160 Abs.
2 SGG die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.