Versagung von Leistungen nach dem SGB II
Folgen einer fehlenden Mitwirkung eines Antragstellers
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen eine Versagung von Leistungen für die Zeit von März 2013 bis Juni 2013.
Der Kläger war als Energieberater (BAFA) und Effizienzhaus-Experte (dena) selbständig tätig. Für die Bewilligungszeiträume
vom 01.09.2011 bis 29.02.2012 und vom 01.03.2012 bis 31.08.2012 wurden ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach
dem SGB II vorläufig bewilligt. Die Leistungsbewilligung erfolgte vorläufig, weil der Kläger Einkünfte aus selbständiger Erwerbstätigkeit
erzielte, deren Höhe bei Antragstellung noch nicht feststand.
Am 28.02.2013 beantragte der Kläger bei der Beklagten Leistungen nach dem SGB II. Mit Schreiben vom 28.02.2013 forderte der Beklagte den Kläger u.a. auf, bis zum 14.03.2013 abschließende Angaben zum Einkommen
in dem Zeitraum 01.09.2011 bis 29.02.2012 zu machen. Des Weiteren sollte der Kläger darlegen, wie er in der Zeit seit der
Nichtgewährung von Leistungen gelebt habe. Die Beklagte wies den Kläger darauf hin, erst nach Eingang der Unterlagen könne
über den Antrag abschließend entschieden werden. Sollte er seinen Mitwirkungspflichten nicht nachkommen, könne sein Antrag
wegen der fehlenden Mitwirkung abgelehnt werden.
Mit weiterem Schreiben vom 11.03.2013 forderte die Beklagte den Kläger auf, die abschließende Gewinn- und Verlustrechnung
für die Zeit vom 01.03.2012 bis 31.08.2012 einzureichen. In diesem Schreiben wies die Beklagte den Kläger erneut auf seine
Mitwirkungspflichten sowie die Möglichkeit der Ablehnung des Antrags bei Nichterfüllung der Mitwirkungspflichten hin.
Der Kläger reichte keine Unterlagen ein. Mit Bescheid vom 22.03.2013 versagte die Beklagte Leistungen. Mit Schreiben vom 28.02.2013
und 11.03.2013 sei der Kläger aufgefordert worden, fehlende Unterlagen einzureichen. Auf die Folgen bei fehlender Mitwirkung
sei der Kläger hingewiesen worden. Bei der Entscheidung sei Ermessen ausgeübt worden. Die Vorlage der Unterlagen sei dem Kläger
möglich gewesen. Durch das Verhalten des Klägers sei es der Beklagten nicht möglich, eine Entscheidung zu treffen.
Gegen den am 26.03.2013 zugestellten Bescheid vom 22.03.2013 legte der Kläger am 25.04.2013 Widerspruch ein. Die Rechtsfolgenbelehrung
sei zu unbestimmt. Auch habe eine Anhörung nach § 24 SGB X nicht stattgefunden. Das Schreiben vom 11.03.2013 sei ihm zudem erst am 12.03.2013 zugegangen. Die gesetzte Frist zur Einreichung
der Unterlagen sei daher viel zu kurz bemessen. Zudem liege für den Zeitraum vom 01.03.2012 bis 31.08.2012 bereits eine endgültige
Bewilligung vor.
Mit Schreiben vom 10.06.2013 gab die Beklagte dem Kläger nochmals Gelegenheit, die fehlenden Unterlagen bis zum 26.06.2013
einzureichen. Dabei handelte es sich u.a. um die Anlage EK, eine endgültige EKS für den Zeitraum 01.09.2011 bis 28.02.2012,
für den Zeitraum 01.03.2012 bis 31.08.2012 und 01.09.2012 bis 31.01.2013. Die Beklagte forderte den Kläger auf, bezüglich
der Einnahmen für die vorgenannten Zeiträume entsprechende Belege, betriebswirtschaftliche Auswertungen, Gewinn- und Verlustrechnungen
bzw. Überschussrechnungen, Kontoauszüge und/oder Rechnungen vorzulegen. Sofern er seine selbständige Tätigkeit weiterhin ausübe,
solle er für den Zeitraum 01.02.2013 bis 31.07.2013 Angaben über sein voraussichtliches Einkommen machen. Auch solle er Angaben
dazu machen, wovon er seit dem 01.09.2012 gelebt habe. Sollte er seinen Mitwirkungspflichten nicht bzw. nicht vollständig
nachkommen, könnten die beantragten Leistungen nach §
66 SGB I ganz oder teilweise versagt oder entzogen werden.
Am 01.07.2013 teilte der Kläger im Rahmen einer erneuten Antragstellung der Beklagten mit, dass er das Schreiben vom 10.06.2013
nicht erhalten habe. Im Rahmen der Antragstellung gab er an, dass er Einnahmen in Höhe von ca. 1.200,00 EUR in den nächsten
sechs Monaten erwarte.
Mit Schreiben vom 04.07.2013 forderte die Beklagte den Kläger auf, die mit Schreiben vom 10.06.2013 angeforderten Unterlagen
bis zum 19.07.2013 vorzulegen. Die Unterlagen für die vergangenen Zeiträume seien notwendig, um überprüfen zu können, ob die
aktuelle Prognose für den Bewilligungszeitraum zutreffend sei. Sollte er seinen Mitwirkungspflichten nicht bzw. nicht vollständig
nachkommen, könnten die beantragten Leistungen nach §
66 SGB I ganz oder teilweise versagt oder entzogen werden.
Mit Schreiben vom 30.06.2013 erklärte der Kläger der Beklagten, er werde seit dem 01.09.2012 von seinen Eltern, die Rentner
seien, unterstützt.
Mit Schreiben vom 12.07.2013 teilte der Kläger mit, er sei nicht bereit, Angaben über sein voraussichtliches Einkommen zu
machen. Der Bewilligungszeitraum vom 01.03.2013 bis 30.06.2013 sei bereits abgelaufen. Sein Einkommen für diesen Zeitraum
ergebe sich aus den Kontoauszügen, welche er bei seiner Antragstellung am 01.07.2013 vorgelegt habe. Die Aufforderung, eine
abschließende Gewinn- und Verlustrechnung für den Zeitraum 01.09.2012 bis 31.01.2013 vorzulegen, sei rechtswidrig. In diesem
Zeitraum habe er nicht im Leistungsbezug bei der Beklagten gestanden. Seine Hilfebedürftigkeit habe er durch die Vorlage der
Kontoauszüge ebenfalls glaubhaft gemacht.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.08.2013 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück.
Mit seiner am 17.09.2013 erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Die von der Beklagten geforderten Nachweise
seien für die vorläufige Bewilligung ab dem 01.09.2012 nicht erforderlich. Seine Hilfebedürftigkeit habe sich aus den vorliegenden
Kontoauszügen ergeben. Er erziele lediglich Einnahmen, die unbar gezahlt würden. Zudem würde das Einkommen monatlich nicht
100 EUR übersteigen, eine Anrechnung sei daher nicht möglich. Lediglich seine Ausgaben könnten nicht ermittelt werden. Eine
vollständige Versagung ohne Ausübung eines dahingehenden Ermessens sei ermessensfehlerhaft. Auch sei das Gebot der Verhältnismäßigkeit
nicht beachtet worden. Unabhängig davon lägen die Voraussetzungen für eine Versagung der Leistungen nicht vor. Die Ermittlungen
der Beklagten würden nicht erheblich erschwert. Die Leistungen hätten auch nur allenfalls hinsichtlich des Teils der Leistungen
versagt werden dürfen, der durch die fehlende Mitwirkung nicht nachgewiesen werden könne. Dieser Teil betreffe nur die Ausgaben
und nicht die Einnahmen.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid vom 22.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.08.2013 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Beschluss vom 25.11.2014 hat das Sozialgericht den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt,
die hiergegen erhobene Beschwerde hat der Senat mit Beschluss vom 31.08.2015 zurückgewiesen (L 7 AS 2372/14 B).
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 23.03.2016 abgewiesen. Die Beklagte habe Leistungen zu Recht versagt, der Kläger
sei seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen. Die Beklagte sei berechtigt gewesen, eine Aufstellung der tatsächlichen
Einnahmen und Ausgaben für die Zeit vom 01.09.2011 bis 28.02.2012, 01.03.2012 bis 31.08.2012 und 01.09.2012 bis 31.01.2013
zu verlangen. Die Aufforderung, für einen bestimmten Zeitraum Nachweise über die tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben vorzulegen,
sei vom Amtsermittlungsgrundsatz gedeckt. Diese Angaben seien erforderlich, um entsprechend der Vorgaben des § 3 Alg II-V das Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit zu berechnen. Diese Mitwirkungsobliegenheit beziehe sich auch auf in der Vergangenheit
liegende Verhältnisse. Aufgrund der in der Vergangenheit erzielten Geschäftsergebnisse sei eine Prognose möglich, wie das
voraussichtliche Einkommen im aktuellen Zeitraum sein werde. Durch die Vorlage von Kontoauszügen erfülle der Kläger seine
Mitwirkungsobliegenheit nicht. Es seien vielmehr Angaben über die konkreten Einnahmen und Ausgaben erforderlich.
Gegen das am 13.04.2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 31.03.2016 Berufung eingelegt. Aus der Gesetzgebung sowie aus
vielen Entscheidungen des Bundessozialgerichts als auch des Bundesverfassungsgerichts gehe hervor, dass es bei der Berechnung
des Einkommens aus selbstständiger Tätigkeit ausschließlich auf die tatsächlich zufließenden Betriebseinnahmen im voraussichtlichen
Bewilligungszeitraum ankomme und einer konservativen Vorgehensweise bei der Schätzung der Vorzug zu geben sei. In der Sache
seien die Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben für den streitgegenständlichen Zeitraum lückenlos durch Kontoauszüge des
separaten Geschäftskontos belegt. Eine Anhörung sei vor Erlass des streitgegenständlichen Versagungsbescheides nicht erfolgt.
Das Vorgehen der Beklagten, die abschließenden Anlagen EKS nebst Nachweisen für vergangene Zeiträume zu verlangen, entspreche
nicht den Vorgaben der Alg II-V. Zudem sei in seinem Fall auch eine Jahresbetrachtung seines Einkommens nicht angezeigt. Ferner habe die Beklagte es versäumt,
bei Nichtvorlage der abschließenden Anlage EKS eine Schätzung vorzunehmen. Die Versagung von Leistungen wegen der nicht erfolgten
Vorlage der abschließenden Anlage EKS für den Zeitraum 01.09.2011 bis 29.02.2012 sei bereits Gegenstand einer vorrangegangen
Versagung (Bescheid vom 12.09.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.01.2013) gewesen. Es erfolge eine Doppelsanktionierung,
da die Beklagte die streitgegenständliche Versagung auch auf die Nichteinreichung der Anlage EKS für den Zeitraum 01.09.2011
bis 28.02.2012 gestützt habe. Das Sozialgericht Münster habe im Urteil vom 23.03.2016 nicht das rechtskräftige Urteil des
LSG Nordrhein Westfalen vom 25.06.2013 - L 2 AS 2249/12 berücksichtigt, mit welchem ihm die Leistungen "Gründungszuschuss und Einstiegsgeld" für seine selbstständige Tätigkeit versagt
worden seien, weil die Beklagte selbst davon ausgegangen sei, ein anrechenbares Einkommen aus Selbständigkeit sei im Zeitraum
01.09.2012 bis 30.06.2013 nicht erzielt worden und die selbstständige Tätigkeit sei insgesamt nicht tragfähig.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 23.03.2016 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 22.03.2013
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.08.2013 neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.
Der Senat hat die Beteiligten zu einer Entscheidung durch Beschluss nach §
153 Abs.
4 SGG angehört.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrigen Gerichtsakten
sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Der Senat kann die Berufung gemäß §
153 Abs.
4 SGG durch Beschluss zurückweisen, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich
hält. Soweit der Kläger vorträgt, die Sachverhalte seien nicht ermittelt und er sehe sich als "nicht gehört" (Schriftsatz
vom 15.09.2016), begründet dies die Notwendigkeit einer mündlichen Verhandlung nicht. Maßgeblich sind Rechtsfragen, die anhand
des Akteninhalts beantwortet werden können. Der Kläger hatte die Gelegenheit, sich zur Sache zu äußern. Diese Gelegenheit
hat er ausführlich genutzt. Deshalb ist eine mündliche Verhandlung weder zur Aufklärung des Sachverhalts noch zur Wahrung
des rechtlichen Gehörs des Klägers geboten.
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die zutreffend als Anfechtungsklage gegen den Versagensbescheid
auszulegende Klage zu Recht abgewiesen.
Zur Begründung nimmt der Senat vollumfänglich Bezug auf seine Ausführungen im Beschluss vom 31.08.2015. Hierin hat der Senat
ausgeführt:
"Die Rechtsverfolgung bietet nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Die Beklagte ist entgegen der Ansicht des Klägers berechtigt gewesen, aufgrund der Nichtvorlage der geforderten Unterlagen
die Leistungen nach §
66 Abs.
1 SGB I vollständig zu versagen.
Kommt derjenige, der eine Sozialleistung beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 nicht
nach und wird hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert, kann der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen
die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, soweit die Voraussetzungen der
Leistung nicht nachgewiesen sind, §
66 Abs.
1 SGB I. Sozialleistungen dürfen wegen fehlender Mitwirkung nur versagt oder entzogen werden, nachdem der Leistungsberechtigte auf
diese Folge schriftlich hingewiesen worden ist und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen
Frist nachgekommen ist, §
66 Abs.
3 SGB I.
Die Beklagte war berechtigt, die Aufstellung der tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben für die Zeit vom 01.09.2011 bis 28.02.2012,
Zeitraum 01.03.2012 bis 31.08.2012 und 01.09.2012 bis 31.01.2013 zu verlangen. Gem. §
60 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 und
3 SGB I hat derjenige, der eine Sozialleistung beantragt oder erhält, alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind,
Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen. Diese Regelung hat
vor allem die Funktion, den Leistungsträger überhaupt in die Lage zu versetzen, seiner Pflicht zur Ermittlung des Sachverhalts
von Amts wegen nachkommen zu können. Nur der Kläger kennt die näheren Umstände, die ihn zur Antragstellung veranlasst haben.
Gemäß § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. §
328 Abs.
1 Satz 1 Nr.
3, Satz 3
SGB III hat die Beklagte eine vorläufige Entscheidung über einen Leistungsantrag zu treffen, wenn zur Feststellung des Anspruchs
voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist, die Voraussetzungen für den Anspruch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorliegen
und der Kläger die Umstände, die einer sofortigen abschließenden Entscheidung entgegenstehen, nicht zu vertreten hat. Hinsichtlich
der Ermittlung der Höhe der Leistungen besteht ein (im Hinblick auf den existenzsichernden Charakter von SGB II-Leistungen enger) Ermessensspielraum im Sinne eines Auswahlermessens. Das Auswahlermessen ist dabei zweckentsprechend auf
die Frage begrenzt, welche voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben der Prognoseentscheidung zugrunde zu legen sind, weil
vorläufige Leistungen in derjenigen Höhe gewährt werden sollen, die bei Bestätigung der wahrscheinlich vorliegenden Voraussetzungen
auch endgültig zu leisten sein werden (vgl. auch BSG Urteil vom 06.04.2011 - B 4 AS 119/10 R). Um zum einen zu prüfen, ob ein Leistungsanspruch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gegeben ist und um zum anderen
eine ausreichende Grundlage für die Ermittlung der prognostischen Höhe etwaiger Leistungen zu schaffen, ist die Beklagte nicht
nur ermächtigt, sondern auch verpflichtet, alle für die Entscheidung wesentlichen Umstände zu ermitteln, d.h. die maßgebenden
Tatsachen festzustellen.
Fordert das Jobcenter den Antragsteller auf, eine Aufstellung der tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben für einen bestimmten
Zeitraum sowie diesbezüglich Nachweise vorzulegen, so ist diese Aufforderung, die den Vorgaben des § 3 Alg II-V zur Berechnung der Leistungen Selbständiger entspricht, vom Amtsermittlungsgrundsatz gedeckt (vgl. auch § 21 Abs. 1 Satz 1 SGB X) und der Leistungsempfänger aufgrund seiner Mitwirkungsobliegenheit nach §
60 Abs.
1 S. 1
SGB I dazu verpflichtet, dieser Aufforderung nachzukommen. Diese Obliegenheit erstreckt sich - jedenfalls im vorliegenden Fall
- auch auf in der Vergangenheit liegende Verhältnisse. Die Beklagte stellt nachvollziehbar darauf ab, dass eine Beurteilung
der Plausibilität der Angaben des Klägers hinsichtlich seines nach Antragstellung zu erwartenden Einkommens erfordert, die
Einkommensverhältnisse in einem vor Antragstellung abgeschlossenen Zeitraum zu kennen. Dies gilt umso mehr, weil vorliegend
in jeder Hinsicht unklar ist, wovon der Kläger seit September 2012 seinen Lebensunterhalt bestreitet. Gründe dafür, dass dem
Kläger die verlangte Mitwirkungshandlung nicht zumutbar sein könnte, sind nicht erkennbar. Insbesondere ist ein Verstoß gegen
§
65 SGB I nicht ersichtlich. Die begehrte Mitwirkungshandlung steht in einem i.S.v. §
65 Abs.
1 Nr.
1 SGB I angemessenen Verhältnis zur beantragten Leistung, da der Zweck der Mitwirkungsaufforderung (d.h. die Ermittlung des prognostischen
Einkommens für den folgenden Leistungszeitraum zur Bestimmung des Umfangs der an den Antragsteller zu zahlenden Alg II-Leistungen)
in ausgewogenem Verhältnis zum Mittel (d.h. der Angabe der im Kenntnisbereich des Antragstellers liegenden finanziellen Vorgänge
bezüglich seiner selbständigen Tätigkeit) steht und damit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Dies gilt umso
mehr, als die Beklagte dem Kläger zur Erleichterung seiner Mitwirkung das hierzu entwickelte Formular übersandt hat (vgl.
§
17 Abs.
1 Nr.
3 SGB I und §
60 Abs.
2 SGB I) und der geringe Aufwand der Ausfüllung von Formularen kaum jemals als unangemessen angesehen werden kann. Eine Unzumutbarkeit
aus wichtigem Grund iSv §
65 Abs.
1 Nr.
2 SGB I ist in keiner Weise ersichtlich und vom Kläger im Übrigen auch nicht angegeben worden. Es war der Beklagten nicht möglich,
sich die erforderlichen Kenntnisse i.S.v. §
65 Abs.
1 Nr.
3 SGB I durch einen geringeren Aufwand zu beschaffen, als ihn der Kläger zu betreiben hätte (vgl. zu dem vorstehenden ausführlich
LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28.02.2013 - L 2 AS 2430/12 B ER, L 2 AS 2431/12 m.w.N.).
Die Rechtsfolge einer fehlenden Mitwirkung steht gemäß §
66 Abs.
1 Satz 1
SGB I im Ermessen der Behörde. Die Beklagte kann die beantragte Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise
versagen oder entziehen. Das Gericht darf gemäß §
54 Abs.
2 Satz 2
SGG Ermessensentscheidungen nur auf Ermessensfehler hin überprüfen.
Die vollständige Versagung der Leistungen nach §
66 Abs.
1 SGB I ist nicht ermessenfehlerhaft. Weder hinsichtlich der Frage des "ob", also der Entscheidung über eine Versagung an sich, noch
hinsichtlich der Frage des "wie", nämlich in Bezug auf eine völlige oder nur teilweise Versagung, lagen Gründe vor, die in
der Abwägungsentscheidung anders gewichtet werden müssten. Zwar hat der Kläger in der Klageschrift angegeben, dass sich sämtliche
Einnahmen aus den Kontoauszügen ergeben würden. Auch soll das Einkommen monatlich nicht 100,00 EUR erreicht haben. Im Juli
2013 hat der Kläger angegeben, er erwarte in den nächsten 6 Monaten ein Einkommen in Höhe von 1.200,00 EUR. Dieses Auseinanderfallen
von dem behaupteten Einkommen für den hier streitgegenständlichen Zeitraum und dem vom Kläger prognostizierten Einkommen für
den Zeitraum ab Juli 2013 verdeutlicht, dass es der Beklagten aufgrund der Verletzung der Mitwirkungspflicht nicht möglich
ist, die tatsächlichen Einkommensverhältnisse des Klägers und damit seine - zukünftige - Hilfebedürftigkeit realistisch zu
beurteilen. Der nicht unerhebliche Eingriff durch die Versagung in ein subjektiv-öffentliches Recht wird zudem durch den Umstand
relativiert, dass nach Nachholung der Mitwirkungshandlung gemäß §
67 SGB I nachträglich die - tatsächlich zustehenden - Leistungen erbracht werden können.
Schließlich wurde der Kläger auf die Möglichkeit der Versagung der Leistungen für den Fall, dass er Mitwirkungspflicht nicht
nachkommen, von der Beklagten schriftlich hingewiesen.
Der die Leistungen ablehnende Bescheid ist auch nicht wegen Verstoßes gegen die Anhörungspflicht nach § 24 SGB X rechtswidrig. Nach § 24 Abs. 1 SGB X ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich
zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Diese Voraussetzungen für eine Pflicht zur Anhörung sind vorliegend
erfüllt, weil der Verwaltungsakt über die Ablehnung von Leistungen nach dem SGB II in Rechte des Klägers eingegriffen hat und keine Ausnahme von dem Anhörungserfordernis nach § 24 Abs. 2 SGB X gegeben ist. Der Kläger ist vor Erlass des Bescheides vom 22.03.2013 nicht angehört worden. Dieser Verfahrensmangel der mangelnden
Anhörung ist aber gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X durch Nachholung geheilt worden. Eine wirksame Nachholung setzt voraus, dass diese den Anforderungen an eine Anhörung nach
§ 24 SGB X entspricht und insbesondere der Beteiligte über die entscheidungserheblichen Tatsachen in Kenntnis gesetzt wurde sowie Gelegenheit
zur Äußerung hatte (BSG, Urteil vom 07.07.2011 - B 14 AS 144/10 R). Vorliegend hat die Beklagte dem Kläger im Rahmen des Widerspruchsverfahrens spätestens mit dem Schreiben vom 04.07.2013
genau dargelegt, welche Angaben und Unterlagen die Beklagte zu welchem Zweck genau braucht. Auch wurde nochmals auf die Möglichkeit
der Ablehnung des Antrages bei fehlender Mitwirkung hingewiesen Der Kläger hat auf diese Aufforderung entsprechend mit seinen
Schreiben vom 30.06.2013 und 12.07.2013 reagiert und u.a. ausführlich dargelegt, warum er der Auffassung ist, die geforderten
Unterlagen nicht einreichen zu müssen."
Hieran hält der Senat auch unter Berücksichtigung des weiteren Vorbringens des Klägers im Klage- und Berufungsverfahren fest.
Die Argumentation des Klägers, die Versagung sei rechtswidrig, weil die Einnahmen in den vorangegangenen Zeiten nach § 3 Abs. 6 Alg II-V in der bis zum 31.07.2016 geltenden Fassung auch geschätzt werden könnten, verfängt nicht. Nach § 3 Abs. 6 Alg II-V aF kann, soweit über die Gewährung von Leistungen zum Lebensunterhalt nach § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II vorläufig entschieden wurde, das Einkommen im Bewilligungszeitraum für die abschließende Entscheidung geschätzt werden, wenn
das tatsächliche Einkommen nicht innerhalb eines Zeitraums von zwei Monaten nach Ende des Bewilligungszeitraums nachgewiesen
wird. Eine von § 3 Abs. 6 Alg II-V aF erfasste Fallkonstellation liegt hier nicht vor. Denn die Beklagte hat über die Leistungen ab März 2013 nicht vorläufig
entschieden, sondern Leistungen wegen fehlender Mitwirkung nach §
66 SGB I ganz versagt. Die Anforderung der Aufstellung der tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben sowie der diesbezüglichen Nachweise
sollte dazu dienen, der Beklagten eine ausreichende Grundlage für die Ermittlung der zu erwartenden Einkünfte zu geben, nicht
dazu, über vorläufig bewilligte Leistungen abschließend zu entscheiden. Ein Grundrechtsverstoß scheidet aus, weil, wie in
dem zitierten Beschluss bereits ausgeführt wurde, die Erfüllung der geforderten Mitwirkungshandlung dem Kläger ohne Weiteres
zumutbar ist. Eine Jahresbetrachtung des Einkommens wird nicht vorgenommen, da es um die Prognose zukünftiger Einnahmen geht.
Vom Vorliegen einer "Doppelsanktionierung", weil die Beklagte die Versagung von Leistungen wiederholt auf die Nichteinreichung
der EKS für den Zeitraum 01.09.2011 bis 29.02.2012 gestützt habe, ist nicht auszugehen. Richtig ist insoweit, dass die Beklagte
mit Bescheid vom 12.09.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.08.2013 Leistungen für den Zeitraum ab September
2012 mit der Begründung versagt hatte, der Kläger habe keine abschließenden Angaben zu seinem Einkommen aus der selbständigen
Tätigkeit für die Zeit vom 01.09.2011 bis 28.02.2012 getätigt. Hieraus folgt jedoch nicht die Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen
Versagungsentscheidung. Zum einen hat die Beklagte die in dem vorliegenden Verfahren streitgegenständliche Versagungsentscheidung
neben der Nichteinreichung einer abschließenden Erklärung zum Einkommen für die Zeit vom 01.09.2011 bis 28.02.2012 u.a. auch
auf die Nichteinreichung von abschließenden Erklärungen nebst Nachweisen für die Zeiträume 01.03.2012 bis 31.08.2012 und 01.09.2012
bis 31.01.2013 sowie auf die Nichteinreichung von Angaben über das voraussichtliche Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit
für den Zeitraum 01.02.2013 bis 31.07.2013 gestützt. Damit hat die Beklagte durch den streitgegenständlichen Versagungsbescheid
im Ergebnis keine inhaltlich identische Versagungsentscheidung mit Bezug auf die Verletzung von Mitwirkungshandlungen getroffen.
Zum anderen ist festzustellen, dass der Kläger keine der vorstehend aufgeführten zumutbaren Mitwirkungshandlungen bisher erfüllt
hat, weshalb die Beklagte nicht daran gehindert war, die Leistungen für den Zeitraum ab März 2013 u.a. auch wegen der fehlenden
Einreichung der endgültigen Anlage EKS für den Zeitraum 01.09.2011 bis 28.02.2012 zu versagen. Entgegen der Auffassung des
Klägers erfolgte die Ablehnung der Einstiegsgeld- und Gründungszuschussleistungen mit Bescheid der Beklagten vom 01.12.2009
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.03.2010 nicht, weil die Beklagte selbst davon ausgegangen sei, ein anrechenbares
Einkommen aus Selbständigkeit sei im Zeitraum 01.09.2012 bis 30.06.2013 nicht erzielt worden. Hierzu verweist der Senat auf
die Feststellungen des LSG Nordrhein-Westfalen im auch vom Kläger zitierten Urteil vom 25.06.2013 - L 2 AS 2243/12. Auch der Umstand, dass die Selbstständigkeit des Klägers womöglich nicht tragfähig ist, begründet nicht die Entbehrlichkeit
der Vorlage der angeforderten Unterlagen iSd Mitwirkungshandlung nach §
60 SGB I.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 SGG) liegen nicht vor.