Anspruch auf Prozesskostenhilfe im sozialgerichtlichen Verfahren
Anforderungen an eine hinreichende Aussicht auf Erfolg der beabsichtigten Rechtsverfolgung in einem Rechtsstreit über die
Voraussetzungen für den Eintritt einer Rücknahmefiktion nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG
Anforderungen an die Zustellung
Gründe
I.
Die Kläger wenden sich in dem zugrunde liegenden Berufungsverfahren gegen einen Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Duisburg
(SG) vom 02.06.2020, durch welchen festgestellt wurde, dass das von ihnen geführte Klageverfahren S 45 AS 94/19 durch Klagerücknahmefiktion in der Hauptsache erledigt ist.
In dem Klageverfahren S 45 AS 94/19 hatten die Kläger am 08.01.2019 vor dem SG "Klage gegen die Bescheide vom 06.11.2017 und 08.11.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.12.2018" erhoben. Der
Klageschrift beigefügt waren ein Bescheid vom 08.11.2017 betreffend die endgültige Festsetzung von Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 01.09.2014 bis 28.02.2015 sowie zwei Erstattungsbescheide vom 08.11.2017, mit denen von den Klägern jeweils
für den genannten Zeitraum erhaltene Leistungen erstattet verlangt wurden, sowie ein an die Klägerin zu 1) gerichteter Widerspruchsbescheid
vom 05.12.2018. Eine Begründung der Klage erfolgte nicht, obgleich diese mit der Klageeingangsbestätigung des SG vom 09.01.2019 angefordert wurde. An die Übersendung wurde mit Verfügungen vom 14.02.2019, 18.03.2019, 17.04.201 und 24.05.2019
erinnert. Mit gerichtlicher Verfügung vom 02.07.2019 forderte der Kammervorsitzende des SG den Klägerbevollmächtigten auf, das Verfahren innerhalb von drei Monaten nach Zustellung der Aufforderung gemäß §
102 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) durch Begründung der Klage zu betreiben. Auf die Klagerücknahmefiktion des §
102 Abs.
2 SGG werde ausdrücklich hingewiesen. Eine beglaubigte Abschrift des - mit vollständigem Namen des Kammervorsitzenden unterzeichneten
- Schreibens wurde gegen Empfangsbekenntnis am 08.07.2019 von dem SG an den Klägerbevollmächtigten sowie den Beklagten abgesandt. Nachdem der Klägerbevollmächtigte am 29.07.2019 erfolglos an
die Rücksendung des Empfangsbekenntnisses erinnert wurde, verfügte das Gericht eine Zustellung des Schreibens vom 02.07.2019
per Postzustellungsurkunde. Ausweislich der Postzustellungsurkunde wurde das Schreiben am 15.08.2019 durch Einlegung in den
zum Geschäftsraum gehörenden Briefkasten zugestellt. Das Empfangsbekenntnis übersandte der Prozessbevollmächtigte am 26.08.2019
an das SG zurück mit der Angabe, er habe die Verfügung vom 02.07.2019 am 23.08.2019 erhalten. Am 18.11.2019 übersandte er eine Klagebegründung
nebst -anträgen.
Das SG hat das Verfahren unter dem Aktenzeichen S 41 As 917/20 WA wieder eingetragen. Die Kläger haben vorgetragen, die Klagerücknahmefiktion
greife nicht. Das Gericht habe bei Erlass der Betreibensaufforderung nicht davon ausgehen dürfen, dass ihnen an einer Sachentscheidung
nicht gelegen sei. Es sei unschädlich, dass sie ihre Klage zunächst nicht begründet hätten, denn mangels einer Begründungspflicht
für das Klagebegehren könne eine Betreibensaufforderung nicht schlicht auf eine fehlende Begründung der Klage gerichtet werden.
Vielmehr seien konkrete Mitwirkungshandlungen zu bezeichnen, die zur Klärung des Sachverhalts und zur Ermöglichung einer Entscheidung
unerlässlich seien. Außerdem sei die Klage innerhalb der gesetzten Frist begründet worden. Das Datum der Unterzeichnung des
Empfangsbekenntnisses, hier der 23.08.2019, welches nicht identisch mit dem Zugang des Schriftstücks sein müsse, bestimme
den Zeitpunkt der Zustellung und löse den Fristablauf aus. Außerdem hätten im Zeitpunkt des Eingangs des Empfangsbekenntnisses
erhebliche Zweifel am angenommenen Wegfall des Rechtsschutzinteresses bestanden haben müssen. Immerhin hätten die Kläger die
geforderte Klagebegründung innerhalb der mit ihrem EB in Lauf gesetzten Frist auch begründet. Das SG habe die Konfusion selbst verursacht, indem es den Schriftsatz vom 02.07.2019 einmal mittels EB und einmal mittels PZU zugestellt
habe.
Die Kläger haben schriftsätzlich (sinngemäß) beantragt,
1.
festzustellen, dass das Verfahren S 45 AS 94/19 nicht durch Klagerücknahmefiktion gemäß §
102 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz in der Hauptsache erledigt ist und
2.
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 08.11.2017 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 28.08.2018 und vom 24.09.2018
sowie der Widerspruchsbescheide vom 05.12.2018 über die endgültige Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
dazu zu verpflichten, den Klägern für den Zeitraum vom 01.09.2014 bis 28.02.2015 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
in gesetzlicher Höhe zu bewilligen und die Erstattungsbescheide der Beklagten vom 08.11.2017 in Gestalt der Änderungsbescheide
vom 28.08.2018 und 24.09.2018 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 05.12.2018 im gesetzlichen Umfang aufzuheben.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 02.06.2020 festgestellt, dass das Verfahren S 45 AS 94/19 durch Klagerücknahmefiktion gemäß §
102 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz in der Hauptsache erledigt ist. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, dass das Verfahren mit Ablauf des 15.11.2019 aufgrund der Klagerücknahmefiktion beendet sei. Die Voraussetzungen
seien gegeben, da eine wirksame Betreibensaufforderung vorliege und die Kläger das Verfahren innerhalb der maßgeblichen Dreimonatsfrist
nicht betrieben hätten. Die Klageerhebung sei ersichtlich nur fristwahrend erfolgt, in der Folgezeit hätten die Kläger nicht
nur die Eingangsverfügung, sondern auch vier Erinnerungen des Gerichts missachtet. Dieses sei nicht verpflichtet, auf die
reine Klageerhebung hin etwa anhand der Leistungsakte mögliche Klagebegehren der Kläger von Amts wegen "ins Blaue hinein"
zu ermitteln. Die Kläger seien gerade aufgrund ihrer anwaltlichen Vertretung gehalten gewesen, dem Gericht aus ihrer Sicht
entscheidungserhebliche Tatsachen mitzuteilen. Entgegen der Auffassung der Kläger genüge eine lediglich pauschale Aufforderung
zur Klagebegründung nur dann nicht, wenn bereits die Streitgegenstände geklärt, Klageanträge gestellt und umfassend zur Sache
vorgetragen worden sei. Dies sei vorliegend nicht der Fall, vielmehr sei das Klagebegehren noch völlig ungeklärt gewesen.
Die Annahme eines fehlenden Interesses habe sich auch gerade aus der gänzlich ausbleibenden Rückmeldung des Prozessbevollmächtigten
auf die Vielzahl von Erinnerungen ergeben. Auch das weitere Klägerverhalten nach Erhalt der Betreibensaufforderung habe den
Rückschluss zugelassen, dass kein weiteren Interesse an der Fortsetzung des Rechtsstreits bestanden habe. Denn trotz Erinnerung
sei das Empfangsbekenntnis zur Verfügung vom 02.07.2019 nicht zurückgesandt worden. Auch reiche eine reine Rücksendung des
Empfangsbekenntnisses nicht aus, um das Interesse am Verfahren zu bekunden, da dadurch das Verfahren nicht in der Sache betrieben,
sondern nur eine anwaltliche Obliegenheit erfüllt worden sei. Zudem seien die formalen Voraussetzungen der Betreibensaufforderung
erfüllt und die Frist abgelaufen. Maßgebliches Datum für die Berechnung der Dreimonatsfrist sei die Zustellung per Postzustellungsurkunde
am 15.08.2019.
Gegen den ihnen am 08.06.2020 zugestellten Gerichtsbescheid haben die Kläger am selben Tag Berufung eingelegt. Zur Begründung
wiederholen und vertiefen sie ihr erstinstanzliches Vorbringen. Die vom SG vertretenen Auffassung, nicht zu Ermittlungen ins Blaue hinein verpflichtet gewesen zu sein, verfange nur dann, wenn ein
Kläger weder im gerichtlichen noch im außergerichtlichen Verfahren sein Begehren begründet habe und sich dem Gericht auch
von Amts wegen keine Ansatzpunkte für eine sachgerechte Überprüfung des Verwaltungsakts aufdrängten. Vorliegend hätten die
Kläger aber im Vorverfahren ihr Begehren durch drei Widerspruchsschreiben vom 22.02.2018 und vom 26.03.2018 hinreichend begründet.
Der Beklagte hält den Gerichtsbescheid des SG für zutreffend und verweist ergänzend darauf, dass Ausgangspunkt des erstinstanzlichen Verfahrens zwei Widersprüche gewesen
seien, welchen im Rahmen der Widerspruchsbearbeitung durch Änderungsbescheide teilweise entsprochen worden sei. Die Klageschrift
enthalte keine Anhaltspunkte oder nähere Ausführungen, inwieweit die im Rahmen des Widerspruchsverfahrens ergangenen Änderungsbescheide
nach wie vor fehlerhaft sein sollten. Es sei für das SG nicht feststellbar gewesen, welches konkrete Begehren mit der Klage habe verfolgt werden sollen.
II.
Prozesskostenhilfe wird nach §
73a Abs.
1 Satz 1
SGG i.V.m. §
114 Satz 1
Zivilprozessordnung (
ZPO) bei Vorliegen der persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen im Übrigen nur gewährt, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung
oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg, denn sie ist zwar gem. §
143 SGG statthaft und auch im Übrigen zulässig (§§
144,
151 SGG), jedoch nicht begründet.
Das SG hat zu Recht festgestellt, dass das Klageverfahren S 45 AS 94/19 aufgrund fiktiver Rücknahmeerklärung beendet worden ist. Denn die Voraussetzungen für den Eintritt einer Rücknahmefiktion
nach §
102 Abs.
2 Satz 1
SGG liegen vor. Gemäß §
102 Abs.
2 Satz 1
SGG gilt eine Klage als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate
nicht betreibt, wobei nach §
102 Abs.
2 Satz 2
SGG die Regelung des §
102 Abs.
1 SGG entsprechend gilt. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und gegebenenfalls aus §
197a Abs.
1 Satz 1
SGG in Verbindung mit §
155 Abs.
2 Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO) ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen (§
102 Abs.
2 Satz 3
SGG). Vorliegend sind sowohl die Voraussetzungen einer Betreibensaufforderung im Sinne des §
102 Abs.
2 Satz 1
SGG erfüllt, zudem durfte das SG aufgrund der Umstände nach Erlass der Betreibensaufforderung unter Würdigung des Verhaltens der Kläger annehmen, dass diese
das Interesse an der Fortführung des Rechtsstreites verloren hatten.
1. Die Klagerücknahmefiktion setzt zunächst voraus, dass die Dreimonatsfrist durch eine wirksame gerichtliche Betreibensaufforderung
in Gang gesetzt worden ist.
Zum Zeitpunkt der Betreibensaufforderung müssen bestimmte, sachlich begründete Anhaltspunkte für einen Wegfall des Rechtsschutzinteresses
des Klägers bestehen (vgl. BSG, Urteil vom 04.04.2017, B 4 AS 2/16 R, juris Rn. 27). Anhaltspunkte für einen Wegfall des Rechtsschutzinteresses können sich etwa aus dem fallbezogenen Verhalten
des Klägers oder der Verletzung prozessualer Mitwirkungspflichten ergeben (BSG, Beschluss vom 08.12.2020, B 4 AS 280/20 B, juris Rn. 12 m.w.N.). Auch die Nichtvorlage einer Klagebegründung kann Anlass für und die Aufforderung zur Vorlage einer
solchen Gegenstand einer Betreibensaufforderung sein, denn bei der Klärung des Gegenstands der Klage und der wesentlichen
Einwendungen ist der Kläger nicht von Mitwirkungsobliegenheiten freigestellt (BSG, Urteil vom 04.04.2017. a.a.O., Rn. 29). Dass die Vorlage einer Klagebegründung eine regelhafte Obliegenheit des Berufungsklägers
ist, ergibt sich schon aus der Soll-Vorschrift des §
92 Abs.
1 Satz 4
SGG. Die fehlende Vorlage einer Klagebegründung kann insbesondere dann Anlass für eine Betreibensaufforderung sein, wenn diese
trotz Fristsetzung nicht vorgelegt wird (vgl. Nachweise bei BSG, Beschluss vom 08.12.2020, aaO, Rn. 13). Denn wenn das Gericht die Kläger wiederholt und unter Fristsetzung zur Vorlage einer
Klagebegründung auffordert, ohne hierauf irgendeine Reaktion verzeichnen zu können, liegt der Gedanke nahe, dass die Kläger
an der Fortführung des Verfahrens kein Interesse (mehr) haben. Das Sozialgericht ist dann zur Klärung dieser Frage durch Aufforderung
zur Vorlage einer Begründung berechtigt, bevor es eine Sachprüfung aufnimmt. Die personellen Ressourcen der Justiz müssen
so eingesetzt werden, dass möglichst viele Verfahren einerseits zeitsparend, andererseits in einem rechtsstaatlichen Anforderungen
genügenden Rahmen behandelt und entschieden werden (so BSG, Beschluss vom 08.12.2020, a.a.O., Rn. 14 m.w.N.). Es stellt keine unzumutbare, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigende
Erschwerung des Rechtsschutzes dar, wenn einem Kläger angesonnen wird, die Gründe für die Einlegung seiner Klage darzutun,
und das Verfahren als erledigt angesehen wird, wenn er innerhalb einer Frist von drei Monaten diesem Ansinnen nicht nachgekommen
ist und auch nicht dargetan hat, warum er untätig geblieben ist (so für das Berufungsverfahren BSG a.a.O., unter Verweis auf BVerfG [Dreierausschuss] vom 07.08.1984 - 2 BvR 187/84 - NVwZ 1985, 33 [34]).
Diese Voraussetzungen für eine Betreibensaufforderung lagen vor. Die Kläger waren vom SG mit der Eingangsbestätigung unter Fristsetzung zur Vorlage einer Klagebegründung aufgefordert und hieran viermal erinnert
worden, ohne hierauf in irgendeiner Weise zu reagieren. Die Kläger haben sich damit zwischen der Klageerhebung am 08.01.2019
und der Betreibensaufforderung vom 02.07.2019, also über einen Zeitraum von knapp einem halben Jahr, gegenüber dem SG nicht geäußert. Es ist auch weder ersichtlich noch vorgetragen, warum es den Klägern nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen
wäre, eine zumindest kurze Berufungsbegründung vorzulegen. Dies gilt vorliegend umso mehr, als in der Klageschrift nicht einmal
ein Antrag angekündigt wurde und die Bescheide, über die ausweislich des nach Eintritt der Rücknahmefiktion übersandten klägerischen
Schriftsatz vom 17.11.2019 entschieden werden sollte, weder vollständig benannt noch sämtlich der Klageschrift beigefügt waren.
Insoweit hilft auch der Verweis auf die im Widerspruchsverfahren erfolgte Begründung nicht weiter, denn auf diese ist durch
Erlass von Änderungsbescheiden reagiert worden. Insoweit konnte das Sozialgericht nicht wissen, ob die Klageerhebung nur vorsorglich
zur Fristwahrung erfolgt ist oder ob und welches Klagebegehren tatsächlich verfolgt werden sollte.
Die Betreibensaufforderung genügte auch im Übrigen den an sie zu stellenden Ansprüchen. Sie nannte den Anlass - die fehlende
Klagebegründung -, forderte zur Vorlage derselben auf und wies auf die Rechtsfolgen - nämlich die Klagerücknahmefiktion -
im Fall der der Nichtvorlage innerhalb der Frist von drei Monaten nach Zugang des Schreibens hin. Eines Hinweises auf eine
Kostenfolge bedurfte es nicht, da es sich nicht um ein nach §
197a Abs
1 Satz 1
SGG kostenpflichtiges Verfahren handelt. Sie war auch von dem Kammervorsitzenden mit vollem Namen unterzeichnet worden.
Da die Betreibensaufforderung eine gesetzliche Frist in Gang setzt, ist sie gemäß §
63 Abs.
1 Satz 1
SGG zuzustellen. Dies ist hier geschehen. Die beglaubigte Abschrift der Betreibensaufforderung ist den Klägern mit Postzustellungsurkunde
am 15.08.2019 durch Einlegen in den Briefkasten der Geschäftsräume ihres Bevollmächtigten rechtswirksam zugestellt worden.
Zum Nachweis der Zustellung ist eine Urkunde ordnungsgemäß angefertigt worden (§
63 Abs.
2, §
105 Abs.
1 S. 3, §
133 SGG, §
178 Abs.
1 Nr.
1, §§
180,
182 ZPO). Nach den vom Zusteller in der Zustellungsurkunde vermerkten Angaben lagen die Voraussetzungen für eine Ersatzzustellung
vor und er hatte diese durch Einlegen des Schriftstücks in einen zum Geschäftsraum gehörenden Briefkasten gemäß §
180 Satz 1
ZPO bewirkt. Entgegen dem Vortrag der Kläger kommt es insoweit auf die Zustellung gegen Empfangsbekenntnis gem. §
63 Abs.
2 SGG i.V.m. §
174 Abs.
1, 4
ZPO nicht an. Auch wenn der Prozessbevollmächtigte das Empfangbekenntnis betreffend die am 08.07.2019 abgesandte Betreibensaufforderung
vom 02.07.2019 erst am 23.08.2020 unterzeichnet und das Schriftstück damit als zugestellt entgegengenommen hat, ist für den
Fristbeginn gleichwohl die erste rechtswirksam erfolgte Zustellung des Schreibens per Postzustellungsurkunde maßgeblich. Entgegen
dem Vortrag der Kläger hat das Gericht auch insoweit nicht "die Konfusion selbst verursacht". Denn es handelte sich ersichtlich
um die gleiche gerichtliche Verfügung vom 02.07.2019, die per Postzustellungsurkunde zugestellt worden ist, nachdem der Klägerbevollmächtigte
das Empfangsbekenntnis trotz Erinnerung nicht zurückgesandt hatte. Da die Rücksendung des Empfangsbekenntnisses nur standesrechtlich,
nicht jedoch prozessrechtlich erzwungen werden kann, ist das Gericht im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens befugt, eine
andere Zustellungsart zu wählen, die nicht der Mitwirkung des Empfängers bedarf (vgl. Siebert in: Saenger,
ZPO, 8. Aufl. 2019, §
174 Rn. 5). Der (zunächst) nicht mitwirkende Empfänger kann den Lauf der zustellungsabhängigen Frist nicht dadurch neu beginnen
lassen, dass er das Empfangsbekenntnis nach zwischenzeitlich anderweitig rechtswirksam erfolgter Zustellung unterzeichnet
und sich damit zur Zustellung bekennt. Die Dreimonatsfrist endete mithin gemäß §
64 Abs.
2 Satz 1, Abs.
3 SGG mit Ablauf des 15.11.2019, einem Freitag.
2. Die Kläger haben das Verfahren binnen der durch die Betreibensaufforderung in Gang gesetzten Frist nicht betrieben. Ob
das weitere Verhalten der Kläger nach der Betreibensaufforderung als Betreiben zu qualifizieren ist, ist anhand der Umstände
des Einzelfalles zu beurteilen (BSG, a.a.O.). Den Maßstab bildet insofern insbesondere die Betreibensaufforderung selbst. Je konkreter die Betreibensaufforderung
ist, desto konkreter muss der Berufungskläger vortragen. Schweigen stellt nie Betreiben dar. Nach diesen Maßstäben haben die
Kläger das Verfahren nicht betrieben. Bis zum Ablauf der Frist am 15.11.2018 haben sie sich nicht geäußert. Die bloße Erfüllung
der standesrechtlichen Obliegenheit zur Rücksendung des Empfangsbekenntnisses stellt - worauf das SG bereits zutreffend hingewiesen hat - kein Betreiben des Verfahrens dar.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
177 SGG).