Insolvenzgeld
Einbeziehung von Urlaubsgeld
Urlaubsgeld als akzessorische Arbeitgeberleistung
Urlaubsunabhängige Zahlung
Tatbestand
Der Kläger begehrt höheres Insolvenzgeld (Insg) unter Einbeziehung eines vollen, hilfsweise eines anteiligen Urlaubsgeldes.
Der 1967 geborene Kläger war bei der C GmbH & Co. KG, Bad T, beschäftigt. Nach § 3 des Arbeitsvertrages richteten sich die
Arbeitsbedingungen nach den für den Arbeitgeber maßgeblichen tariflichen Bestimmungen der Nord-Westdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie,
sofern und solange das Unternehmen gemäß § 3 TVG hieran unmittelbar gebunden war, sowie nach den vorhandenen Betriebsvereinbarungen und Arbeitsordnungen.
In dem zwischen dem Verband der Nord-Westdeutschen Textilindustrie e.V., Münster, und der IG Metall, Bezirksleitung, Düsseldorf
am 06.06.1986 geschlossenen Urlaubsabkommen, heißt es u.a.:
§ 2 Höhe des Urlaubsgeldes Das Urlaubsgeld bei vollem tariflichen Urlaubsanspruch ergibt sich aus der Anlage zu diesem Urlaubsabkommen.
Bei anteiligem tariflichem Urlaubanspruch wird das Urlaubsgeld entsprechend der Anzahl der Urlaubstage gezahlt. Bei Urlaubsteilung
ist jeweils das anteilige Urlaubsgeld zu zahlen.
§ 3 Verwirkung und Rückzahlung Der Anspruch auf Urlaubsgeld erlischt mit dem Urlaubsanspruch. Soweit ein Anspruch auf Urlaub
nicht oder nicht mehr besteht, entfällt jeder Anspruch auf Urlaubsgeld. Soweit Urlaub gewährt ist, mindert sich bei Entlassung
aus einem Grunde, der eine fristlose Kündigung rechtfertigt, das Urlaubsgeld für jeden Kalendermonat, in dem das Arbeitsverhältnis
nicht voll bestanden hat, um 1/12 des vollen tariflichen Urlaubsgeldes. Bereits gezahltes Urlaubsgeld ist insoweit zurückzuzahlen.
Bei Ausscheiden unter Vertragsbruch ist bereits gewährtes Urlaubsgeld voll zurückzuerstatten.
Die Protokollnotiz zu dem Urlaubsgeldabkommen Arbeiter/Angestellte einschließlich Auszubildende besagt Folgendes: Das zusätzliche
Urlaubsgeld ist vor Antritt des Haupturlaubs voll auszuzahlen. Es ist bei Anspruch eines ausscheidenden Arbeiters/Angestellten
nur auf Teilurlaub insoweit zurückzuzahlen, als Urlaub nicht gewährt ist oder Abgeltung nicht verlangt werden kann. Die Rückzahlungspflicht
entfällt, wenn der Arbeitgeber fristgemäß gekündigt hat (16.06.1969).
Dieser Tarifvertrag wurde am 16.03.1998 von der ehemaligen Gewerkschaft Textil-Bekleidung auf die IG Metall übergeleitet.
Nach einer telefonischen Auskunft der IG Metall Bezirksleitung NRW vom 19.04.2010 handelt es sich, wenn im Urlaubsgeldabkommen
von Urlaubsgeld und zusätzlichem Urlaubsgeld gesprochen werde, um dieselbe Leistung. Eine Rückzahlung des Urlaubsgeldes habe
nur zu erfolgen, wenn eine fristlose Kündigung erfolgt sei. Bei einem Vergleich, eigener Kündigung des Arbeitnehmers bzw.
betriebsbedingter Kündigung habe keine Rückzahlung zu erfolgen. Die Zahlung des Urlaubsgeldes habe gemäß der Protokollnotiz
zu erfolgen (könne aber auch per Betriebsvereinbarung geregelt werden). Nach der Protokollnotiz habe die Zahlung des Urlaubsgeldes
vor dem Haupturlaub zu erfolgen. Die Protokollnotiz sei eingefügt worden, damit die Unternehmen das Urlaubsgeld nicht gemäß
§ 2 Nr. 3 des Abkommens anteilig zum Zeitpunkt des genommenen Urlaubs auszahlen müssten. Dies wäre ein wesentlich größerer
Aufwand für die Unternehmen.
Nach Mitteilung der Arbeitgeberin ist das Urlaubsgeld jeweils im Juli des Jahres ausgezahlt worden. Sofern ein Arbeitnehmer
vor dem Juli-Stichtag aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sei, habe er anteiliges Urlaubsgeld erhalten. Arbeitnehmer,
die nach Juli ausgeschieden seien, hätten das volle Urlaubsgeld erhalten. Sie hätten dieses nur zurückzahlen müssen, wenn
sie fristlos entlassen worden seien. Bei der gängigen Auszahlungspraxis habe es sich vermutlich um eine betriebliche Übung
gehandelt.
Infolge wirtschaftlicher Schwierigkeiten der Arbeitgeberin wurde zwischen ihr und dem Verband der Nord-Westdeutschen Textil-
und Bekleidungsindustrie e.V., Münster, und der IG Metall, Bezirksleitung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, am 13.05.2009 ein
Sanierungstarifvertrag zur Standort- und Beschäftigungssicherung abgeschlossen. In dem Tarifvertrag heißt es u. a.:
§ 3 Beitrag der Beschäftigten Der Anspruch der Beschäftigten auf die tarifliche Jahressonderzahlung für das Jahr 2008 entfällt.
Der Anspruch der Beschäftigten auf die tarifliche Jahressonderzahlung 2009 entfällt.
Der Anspruch der Beschäftigten auf das tarifliche Urlaubsgeld 2009 soll in drei gleichen Raten erfüllt werden. Die drei Raten
sollen mit den Abrechnungen für die Monate Juni, September und November abgerechnet und an die Beschäftigten ausgezahlt werden.
Diese vereinbarte Ratenzahlung orientiert sich an der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens. Basis hierbei sind die
als Anlage 2 beigefügten Planzahlen und die Liquidität im jeweiligen Auszahlungsmonat. Sollte eine positive wirtschaftliche
Entwicklung nicht eintreten, kann der Anspruch der Beschäftigten auf das tarifliche Urlaubsgeld erst mit der Novemberabrechnung
abgerechnet und ausgezahlt werden. Hierüber wird zuvor eine einvernehmliche Regelung im Lenkungsausschuss getroffen. Damit
ist vereinbart, dass spätestens mit der Novemberabrechnung 2009 das tarifliche Urlaubsgeld 2009 zur Auszahlung kommt.
§ 8 Schlussbestimmungen Dieser Tarifvertrag tritt am 01.05.2009 in Kraft. Die IG Metall hat das Recht, diesen Tarifvertrag
außerordentlich und fristlos zu kündigen, wenn ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer
oder aller Unternehmen gestellt wird Im Falle der Kündigung des Sanierungstarifvertrages bleibt der Kündigungsschutz wie unter
§ 2 geregelt bis zum Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Kündigung erfolgte, bestehen und die Beiträge der Beschäftigten
nach §§ 3 und 4 sind sofort fällig.
Mit Schreiben vom 20.11.2009 kündigte die IG Metall den am 13.05.2009 abgeschlossenen Sanierungstarifvertrag zur Standort-
und Beschäftigungssicherung der Firmen C GmbH & Co. KG und C Textildruck GmbH, Bad T, fristlos und mit sofortiger Wirkung.
Mit Beschluss vom 01.02.2010 (10 IN 340/09) eröffnete das Amtsgericht Detmold wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung das Insolvenzverfahren über das Vermögen der
C GmbH & Co. KG.
Am 25.02.2010 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Insg. Diese bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom
01.03.2010 Insg für die Zeit vom 01.11.2009 bis 31.01.2010 in Höhe von 4.693,80 Euro. Unter Zurücknahme des Bescheides vom
01.03.2010 gewährte die Beklagte dem Kläger mit Änderungsbescheid vom 18.03.2010 Insg in Höhe von nunmehr 4.694,10 Euro. Bei
der Ermittlung dieses Betrages hatte die Beklagte u. a. 3/12 der Jahressonderzahlung (373,00 Euro brutto in 12/09 und 186,00
Euro brutto in 1/10) berücksichtigt. Urlaubsgeld blieb bei der Berechnung des Insg unberücksichtigt.
Den gegen Bescheid vom 01.03.2010 eingelegten Widerspruch nahm der Kläger zurück. Im Rahmen des gegen den Bescheid vom 18.03.2010
eingelegten Widerspruchs führte er aus, im Hinblick auf die Jahressonderzahlung sei die Insg-Berechnung nicht zu beanstanden.
Das zusätzliche Urlaubsgeld sei jedoch zu Unrecht nicht berücksichtigt worden. Es sei in vollem Umfang dem Insg-Zeitraum zuzuordnen.
Zwar sei bis zum Jahr 2008 das zusätzliche Urlaubsgeld betriebsüblich für das ganze Jahr mit der Juli-Abrechnung ausgezahlt
worden. Für das Jahr 2009 sei durch § 3 des Sanierungstarifvertrages zur Standort- und Beschäftigungssicherung vom 13.05.2009
eine abweichende Regelung getroffen worden, nach der das Urlaubsgeld mit der Novemberabrechnung zu zahlen sei. Diese falle
in den Insg-Zeitraum. Es handele sich bei dem zusätzlichen Urlaubsgeld um eine nicht auf einzelne Urlaubstage bezogene zusätzliche
Vergütung, was dazu führe, dass das volle Urlaubsgeld insolvenzgeldfähig sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 08.06.2010 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 28.06.2010 Klage beim Sozialgericht (SG) Detmold auf höheres Insg erhoben. Er vertritt weiterhin die Auffassung, das volle Urlaubsgeld sei über Insg zu zahlen. Nach
dem Sanierungstarifvertrag sei das Urlaubsgeld vollständig im November 2009 auszuzahlen gewesen und damit im Insg-Zeitraum.
Es handele sich nicht um eine Stundungsregelung, sondern um eine Änderung des Auszahlungszeitpunktes im Sinne einer Stichtagsänderung
durch einen Sanierungstarifvertrag, also eine Regelung höherrangigen Rechts. Hilfsweise sei das Urlaubsgeld mit 2/12 des Urlaubsgelds
für das Jahr 2009 und zu 1/3 des Urlaubsgeldes für das Jahr 2010 zu berücksichtigen.
Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 18.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.06.2010 zu verurteilen,
ihm höheres Insg unter Einbeziehung des Urlaubsgeldes für 2009 i. H. v. 628,00 EUR (richtig 638,00 EUR) zu gewähren, hilfsweise
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 18.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.06.2010 zu verurteilen,
ihm höheres Insg unter Berücksichtigung von 2/12 des Urlaubsgeldes für 2009 und 1/12 des Urlaubsgeldes für 2010 nach Maßgabe
der gesetzlichen Vorschriften zu gewähren.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, dass im Sanierungstarifvertrag der Urlaubsgeldanspruch nicht grundsätzlich neu geregelt
worden sei, d. h. keine generelle Änderung des Auszahlungstermins vorgenommen, sondern nur eine Ratenzahlungsvereinbarung
für das Urlaubsgeld 2009 getroffen worden sei. Da das Urlaubsgeld als jahresbezogene Leistung geregelt worden sei, sei auch
keine 3/12-Berücksichtigung für den Insg-Zeitraum möglich.
Das SG hat die Klage ohne mündliche Verhandlung mit Urteil vom 05.03.2013 unter Zulassung der Berufung abgewiesen. Zur Begründung
hat es im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stehe gegenüber der Beklagten kein Anspruch auf höheres Insg zu. Bei dem noch
streitigen Urlaubsgeld sei nicht von einer monatsbezogenen Leistung, sondern von einer jahresbezogenen Leistung auszugehen.
Hierfür spreche, dass eine Rückzahlung des Urlaubsgeldes beim unterjährigen Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis nur
zu erfolgen gehabt habe, wenn eine fristlose Kündigung erfolgt sei. Nur dann sei das Urlaubsgeld in Höhe von 1/12 für jeden
Monat, für den das Arbeitsverhältnis nicht voll bestanden hatte, zurückzuzahlen gewesen. Lasse sich die jährliche Sonderzuwendung
des Urlaubsgeldes nicht einzelnen Monaten zurechnen, sei sie in voller Höhe zu berücksichtigen, wenn sie im Insg-Zeitraum
zu einem Stichtag im Arbeitsverhältnis stehenden Arbeitnehmern hätte ausgezahlt werden müssen. Sei dies nicht der Fall, finde
sie überhaupt keine Berücksichtigung. Bloße Fälligkeitsvereinbarungen ohne Veränderung des Rechtsgrundes vermöchten eine Änderung
des Stichtags und damit eine Änderung in der zeitlichen Zuordnung der Sonderzuwendung nicht herbeizuführen.
Nach der betrieblichen Übung der Fa. C GmbH & Co. KG, Bad T, sei das Urlaubsgeld im Juli gezahlt worden. In Übereinstimmung
mit der Beklagten sei davon auszugehen, dass der Urlaubsgeldanspruch immer im Juli eines Kalenderjahres (mit der Juliabrechnung
= Stichtag) entstanden sei. Dieser Stichtag liege außerhalb des Insg-Zeitraums vom 01.11.2009 - 31.01.2010. Das Urlaubsgeld
könne dem Insg-Zeitraum mit der Folge eines höheren Insg auch nicht über die Regelungen des Sanierungstarifvertrages vom 13.05.2009
zugeordnet werden. Die Regelungen des Sanierungstarifvertrages stellten lediglich eine bloße Fälligkeitsverschiebung im Sinne
einer dem Arbeitgeber eingeräumten Stundung dar, änderten aber nichts an den Grundentstehungsvoraussetzungen des Urlaubsgeldanspruchs.
Gegen das dem Kläger am 20.03.2013 zugestellte Urteil hat dieser am 19.04.2013 Berufung eingelegt. Entgegen der Auffassung
der Beklagten sei höheres Insg unter Einbeziehung eines vollen Urlaubsgeldes in Höhe von 638,00 Euro, hilfsweise mit 2/12
des Urlaubgeldes für das Jahr 2009 und 1/12 des Urlaubsgeldes für das Jahr 2010 zu berücksichtigen. Das Gehalt sei am 10.
des Folgemonats für den vorangegangenen Monat jeweils gezahlt worden. Mit der Abrechnung vom 10. Juli sei jeweils auch vor
dem Jahr 2009 das Urlaubsgeld vollständig abgerechnet worden. Unstreitig dürfte sein, dass es sich bei dem Anspruch auf Urlaubsgeld
vorliegend nicht um eine streng akzessorische Leistung zu dem Urlaubsentgelt handele und der Anspruch unabhängig von der tatsächlichen
Urlaubsnahme bestehe. Hierbei habe es sich um eine betriebliche Übung gehandelt. Das Urlaubsgeld sei vorliegend in voller
Höhe zu berücksichtigen, weil der Anspruch im Insg-Zeitraum entstanden sei. Entsprechend dem Sanierungstarifvertrag sei geregelt,
dass das tarifliche Urlaubsgeld in drei gleichen Raten im Juni, September und November 2009 an die Mitarbeiter ausgezahlt
werde. Entgegen der Auffassung des SG beinhalte § 3 des Änderungstarifvertrages keine bloße Fälligkeitsverschiebung. Durch den Sanierungstarifvertrag, der natürlich geschlossen
worden sei, um der Arbeitgeberin des Klägers über die schwierige wirtschaftliche Lage hinwegzuhelfen, sei eine abweichende
Regelung getroffen worden, wonach das tarifliche Urlaubsgeld 2009 mit der Novemberabrechnung 2009 zur Auszahlung komme. Da
das Urlaubsgeld somit im Insg-Zeitraum entstanden sei, sei es in voller Höhe zu berücksichtigen.
Aufgrund des hier beschriebenen besonderen Sachverhalts sei entgegen der Auffassung der Beklagten und des Vordergerichts die
von diesen zitierte BSG-Rechtsprechung nicht anzuwenden. Hinsichtlich des gestellten Hilfsantrages werde auf die Ausführungen im Klageverfahren verwiesen.
Im Übrigen habe die Beklagte bei der Bewilligung des Insg 3/12 der Jahressonderzahlung berücksichtigt. Dies müsse dann auch,
wie hilfsweise beantragt, für das Urlaubsgeld gelten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 05.03.2013 zu ändern und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 18.03.2010
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.06.2010 zu verurteilen, ihm Insg in Höhe weiterer 638 Euro zu zahlen, hilfsweise
die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 18.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.06.2010 zu verurteilen,
ihm höheres Insg unter Berücksichtigung von 2/12 des Urlaubsgeld für 2009 und 1/12 des Urlaubsgeldes für 2010 nach Maßgabe
der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil. Soweit der Kläger nochmals die Frage aufwerfe,
ob das Urlaubsgeld und die jährliche Sonderzuwendung nicht hätten gleichbehandelt werden müssen und dass Urlaubsgeld jedenfalls
auch zu 3/12 hätte berücksichtigt werden müssen, verweise sie auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid, der sich mit dieser
Frage zutreffend auseinandersetze.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie auf den Verwaltungsvorgang der
Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Kläger hat, wie das SG zu Recht entschieden hat, keinen Anspruch auf höheres Insg. Das Urlaubsgeld ist weder in vollem Umfang noch anteilsmäßig
zu berücksichtigen.
Anspruch auf Insg haben nach §
183 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB III) in der vom 12.12.2006 bis ein 31.03.2012 gültigen Fassung (BGBl. I S. 2742) Arbeitnehmer, wenn sie bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens
über das Vermögen des Arbeitgebers (Insolvenzereignis) für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche
auf Arbeitsentgelt haben. Zu den Ansprüchen auf Arbeitsentgelt gehören nach §
183 Abs.
1 Satz 3
SGB III alle Ansprüche auf Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis, soweit sie sich den dem Insolvenzereignis vorausgehenden drei Monaten
des Arbeitsverhältnisses zuordnen lassen.
Bei dem noch streitgegenständlichen Urlaubsgeld in Höhe von 638,00 Euro, dessen Einbeziehung in das Insg der Kläger fordert,
handelt es sich um einen Anspruch auf Arbeitsentgelt im Sinne von §
183 Abs.
1 Satz 3
SGB III (zum Charakter des zusätzlichen Urlaubsgeldes als Arbeitsentgelt siehe BSG, Urteil vom 23.03.2006 - B 11a AL 65/05 R m.w.N., [...]). Der Kläger hatte auch nach seinem Arbeitsvertrag i.V.m. dem maßgeblichen
Tarifvertrag Anspruch auf das zusätzliche Urlaubsgeld in den Jahren 2009/2010, weil sein Arbeitgeber in diesem Zeitraum tarifgebunden
war. Auch der Sanierungsvertrag hat hieran nichts geändert. Gleichwohl kann der Kläger keine Berücksichtigung dieses zusätzlichen
Entgelts im Rahmen des Insg beanspruchen, weil es weder ganz noch anteilig dem Insg-Zeitraum zugeordnet werden kann.
Wird Urlaubsgeld als akzessorische Arbeitgeberleistung für die Dauer des Urlaubs gewährt, ist es beim Insg nur zu berücksichtigen,
soweit es für die Zeit der Urlaubstage in den letzten drei Monaten vor dem Insolvenzereignis vom Arbeitgeber zu zahlen gewesen
wäre (BSG, Urteil vom 04.03.2009 - B 11 AL 8/08 R, Rn. 22, [...]). Wird es dagegen urlaubsunabhängig gezahlt, ist es wie jede andere jährliche Sonderzuwendung nur dann berücksichtigungsfähig,
wenn es sich ganz oder anteilig den dem Insolvenzereignis vorausgehenden drei Monaten zuordnen lässt (BSG a.a.O.; BSG, Urteil vom 23.03.2006 a.a.O. Rn. 16 [...]).
Das von dem Kläger zu beanspruchende Urlaubsgeld ist keine akzessorische Arbeitgeberleistung gewesen, was sich nach dem maßgeblichen
Tarifvertrag beurteilt (BAG, NZA 1998, 666-667). Nach dem entsprechenden Urlaubsgeldabkommen könnte nur dessen § 3 Nr. 1 für eine Akzessorietät sprechen, weil danach
der Anspruch auf Urlaubsgeld mit dem Urlaubsanspruch erlischt und jeder Anspruch auf Urlaubsgeld entfällt, soweit ein Anspruch
auf Urlaub nicht oder nicht mehr besteht. Hieraus folgt aber lediglich, dass der Anspruch auf das zusätzliche Urlaubsgeld
auf den Kreis der Arbeitnehmer beschränkt ist, der Urlaub im jeweiligen Jahr in Anspruch nehmen könnte. Dagegen fehlt es sowohl
an einer Verknüpfung des Urlaubsgeldanspruchs mit der Urlaubsvergütung (vgl. BAG a.a.O.) als auch an einer Beziehung zum tatsächlichen
Urlaubsantritt (vgl. BAG, Urteil vom 15.4.2003 - 9 AZR 255/96, Rn. 16/17 [...]). Soweit nach der Protokollnotiz zu § 3 das zusätzliche Urlaubsgeld vor Antritt des Haupturlaubs auszuzahlen
ist, folgt hieraus nichts anderes. Dies ergibt sich schon aus dem weiteren Zusatz der Notiz, wonach eine Rückzahlungspflicht
bei Nichtgewährung von Urlaub begründet wird, was voraussetzt, dass das Urlaubsgeld auch im Falle des Nichtantritts von Urlaub
auszuzahlen war. Diese Notiz kann vielmehr nur dahin verstanden werden, dass der Anspruch spätestens im Zeitpunkt des üblichen
Haupturlaubs - Sommerferien in NRW - entsteht und fällig wird, wie es auch der von der Arbeitgeberin des Klägers geübten Praxis
- Auszahlung im Juli des jeweiligen Jahres - entspricht.
Hieraus folgt zugleich, dass der Anspruch nicht im Insg-Zeitraum entstanden ist, sondern bereits im Juli 2009 in voller Höhe
begründet war, so dass er keine Berücksichtigung finden kann. An dem Entstehungszeitpunkt hat der Sanierungstarifvertrag nichts
geändert, weil er nicht den Entstehungszeitpunkt, sondern lediglich den Fälligkeitszeitpunkt verschoben hat.
Hierfür spricht zunächst der Wortlaut des § 3 Abs. 2 Satz 1 des Sanierungstarifvertrages, wonach der Anspruch lediglich "in
drei gleichen Raten" erfüllt werden soll, nicht aber drei verschiedene Ansprüche entstehen. Diese Raten sollten mit den Abrechnungen
für die Monate Juni, September und November abgerechnet und an die Beschäftigten ausgezahlt werden. Bei schlechter wirtschaftlicher
Entwicklung konnte der Anspruch auf das tarifliche Urlaubsgeld erst mit der Novemberabrechnung abgerechnet und ausgezahlt
werden. Gerade letztere Regelung, die hier zum Tragen gekommen ist, belegt, dass es sich bei der Neubestimmung des Auszahlungszeitpunktes
lediglich um die Stundung bereits bestehender Urlaubsentgeltansprüche handeln sollte, weil es je nach wirtschaftlicher Entwicklung
in das Ermessen der Arbeitgeberin gestellt worden ist, wann sie die Auszahlung vornehmen wollte. Die Änderung des Entstehungszeitpunkts
auf mehrere Monate wäre demgegenüber unpraktikabel, weil sie zur Folge gehabt hätte, dass einzelne Arbeitnehmer möglicherweise
die Anspruchsvoraussetzungen nicht in sämtlichen Zeitpunkten erfüllt hätten (vgl. BSG, Urteil vom 21.07.2005 - B 11a/11 AL 53/04 R, Rn. 19, [...]). Ein solcher Wille kann aber den Vertragsparteien nicht unterstellt
werden.
Die fristlose Kündigung des Sanierungsvertrages mit Schreiben vom 20.11.2009 und damit während des Insg-Zeitraumes rechtfertigt
ebenfalls keine andere Beurteilung. Die fristlose Kündigung des Sanierungsvertrages wirkt sich nicht auf den Entstehungsgrund
für das Urlaubsgeld, sondern lediglich auf die Fälligkeit aus. Denn im Falle der Kündigung des Sanierungstarifvertrages sind
gemäß dessen § 8 die Beiträge der Beschäftigten nach den §§ 3 und 4 sofort fällig. Aus diesem Grunde konnte die Beklagte auch
die tarifliche Jahressonderzahlung bei der Berechnung des Insg anteilig berücksichtigen. Gerade diese ausdrückliche Fälligkeitsregelung
widerspricht aber der Annahme des Klägers, mit dem Sanierungsvertrag sei auch eine Änderung des Entstehungsgrundes des Urlaubsgeldes
vereinbart worden.
Auch eine anteilige Berücksichtigung des Urlaubsgeldes bei der Berechnung des Insg zu 3/12, wie vom Kläger hilfsweise begehrt,
scheidet aus. Bei dem Urlaubsgeld handelt es sich um eine jahresbezogene Leistung, die einzelnen Monaten nicht zugeordnet
werden kann. Eine Sonderzahlung, die wie hier grundsätzlich allen Arbeitnehmern bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen im
jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt ungekürzt und unabhängig von der Betriebszugehörigkeit im Laufe des Jahres auszuzahlen ist,
ist nicht zeitanteilig erarbeitet (BSG SozR 4-4300 § 183 Nr. 5 Rn. 9 mwN.). Nach § 2 des Urlaubsgeldabkommens wurde das Urlaubsgeld als Fixbetrag gezahlt und lediglich bei den nicht
volljährigen Arbeitnehmern prozentual gemindert (60 % nach vollendetem 14. Lebensjahr, 70 % nach vollendetem 15. Lebensjahr
und 80 % nach vollendetem 17. Lebensjahr). Nur bei einer Entlassung aus einem Grund, der eine fristlose Kündigung rechtfertigte,
minderte sich das Urlaubsgeld für jeden Kalendermonat, in dem das Arbeitsverhältnis nicht voll bestanden hatte, um ein Zwölftel
des vollen tariflichen Urlaubsgeldes und war voll zurückzuerstatten bei einem Ausscheiden unter Vertragsbruch (§ 3 Abs. 2,
3). Hieraus folgt aber, dass der Anspruch nicht monatsweise erarbeitet wurde, sondern an einen bestimmten Zeitpunkt in voller
Höhe entstand und im Falle einer ordentlichen Kündigung dem Arbeitnehmer in voller Höhe verblieb.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß §
160 Abs.
2 SGG zuzulassen, sind nicht gegeben.